Читать книгу Bittere Orangen im Glas - Frank Winter - Страница 8

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Hilft der Butler?

»Wie kann sie davon ausgehen, dass die Gräuel einfach aufhören?«, fragte MacDonald während der Busfahrt zu Albertos Haus.

»Junge Leute reden oft mal etwas daher, Angus.«

»Zwischen Miss Redpath und Apolonia scheint eine gewisse Spannung zu bestehen.«

»Willst du immer noch mit diesem Richard sprechen?« »Apolonias Butler heißt Reginald, und jemanden, der in ihrem Haus wohnt, können wir schwerlich ausklammern.«

»Aber wir haben es nicht abgesprochen.«

»Seit wann müssen Detektive eine Erlaubnis einholen?«

»Verstehe, wir nutzen den Überraschungsmoment.«

»So kann man es auch sagen.« MacDonald zog einen Stapel Broschüren aus dem Jackett.

»Zum Luft zufächeln?«

»Nein, ich möchte sehen, welche Themen vertreten sind.«

Den Rest der Fahrt schwieg Alberto und rannte zu Hause gleich in den Garten. Auf einem Grundstück in der Nachbarschaft rief jemand »en garde!«.

Der Italiener zeigte zu Apolonias Anwesen. »Da ist er wieder. Raymond.«

Angus stöhnte. »Reginald, der Butler, jawohl.«

»Was macht er denn?«

»Ist das nicht augenscheinlich? Fechten.«

»Butler im Jogging-Anzug? Hat bestimmt schon wieder frei!«

»Besser, wir warten, bis er seine Übungen beendet. An seiner Stelle würde ich die Tür vorher nicht öffnen.«

Etwa zehn Minuten später klingelten sie bei Apolonia. Reginald trug makellose Berufskluft. Er muss uns erwartet haben, dachte MacDonald. »Guten Tag, Sir, dürfen wir eintreten?«

»Miss Hope-Weir ist leider nicht zugegen, Gentlemen.«

»Nicht schlimm, denn wir würden sehr gerne mit Ihnen plaudern.«

»Darf ich fragen, wer sie sind?«

»Freunde von Apolonia. Ich heiße MacDonald und der Herr neben mir ist Mister Vitiello.«

»Könnten wir das Gespräch außerhalb meiner Dienstzeit führen?«

»Sogleich wäre uns lieber.«

»In diesem Falle müsste ich kurz telefonieren.«

»Porca …«

MacDonald ergriff das Wort. »Selbstverständlich, mein Herr, und schließen Sie ruhig solange die Haustür.«

»… miseria!«, beendete Vitiello seinen Fluch vor verschlossener Tür. »Der Typ hat sie ja nicht alle!«

»Im Gegenteil. Er handelt korrekt. Nur ein schlecht ausgebildeter Butler gewährte uns Einlass.«

Durch die geschlossene Tür hörten sie Butler Reginald telefonieren. Das Gespräch dauerte nicht lange. Doch zehn Minuten später harrten sie noch immer aus und Geduld war Albertos erste Tugend nicht: »Ich sag’s noch mal, komplett gaga! Was fällt ihm ein …«

Reginald öffnete die Haustür. »Es tut mit sehr leid, dass Sie warten mussten.«

»Schon vor Ewigkeiten haben Sie …«

MacDonald stellte sich vor seinen Freund. »Mister Vitiello und ich bedanken uns vielmals.«

Reginald verneigte sich. »Treten Sie bitte ein. Miss Apolonia gewährt mir zehn Minuten.« Er blieb in der Eingangshalle stehen. »Wie kann ich helfen?«

MacDonald ließ einen Blick für sich sprechen: Konversation im Flur?

»Wir könnten auch ins Wartezimmer gehen, wenn Sie das vorziehen«, schlug Reginald vor.

Gutes Butler-Training, stellte Angus abermals für sich fest.

»Danke vielmals, nicht nötig. Wie dürfen wir Sie adressieren?«

»Mein Name ist Reginald.« Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken.

»Sie nehmen es mir bitte nicht übel. Doch höre ich feinen Akzent heraus. Verraten Sie uns Ihre erste Sprache?«

»Gälisch. Ich stamme von Skye, verließ die Heimat vor langer Zeit. Erinnerungen verblassen mehr und mehr.«

Alberto freute sich. »Skye! Dort haben meine Tochter und ihre Familie schon Urlaub gemacht.«

MacDonald räusperte sich. »Mister Reginald …«

»Reginald genügt völlig, Sir.«

Ob er im Zuge der Ermittlungen irgendjemanden ansprechen durfte, wie er wollte?! »Arbeiten Sie schon lange für Miss Apolonia?«

»Etwa ein Jahr.«

»Gab es Vorgänger?«

»Wohl nicht. Aber fragen Sie besser meine Dienstherrin.«

»Was sind Ihre Aufgaben …?«

»Butler dieser Tage müssen vielseitig sein. Tafelsilber polieren, Essen zubereiten und servieren, Reinigen und Bügeln der Kleidung, Schuhe polieren, einen Wagen oder Jet chartern, Arbeiten am Haus überwachen, finanzielle Verhältnisse ordnen. Details sind sehr wichtig. Wurde eine Bluse perfekt gebügelt? Besitzt die Hose ausreichend Bügelfalten?«

»Üben Sie all diese Tätigkeiten aus?«

»Mehr oder weniger.«

»Wie sieht es mit Personenschutz aus?«

»Falls er gewünscht wird.«

»Erklären Sie uns das«, protestierte Alberto.

»Nach dem ersten Attentat wies ich Miss Hope-Weir auf meine Qualifikationen als Bodyguard hin …«

»Sisi, und dann?«

»Die junge Dame hielt dezidierte Bewachung für überflüssig.«

»Mit dem Mädchen muss ich dringend reden! So kann es wirklich nicht weitergehen!«

»Tun Sie das, Mister Vitiello. Sehr dankbar wäre ich Ihnen.«

MacDonald fiel auf, dass der Butler mit seinem liebevoll besorgten Blick zum ersten Mal aus der Rolle fiel. Sollten sie ein Techtelmechtel haben?

»Wissen Sie, dass Miss Hope-Weir heute morgen zum zweiten Mal angegriffen wurde?«

»Sehen Sie, das meine ich!«

»Apolonia sagte Ihnen am Telefon nichts?«

»Gentlemen, eines missverstehen viele Menschen. Butler dürfen sich nicht als Freunde ihrer Arbeitgeber betrachten. Aus dem simplen Grund, weil sie es nicht sind.«

»Was verdient man so?«

»Alberto!«, rügte Angus.

»Kein Problem. Ein Butler, fünf Jahre im Beruf, kann bis zu 50.000 Pfund erwirtschaften. Ist er noch erfahrener, bewegen wir uns in Dimensionen über 70.000 Pfund.«

Alberto pfiff durch die Zähne.

»Ich entschuldige mich für Mister Vitiellos volkstümliches Verhalten.«

»Naturalmente, bin ein Bauerntölpel!«

»Gentlemen, es bedarf der Rede nicht.«

»Wo befanden Sie sich, als Miss Hope-Weir zum ersten Mal niedergeschlagen wurde?«

»Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«

»No, grazie!«, erwiderte Alberto.

»Im Garten.«

»Prego?«

»Sie wollten wissen, wo ich mich aufhielt.«

»Bekamen Sie von dem Vorfall etwas mit?«, fragte MacDonald konziliant.

»Leider nein, und das werde ich mir bis ans Lebensende nicht verzeihen.«

»Wäre es akustisch möglich, im Grünen Vorfälle zu vernehmen?«

»Nur wenn alle Zwischentüren geöffnet sind«, erklärte Reginald.

»Naturalmente. Waren sie denn offen?«

»Es entzieht sich leider meiner Kenntnis. Als ich ins Haus zurückkehrte, saß die junge Dame bereits weinend im Wohnzimmer.«

»Angesichts der Umstände fragten Sie sicherlich, wer Apolonia so schrecklich zurichtete, nicht wahr?«

»Zuallererst holte ich aus der Küche einen Eisbeutel.«

»Was trieben Sie im Garten?«

»Ich möchte meine Fitness bewahren. Man weiß nie, was im Leben auf einen zukommt.«

»Fitness mit Fechtübungen?«

»Auch, ja.«

»Das heißt, Sie verrenken sich noch auf andere Weise?«, legte Alberto nach.

»Wenn man das so ausdrücken möchte, Mister Vitiello.«

»Waren Sie bei der Armee?«, erkundigte MacDonald sich.

»Royal Marines.«

Wenn Alberto zu lange auf seinen Capuccino warten musste, wurde er unleidlich. Vor zwei Cafés hatten sich lange Schlangen gebildet. Würde es in Edinburgh nun stets wie an Hogmanay oder während der Festivalzeit zugehen? Die beiden Detektive hatten in einem Coffee Shop auf der Morningside Road Platz gefunden, wo sich der Italiener genüsslich Milchschaum von der Oberlippe wischte. »Woher hast du gewusst, dass er Soldat war?«

»Die Fechtübungen und eine auffallend aufrechte Haltung deuteten darauf hin.«

»Stimmt«, erwiderte Alberto, als ob er es auch bemerkt hätte. »Aber Soldaten schwingen doch heutzutage keinen Degen mehr?«

»Ahahaha, guter Scherz.«

»Hab’s ernst gemeint, Angus.«

MacDonald rieb sich die Hände über die Schläfen.

»Was ist denn los mit dir?«

»Entschuldige, Alberto. Aber wir sind nicht eben weit gekommen.«

»Keine Bange, das kann sich schnell ändern.«

»Dein Wort in Gottes Ohr.«

»Was machen wir als Nächstes?«

»Marmelade kochen.«

»Vorschlag, Angus …«

»Ja, bitte?« MacDonald war hoffnungsfroh.

»Du kochst deine Blu… Bitterorangen ein und ich observiere den Crazy-Jam-Shop auf der Princess Street.«

»Mit welchem Behuf?«

»Herausfinden, wer das Geschäft beehrt.«

Angus strahlte übers ganze Gesicht. »Glänzende Idee!«

Zuhause in Dean Village studierte er die Crazy-Jam-Broschüren. Ein Thema glänzte mit Abwesenheit, obwohl er und alle Landsleute patriotische Menschen waren: die schottische Unabhängigkeit. Im Fernsehen und Funk sprach First Minister Nicola Sturgeon doch nahezu täglich darüber …

Alberto hob die Hände mit gespreizten Fingern in die Luft. »No, es gibt keine andere Frau.«

Maria Vitiello, von Natur aus ruhig, regte sich über ihren Mann auf! Nach Jahrzehnten des Ehelebens kannte man sein Gegenüber!

»Hab’s doch erklärt. Jemandem in Not helfe ich.«

»Zufällig eine blendend aussehende Italienerin!«

»Ist sie so attraktiv?«

»Nimmst du mich jetzt auch noch auf den Arm?«

»No, aber Damen haben oft komische Kriterien für Attraktivität. Maria, ich verlasse jetzt das Haus, denn was ich auch sage, führt zum Streit.« Alberto kannte die Verletzlichkeit der italienischen Frau, wenn vermeintliche Konkurrentinnen ins Spiel kamen. Sie hatte nichts zu befürchten, blieb aber seit seinem letzten Fall extrem misstrauisch. Was konnte man tun? Maria, ich habe dich in der Vergangenheit nicht betrogen, mache es jetzt auch nicht und bleibe dir ewig treu. Das hatte er in Standesamt und Kirche versprochen! Basta cosi! Dumm nur, dass Maria Kriminalromane verschlang. Früher schlief er mit einem geöffneten Auge, falls sie auf dumme Gedanken kam. Ihrem neuen Lesetempo entsprechend, sollten es besser beide Augen sein! Er nahm den Bus zur Princess Street, stieg an der ersten Haltestelle aus und ging zu Fuß weiter. Von der anderen Straßenseite war gut zu sehen, was sich bei Crazy Jam abspielte. Immer wieder betraten und verließen Kunden das Geschäft. Nicht alle wirkten seriös. Am Abend ging dann Anne Redpath als Erste. Beschwingt singend entkettete sie ihr Mountainbike und radelte davon. Es folgte Apolonia und dreißig Minuten nach Ladenschluss ihre zweite Angestellte, Sophie Tawse. Die nette, kleine Frau trug schwarze Lederkleidung, Rucksack und Motorradhelm! Zehn Minuten spazierte sie vor dem Geschäft auf und ab, ungeduldig werdend, völlig anders als bei ihrem Gespräch! Nach abermals zehn Minuten war sie nahe dran, ihren Helm auf den Gehweg zu schleudern, schwang ihn schon hin und her. Alberto hörte die Motorradfahrer lange, bevor er sie sah. Auf Harley-Davidsons donnerten Zweiergruppen aus Leith heran, steckten in schwarzem Leder und dunklen, halben Helmen, fuhren vorbei und machten an der nächsten Kreuzung einen U-Turn. Die Schultern zierten zwei weiße Dämonen, White Demons, auf blauem Grund. Weiß und blau, die Farben der schottischen Flagge. Konnte es sein, dass die brave Miss Tawse mit diesen Gestalten bekannt war? Lange musste er auf die Antwort nicht warten. Mitten auf der Princess Street hielten sie an und blockierten den Verkehr. Sophie streckte den Daumen in die Luft und allen Zusehenden wurde klar, dass sie die Männer kannte.

Zu Hause rannte Alberto zum Laptop. Maria war erstaunt, dass er schon wieder da war. Ihrer Einschätzung nach hatte er ja ein weiteres Rendezvous! Er tippte bei Mister Yahoo »White Demons« ein. Die Gruppierung wurde in den Fünfzigerjahren von D-Day-Veteranen gegründet und militärisch organisiert. Die Teufel waren selbständig. Nicht aus Faulheit oder übertriebener Lust am Unkonventionellen, sondern weil sich feste Jobs nicht mit regem Vereinsleben unter einen Hut bringen ließen: Bei den regelmäßigen Treffen, Festen, Motorradrennen, Paraden etc. zu fehlen, war absolut tabu. Ständig im Krieg mit anderen Banden, erwarben sich die weißen Dämonen im Laufe der Jahre eine Reputation für Gewalttätigkeit. Wie zahlreiche Zeitungsartikel belegten, hatten die Fehden oft mit Drogenhandel zu tun. Prostitution, Diebstahl und Erpressung gehörten auch zum Repertoire. Feine Gesellschaft hatte Miss Tawse sich ausgesucht! Die brutalste Rockergruppe Großbritanniens, mitten im schönen Edinburgh! Warum konnte es nicht ein harmloser Verein sein, nette Menschen, die in ihrer Freizeit gerne Motorrad fuhren? Le acque silenziose sone profonde. Stille Wasser sind tief, sagte man!

»Miss Apolonia erzählte mir nichts von einem Buchprojekt. Das versichere ich Ihnen.« MacDonald war unschlüssig, warum er einen vereidigten Gerichtszeugen mimen musste! Mrs Howatson, die nach eigener Aussage jüngst einen Verlag gegründet hatte, klingelte an seiner Tür und rückte ins Labor vor! Seit zweiundzwanzig Minuten variierte sie dieselbe Frage, eine beliebte Verhörtechnik. Ob sie nebenberuflich für den CIA oder Homeland arbeitete? Warum in die Ferne schweifen, Angus? »Auch im schönen Schottland beherrschen Kriminalbeamte ihr Handwerk.«

Mrs Howatson neigte neugierig den Kopf. Sie war Ende Vierzig, mit konservativem Hosenanzug und kunstvoll drapiertem Dutt, der von großer, blauweiß-lackierter Stricknadel dominiert wurde. Worauf bezog sich der stattliche Autor mit seinen Kriminalbeamten? Weil Mrs Howatson nichts zu erwidern wusste, betastete sie ihren Ehering.

Sein Lautsprechen war Angus überaus peinlich. »Dumme Angewohnheit, die alleinstehende Menschen mitunter entwickeln. Sind diese, äh, Farben Ihres Haarschmucks symbolisch zu interpretieren?«

»Wie meinen Sie das, mein Herr?«

»Blau und weiß, die schottische Flagge …«

»Möglich, ja, aber nicht absichtlich. Apo hat nichts verraten, sagen Sie?«

»Nein. Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen.« Mit etwas Distanz wäre alles lustig. Doch stand zu befürchten, dass Mrs Howatson ihm für immer und ewig beim Marmeladenkochen Gesellschaft leistete. Als sie versuchte, einen Blick auf den Dutt zu erhaschen, musste er beinahe lachen.

»Duftet es hier nach Schinken, Mister MacDonald?«

Sollte er die Aussage verweigern? Es wäre der Albernheit Gipfel gewesen. »Bereiten Sie eine Fleischpastetenfüllung zu?«, fragte sie herausfordernd.

»So ähnlich.«

»Was blubbert im Topf so schön? Schinken ist es kaum. Sauerkirschen! Für Marmelade, stimmt’s?«

»Jawohl.«

»Nach eigenem Rezept?«

»Natürlich, nur so!«

»Apo entwickelt ebenfalls eine Marmelade, die …«

»Ich versichere Ihnen, noch niemals Rezepte gestohlen zu haben, Mrs Howatson! Darf ich fragen, woher Sie meine Adresse kennen?«

»Telefonbuch.«

»In dem stehe ich nicht.«

Sie patschte eine Hand auf die andere. »Rona, Dummerchen, du! Internet.«

»Ebenfalls unmöglich.«

»Apo dann.«

Immer diese Verstümmelung von Namen! Wieviel Zeit nahm es in Anspruch, die letzten beiden Silben noch auszusprechen? Lo-nia. Ein Wickelkind schaffte das!

»Apo hat Ihre Adresse von diesem italienischen Gentleman bekommen, Mister …«

»Ja?« Er würde ihr nicht den Gefallen tun, auf den uralten Trick reinzufallen und den Namen auszusprechen.

»Vitiello. Alberto mit Vornamen. Jawohl.«

»Miss Apolonia arbeitet also an einem Marmeladenbuch?«

»Schön wäre es! Die Kleine ist nicht sehr konzentriert momentan.«

»Nach zwei schweren Anschlägen verständlich, oder?«

»Ach, sie politisiert mir zu viel!«

»Die Broschüren …?«

»Meines Erachtens vergeudet sie ihre Zeit. Politik sollte man Profis überlassen.«

»Williams Rede!«

»Ihr Herr Bruder?«

»Sie kennen ihn?«

»Nur aus Zeitungsartikeln. Entschiedener Vertreter schottischer Unabhängigkeit.«

»Wie alle Abgeordneten der Scottish National Party, ja. Immerhin leben wir in einer englischen Kolonie.«

»Spielen Sie auch mit dem Gedanken zu politisieren?«

»Gott bewahre, nein!«

»Sie wissen, wo Ihre Stärken liegen, Mister MacDonald. Das lobe ich mir.« Mrs Howatson schaute ihn treuherzig an. »Könnten Sie mir bitte einen Gefallen tun?«

»Worum handelt es sich?«

»Mit Apo reden, wegen ihres Abgabetermins für das Buch …«

MacDonald zuckte zusammen.

»Verzeihen Sie außerordentlich. Ich hätte das nicht fragen sollen.«

»Nein, ist schon gut. Doch warum sollte sie ausgerechnet auf mich alten Knochen hören?«

»Stichwort Hoffnungsschimmer. Alle, die ihr nahestehen, blieben erfolglos.«

»Lieber würde ich mich auf die Ermittlung der Täter konzentrieren.«

»Große, große Gegner.«

»Warum sagen Sie das?«

»All diese Faltblätter und Broschüren, die Missstände beweinen … der erste Täter sagte es auch: Schreib endlich mal etwas Kluges, Mädchen!«

»Davon hat uns Miss Apolonia gar nichts erzählt.«

»Sie erwähnten doch selbst, dass Sie Apo nicht gut kennen. Völlig andere Frage, Mister MacDonald. Sind Sie mit Ihrem Verleger zufrieden?«

»Durchaus, ja. Weshalb?«

Mrs Howatson patschte auf den Dutt und die Stricknadel vibrierte. »Ich bin vom Fach. Sie erinnern sich? Werden Sie mit Apolonia kommunizieren?«

»Gewiss, Mrs Howatson.«

»Mehr darf ich nicht erwarten, oder?« Sie zwinkerte ihm zu und legte eine Visitenkarte auf den Tisch. »Kreative Autoren sind uns stets willkommen.«

Gütiger Gärbottich!2 Was sollte das bedeuten? Am besten gar nicht darauf eingehen. »So machen wir es, Mrs Howatson.« War sie nun mütterliche Verlegerin oder der harte, abgebrühte Typ, immer nur ans Geschäft denkend? MacDonald bezweifelte, dass Alberto seinen Wohnsitz ausposaunt hatte. Auf Mrs Howatsons Visitenkarte standen nur Name und Website. Der Verlag war ihm kein Begriff …

»Wenn ich früher vormittags einen Freund besuchte, wurde ich gefragt, ob ich schon einen Whisky hatte. Heutzutage werde ich gefragt, ob ich Tee möchte.«

William Macintosh of Borlum (1662–1743):

»Essay on Ways and Means of Enclosing«

2 MacDonald spielt auf einen wichtigen Schritt in der Whisky-Produktion an: Wenn das Gerstenmalz mit Hefe und heißem Wasser gemischt wird, fängt es gewaltig zu gären an.

Bittere Orangen im Glas

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