Читать книгу 10 Kurzgeschichten - Frank Riemann - Страница 4

Drei Freunde

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Mit der Rückseite seines Tomahawks schlug er ein letztes Mal auf den Holzpflock. Dieser war vom scharfen Wind aus dem Boden gerissen worden, der unablässig an den Tierhäuten und Seilen zerrte.

Flinker Otter richtete sich auf und ging um das Zelt herum auf den Eingang zu. Bevor er eintrat, verharrte er noch für einen kurzen Augenblick. Der Schneesturm hatte nachgelassen, doch der Wind fegte unverändert steif und eisig durch das kleine Zeltdorf der letzten Pawnees.

Zwischen den Wolken schien die Sichel des Mondes hindurch. Dann schlug flinker Otter das Bisonfell zurück und betrat das Tipi. Eine wohlige Wärme empfing und umschmeichelte ihn sofort. Um das Feuer saßen vor Allem die Jungen, um wieder einmal dem alten Schamanen zuzuhören...

»Der Weißkopfseeadler schwebte kreischend über den Rockies. Gerade gebar Jita ihr zweites Junge. Auf einmal nahm sie seine Witterung wahr. Sie sah und hörte ihn noch nicht, aber sie spürte ihn näher kommen. Sie wusste auch, sie würde hilflos sein, wenn sie hier liegen bliebe. In diesem Augenblick wollte das dritte Junge ans Licht der Welt. Es war soeben geboren, da hörte Jita das Knacken der Äste.

Er kam näher. Sie war geschwächt. Mit ihrer letzten Kraft stieß das erschöpfte Pumaweibchen ein Junges nach dem Anderen aus dem Dickicht und ließ es den langen Hang hinunterrollen. In diesem Moment teilte sich das Unterholz. Sie würde ihr Leben geben, um ihre Jungen zu beschützen.

Schon kam er heran gestapft. Viele junge mutige Pawnee- und Siouxkrieger hatten beim Versuch ihn zu erlegen ihr Leben gelassen. Der alte Grizzly stellte sich auf seine Hinterpranken und maß zwei Meter fünfzig in der Höhe.

Jita duckte sich. Sie fauchte und brüllte. Dann sprang sie. Sie flog auf seine Brust zu, erreichte sie aber nicht. Im Fluge von einer riesigen Tatze getroffen, wurde sie vor einen Baum geschleudert.

Sie wollte sich aufraffen. Sie wusste nicht, ob ihre Jungen in Sicherheit waren. Sie schaffte es aber nicht hoch.

Der Grizzly kam näher. Der Boden bebte unter seinem Gewicht. Jita schrie all ihre Angst heraus. Da biss der mächtige Bär zu und das Gebrüll verstummte.

Die Drei purzelten den Hang hinunter. Sie ahnten nicht, was es für sie bedeutete, als der Lärm abbrach. Sie rollten über vereinzelte Steine, Äste und übereinander. In einer kleinen Vertiefung blieben sie benommen sitzen. Dann begann Taga, der Erstgeborene, den Kopf zu schütteln, Trilo und das Weibchen Plana taten es ihm nach. Sie stupsten sich mit ihren Vorderpfoten ihre Schnauzen und nach einer Weile trotteten sie los, Taga voran. Überhaupt entwickelte er sich zum Führer der kleinen Gruppe.«

»Erzähle uns von der Schlucht«, forderte Schneller Hirsch.

»Nachdem ein Pumapärchen die Drei großgezogen hatte, ihr halber Wurf war bei einem Unwetter umgekommen, trennten sich Taga, Trilo und Plana von ihren Zieheltern. Sie blieben jedoch immer zusammen, was sehr ungewöhnlich war.

Nördlich vom Tal unserer Ahnen gab es eine große Schlucht. Man sah oft, wie die drei Tiere am Abgrund saßen. Unsere Väter erzählten, die Pumas hätten abgeschätzt, ob die Strecke über die Schlucht im Sprung zu schaffen sei. Dann verschwanden sie wieder und man sah sie später durch die Wälder streifen.«

»Wie ging es weiter?« warf Flinker Otter ein. Dafür erntete er böse Blicke, da Alle glaubten, das Leben der drei Pumas geriete nun an einen Wendepunkt.

»Wakan Tanka, der große Geist, hatte seine schützenden Hände über die drei Gefährten gehalten. Sie jagten gemeinsam und sie kämpften gemeinsam gegen Wölfe und Bären.

Vor vielen Monden, als der Winter besonders hart war und Plana schwach wurde, nahmen die beiden Männchen unsagbare Strapazen auf sich, um Fleisch zu beschaffen und sie durch zu bringen.

Im Sommer tollten sie über die Wiesen und tobten am flachen See. Die Drei waren unzertrennlich und zusammen unschlagbar.

Bis, ja, bis der weiße Mann kam. Er begann Hirsche zu jagen in unseren Wäldern. Nur wenige dieser Männer waren gut. Eines Tages beobachtete ein Bleichgesicht, der Wind stand günstig für ihn, wie Plana sich an ein grasendes Reh heranschlich. Für sie stand der Wind ebenfalls günstig. Sie kam aus dem hohen Gras und schlich geduckt auf das Reh zu. Planas herrliches Fell glänzte silbern in der Mittagssonne.

»Was für ein wunderschönes Fell«, dachte der weiße Mann. Im Rücken des heranschleichenden Tieres richtete er sich auf und zielte mit seinem Gewehr auf Plana.

Das Reh schaute auf. Plana beschleunigte ihre Schritte. Das Reh hörte auf zu kauen. Die Vögel verstummten.

Als der Jäger seinen Finger durchzog und ein gewaltiger Schuss ertönte, sprang das Reh in wilden Zick Zack Sprüngen von der Lichtung und alle Vögel erhoben sich gleichzeitig panikartig von ihren Ästen und kreischten wild durcheinander.

Stunden waren vergangen. Taga und Trilo schlichen unruhig um ihr Lager. Nach einiger Zeit machten sie sich auf den Weg und folgten Planas Fährte. Kurz darauf erreichten sie eine kleine Lichtung. Sie hielten und sahen über sie hinweg. Bis auf das hohe Gras erblickten sie nichts. Sie wurden nervös und begannen auf und ab zu schleichen.

Plötzlich blieben sie abrupt stehen. Auf einmal wussten sie, sie waren nur noch zu zweit. Sie hetzten los und sprinteten über die Lichtung. Etwa in der Mitte hielten sie an. Sie konnten den roten Körper zwar nicht erkennen, aber sie wussten, es war Plana.

Sie beschnupperten sie und Trilo begann zu brüllen. Taga lief sofort los und folgte der Witterung des Jägers. Sein Bruder folgte ihm.

Nach etlichen Stunden, in denen sie ohne Pause durch die Wälder gehastet waren, erreichten sie eine Senke. In einiger Entfernung unter ihnen hatten sich mehrere Trapper ein großes Lager errichtet und es mit Palisaden umzäunt. Soeben schloss sich das Tor.

Taga und Trilo setzten sich auf ihre Hinterpfoten und warteten am Waldrand. Unsere Väter erzählten, in dieser Nacht hätte ein besonders heftiges Unwetter getobt. Die beiden Pumas saßen da und warteten.

Am nächsten Morgen hatte sich das Unwetter gelegt und ein herrlicher Tag begann. Nachdem die ersten Sonnenstrahlen die Landschaft in ein unwirkliches Licht tauchten, öffnete sich das Tor.

Taga und Trilo wurden aufmerksam. Sie begannen zu knurren. Ein Trapper ritt heraus und bog nach Osten. Die beiden Tiere rührten sich nicht. Wenig später wurde das Tor erneut geöffnet. Ein weiterer Jäger ritt nach Westen. Dieser Mann musste es sein. Sie wussten, er war der Richtige.

Taga und Trilo spurteten los. Die Mordlust funkelte in ihren Augen. Schon nach wenigen Metern hatte Taga Trilo abgehängt.

Das Pferd wurde unruhig. Der Trapper wurde hellhörig. Er sah die herannahenden Pumas und erschrak. Schnell legte er sein Gewehr auf Taga an und drückte ab. Das tänzelnde Pferd verhinderte jedoch einen Treffer. Taga kam schnell näher. Er brüllte. Das Pferd wieherte. Der Puma sprang.

Der Trapper ergriff sein Gewehr am Lauf, benutzte seine Waffe als Keule und schlug es Taga entgegen. Doch es half ihm nicht. Die Wucht der wütenden Raubkatze war zu groß. Der Puma riss den Jäger vom Pferd.

Er kämpfte um sein Leben, doch gegen einen rasenden Taga hatte er keine Chance. Inzwischen war Trilo heran und sie vollendeten ihr blutiges Werk.

Vom Lärm alarmiert hatten die anderen Jäger Stellung bezogen. Sie schossen auf die Pumas. Links von ihnen spritzten die ersten Kugeln ins Gras. Erschrocken wichen die Beiden zurück. Dann flüchteten sie.

Plötzlich strauchelte Taga und fiel auf die Schnauze. Er brüllte laut.

Trilo lief noch einige Meter, hielt an und drehte sich um. Er sah, wie Taga aus der Flanke blutete. Das Tier rappelte sich auf und wollte weiterlaufen, wurde aber nach vorne geworfen, weil es in den Hinterkopf getroffen wurde. Taga wurde stumm und blieb reglos liegen.

Trilo beobachtete, wie der Körper seines Bruders von immer mehr Einschlägen durchgeschüttelt wurde. Er ging einige Schritte nach vorne, blieb aber stehen, als weitere Kugeln vor ihm ins Gras fuhren. Panikartig warf er sich herum und flüchtete zurück in den Wald. Die Schüsse wurden leiser und verstummten kurz darauf ganz. Aber Trilo rannte weiter. Ohne zu stoppen oder auch nur langsamer zu werden.

Er dachte daran, wie sie als Junge herumgetollt waren. Wie sie sich von ihrer Familie getrennt und zusammen Alles gemeistert hatten.

Nach etlichen Stunden kam er an die Schlucht. Die Sonne stand schon tief. Etwa fünfzig Meter vor dem Abgrund hielt er an und setzte sich auf seine Hinterpfoten. Noch einmal sah er sie alle Drei bei der ausgelassenen Jagd nach Hasen am Fuße des Mount Elbert. Taga... Plana...

Trilo raste los. Noch wenige Meter bis zur Klippe. Dann spannte sich sein mächtiger Körper an und seine starken Hinterläufe federten ihn empor. Sein Fell warf rötliche Schattierungen in der untergehenden Sonne. Sein Körper lag waagerecht in der Luft. Er fand es herrlich, wie ihm der Wind um die Nase und die Ohren wehte. War es vom Windzug, dass er Tränen in den Augen hatte?

Immer neue Schattierungen schuf der Wind in Trilos Fell.

Dann schloss er seine Augen...«

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