Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 585 - Frank Moorfield - Страница 6

1.

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Der junge Fischer hatte nur noch Augen für Margarida. Wie immer, wenn sie bei ihm war, wurde alles andere für ihn bedeutungslos. Drüben im Dorf durfte niemand etwas von ihrer Liebe erfahren, deshalb fanden sie nur selten die Gelegenheit, sich im Schutz der Dunkelheit hier draußen am felsigen Strand zu treffen.

Margarida schmiegte sich eng an ihn. Nicht nur seine Nähe, sondern auch die Wärme seines Körpers tat ihr gut, denn die Märznächte im Jahre des Herrn 1598 waren an der Küste Portugals noch kühl und windig.

Die Wasserfläche des Atlantiks glich einer grauschwarzen Masse. Nur manchmal, wenn der Mond hinter den Wolken hervortauchte, war ein silbriges Glänzen zu sehen.

Felipes Arme schlossen sich noch fester um die Schultern des Mädchens. Während er den Duft ihrer seidigen Haare einatmete, tasteten sich seine Lippen zu ihrem vollen, sinnlichen Mund.

Doch Margarida wurde die merkwürdige Unruhe, die sie schon auf dem Weg hierher begleitet hatte, nicht los.

„Hör’ zu, Felipe, ich …“

Der Mann unterbrach sie.

„Vergiß alles“, sagte er. „Diese Stunde gehört uns. Uns beiden ganz allein.“

Margarida nahm Felipes Worte jedoch kaum noch zur Kenntnis. Ihre Blicke waren über seine linke Schulter hinweg in die Dunkelheit gerichtet, und ihre Augen weiteten sich plötzlich vor Angst und Schrecken.

Als der Mond hinter Wolkenfetzen verschwunden war, hatte sie Bewegungen wahrgenommen und diese für ein Spiel zwischen Licht und Finsternis gehalten. Jetzt aber schwebte die goldgelbe Kugel wieder unverhüllt am Himmel, und die vermeintlichen Schattenspiele entpuppten sich als dunkle Gestalten, die wie gespenstische Wesen durch die kühle Märznacht huschten.

Die Idylle am Strand fand ein jähes Ende.

Margarida riß sich spontan von Felipe los und stieß einen lauten Schrei aus. Fast gleichzeitig preßte sie eine Hand auf den Mund, weil ihr bewußt wurde, daß sie einen schweren Fehler begangen hatte.

Felipe fuhr wie von einer Tarantel gestochen herum.

„Bei Gott – was ist los, Margarida?“ stieß er hervor.

Eine Antwort erübrigte sich, denn jetzt sah auch er jene unheimlichen Gestalten, die sich lautlos über den Strand bewegten und unverkennbar die Richtung zum Dorf eingeschlagen hatten.

Eigentlich handelte es sich nur um Schemen, die sich ohne Bewegung kaum von der Dunkelheit abheben würden. Und merkwürdigerweise sahen sie alle gleich aus – schwarz, düster und geheimnisvoll.

Felipe packte Margarida blitzschnell am Arm, um sie hinter einen Felsbrocken zu ziehen.

„Sei ganz still!“ zischte er.

Aber seine Ermahnung erfolgte zu spät. Margaridas Schrei hatte die Gestalten auf das lauschige Plätzchen hingewiesen, das ihnen seit Monaten als Treffpunkt diente.

Einige Schatten hatten sich bereits aus der Schar gelöst und eilten, die Deckung der Felsen ausnutzend, auf das Versteck der beiden jungen Leute zu.

„O Santa Maria!“ entfuhr es Margarida. „Sind das Geister, Felipe?“ Sie kauerte bebend vor Angst am Boden und klammerte sich an den jungen Fischer.

„Bestimmt nicht“, erwiderte Felipe. „Wir müssen verschwinden. Du hättest nicht schreien dürfen, Margarida.“

Felipe nahm das Mädchen an der Hand und zog es eilig hinter sich her. Er war sich darüber im klaren, daß es völlig sinnlos war, sich jetzt noch verstecken zu wollen. Außerdem konnte er allein und ohne Waffe nichts gegen diese finstere Schar ausrichten.

Die beiden jungen Leute liefen, so schnell sie die Beine trugen. Sie eilten über Geröll und Sand, vorbei an zerklüfteten Felsen und spärlichem Gestrüpp. Sie kannten den Weg zu dem nahegelegenen Fischerdorf, das sich kaum wahrnehmbar an das Ufer einer kleinen Bucht schmiegte, sehr genau und fanden sich auch in der Dunkelheit gut zurecht.

Trotzdem gelangten sie nicht weit.

Nur dreißig Schritte von ihnen entfernt, schienen plötzlich einige dieser unheimlichen Schatten aus dem Boden zu wachsen. Sie waren in schwarze Kutten gehüllt, ihre Köpfe wurden von spitzzulaufenden Kapuzen verdeckt. Felipe konnte nicht verhindern, daß auch ihm bei diesem Anblick ein eiskalter Schauer über den Rücken lief.

Doch für Überlegungen blieb keine Zeit. Von diesen Gestalten ging Gefahr aus, das fühlte er instinktiv. Er versuchte deshalb nach rechts auszuweichen und zog Margarida mit festem Griff hinter sich her.

Aber auch dort tauchten plötzlich die gespenstischen Kapuzenmänner aus der Dunkelheit hervor und schnitten ihnen den Weg ab.

Die beiden jungen Leute stoppten jäh ihre Schritte. Felipe suchte krampfhaft nach einem Ausweg, aber den gab es nicht mehr, man hatte sie regelrecht umzingelt.

Margarida begann zu schluchzen und drängte sich schutzsuchend an den jungen Fischer. Er spürte deutlich ihr Zittern und legte die Arme um sie.

„Sei ganz ruhig, Margarida“, sagte er, „niemand wird dir etwas tun.“

Die Lippen des Mädchens bebten. „Es – es sind Gespenster, Felipe, glaube mir …“

Der Mann schüttelte energisch den Kopf, obwohl auch er sich im stillen eingestehen mußte, daß ihm die Situation alles andere als geheuer war.

„Ich glaube, es sind Mönche“, sagte er – immer darauf bedacht, das Mädchen zu beruhigen.

Die Kuttenträger standen still und reglos wie Zaunpfähle in der Landschaft. Sie schienen sich ihrer Überlegenheit absolut sicher zu sein.

Während Margarida leise wimmerte, huschten Felipes Blicke gehetzt hin und her. Hinter seiner Stirn jagten sich die Gedanken. Was waren das für merkwürdige Gestalten? Handelte es sich tatsächlich um Mönche? Wenn ja – was suchten sie dann zu dieser nächtlichen Stunde hier am Strand? Und warum hatten sie zuvor den Weg zum Dorf eingeschlagen?

Felipe fand keine Antwort auf diese Fragen, aber er verspürte den dringenden Wunsch, eine Entscheidung herbeizuführen. Er wollte endlich wissen, was hier gespielt wurde.

Er strich Margarida abermals beruhigend über das Haar, dann durchbrach er mit fester Stimme die bedrückende Stille.

„Wer seid ihr?“ fragte er. „Und was wollt ihr von uns? Wenn ihr Männer Gottes seid, dann benennt euren Orden und gebt uns um Christi willen euren Segen, damit wir in Frieden in unser Dorf zurückkehren können. Wenn ihr aber Böses im Schilde führt, dann bedenkt, daß wir arme Fischer sind. Wir besitzen nichts, was für euch von Wert sein könnte …“

Felipe, der all seinen Mut in diese Worte gelegt hatte, wurde jäh unterbrochen.

Einer der unheimlichen Mönche trat einen Schritt vor und zog einen Dolch unter der Kutte hervor. Das fahle Licht des Mondes spiegelte sich im blanken Metall der Waffe.

„Wir sind zwar keine Betbrüder“, sagte er mit rauher Stimme, „aber unseren Segen sollt ihr trotzdem erhalten.“

Das spöttische Gelächter, das jetzt folgte, ließ selbst Felipe die Haare zu Berge stehen. Bei allen Heiligen – der beißende Hohn, der Triumph, Kälte, Skrupellosigkeit und Mordlust zum Ausdruck brachte, konnte fürwahr nicht den Kehlen frommer Männer entspringen. Es schienen vielmehr die Schlünde der Hölle zu sein, die sich hier draußen am Strand geöffnet hatten.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 585

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