Читать книгу Winterflucht - Band 4 - Frank Petzke - Страница 6
51. Ohne Toilettenspülung bitte! Indischer Ozean, irgendwo zwischen Mombasa/Kenia und Sansibar
Оглавление129 Tage dauerte diese Reise 1994/1995 und am 21. Tag befanden wir uns auf einer Dau im indischen Ozean, vor der Ostküste Afrikas.
Heiligabend 1994, es folgt also eine kleine Weihnachtsgeschichte.
Seit gestern befinden wir uns auf einer Dau, einem Frachtsegler, etwa 20m lang, an der breitesten Stelle 5 Meter. Im hinteren Bereich, also achtern, eine erhöhte Kabine, das Führerhaus, in dem sich das Steuerrad am vorderen Fenster befindet. Daneben ein kleiner Kartentisch, darunter ein provisorisches Bett. Dahinter, zum Spiegelheck hin, eine Küche. Die Kücheneinrichtung bestand aus einem breiten hölzernen Brett, von Wand zu Wand, darauf ein Gaskocher und diverse Küchenutensilien. Unter dem Brett der Vorratsraum, auch die privaten Sachen der einheimischen Besatzung und eine weitere Schlafstätte.
Die Besatzung bestand aus drei farbigen Kenianern, Kapitän, Maschinist und Koch. Der Koch fungierte auch als Hilfsmatrose.
Unter den Vorratsutensilien war auch ein lebendes Huhn, welches aber nur noch 20 Stunden gackern durfte.
An der hölzernen Wand über dem Küchenbrett hingen Messer und Kellen und rechterhand gab es einen Vorhang, dahinter ein Fenster. Wir nahmen an, dass es zum Lüften war. Also noch mal, die hintere Wand, also das Ende des Bootes, das Spiegelheck ist in diesem Raum gute zwei Meter hoch, die Arbeitsplatte davor etwa auf einem Meter Höhe und der quadratische Vorhang etwa 1x1 Meter, aber dazu später mehr.
Unser Frachtsegler fuhr aber in unserem Fall unter Motor, da zu dieser Jahreszeit der Monsunwind von Südwest blies.
Soll heißen, der schräg stehende Mast blieb diesmal segellos.
Die Fahrt von Mombasa/Kenia nach Sansibar/Tansania sollte etwa 24 Stunden dauern.
Wir, das sind Freund Holger, Mathias, - genannt der Rasta, wie auch anders bei dieser Haarpracht -, Susanne und ich. Holger und Rasta lebten und arbeiteten in Mombasa. Susanne kam zu Besuch aus München angereist und ich versuchte über Land nach Kapstadt zu kommen.
Gestern früh noch in Mombasa und in der Hafenmeisterei mussten wir einen Brief unterschreiben, dass wir die Überfahrt auf eigenes Risiko unternahmen und wir im Falle eines Unfalles, wie beispielsweise das Sinken der Dau, keinerlei Ansprüche stellen könnten.
Gegen 15 Uhr ging es an Bord, wir hatten alle nur kleines Gepäck dabei, sollte doch die Reise nach Sansibar nur ein kleiner Abstecher sein und maximal 10 Tage dauern.
An Bord gesellte sich noch Rachel, eine junge Israelin zu uns, die offensichtlich wochenlang nicht aus ihrem viel zu großen Sweatshirt herausgekommen war. Ehemals taubenblau zeigte es jetzt ihren gesamten Speiseplan der letzten Wochen.
So oft hatte ich erlebt, dass die Ärmsten der Armen immer in sauberen Klamotten durchs Leben laufen und im direkten Vergleich wir Reisenden oft aussehen wie die Lumpensammler. Dieses taubenblaue Etwas war nun doch zu viel. Aber als allein reisende Frau, vor allem bei den Israelis selten, wurde sie natürlich trotzdem bei uns integriert.
Und was für ein Glück wir hatten, die Dau hatte Matratzen geladen, nigelnagelneu, alle für Sansibar. Für ein bequemes Schlaflager war also schon mal gesorgt.
Die Fahrt war traumhaft. Ausfahrt aus dem Hafen von Mombasa gegen 16:30 Uhr, also noch gute zwei Stunden Licht. Wir saßen zum Sundowner alle am Bug, schön weich auf den Matratzen und tranken Bacardi (hatte Susanne vom Duty Free mitgebracht) mit frischen kenianischen Orangensaft. Wir genossen das Leben.
Es gab noch einen zweiten und dritten Drink, bis die Flasche leer war. Derweil tauschten wir mit Rachel, die natürlich mit trank, ein paar Geschichten aus, über das woher, wohin, wo schon gewesen und so weiter.
Die Besatzung wurde auch eingeladen, als sie uns Reis mit frischen, scharfen Gemüse (fast indisch) brachten, sie lehnten aber als strenge Muslime dankend und lachend ab.
Nachts fingt es an zu regnen, kein tropischer Monsunregen, eher so eine kleine warme Dusche. Wir hatten keinerlei Unterstand oder Segel zum Schutz, so ließen wir bei 30 Grad alles über uns ergehen.
Der Heiligabend begann heiß, sehr heiß und jeder war bemüht, sich ein Sonnensegel zu bauen.
Schatten gab es nur am Heck im Führerhaus, hier steuerte aber der Kapitän und es werkelte der Koch. Er machte gerade frisches Chapata mit Gemüsefüllung zum Frühstück.
Das Meer war spiegelglatt, kein Lüftchen wehte und wir passierten zu unserer linken (also Backbord, wie der Seemann sagt) Pemba, eine weitere Gewürzinsel, die wie Mafia im Süden zu Tansania gehört.
Da kam Susanne an und fragte, ob wir schon das Klo gesehen hätten. Hatten wir nicht, aber ein gutes Stichwort, hatten wir doch (die Männer) nachts nur über die Reling gepinkelt und jetzt mussten alle mal.
Wir: Nein, wo gibt es denn hier ein Klo?
Susanne: Befindet sich im Führerhaus in der Küche. Na dann mal viel Spaß.
Ich also nach hinten zum Führerhaus, das links und rechts eine kleine Tür hatte. Ich bewaffnet mit eigenem Toilettenpapier und wollte gerade nach dem Klo fragen, als Rachel an mir vorbeirauschte und stammelte, dass es sehr eile bei ihr.
Natürlich ließ ich ihr den Vortritt und beobachtete folgendes.
Sie wusste schon von Susanne, wo sich das Klo befand. Also Rachel, sie war eine gewaltige Wuchtbrumme von geschätzten 80 Kilo, mit gewaltigen Brüsten unter ihrem ehemals taubenblauen Shirt, kletterte doch tatsächlich, hinter dem am Steuer stehenden Kapitän, auf das Küchenbrett und schob sich auf allen vieren durch den Vorhang und durch das vermeintliche Fenster und weg war sie.
Daneben, nur einen halben Meter entfernt, der Koch, der am Mittagessen werkelte und das Huhn, das seine letzten Minuten genoss.
Nach einer Ewigkeit kam sie, völlig verschwitzt, wieder auf allen Vieren rausgeklettert. Jetzt war ich dran.
Vorhang zur Seite und es bat sich mir folgendes Bild. An dem Spiegelheck gab es einen Anbau, dieser bestand aus Bambusstangen und Brettern. Ein quadratischer Würfel, 1x1x1 Meter. Zum Himmel und zum Vorhang offen, mittig nach unten, ein kreisrundes Loch und das Ganze schräg nach unten nur mit Bambusstangen abgestützt.
Man hockte über dem Loch und beobachtete, in diesem Fall wahrhaftig, unter sich und zur Linken fliegende Fische und eine Dreiergruppe von Delphinen. Ein Traum, wenn da die Angst nicht wäre, zumindest ein mulmiges Gefühl. Was wäre wenn das Klo unter der menschlichen Last abbrach? Unter einem nur das Meer, ein Traum in Türkis und Blau, aber eben nur Wasser. Bekamen es die anderen mit, hörten sie deine Schreie? Müssten sie aber, denn immer, wenn der Vorhang sich durch Zugluft bewegte, schaute man in das grinsende Gesicht des Kochs, der sich ja nur einen guten Meter vor der eigenen Nase, sprich halbnackten Körper befand. Bei den Damen lächelte er, wie Susanne berichtete. Alle Geräusche, die ein Toilettengang so mit sich brachte, waren trotz des Lärms des Dieselmotors noch gut zu hören, sie schienen aber Koch und Kapitän nicht zu stören.
Zumindest die Frauen unter uns hatten damit aber so ihre Schwierigkeiten.
Jedenfalls das abgefahrenste Klo ever. Wann hatte man so etwas schon mal.
Währenddessen das Huhn, nur einen Meter entfernt, sein Leben ließ und später mit Reis und Bohnen serviert wurde.
Skurril das alles, Heiligabend mal ganz anders.