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Faszination Faszien

Use it or lose it

Faszien sind mehr als Hüllen oder Bindegewebe. Neben Struktur, Funktion und Plastizität erlauben Kenntnisse über Faszien einen tieferen Blick in die Logik des Lebens. Faszien verstehen bedeutet das Leben besser zu verstehen.


Was sind Faszien?

Die Faszien, von lateinisch fascia für »Band« oder »Bündel«, sind die Bindegewebshüllen um unsere Muskeln herum. Dieses »verbindende Gewebe« durchdringt den gesamten Körper und verbindet sozusagen alles mit allem. Verändert man auch nur eine Zelle des Bindegewebes, hat das theoretisch Auswirkungen auf alle Zellen. Mit dieser stark verallgemeinernden Begriffsdefinition sind die Faszien seit 2007 vielen ein Begriff, da sie sich damit besser erklären lassen und einzelne Strukturen wie Haut, Muskeln oder Bänder besser integriert und gemeinsam betrachtet werden können.

Evolutionär betrachtet ist alles aus dieser Art Gewebe entstanden: von einer einzelnen Zelle über Zellvermehrungen bis hin zu komplexen Lebewesen. Die Faszie scheint für die Natur eine Art Universalbeutel für Flüssigkeiten, vor allem Wasser, zu sein und hat es vielleicht auch ermöglicht, dass Lebewesen aus dem Wasser an Land kommen konnten. Die Beutel sind extrem unterschiedlich und sehr flexibel und erfüllen damit perfekt die Hauptaufgabe des Lebens: Anpassung an unterschiedlichste Anforderungen.


Die 3D-Struktur der Faszien

Aufbau der faszialen Schichten

Anatomisch werden von außen nach innen drei Faszienschichten unterschieden: oberflächliche Faszien, tiefe Faszien und viszerale Faszien.

Die oberflächlichen Faszien haben Verbindung zur Haut. Sie umschließen die Organe und dienen als Füllstoff und als Dämpfer. Sie speichern Wasser und Fett, und durch sie laufen Blut-Nerven- und Lymphbahnen.

Die tiefen Faszien durchdringen und verbinden den gesamten Bewegungsapparat. Unser Muskel-Skelett-System wird durch sie organisiert und zusammengehalten. Zugund Druckwirkungen werden vielseitig verarbeitet und bestimmen die Form dieses Gewebes. An manchen Stellen des Körpers bilden sich starke Schichten und Sehnenplatten aus, die mehr Kräfte verteilen als andere, weniger beanspruchte. Unsere Handund Fußflächen, die Achillessehne und der untere Rücken sind solche verstärkten Bereiche. Auch die muskelumgebenden und muskeltrennenden Schichten gehören zu den tiefen Faszien, die durch ihren hohen Kollagenanteil besonders zugelastisch und damit für Dehnung geeignet sind.

Die viszeralen Faszien schließlich dienen im Inneren des Körpers als Befestigung oder Aufhängung der inneren Organe und umschließen sie.

Mit der äußeren Manipulation durch Rollen erreichen wir hauptsächlich die oberflächlichen Faszien sowie die anatomisch außen liegenden Muskeln. Dadurch beeinflussen wir mechanisch deren chemische Struktur, die zum Teil für solche äußeren Reize vorbereitet ist.


Lumbalfaszie als Übergang des Beckens zur Wirbelsäule

Die oberflächlichen Faszien befinden sich im Unterhautgewebe in den meisten Teilen des Körpers. Kollagen ist als Strukturprotein Hauptbestandteil dieser Faszien und das vorherrschende Eiweiß im menschlichen Körper. Diese Faszien können Fett und Wasser speichern, sie bilden die Umgebung für Lymphe, Nerven und Blutgefäße und lagern diese weich und schützen sie. Kollagene Fasern haben eine enorme Zugfestigkeit und sind wenig dehnbar. In der kollagenen Faserstruktur befinden sich Stoffgruppen, die für die Wasserbindung verantwortlich sind und auch als einziges biologisches Schmiermittel dienen. Je nach Alter oder Beanspruchung sind diese Fähigkeiten enorm unterschiedlich ausgeprägt. So nimmt auch der Gesamtwasseranteil des Körpers im Alter ab. Altern stellt also ein natürliches Risiko für die Qualität bzw. Funktionalität der Faszien dar.


Zellstruktur und Aufgaben von Fibroblasten

Wenn wir im Training von außen Druck auf diese Strukturen ausüben, dann vor allem auch mit dem Ziel, die Fähigkeiten der Wasserbindung und die Wirkung als Schmiermittel zu verbessern.

Fibroblasten

Auf der untersten Ebene der Zellen haben die Fibroblasten als spezialisierte Zellen, als Basiszellen im Fasziengewebe, unterschiedliche Funktionen. Sie bilden die extrazellure Matrix und die kollagenen Fasern, die zur Stabilität des Gewebes dienen.

Eine weitere wichtige Aufgabe erfüllen sie in der Reparatur von Gewebeverletzungen. Als Fibrozyten bilden sie das Narbengewebe, das nicht mehr dreidimensional, sondern nur noch in eine Richtung ausgeprägt wird. Ebenso aktivieren sie die verstärkte Produktion von Zytokinen, speziellen Proteinen, die vielfältigste Wirkungen im Organismus haben. Weiterhin sind sie an der Synthese von Glucosaminglykanen beteiligt, die das Gewebe gleitfähig halten (Schmiermittel).

Aufgaben und Funktionen von Faszien

Passende Form geben nach innen und außen

Faszien sind unsere Hüllen und grenzen uns mit ihrer äußersten Schicht, der Haut, gegen die Umwelt ab. Doch gerade diese äußere Schicht ist sehr sensibel für Verletzungen und die Wahrnehmung von physikalischen Reizen, die dann weitertransportiert und interpretiert werden. Ein liebevolles Streicheln ruft andere Wahrnehmungen hervor als das Reiben mit einer Bürste. Dabei können die individuellen Wahrnehmungen und Reaktionen sehr unterschiedlich ausfallen.

Die äußere Schicht der Faszien, unsere Haut, verändert sich sogar kurzfristig bei starker Sonneneinstrahlung oder einem längeren Aufenthalt im Wasser. Sie kann sich extrem schnell anpassen an äußere, aber auch innere Bedürfnisse. So kann sich die Haut bei Schwangerschaften oder starker Gewichtszunahme extrem dehnen.

Diese Anpassungsfähigkeit der Faszien ist sehr wichtig, um sich schnell ändernden Bedingungen anzupassen und keinen Schaden dabei zu nehmen. Ein Muskel, der durch Training wächst, bekommt ein größeres Volumen, darf aber seine Gleitfähigkeit in den Faszienhüllen, die in allen Ebenen verlaufen, nicht verlieren. Je nach Körperstelle kann die Beschaffenheit der Faszien sehr unterschiedlich sein: Die Faszien der Handund Fußflächen etwa sind besonders fest miteinander verbunden, da über sie der Kontakt zur Umwelt hergestellt wird und sie besonders sensibel, aber auch schützend und anpassungsfähig sein müssen.

Bewegungen ermöglichen

Faszien umgeben die kleinsten Muskelfasern, bündeln dann immer mehr Anteile der Muskulatur zu immer größeren Funktionseinheiten und ermöglichen damit, dass durch Muskelaktivität Bewegung entsteht. Den Übergang zwischen Muskel und Knochen stellen die Sehnen dar, die die Kraft auf das Gelenk übertragen. Verteilt über den ganzen Körper arbeiten die Muskeln in Ketten bzw. Schlingen zusammen und ermöglichen komplexe Bewegungen.


Aufbau einer Muskelfaser

Ohne Faszien und deren Kraftübertragung ist keine Bewegung möglich. Dies erklärt aber auch, warum die meisten Verletzungen im Bereich des Muskel-Skelett-Apparates die faszialen Strukturen betreffen und entweder durch Überlastung, immer wiederkehrende gleiche Belastungen oder Fehlbelastungen entstehen. Auch das Nichtnutzen dieser Kraftübertragungen durch Bewegungsmangel kann zu Beschwerden führen. Bewegung ist durch Faszien vielseitig möglich und sollte auch so praktiziert werden. Das Bindegewebe umhüllt alle Organe und Muskeln und durchzieht den ganzen Körper. Bei Bewegung des Körpers oder von Körperteilen verschieben sich die Bindegewebsschichten und gleiten dabei aneinander vorbei. Je komplexer die Bewegung, desto mehr ist dieses Gleiten notwendig bzw. gefordert.


Muskeln übertragen durch Faszien Kraft auf das Knochensystem

Strukturen versorgen und vernetzen

Da die Faszien alles mit allem im Körper verbinden, aber auch trennen, sind sie für die Informationsvermittlung sehr wichtig.

Kräfte werden durch sie übertragen, Flüssigkeiten ausgetauscht und Schmerzen wahrgenommen.

Faszien befinden sich an den Grenzen zwischen Systemen mit unterschiedlichen Strukturen bzw. Aufgaben, die bislang immer getrennt betrachtet wurden, aber doch miteinander verbunden sind. Die Psyche, Emotionen und viele andere noch unerforschte Aspekte scheinen hier eine Rolle zu spielen.

Das Fasziensystem leistet eine besondere Aufgabe, indem es äußere Einflüsse auf den Organismus in körpereigene Sinneswahrnehmungen transferiert. So kann Druck von außen zu einer Schmerzwahrnehmung führen, ebenso können psychische Einflüsse in Verspannungen transferiert werden. Durch diese Umwandlung physikalischer Reize in biochemische Reize werden Informationen bewertet und können in unterschiedlichste Sinneswahrnehmungen »übersetzt« werden. Dies ist eine herausragende evolutionäre Leistung, deren individuelle Ausprägung sehr unterschiedlich sein kann.

Das Fasziensystem hat Kontaktstellen zu allen anderen Systemen unseres Körpers. Der menschliche Körper besteht zu einem hohen Prozentsatz (ca. 60 %) aus Wasser, das in zahlreichen Körperflüssigkeiten vorkommt. Aber auch Muskelanteile können zu 75 % aus Wasser bestehen, und unser Blutplasma hat sogar über 90 % Wasseranteil. Selbst unser Knochensystem besteht zu 20 % aus Wasser. Die einzigen natürlichen Gleit- und Schmiermittel des menschlichen Körpers befinden sich im Fasziensystem und können ihre Wasserbindefähigkeit enorm verändern.

Zwischen den Zellen, aber auch in die Zellen und aus den Zellen heraus wird so der Transport von Informationen und Nährstoffen sowie von Sauerstoff gewährleistet. Die Faszien bewerkstelligen dabei den Transfer von der mechanischen Information bis hin zur biochemischen und nervalen Information und zurück. Signale können so schnell verarbeitet und im gesamten Körper transportiert werden. Durch den Einsatz des Rollens des Gewebes von außen kann hier massiv, aber dosiert eingegriffen werden. Vor allem die Flüssigkeit zwischen den Zellen kann deutlich beeinflusst werden. Diese Anpassungen sind kurzfristiger Natur und stellen keine strukturellen Änderungen dar, haben aber Einfluss auf Bewegung und Wahrnehmung.

GESCHWINDIGKEIT DES FASZIENSYSTEMS

Informationen wie Schmerz oder psychische Einwirkungen können extrem schnell wahrgenommen werden und zu Reaktionen führen.

Strukturelle Veränderungen, die durch Zug oder Druck das Gewebe dauerhaft verändern können, bedürfen einer sehr häufigen Reizeinwirkung, bevor es Anpassungen gibt; sie können viele Monate in Anspruch nehmen.

Faszientraining für jedermann

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