Читать книгу BMW – Dem Konkurs entronnen ... - Frank O. Hrachowy - Страница 6

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1960–1969: Krise und Rettung

Mitten im Wirtschaftswunder florierte die deutsche Automobilindustrie. Indes galt das nicht für Borgward und BMW, die die bitteren Früchte ihres Missmanagements der vergangenen Jahre ernteten. Unattraktive oder zu viele verschiedene Modelle standen in den Verkaufsprogrammen dieser beiden deutschen Hersteller, weshalb sie in der Blütezeit der deutschen Wirtschaft finanziell am Abgrund standen.

Ohne Zweifel liefen die Dinge bei BMW nicht rund – und das schon seit dem Jahr 1957. So musste Anfang 1957 sogar kurzgearbeitet werden. Die Oberklassenlimousine BMW 501/502 wurde von der Kundschaft nicht wie erhofft angenommen, ebenso die von Designer Albrecht Graf von Goertz attraktiv geformten Modelle BMW 503 und 507, die als Coupé und als Cabriolet im Programm standen. Das hauptsächliche Problem waren die hohen Kaufpreise von über 30.000 DM (ca. 15.000 Euro), die diese Modelle nur für eine kleine Anzahl gut betuchter Kunden erschwinglich machten. Zum Vergleich: Ein kleines Reihenhaus kostete zu dieser Zeit rund 60.000 DM (ca. 30.000 Euro). So wurden vom BMW 503 insgesamt nur knapp über 400 Exemplare gebaut, vom zweisitzigen Roadster BMW 507 gar nur 254 Stück – zu wenig, um damit Geld zu verdienen.


BMW »Barockengel«: Die Oberklassenlimousine BMW 501/502 wurde von der Kundschaft nicht wie erhofft angenommen, ebenso die von Designer Albrecht Graf von Goertz attraktiv geformten Modelle BMW 503 und 507. (Bild: AlfvanBeem / Wikimedia Commons)



BMW Isetta: Weil bei BMW für eine eigene Entwicklung nicht genug Geld vorhanden war, hatten die Münchner von der italienischen Firma OSI die Lizenz zum Nachbau ihres Kleinstmobils erworben. Das kleine »Motocoupé« von BMW verkaufte sich gut. (Bild: Viggen / Wikimedia Commons)

Hingegen verkaufte sich die Isetta, ein in Lizenz gebautes kleines »Motocoupé« von BMW, besser als erwartet. Weil bei BMW für eine eigene Entwicklung nicht genug Geld vorhanden war, hatten die Münchner von der italienischen Firma OSI die Lizenz zum Nachbau ihres ungewöhnlich konzipierten Kleinstmobils erworben. Statt eines Zweitaktmotors setzten die Ingenieure der BMW Isetta den Einzylinder-Viertaktmotor aus dem Motorrad R 25 ein, später folgte ein geringfügig stärkerer Motor mit

300 cm3 Hubraum. Immerhin 161.728 »Isetten« sollten von März 1955 bis Mai 1962 das Fließband verlassen.

Der viersitzige BMW 600, eine größere Isetta mit Rücksitzbank und einer zusätzlichen Seitentür, wurde von der Kundschaft eher verschmäht. Das war kaum verwunderlich, denn bei der Entwicklung des BMW 600 standen vor allem handfeste wirtschaftliche und weniger ästhetische Motive im Vordergrund. Zur steuerlichen Situation 1957 schreibt Georg Seeliger: »Oberhalb von 600 ccm stieg die Hubraumsteuer steil an, Motorleistungen über 20 PS zogen erheblich höhere Versicherungsprämien nach sich. Gleichzeitig erlaubte der Fiskus in Deutschland für Fahrzeuge mit mehr als 500 ccm eine Abschreibung von 50 Pfennig [ca. 25 Cent] pro Kilometer für den Arbeitsweg. Besitzer hubraumkleinerer Vehikel durften lediglich 36 Pfennig [ca. 18 Cent] absetzen.«{1}

Der ab September 1957 angebotene BMW 600 besaß einen im Heck eingebauten Zweizylinder-Boxermotor mit 585 cm3 Hubraum, der ebenfalls aus der BMW-Motorradsparte stammte und gedrosselt 19,5 PS (14,4 kW) bei 4.500 U/min leistete. Trotz dieser exakten Positionierung der »großen Isetta« hinsichtlich Leistung und Hubraum wurde das Modell zum Misserfolg. Dies nicht unbedingt aufgrund technischer Rückständigkeit, denn hier konnte der BMW 600 mit einer modernen selbsttragenden Karosserie, einem vollsynchronisierten Getriebe und asymmetrischem Abblendlicht punkten. Vielmehr lag der BMW mit einem Kaufpreis von 3.985 DM (ca. 2.000 Euro) auf Augenhöhe mit dem VW Käfer – und der bot neben deutlich mehr Platz und Kofferraum auch mehr Prestige als die aufgerüstete Isetta.


BMW 507: Wunderschön anzusehen, aber für die meisten Bewunderer unerschwinglich. Vom zweisitzigen Roadster BMW 507 wurden nur 254 Stück gebaut – zu wenig, um damit Geld zu verdienen. (Bild: Stefan Krause, Germany / Wikimedia Commons)

Bald schon machten Gerüchte um einen neuen kleinen BMW die Runde, der 700 cm3 Hubraum besitzen und über eine konventionelle Karosserie ohne Fronteinstieg verfügen sollte. Diese Gerüchte wirkten sich ebenfalls negativ auf die Verkaufszahlen des BMW 600 aus. Demgemäß endete schon im Dezember 1959 die Produktion der »großen Isetta«; lediglich 34.813 Exemplare waren in der knapp zweijährigen Bauzeit hergestellt worden. Ein wirtschaftlicher Erfolg war der BMW 600 nicht, vielmehr hatte er »die Talfahrt der Münchner eher beschleunigt als gehemmt«{2}.

Auch mit schweren Motorrädern ließ sich kein Geld mehr verdienen, eher noch mit kleinen Motorrollern, die jetzt in Mode kamen. Doch die hatte BMW nicht im Programm. Es galt: Wer als Erwachsener etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte, der wechselte lieber heute als morgen vom Zwei- zu einem Vierrad. Diese Sachlage war auch in München bestens bekannt, denn bereits 1957 hatte Generaldirektor Dr. Heinrich Richter-Brohm, der BMW seit dem 1. März 1957 leitete, eine Marktanalyse anfertigen lassen. Auf 133 Seiten stand dort zu lesen, warum BMW seit Jahren auf Talfahrt war – zu lesen war dort aber auch, welche Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage notwendig waren.


BMW Isetta 600: Die »große Isetta« BMW 600 konnte mit einer modernen selbsttragenden Karosserie, einem vollsynchronisierten Getriebe und asymmetrischem Abblendlicht punkten. Mit ihrem Kaufpreis lag sie allerdings auf Augenhöhe mit dem VW Käfer. (Bild: Lothar Spurzem / Wikimedia Commons)

Benötigt wurde ein moderner Mittelklassewagen (»Mittelwagen«), der sinnvollerweise 1.600 cm3 Hubraum und mindestens 80 PS leisten musste. Gleichzeitig sollte dieser Wagen die Basis für stärkere Modellversionen bilden. Vorstandschef Richter-Bohm rechnete mit einer Jahresproduktion von 24.000 Stück. Schnell begannen die Arbeiten an diesem Projekt, erste Erlkönigfotos von Prototypen machten in Fachkreisen die Runde. 1959 hätte die Produktion des Mittelklasse-BMW beginnen können. Doch daran war nicht zu denken, denn es wurden 35 Millionen DM (ca. 18 Millionen Euro) für die Entwicklung dieses Modells benötigt.

Hierzu erklärt BMW: »So verfolgte BMW seit Mitte der 1950er Jahre das Projekt eines modernen „Mittelwagens“, mit dessen Hilfe die Konsolidierung des angeschlagenen Unternehmens gelingen sollte. Doch es fehlten schlicht die finanziellen Mittel, den weitgehend fertig entwickelten Wagen bis zur Serienreife zu vollenden. Das Projekt musste Ende 1958 aufgegeben werden.«{3}

Den Hintergrund des Scheiterns erläutert Georg Seeliger in einer Publikation zu den Kleinwagen von BMW: »Der damalige Finanzchef Ernst Kämpfer erinnerte sich, daß Dr. Robert Frowein, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, in einem Gespräch mit einem Konsortium der Deutschen und der Dresdner Bank sowie der bayerischen Staatsbank diese Summe zugesagt bekam. Nach seinem plötzlichen Tod Anfang 1958 standen die Banken jedoch nicht mehr zu dieser mündlichen Verpflichtung.«{4}

Während der BMW 600 als kostengünstige technische Notlösung galt und die Entwicklung des Mittelklassemodells aus Geldmangel abgebrochen werden musste, konkretisierten sich die Pläne für das Modell BMW 700. Unter der Mitarbeit des italienischen Designers Giovanni Michelotti entstand ein moderner kleiner Wagen mit selbsttragender Karosserie und Zweizylinder-Heckmotor. Dieser noch vor der IAA 1959 von Helmut Werner Bönsch, dem Direktor für Technische Verkaufsplanung, präsentierte neue BMW 700 stand in direktem Wettbewerb zum VW Käfer.

»Als Bönsch das neue Coupé enthüllte, klang spontaner Beifall auf. Vor den Journalisten stand ein Fahrzeug mit einem Radstand von 2.120 mm, einer vorderen Spur von 1.270 mm und einer hinteren Spur von 1.200 mm. Damit war der BMW 700 den damals üblichen Kleinwagenwerten entwachsen und gestattete eine relativ freizügige Raumgestaltung. Besonders stolz waren die Konstrukteure darauf, dass sie bei einer Gesamtlänge von 3.540 mm durch konsequenten Leichtbau ein Trockengewicht von unter 600 kg und damit die Voraussetzung für günstige Beschleunigungswerte und gutes Bergsteigevermögen erreicht hatten.«{5}


BMW 700: Völlig neu war die ganz im Stil der Zeit gestylte, selbsttragende Karosserie. Der Marktstart erfolgte mit einem Coupé, gefolgt von einer Limousine und der Modellvariante 700 Sport. Der BMW 700 gefiel den Kunden und war von Anfang an erfolgreich. (Bild: Siegfried Fries / PIXELIO)

Der Marktstart erfolgte mit einem Coupé, gefolgt von einer Limousine und der Modellvariante 700 Sport. Zum Markterfolg der neuen Baureihe erklärt BMW: »Der neue BMW 700 vereinte die bewährte Technik seines glücklosen Vorgängers BMW 600 mit Neu- und Weiterentwicklungen. So sorgte der aus dem BMW 600 bekannte Zweizylinder-Boxermotor mit vergrößertem Hubraum (697 ccm) und einer auf 30 PS gesteigerten Leistung für gute Fahrleistungen. Die erstmals beim BMW 600 verwendete Schräglenker-Hinterachse kam ebenso zum Einsatz wie weitere technische Komponenten aus Fahrwerk, Antrieb und Getriebe. Völlig neu dagegen war die ganz im Stil der Zeit gestylte Karosserie. In selbsttragender Bauweise ausgeführt, stellte sie ein Novum in der Geschichte der BMW Serienfahrzeuge dar.«{6} Schon bald zeigte sich, dass die Planer mit diesem Modell den Kundengeschmack getroffen hatten.

Zwar war der BMW 700 von Anfang an erfolgreich, doch die vorangegangenen jahrelangen Misserfolge und Verluste machten sich 1959 in einer Weise bemerkbar, die das Ende von BMW bedeuteten. Zur konkreten Situation 1959: Die Bilanzen der Jahre 1956 bis 1959 waren durchgängig defizitär gewesen, was Teilauflösungen der freien Rücklagen nach sich gezogen hatte. Zusammenfassend schreibt BMW zur damaligen Situation: »Mit den großen, zu teuren Limousinen werden keine Gewinne erzielt. Motorräder sind als Transportmittel kaum mehr gefragt, als Sport- und Freizeitgeräte noch nicht entdeckt. Das Management hat den Glauben an die eigene Marke verloren.«{7}

Der Vorstandsvorsitzende Dr. Heinrich Richter-Brohm hatte zwar bereits 1957 Bürgschaften für den Auf- bzw. Umbau von BMW erhalten, doch getan hatte sich seither nicht viel. Ein weiterer Aspekt war das wachsende Misstrauen der Aktionäre gegenüber Dr. Heinrich Richter-Brohm, der von der Deutschen Bank als Generaldirektor zur Rettung von BMW eingesetzt worden war. Für Misstrauen sorgte auch, dass an der Spitze des BMW-Aufsichtsrats mit Hans Feith ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank saß. Bekannt war zudem, dass die Deutsche Bank als Großaktionär der Daimler-Benz AG ganz eigene Interessen verfolgte. Kurzum: Es sah 1959 ganz offensichtlich so aus, als wollte die Deutsche Bank das vor dem Bankrott stehende Unternehmen BMW an den Wettbewerber Daimler-Benz AG und den dahinter stehenden Großaktionär Friedrich Flick verkaufen.

Zu diesen Plänen konkretisierte das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL: »Geplant ist die Gründung eines Konsortiums, dem zu je einem Drittel die Deutsche Bank, die Daimler-Benz AG und der Freistaat Bayern angehören. [...] Zu einem späteren Zeitpunkt sollen die Deutsche Bank und das Land Bayern dann ihre Aktienpakete an Daimler-Benz abgeben: Damit würde das Stuttgarter Werk schließlich 75 Prozent aller BMW-Aktien besitzen.«{8}

Doch angesichts des Verkaufserfolgs des BMW 700, für den schon über 30.000 Bestellungen vorlagen, sowie eines großen Rüstungsauftrags für die Tochterfirma BMW Triebwerkebau GmbH in München-Allach{9} schien es, als sollte das kleine Unternehmen BMW deutlich unter Wert an den größeren und kapitalstärkeren Wettbewerber Daimler-Benz verschachert werden. 6.000 gut ausgebildete Facharbeiter sowie weitere Produktionsstätten konnte die Daimler-Benz AG tatsächlich gut gebrauchen – nicht etwa, um damit weiter BMW-Automobile zu fertigen, sondern um die Lieferzeiten für die eigene Modellpalette zu reduzieren.

Ein terminlich befristetes Kaufangebot aus Stuttgart war bereits unterschriftsreif formuliert worden und sollte auf einem außerordentlichen Treffen am 9. Dezember 1959 von den Aktionären bewilligt werden. Ans Licht kam dabei, dass in der vorgelegten Bilanz die Entwicklungskosten für den BMW 700 komplett in das Jahr 1958 gebucht, statt über mehrere Jahre verteilt verrechnet worden waren. Durch diesen buchhalterischen Trick stand das Unternehmen wirtschaftlich nochmals schlechter dar – die Zweifel an der Lauterkeit von Dr. Heinrich Richter-Brohm wurden in der BMW-Belegschaft immer massiver.

Während die Unternehmensleitung auf den Verkauf an Daimler-Benz drängte, formierte sich unter den Aktionärsvertretern Widerstand, der bald putschartige Züge aufwies. So wurde Richter-Brohm auf der einberufenen Versammlung zum Verkauf von BMW lautstark beschimpft. Angesichts der undurchsichtigen Beweggründe des eigenen Vorstandsvorsitzenden kämpften die wutentbrannten Mitarbeiter nun aktiv für ihr Unternehmen. Kurz darauf formierte sich unter der Führung von Kleinaktionär Erich Nold und Rechtsanwalt Dr. Friedrich Mathern eine Sperrminorität von 10 Prozent der Stimmen der BMW-Aktionäre.

Diese 10 Prozent bildeten einen Sonderfall des Aktienrechts, die als Sperrminorität ausreichten, wenn in der Bilanz ein Fehler nachgewiesen werden konnte: Und genau dieser buchhalterische Trick, die Entwicklungskosten für den BMW 700 in Gesamtheit in die Gewinn- und Verlustrechnung des Jahres 1958 zu buchen, war laut geltenden Bilanzierungsregeln nicht zulässig und somit als Fehler zu werten. Da die Sitzung vertagt werden musste, verstrich das Ultimatum zur Unterschrift des Kaufvertrags. Die Übernahme von BMW durch Daimler-Benz wurde danach nicht weiter verfolgt. Dr. Heinrich Richter-Brohm legte am 26. Februar 1960 sein Amt nieder und verließ zum 1. März 1960 das Unternehmen.

Herbert Quandt als Retter

Unterdessen wurde ein Name immer häufiger genannt; der des Industriellen Herbert Quandt, der sowohl bei Daimler-Benz als auch bei BMW als Großaktionär engagiert war. Zur Position Herbert Quandts schreibt der Autor Rüdiger Jungbluth: »Als Daimler-Großaktionär war der Industrielle für die BMW-Übernahme, als Anteilseigner bei BMW wollte er sich aber nicht ohne Not aus seinem Besitz drängen lassen, zumal auch er, ähnlich wie die vielen treuen Kleinaktionäre, emotional an der weißblauen Firma und ihren Produkten hing.«{10} Ein nicht geringer Anteil an der Entscheidung Herbert Quandts kam dabei seinem Vertrauten, dem BMW-Betriebsratsvor-sitzenden Kurt Golda zu, der sich ausdrücklich für den Kauf von BMW durch Quandt aussprach.

Herbert Quandt gelang die Rettung von BMW; bereits das Geschäftsjahr 1961 konnte ohne Verlust abgeschlossen werden. Allerdings hatte Quandt noch im Jahr 1960 mehrfach bei anderen Herstellern – und sogar bei Friedrich Flick – für eine Beteiligung an BMW geworben, um die finanzielle Situation zu verbessern. Schließlich übernahm der Augsburger Konzern MAN die Hälfte der BMW-Triebwerkssparte. Insgesamt flossen 37 Millionen DM (ca. 19 Millionen Euro) in die Kassen des Automobilherstellers BMW, der durch diese Summe sowie einen langfristigen Sanierungskredit von MAN über 20 Millionen DM (ca. 10 Millionen Euro) wieder handlungsfähig war. BMW war dem Konkurs entronnen.

Der Wettbewerber Borgward hingegen fand keinen Retter, der Konkurs konnte 1961 nicht abgewendet werden. Allerdings waren und blieben die Umstände der Borgward-Abwicklung dubios, da aus der Konkursmasse sämtliche Gläubigeransprüche befriedigt werden konnten. Carl W. Borgward starb zwei Jahre später. Für BMW bedeutete das nicht nur, dass damit ein direkter Wettbewerber aus dem Spiel war, der ebenfalls sportliche Fahrzeuge für Individualisten anbot. Es bedeutete auch, dass zahlreiche hochqualifizierte Ingenieure und Manager zur Verfügung standen, die nun bei BMW anklopften.

So weist der Autor Rüdiger Jungbluth darauf hin, dass Herbert Quandt noch während der Sanierungsversuche des Landes Bremen neben zahlreichen Ingenieuren den Produktionschef Heinrich Wilhelm Gieschen sowie den Einkaufschef Karl Monz von Borgward abwarb. Nach der Pleite übernahm Quandt dann sogar technische Anlagen aus der Konkursmasse. Kurzum: »Der Sanierer Quandt profitierte auf vielfältige Weise von der Pleite des Konkurrenten.«{11} Nicht zuletzt aus diesem Zusammenhang heraus lästerten böse Zungen, dass fortan die Abkürzung »BMW« wohl am besten mit »Borgward macht weiter« zu übersetzen sei.


BMW »Neue Klasse«: Auf der IAA im Herbst 1961 zeigte BMW das neue Mittelklassemodell. Der BMW 1500 bildete die Grundlage für den Aufstieg des bayerischen Autobauers in die heutige Position als Global Player. (Bild: Michael H. / Wikimedia Commons)

Auf der IAA im Herbst 1961 zeigte BMW dann das neue Mittelklassemodell, den von Chefdesigner Wilhelm Hofmeister attraktiv proportionierten BMW 1500. Der vielzitierte Vorwurf, BMW baue nur »Autos für Bankdirektoren und Tagelöhner« war mit dieser sportlichen Mittelklasselimousine aus der Welt. Im Sommer 1962 sollte die neu konzipierte Stufenhecklimousine auf den Markt kommen. Obwohl der avisierte Verkaufspreis von 8.500 DM (ca. 4.200 Euro) nicht gehalten werden konnte und der BMW 1500 bis zum Serienbeginn rund 1.000 DM teurer wurde, übertraf er mit seinen Verkaufszahlen die in ihn gesetzten Erwartungen.

Der unter der Federführung von Alexander von Falkenhausen entwickelte Graugussmotor mit obenliegender Nockenwelle (M115, später M10) war eine völlige Neuentwicklung, die kompakt baute, wenig Gewicht auf die Waage brachte und zuverlässig funktionierte. Auch auf der Rennstrecke überzeugte der BMW 1500, wo er den Ruf der BMW-Motoreningenieure bestätigte. So bildete dieser in jeder Hinsicht gelungene Motor bis ins Jahr 1990 nicht nur die Basis für alle BMW-Vierzylindermotoren, sondern ebenso für den Formel-1-Turbomotor, mit dem BMW im Jahr 1983 die Formel-1-Weltmeisterschaft gewinnen sollte.

Bestätigend schreibt BMW hierzu: »Den endgültigen Durchbruch bringt ab 1961 die „Neue Klasse“: Der langersehnte Mittelklassewagen BMW 1500 überzeugt mit schnörkellosem Design, sportlichem Fahrverhalten und zahlreichen Motorvarianten. Als eines der ersten BMW Modelle weisen die Wagen der „Neuen Klasse“ den BMW typischen „Hofmeister-Knick“ in der C-Säule auf.«{12} Unbestritten ist: Neben dem BMW 700 markierte der BMW 1500 den Wendepunkt in der Geschichte von BMW. Er bildete nicht weniger als die Grundlage für den Aufstieg des bayerischen Autobauers in die heutige, technisch und finanziell gefestigte Position.

Bis 1962 baute der stark sehbehinderte Herbert Quandt seinen Kapitalanteil bei BMW von 17 auf über 40 Prozent aus. Ungewöhnlich für einen Großaktionär war sein weiteres Vorgehen: »Herbert Quandt zog es vor, im Hintergrund zu agieren. Er verzichtete darauf, selbst in den Aufsichtsrat einzutreten. Der Großaktionär nutzte aber sein Vorschlagsrecht, um beim Registergericht zwei Männer seines Vertrauens als Aufsichtsratsmitglieder eintragen zu lassen.«{13}

1962 wurde Karl-Heinz Sonne der neue Vorstandsvorsitzende von BMW. Der Verkaufserfolg des BMW 700 hielt an und der BMW 1500 war gut angelaufen. Das Jahr 1962 konnte so mit einer schwarzen Null abgeschlossen werden, und schon 1963 wurde erstmals wieder eine Dividende ausgezahlt.

Allerdings verlief die Produktion nicht reibungslos, denn die »wachsenden Fertigungszahlen gingen [...] mit einer zunehmenden Fehlerquote einher. Sie war auch auf die hohe Zahl ungelernter Arbeitskräfte und Gastarbeiter in der Fertigung zurückzuführen, die das Unternehmen für den zügigen Aufbau der Fertigung eingestellt hatte. [...] Weil die Zeit drängte, konnten sie erst beim Produktionsanlauf angelernt werden. Bald wurden die Mängel publik und drohten, dem Ruf des 1500 und von BMW insgesamt nachhaltig zu schaden. Also führte die Produktionsleitung ein mehrstufiges System der Qualitätsprüfung noch während der Fertigung ein. Bis Mitte 1963 gelang es dadurch, die Produktionsqualität der Autos sprunghaft zu verbessern.«{14}

»Nischen-Paule« lässt BMW wachsen

Ein bedeutender Anteil an diesem Erfolg kam dabei dem einstigen Freiburger Opel-Großhändler Paul Hahnemann zu, der bei BMW für eine rigide Qualitätskontrolle der produzierten Fahrzeuge sorgte. Hahnemann war seit Herbst 1961 im Vorstand der BMW AG in München-Milbertshofen für den Verkauf verantwortlich, wobei er mit zum Teil ungewöhnlichen Mitteln die Absatzzahlen in die Höhe trieb. Aufgrund einer nicht eingelösten Zusage des Vorstands der Daimler-Benz AG, ihm als erfolgreichem Marketingchef die Leitung der Tochtermarke Auto Union GmbH zu übertragen, war ihm zudem daran gelegen, BMW zukünftig stärker gegen den Stuttgarter Konzern zu positionieren.

Der selbstbewusste und dominant auftretende Hahnemann galt einerseits als hart in seinen Mitteln, andererseits agierte er psychologisch geschickt, um seine Ziel zu erreichen. Dies zeigte er bereits zu Beginn seiner Karriere bei BMW, wo der Hof voll mit 1.000 veralteten, unverkäuflichen BMW 700ern stand. Kein Händler wollte diese Fahrzeuge mehr abnehmen – schließlich stand das neue Modell 1500 bereits vor der Tür. Mit anderen Worten: Die auf Halde stehenden 700er galten als unverkäuflich.



BMW 2000 C, CA, CS: Ergänzend wurde im Sommer 1965 eine Coupé-Version der »Neuen Klasse« präsentiert, die in den Varianten C, CA und CS in Osnabrück bei Karmann gebaut wurde. (Bild: nakhon100 / Wikimedia Commons)

Hahnemann ließ daraufhin den schwächsten BMW-Importeur in Europa heraussuchen, der in Dänemark gefunden wurde. Genau dorthin schickte Hahnemann einen seiner Mitarbeiter, der ihm 40 der auf Halde stehenden BMW 700 verkaufen sollte. Wie zu erwarten, verweigerte der dänische Händler die Abnahme der 40 Fahrzeuge – worauf er von Hahnemann fristlos gekündigt wurde.

Der psychologische Effekt war enorm, denn die Kündigung des dänischen Händlers sprach sich in der BMW-Händlerschaft länderübergreifend herum. In einem nächsten Schritt bekamen nun alle Händler ein Kontingent der alten BMW 700er angeboten. Der Trick funktionierte, denn die eingeschüchterten Händler nahmen aus Angst vor einer Kündigung die ihnen zugeteilten Fahrzeuge an. Kurze Zeit später waren alle 1.000 Fahrzeuge abverkauft und der Hof leer.{15}

Doch Hahnemann arbeitete nicht nur mit Druck und Drohungen: »Einerseits zwang er die BMW-Händler mit Brachialgewalt, die auf Halde stehenden 700er abzunehmen, andererseits bezog er sie zum erstenmal in Planungen und Perspektiven des Werks mit ein, verhieß ihnen rosige Zeiten, wenn die neue Mittelklassegeneration erst in den Schaufenstern stünde, übertrug ihnen quasi Mitverantwortung, die schwierige Übergangszeit gemeinsam zu bewältigen. [...] Die Händler und Hahnemann, selbst ein alter Handelsmann, wurden eine verschworene Gemeinschaft.«{16}

Trotz der Anlaufschwierigkeiten war die Nachfrage nach dem BMW 1500 größer als die zur Verfügung stehende Fertigungskapazität. Vor allem der Motor begeisterte die Fachpresse und viele Kunden. Es zeigte sich, dass in diesem von Alexander von Falkenhausen, dem Leiter der BMW-Motorenentwicklung konzipierten Motor, ungeahnte Reserven schlummerten. Technisch konkreter ausgedrückt: Dieser Motor bildete die perfekte Grundlage für größere Hubräume und deutlich höhere Leistungen. 1964 wurde der BMW 1500 so durch den stärkeren BMW 1600 ersetzt, weitere Modelle mit einem Hubraum von 1.800 cm3 und 2.000 cm3 wurden daraus abgeleitet. Zum 1800er schrieb das Fachmagazin AUTO BILD im Rückblick: »Vergessen sind die Mißerfolge und gescheiterten Experimente mit den stolzen, aber unverkäuflichen Typen 501, 503, 507, der Flop des 600, die Notnagellösung mit der Isetta-BMW. Die ruhmreiche weißblaue Automobilfirma erhebt sich endlich wie Phönix aus der Asche [...].«{17}

Ergänzend wurde im Sommer 1965 eine Coupé-Version der »Neuen Klasse« präsentiert, die in Osnabrück bei Karmann gebaut werden sollte. 1966 folgten die zweitürigen »Null-Zwei«-Modelle, die das Programm nach unten abrundeten. Die von Wilhelm Hofmeister entworfene Karosserie wurde dabei nur wenig verändert, die Gesamtlänge reduzierte sich jedoch von 4.500 mm auf 4.230 mm. Mit dieser Modellpalette deckte Paul Hahnemann die Bedürfnisse eines breiten Publikums ab. Aus dieser Modellfülle resultierte schließlich auch der Beiname Hahnemanns, der von Franz Joseph Strauß augenzwinkernd als »Nischen-Paule« betitelt wurde.

Bereits Anfang 1965 hatte der BMW-Generaldirektor bzw. Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Sonne gekündigt und war zum Kölner Maschinenbau-Unternehmen Klöckner-Humboldt-Deutz AG gewechselt. Als Nachfolger war der Rechtsanwalt Gerhard Wilcke, der seit 1960 dem BMW-Aufsichtsrat angehörte, erkoren worden. BMW wuchs weiter und schon Mitte der sechziger Jahre ließ sich die Produktion der »Neuen Klasse« nicht mehr im Münchner Stammwerk bewältigen – zu groß war die Nachfrage und zu lange mittlerweile die Lieferzeiten.

1965 beschloss Gerhard Wilcke daher, den Rest der Sparte Luftfahrttechnik von BMW an MAN abzustoßen und die Fertigungskapazität auf die Automobilsparte zu konzentrieren. Zudem wurde ein eigenständiger Slogan für BMW eingeführt, der zukünftig durchgängig verwendet werden sollte. Fortan wurde unter dem Motto »Aus Freude am Fahren« für die Automobile von BMW geworben.{18}

Auf der Suche nach weiteren Fertigungskapazitäten traf es sich gut, dass im Zuge der Wirtschaftskrise 1966 ein weiterer Wettbewerber in finanzielle Schieflage geraten war, noch dazu ganz in der Nähe: Glas in Dingolfing. Ähnlich wie Carl Friedrich Wilhelm Borgward hatte sich auch Firmenchef Hans Glas bei seiner Modellpolitik verzettelt. Begonnen hatte er mit seinen einst erfolgreichen Rollermobilen, so dem zweitaktenden Goggomobil. Doch seit einigen Jahren baute er parallel dazu sportliche Automobile mit Viertaktmotoren für die höheren Fahrzeugklassen. Dabei geriet die 1883 als Landmaschinenfabrik Glas gegründete Hans Glas GmbH in finanzielle Probleme, die durch das sportliche, von Pietro Frua gezeichnete Luxuscoupé Glas V8 (»Glaserati«) verstärkt wurden. 15.000 produzierte Glas-Automobile standen nun auf Halde.


Glas V8: Mit dem »Glaserati« gelang Hans Glas ein technisch und optisch bemerkenswertes Automobil. Allerdings trug der Luxuswagen erheblich zum finanziellen Kollaps des Unternehmens bei. (Bild: Berthold Werner / Wikimedia Commons)

Da Hans Glas die finanziellen Probleme nicht alleine bewältigen konnte, stimmte er der Übernahme durch BMW zu, die zum Jahreswechsel 1966/67 erfolgte. Auch hierbei war Paul Hahnemann die treibende Kraft, unterstützt von Franz Joseph Strauß, der mittlerweile Parteivorsitzender der CSU und Finanzminister im Bundeskabinett von Kurt Georg Kiesinger geworden war. Die beiden Glas-Werke in Landshut und Dingolfing sowie die 3.700 Angestellten arbeiteten zwar fortan für BMW, einige der Glas-Modelle liefen jedoch unter dem Markennamen »BMW-Glas« und mit BMW-Logo versehen vom Band. Die Landmaschinensparte von Glas ging 1969 an die Firma Eicher über. Ohne Zweifel – BMW ging aus der Krisenzeit 1966/67 als Gewinner hervor.


BMW 1600 GT: Der Glas 1700 war ein attraktives Coupé-Modell. Nach der Übernahme setzte BMW einen eigenen Motor unter die Haube und modernisierte die Technik. Als BMW 1600 GT wurde das Coupé bis 1968 gebaut. (Bild: Abehn / Wikimedia Commons)

1968 wurde für BMW ein besonderes Jahr, denn endlich war der Nachfolger des antiquierten »Barockengels« 501/502 fertiggestellt. Dieses neue Oberklassemodell (E3) sollte nicht nur gegen die KAD-Klasse (Kapitän, Admiral, Diplomat) aus Rüsselsheim, sondern gerade auch gegen die S-Klasse von Mercedes-Benz antreten. Eingeführt wurde das Modell in den zwei Hubraumvarianten BMW 2500 und BMW 2800, die beide mit einem Sechszylinder-Reihenmotor ausgerüstet waren. Mit diesen beiden Modellen verließ BMW mehr oder minder die bislang gepflegte Nischenpolitik. Schon im Dezember 1968 folgte eine elegante zweitürige Coupé-Variante (E9), die allerdings nicht bei BMW, sondern im Lohnauftrag bei Karmann im Werk Rheine gebaut wurde.


BMW 2500 / 2800: Eingeführt wurde das Modell (E3) in zwei Hubraumvarianten mit Sechszylinder-Reihenmotor. Im Dezember 1968 folgte die elegante zweitürige Coupé-Version (E9). (Bild: LUV106 / Wikimedia Commons)

Der Mut der Planer wurde belohnt, denn die beiden großen Modelle wurden vom Publikum gut aufgenommen und etablierten sich sofort. Tatsächlich gelang es, zahlreiche Kunden von Mercedes-Benz abzuwerben. Während bei einer groß angelegten Umfrage der Motor, die Bremsen und das Fahrwerk der BMW-Oberklassenfahrzeuge von den Käufern als beispielhaft gelobt wurden, beklagten viele Umsteiger von Mercedes-Benz jedoch die schlechtere Detailqualität der BMW-Modelle. Begrüßt wurde der geringe Durchschnittsverbrauch von 17 Litern auf 100 Kilometer.

Die Stärke von BMW zeigte sich nicht nur an der Zahl von 20.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von über 1 Milliarde DM (ca. 500 Millionen Euro), sondern ebenso in der Entscheidung für die eigene Mietwagengesellschaft BMW-Autovermietung GmbH, die 1969 unter dem Markennamen Rent a BMW auftrat. Die Stärke von BMW zeigte sich überdies im Bau eines neuen Hauptverwaltungsgebäudes in München. Aus Aluminium und Beton entstand seit 1968 am Petuelring ein aus vier Säulen bestehendes Bauwerk, das aufgrund seiner einzigartigen Konstruktion schon bald seinen Spitznamen weg hatte: Vierzylinder. Als Architekt war der Österreicher Karl Schwanzer gewonnen worden. Mit diesem ungewöhnlichen Gebäudekonzept hatte sich Paul Hahnemann gegen Herbert Quandt durchgesetzt, der eigentlich einen schlichteren Entwurf bevorzugt hatte. 1972, spätestens jedoch 1973 sollte das Gebäude fertiggestellt sein.

Wohl waren die vergangenen Jahre für BMW erfolgreich gewesen, trotzdem war BMW mit seinen 140.000 jährlich gebauten Autos ein vergleichsweise kleiner Hersteller geblieben. Gerade im Vergleich zu Mercedes-Benz oder VW stand die latente Gefahr im Raum, von den beiden Giganten verschluckt oder zerquetscht zu werden. Wie schnell das finanzielle Ende eines blühenden Unternehmens kommen konnte, zeigten drohend die beiden Beispiele Borgward und Glas. Die sich daraus ergebende Frage war, wie sich BMW in der Zukunft dagegen wappnen wollte. In der Nische bleiben? Die Produktpalette ausbauen? In die margenstärkere Oberklasse expandieren?

Auf die Übernahmegerüchte, die Hahnemanns Intimfeind Kurt Lotz, der Vorstandsvorsitzende von VW, gerne süffisant streute, antwortete Hahnemann einem Redakteur des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL: »Ich habe auch den Verdacht, zumal er schon manches Mal sagte, BMW würde in die Modell-Palette von VW passen. Ich meine, das Management von BMW ist klug genug, daß es rechtzeitig erfaßt, wann ein weiterer Schritt zu tun ist. Daß der aber „Aufgefressenwerden“ heißt, glaube ich nicht. Eher neigen wir im BMW-Management zu einer vernünftigen Kooperation, wie gemeinsamer Getriebebau, Entwicklung von Motoren und einer gemeinsamen Leistung für ein Sicherheits-Automobil.«{19}

Doch VW war für Paul Hahnemann nur ein Nebenkriegsschauplatz, denn seine Angriffe galten vor allem Mercedes-Benz. Hierbei ließ Hahnemann kaum eine Gelegenheit aus, um – mal mit dem Holzhammer und mal ganz subtil – gegen den Stuttgarter Wettbewerber zu schießen. Der Wirtschaftsjournalist Walter Junginger beschrieb Hahnemanns Taktik anschaulich: »Einerseits beteuerte er stereotyp, man wolle sich bei BMW modellpolitisch auf keinen Fall [...] mit Mercedes einlassen, andererseits schoß er zur eigenen Profilierung ständig verbale Breitseiten auf den vermeintlich gar nicht im Visier befindlichen Konkurrenten ab und goß Kübel voll Hohn und Spott über den vornehmen Stern.«{20}

Im Zuge der Expansion von BMW wurde die Zentrale Teileauslieferung für BMW-Ersatzteile von München nach Dingolfing verlagert. Noch mehr Raum wurde in München durch die Verlagerung der BMW-Motorradfertigung nach Berlin-Spandau geschaffen. Gleichzeitig endete 1969 mit dem letzten Goggomobil auch die Fertigung von Automobilen der Marke Glas.


Glas Goggomobil Limousine: Das kleine »Goggo«, das es seit 1955 als Limousine, als Coupé und sogar als Transporter gab, war lange Zeit der Ertragsgarant der Hans Glas GmbH. 1969 ließ BMW das letzte Goggomobil von den Bändern in Dingolfing laufen. (Bild: nakhon100 / Wikimedia Commons)

Das vergangene Jahrzehnt war für BMW von zahlreichen Turbulenzen geprägt gewesen: Von der sicher geglaubten Übernahme und der Zerschlagung durch Daimler-Benz über die gewaltige Expansion Mitte der sechziger Jahre bis hin zum direkten Angriff auf Mercedes-Benz – aus BMW war mittlerweile ein ernstzunehmender Wettbewerber geworden. Und so turbulent die vergangenen Jahre gewesen waren, so turbulent endete das Jahrzehnt auch. Denn: Generaldirektor Gerhard Wilcke war beim Baden im Mittelmeer von einer Welle erfasst und gegen einen Felsen geschleudert worden, wobei er sich eine schwere Rückenverletzung zugezogen hatte. Aus diesem Grund trat er am 31. Dezember 1969 von seinem Vorstandsposten zurück.

Damit, so dachten viele Mitarbeiter bei BMW, sollte nun der Weg für Paul Hahnemann an die Spitze des Unternehmens frei geworden sein, denn »bis dato hatte er bei BMW eine Rolle gespielt, die weit über die Aufgabe eines Vertriebschefs hinausging. Er nahm innerhalb des Vorstands eine absolute Führungsposition ein, leistete sich fast unbegrenzte Narrenfreiheit, steckte seine Nase in alles und setzte seine Auffassung notfalls mit Brachialgewalt durch«{21}.

Doch Hahnemann, dessen Erfolg, aber auch dessen gleichermaßen rücksichtsloses wie provokantes Agieren bei Herbert Quandt nicht unbemerkt geblieben war, sollte sich täuschen. Zu oft hatte er Herbert Quandt durch sein ungehobeltes Auftreten brüskiert und zum Teil sogar persönlich beleidigt. Die Quittung folgte jetzt: Statt zum neuen Chef von BMW aufzusteigen, bekam er einen jungen Intimus von Herbert Quandt vor die Nase gesetzt. Ein Grünschnabel, wie Hahnemann glaubte.

BMW – Dem Konkurs entronnen ...

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