Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 585 - Frank Moorfield - Страница 8

3.

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Margarida zitterte wie Espenlaub. Hatten ihr die starken Arme und die beruhigenden Worte Felipes zunächst noch ein vages Gefühl von Sicherheit vermittelt, so wurde sie jetzt von Angst beherrscht.

Kaum war das schaurige Gelächter der unheimlichen Mönche verhallt, begannen sich die finsteren Gestalten zu bewegen. Der Kreis, der sich um das junge Liebespaar gebildet hatte, wurde enger und enger, und der Kuttenmann, der bereits einen Dolch in der Hand hielt, rief einen kurzen Befehl.

„Ruhig, ganz ruhig, Margarida“, flüsterte Felipe. „Ich werde nicht zulassen, daß dir etwas geschieht. Wenn sie noch einige Schritte näher heran sind, läufst du los, und zwar nach rechts. Dort klafft die größte Lücke in ihrem Kreis. Lauf, so schnell du kannst, zum Dorf, ich werde inzwischen versuchen, die Kerle aufzuhalten.“

Margarida klammerte sich noch enger an ihn.

„Nein, Felipe, ich bleibe bei dir, was auch immer geschehen mag.“

Der junge Fischer versuchte ihre Arme mit sanfter Gewalt von seinem Nacken zu lösen.

„Sei vernünftig, Margarida. Wir müssen es versuchen, auch um unserer Familien willen. Es geht nicht nur um unsere Sicherheit, auch das Dorf muß gewarnt werden.“

„Schon gut, Felipe“, flüsterte das Mädchen. „Ich werde alles tun, was du sagst. Möge die heilige Jungfrau dich beschützen.“

Felipe hauchte einen raschen Kuß auf ihre Lippen, dann sagte er: „Jetzt, Margarida – jetzt lauf los!“

Das Mädchen gehorchte. Ihre Hände glitten von seinen Schultern, dann fuhr die schlanke Gestalt herum und eilte leichtfüßig wie ein Reh über das Geröll.

Felipe versuchte, die Mönche abzulenken. Er bückte sich blitzschnell und griff nach einigen faustgroßen Steinen.

„Wenn ihr keine Männer Gottes seid, dann geht zum Teufel!“ rief er mit lauter Stimme. Fast gleichzeitig holte er weit aus und schleuderte den ersten Stein.

Der Kerl mit dem Dolch versuchte dem Wurfgeschoß auszuweichen, aber da er offensichtlich nicht mit dieser Reaktion gerechnet hatte, schaffte er es nur teilweise.

Der Steinbrocken erwischte ihn an der rechten Schulter und riß ihn ein Stück um die eigene Achse. Hätten ihn nicht zwei seiner Kumpane aufgefangen, wäre er unweigerlich zu Boden gegangen.

Während ein ächzender Laut über seine Lippen drang, löste sich der Dolch aus seiner Hand und fiel auf die Erde. Gleich darauf bedachte der Kapuzenträger den jungen Fischer mit einem wütenden Fluch.

Felipe warf bereits den nächsten Stein. Er kämpfte den Kampf des Verzweifelten und war sich darüber im klaren, daß er sich diese teuflischen Männer nicht auf Dauer vom Leib halten konnte. Seine ganze Sorge galt jedoch Margarida. Er war bereit zu sterben, wenn nur das Mädchen es schaffte, ins Dorf zu fliehen.

Kraftvoll beugte er sich zurück und schleuderte den gespenstischen Gestalten den dritten Steinbrocken entgegen. Ein lauter Schmerzensschrei bestätigte ihm, daß er sein Ziel nicht verfehlt hatte. Noch während er sich bückte, um weitere Steine aufzuraffen, sah er, wie einige der Mönche mit langen Sätzen auf Margarida zueilten.

„Lauf, Margarida, lauf!“ schrie er.

Die ranke Gestalt des Mädchens flog wie ein heller Schatten durch die Nacht. Aber sie hatte dennoch keine Chance, den Kreis zu durchbrechen. Noch bevor sie durch die Lücke schlüpfen konnte, wurde sie von zwei Kapuzenmännern gepackt.

Das laute Schreien Margaridas ließ Felipe erschauern. Seine schwache Hoffnung, daß sie es schaffen würde, hatte sich nicht erfüllt. In einem letzten Aufbäumen warf er den heranstürmenden Gestalten die beiden Steinbrocken entgegen, die er noch aufgehoben hatte.

„Ihr Teufel!“ brüllte er. „Laßt das Mädchen los, sie hat euch nichts getan!“

Innerhalb von wenigen Augenblicken wurden seine Rufe ebenso erstickt wie die lauten Schreie Margaridas. Felipe spürte einen harten Schlag gegen das Kinn, dann torkelte er zwei Schritte zurück und prallte gegen eine unsichtbare Mauer aus Menschenleibern. Nachdem ihm ein weiterer kräftiger Fausthieb wie ein Geschoß in die Magengrube gefahren war, sackte er mit einem Aufstöhnen zu Boden.

Einen Augenblick kauerte er zusammengekrümmt und etwas benommen auf dem Geröll, dann wurde er von derb zupackenden Fäusten hochgerissen.

Ein Kapuzenmann hielt ihm ein Messer vor die Brust.

„Schluß jetzt, Freundchen!“ zischte er. „Wenn du noch ein einziges Mal muckst, bist du dran. Und deine hübsche Freundin ebenfalls.“

Trotz dieser Drohung versuchte sich Felipe loszureißen.

„Zur Hölle mit euch!“ stieß er hervor. „Was wollt ihr von uns? Laßt wenigstens Margarida in Ruhe …“

Ein schmerzhafter Fausthieb zwang ihn erneut in die Knie.

„Ein hübsches Vögelchen, deine Margarida“, höhnte der Kerl, der ihn niedergeschlagen hatte. „Wenn das Mädchen vernünftig ist, wird es noch eine große Zukunft vor sich haben.“ Er unterstrich seine Worte mit einem meckernden Lachen, in das seine Komplicen mit einstimmten.

Felipe sah ein, daß er nicht die geringste Chance gegen diese Burschen hatte. Es blieb ihm vorerst nichts anderes übrig, als sich in sein Schicksal zu fügen und abzuwarten, was die vermeintlichen Mönche bezweckten.

Wie aber erging es Margarida? Ein rascher Blick nach rechts zeigte ihm, daß auch sie sich endgültig in der Gewalt dieser Männer befand. Schluchzend rief sie nach ihm, doch er konnte ihr nicht helfen. Erst als ihr einer der Kerle die Hand auf den Mund preßte, erstarb ihre Stimme.

Der Anführer zischte abermals einige knappe Befehle, und von da an ging alles ziemlich schnell. Felipe und Margarida wurden die Hände auf den Rücken gefesselt, dann brachen vier der Kapuzenmänner mit ihnen in die Richtung auf, aus der die finsteren Gestalten erschienen waren. Die übrigen Männer setzten ihren ursprünglichen Weg fort, der zu dem kleinen Fischerdorf führte.

Die Wolken verdichteten sich. Das Licht, mit dem der Mond die einsame Landschaft überschüttete, wurde immer spärlicher. Es wurde kühler. Die frische Brise, die vom Atlantik herüberwehte, roch nach Salz und Tang.

Nach einem kurzen Fußmarsch nahmen Felipe und Margarida die dunklen Umrisse eines Schiffes wahr, das nicht weit vom Strand entfernt vor Anker lag.

Piraten! schoß es Felipe durch den Kopf. Das sind Piraten, die sich als Mönche getarnt haben. Warum wohl waren sie nicht direkt in die kleine Bucht gesegelt, wenn sie das Dorf überfallen wollten?

Darauf fand der junge Fischer zunächst keine Antwort. Die Schnapphähne trieben ihre beiden Gefangenen über den Strand und stoppten ihre Schritte dicht am Wasser. Dann hantierte einer von ihnen mit Flint und Feuerstein, während ihn ein anderer mit seiner weiten Kutte gegen den Wind abschirmte. Bald brannte eine winzige Fackel, mit der er kreisende Bewegungen vollführte. Die Lichtzeichen wurden auf dem Schiff rasch beantwortet. Der Mönch warf daraufhin seine Fackel ins Wasser.

Kurze Zeit danach knirschte der Kiel eines Bootes im Sand. Es war mit einigen Gestalten besetzt, die nicht in Mönchskutten steckten. Sie gaben ihren Kumpanen am Strand durch Winkzeichen zu verstehen, daß sie an Bord kommen sollten.

„Was ist los?“ fragte ein bulliger Mann, nachdem man die Gefangenen ins Boot gebracht hatte. „Wo habt ihr denn die aufgegabelt?“

Der Kerl, der die Fackel entzündet hatte, winkte ab.

„Ein Liebespärchen, das wir beim Stelldichein am Strand überrascht haben“, erwiderte er. „Ist die Kleine nicht ein süßes Täubchen?“

Der Bullige, der auf der achteren Ducht hockte, nickte und warf der zitternden Margarida einen abschätzenden Blick zu.

„Sieht ganz danach aus“, meinte er. „Hoffentlich stellt sich bei Tageslicht nicht heraus, daß sie einen Buckel und Warzen hat.“

Die Kerle zeigten ein höhnisches Grinsen.

Niemand redete mehr, während das Boot zum Schiff zurückgepullt wurde. Es war mühsam, das Rauschen der Brandung mit der Stimme zu übertönen.

Felipes Gedanken wirbelten durcheinander. Er suchte immer noch fieberhaft nach einem Ausweg, der es ihm ermöglichte, mit Margarida zu fliehen. Doch das war reines Wunschdenken. Niemand konnte gefesselt und unter strenger Bewachung über Bord springen und davonschwimmen. Das wurde ihm um so klarer, je näher und bedrohlicher die Silhouette des Schiffes auf ihn zurückte.

Es handelte sich um eine Karavelle, die genauso schwarz war wie die Mönchskutten der Kerle.

Felipe und Margarida wurden an Bord gebracht und ohne Umschweife in die Vorpiek, den untersten und dunkelsten Raum des Schiffes, gesperrt. Quietschende Eisenriegel stellten klar, daß es aus diesem Gefängnis, in dem es nach Feuchtigkeit und Moder roch, kein Entrinnen gab.

Beim Betreten des Schiffes war Felipe aufgefallen, daß die Stückpforten geöffnet und auf jeder Seite vier Kanonen ausgerannt waren. Die Karavelle befand sich demnach im Zustand der Gefechtsbereitschaft. Zudem schienen es die Kapuzenmänner eilig zu haben. Kaum waren die Kerle mit ihren beiden Gefangenen an Bord, da wurde auch schon der Anker gehievt, und man setzte die Segel.

Das Schiff nahm bald Fahrt auf, das entging Felipe auch in der Vorpiek nicht. Und da der junge Fischer zwei und zwei zusammenzählen konnte, wurde ihm rasch klar, daß das nächtliche Treiben nur seinem Heimatdorf gelten konnte.

Die Kapuzenmänner gingen nach einer ganz bestimmten Taktik vor. Während sich ein Teil von ihnen auf dem Landweg an die kleine Fischersiedlung pirschte, würde die Karavelle in die Bucht segeln und das Feuer eröffnen.

Die Bewohner mußten sich in ihrem schwachen Widerstand logischerweise auf das fremde Schiff konzentrieren, und genau zu diesem Zeitpunkt würden ihnen die unheimlichen Mönche völlig überraschend von der Landseite her in den Rücken fallen.

Felipe wurde siedendheiß bei diesem Gedanken. Es gab niemanden, der die armen Fischer von Santa Maria warnen konnte. Sie waren dem heimtückischen Angriff dieser teuflischen Kerle wehrlos ausgeliefert. Reflexartig zerrte der junge Mann an seinen Fesseln, doch dann wurde ihm abermals die Aussichtslosigkeit seiner Lage bewußt.

Zunächst brauchte ihn Margarida. Sie hatte sich sofort, nachdem der Riegel vorgeschoben worden war, schutzsuchend an ihn gedrängt. Sie konnten sich in der Dunkelheit nicht sehen und wegen der Fesseln, die ihre Handgelenke umspannten, auch nicht ertasten. Dennoch vermittelte ihnen die körperliche Nähe zumindest ein bißchen das Gefühl der Geborgenheit.

„Was haben diese Männer mit uns vor, Felipe?“ fragte Margarida. Die erste Panik war verflogen, ihre Stimme klang zwar noch ängstlich, aber gefaßt.

Der junge Mann zuckte in der Dunkelheit mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht, Margarida“, sagte er dann offen. „Wir beide haben für den Augenblick wohl nichts zu befürchten, aber ich sorge mich um unser Dorf …“

„Um das Dorf?“ unterbrach sie ihn entsetzt. „Bei Gott – das darf nicht wahr sein! Hoffentlich täuschst du dich.“ In der Aufregung hatte sie völlig vergessen, daß die düstere Schar der Kuttenträger ihren lautlosen Marsch zur Bucht fortgesetzt hatte.

Das Gesicht des Mannes verzog sich in der Dunkelheit zu einem bitteren Lächeln, als er seine linke Wange an Margaridas Haar schmiegte. Er wußte, daß er sich nicht täuschte, aber er wollte das Mädchen nicht weiter beunruhigen, deshalb schwieg er.

Die Zeit verrann, Felipe verlor in der muffigen Finsternis der Vorpiek jegliches Gefühl dafür. Er wußte nicht, ob eine oder zwei Stunden vergangen waren, als plötzlich Stimmen laut wurden und die Kanonen der Karavelle zu wummern begannen.

Das Gebälk ächzte bedrohlich, und das Schiff wurde bis in die letzten Verbände erschüttert. Das Rumpeln der Geschütze, die auf den Holzlafetten zurückrollten, war in ihrem feuchten Gefängnis deutlich wahrzunehmen.

Felipe krampfte sich das Herz zusammen. Der heimtückische Überfall auf Santa Maria, sein Heimatdorf, hatte begonnen – davon war er fest überzeugt.

Margarida begann zu schluchzen. Sie dachte an ihren Vater, ihre Mutter und an ihre Brüder. Sie alle lebten in Santa Maria. Was sollte aus ihnen werden?

„Gott im Himmel – hilf ihnen in dieser schweren Stunde“, murmelte sie.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 585

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