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VORWORT DES HERAUSGEBERS
Оглавление»… ausgesandt, einen Weg zur See aufzusuchen«
John Franklin, der Erforscher der Nordwestpassage
Die Entdeckung Amerikas ist die Pointe eines Aberwitzes … Anno Domini 1295 soll der Venezianer Marco Polo nach langen Karawanenzügen durch Ostasien – das weiland auch pauschal mit dem Begriff »Indien« bezeichnet wurde – in seine Heimat zurückgekehrt sein. Freilich: Ob diese Reise jemals stattgefunden hat, ist bis heute unbewiesen. Genauso, wie es keine Bestätigung für die Umstände gibt, unter denen Marco Polo angeblich dem Schriftsteller Rustichello da Pisa 1298 von seinem Gran Viaggio erzählt hat. Hirngespinste sind darunter, Ammenmärchen und Schnurrpfeifereien wie jene, wonach vor der Küste Chinas eine Insel namens »Zipangu« (= Japan) liege. Deren König halte Hof in einer Feste, deren Dach ganz und gar mit Gold plattiert sei, »gerade so wie wir die Häuser, oder richtiger die Kirchen, mit Blei decken«.
Zwei Jahrhunderte später wurde der Genueser Cristoforo Colombo von solchem Seemannsgarn gefesselt. Und er notierte neben die besagte Stelle in seinem Exemplar der Beschreibung der Welt »Aurum in copia maxima« … »Gold in größtem Überfluss«. Dann rüstete er drei Karavellen, ließ ihren Kurs nach Westen legen, und nachdem er fünf Wochen lang gesegelt war, trug er am 10. September 1492 in sein Bordbuch ein: »Heute ließ ich die Mannschaft zusammenrufen und sprach von den Ländern, die auf uns warten. Ich schilderte sie, wie ich sie aus dem Bericht Marco Polos kenne. Als ich die Reichtümer erwähnte, das Gold und die Edelsteine, mit welchen sich ein jeder die Taschen würde vollstopfen können, hellten sich die Mienen doch ein wenig auf.«
Sobald er dann am 12. Oktober den Strand von Guanahaní (= Watlinginsel) betreten hatte, wähnte er sich im Dunstkreis jenes Eldorados. Aber das Gefundene erwies sich nicht als das Gesuchte. Weder auf der ersten Mission noch auf der zweiten von 1494 bis 1496 noch auf der dritten von 1498 bis 1500 noch auf der vierten von 1502 bis 1504. Am Ende wurde dem Admiral nicht einmal das Namenspatronat der fernen Küste gewährt. Stattdessen sollte der Geograph Martin Waldseemüller aus Freiburg im Breisgau den fremden Gestaden 1507 in seiner Universalis Cosmographia zu Ehren des florentinischen Schiffsführers – und Aufschneiders! – Amerigo Vespucci den Namen »America« geben. Waldseemüller korrigierte das später. Aber da hatte er seine Karte bereits in tausend Exemplaren gedruckt und somit markt- und meinungsbeherrschend gemacht.
Gleichwohl wusste weder der eine noch der andere, weder dieser Deutsche noch jener Italiener, was »America« war. Ein riesiges, »Zipangu« vorgelagertes Eiland …? Eine Barriere im Atlantik …? Eine neue Welt …?
Des Rätsels Lösung brachte 1513 ein Mann, der heute wohl weitgehend vergessen wäre, wenn ihm nicht Stefan Zweig in den Sternstunden der Menschheit 1943 mit der ersten seiner zwölf historischen Miniaturen ein Denkmal eherner denn Erz gesetzt hätte: Vasco Núñez de Balboa, ein Desperado aus Jerez de los Caballeros in Spanien, der wie so viele seiner Zeitgenossen davon träumte, das von Marco Polo in zwei, drei Sätzen erwähnte Gefilde allen Überflusses zu erobern.
Gesten und Zeichen der »Indios« hatte Balboa entnommen, dass das Gebiet um die Siedlung Darien bloß ein schmaler Landstreifen ist, den im Westen ein unendlich weites Meer bespült – in wenigen Tagesmärschen zu erreichen. »Von diesem Augenblick an«, bemerkte Stefan Zweig, »hat das Leben dieses zufälligen Abenteurers einen hohen, einen überzeitlichen Sinn.« Denn Balboa machte sich auf den Weg über jenen Isthmus.
Es wurde eine Schinderei ohnegleichen – sowohl für die Conquistadores als auch für die Eingeborenen und die Tiere: die Pferde, die Lastesel und Bluthunde … »Ave Maria, gratia plena …« Die Überquerung – vielmehr: das Schneisen-Freischlagen, das Sümpfe-Durchwaten, das Berge-Erklimmen – führte durch einen Dschungel, aus dessen geheimnisvollen Tiefen immer wieder vergiftete Pfeile auf den längst fiebersiechen Heerwurm niederprasselten. Hundertdreiundzwanzig der hundertneunzig Soldaten, die sich vor Wochen beutelüstern aufgemacht hatten, waren inzwischen schon tot.
Doch dann, am 25. September 1513, schien es, als hätte sich die Heilige Jungfrau ihrer Schutzbefohlenen erbarmt. Und so trat auf einer Anhöhe plötzlich der Baumbestand zurück, und bis zum Horizont sah Balboa nichts als das Gleißen und Glitzern des avisierten Ozeans …
Zwei Tage später erreichte er mit einer Abteilung seiner Getreuesten das Ufer. »Diese zweiundzwanzig«, bezeugt eine zeitgenössische Quelle, »sowie der Schreiber Andrés de Valderrábano waren die ersten Christen, die ihren Fuß in das Mar del Sur setzten, und alle probten sie mit ihren Händen das Wasser und netzten damit den Mund, um zu sehen, ob es Salzwasser sei wie jenes des anderen Meeres. Und als sie sahen, dass dem so war, sagten sie Gott ihren Dank.«
So gewissenhaft der 27. September 1513 dokumentiert ist: Der grandiose Moment, in dem Balboa achtundvierzig Stunden zuvor die »Südsee« erblickt hatte, dieses Gewahrwerden, dass »America« ein Kontinent ist, markiert das Datum, an dem die Suche nach dem westlichen Seeweg nach »Indien« aufs Neue begann. »Indien« lag plus ultra, noch weiter draußen, und harrte darauf, von Osten her angesteuert zu werden.
Doch nachdem dies 1521 durch die Landung von Fernão de Magalhães auf den Philippinen gelungen war, sich aber – nicht zuletzt in dem Archipel am Südzipfel Amerikas – als äußerst mühsam erwiesen hatte, richtete sich das Augenmerk der Seefahrer Europas auf den Norden des Mundus Novus.
Daher schwärmten sie aus, um ihrerseits ans Ziel des Genuesen zu gelangen … und mussten doch allesamt vor heimtückischen Untiefen oder abweisenden Packeissperren beidrehen: der Italiener Giovanni da Verrazzano 1523 in der Hudson-Straße, der Portugiese Esteban Gómez 1525 unter dem Saum Neufundlands, der Franzose Jacques Cartier 1534 im Sankt-Lorenz-Golf, die Engländer Martin Frobisher 1576 vor der Cumberland-Halbinsel, Henry Hudson 1610 in der Hudson Bay und William Baffin 1616 im Lancaster-Sund.
Nein, die Nordwestpassage blieb ein Traum und ein Trug: ein brillantes Theorem!
So lenkte die dauerhafte Fruchtlosigkeit der älteren Piloten die Draufgängerlust der jüngeren für eine Weile auf andere Regionen, obschon das Parlament in London unterdessen – 1745 – eine Belohnung von zwanzigtausend Pfund Sterling für jenen Sailor ausgesetzt hatte, der den Durchschlupf fände. Nachdem dann überdies James Cook von der Beringstraße aus in west-östlicher Richtung vergebens nach jener Schneise gefahndet hatte, erschien sie ein für alle Mal als Illusion. Am 15. August 1778 notierte der Post Captain Seiner Majestät ins Logbuch der »Resolution«: »Eine halbe Stunde nach zwei kamen wir bei 22 Faden tiefem Wasser […] auf eine Breite von 70°41', wobei wir nicht in der Lage waren, uns auch nur ein Geringes weiter vorzutasten, war doch das Eis zur Gänze undurchdringlich und reichte vor uns von einem Horizont zum anderen, so weit wir sehen konnten.«
Die Nord-Route vom Atlantik in den Pazifik wurde zu einer Herausforderung für Albions Seehelden in spe. Dementsprechend stellte sich 1818 schon auf den ersten Seiten von Mary Shelleys Schauermär Frankenstein ein junger Skipper dadurch als Wohltäter der Menschheit vor, »dass ich in der Nähe des Pols eine Passage zu den Ländern entdecke, die zu erreichen im Augenblick so viele Monate in Anspruch nimmt«.
Now then! John Ross, David Buchan, William Edward Parry – sie alle ließen in ebenjenem Jahr 1818 die Anker lichten und irrten im maritimen Labyrinth der Arktis umher, erlitten Verluste an Material und Mannschaften, scheiterten, aber gaben nicht auf und wiederholten ihre Attacken.
Am erbittertsten kämpfte ein Engländer, der bis heute als Ausbund eines Suchers nach der Nordwestpassage gilt und nicht zuletzt durch Sten Nadolnys Roman Die Entdeckung der Langsamkeit (1983) ein mythischer Heros geworden ist, das Muster eines Mannes, der sein Schicksal beharrlich mit dem Drang zum Voraussein verband – jener Grundbedingung, die für die Erforschung der Erde seit Olims Zeiten zwingend ist.
Sein Name: John Franklin.
John Franklin wurde am 15. April 1786 in Spilsby geboren1, einem Marktflecken in der Grafschaft Lincolnshire, nahe der Ostküste der Insel. Seine Vorväter stammten aus dem südwärts gelegenen Norfolk, hatten sich dann aber bei Sibsey in Lincolnshire als Gutsherren niedergelassen – freilich ohne Fortune. Denn mit jedem neuen Geschlecht schrumpfte das Vermögen der Sippe so weit zusammen, dass am Ende die Witwe John Franklins, des Großvaters des Wegbereiters, ein – wie die Annalen berichten – »gar mäßiges Auskommen« besaß. Da sie jedoch, wie ebenfalls kolportiert wird, eine Frau »von maskuliner Dynamik und resolutem Charakter« war, zog sie nach Spilsby, machte dort einen Laden mit Kolonialwaren auf und lernte ihren Sohn, Willingham, als Tandler und Trödler an. Das tat sie mit solchem Erfolg, dass aus dem Groß- und Einzelhandelskrämer bald ein Bankbesitzer wurde, der es sich 1779 leisten konnte, auf der Main Street ein stattliches Haus zu kaufen, in das er mit seiner Frau Hannah Chappell, der Tochter eines begüterten Landwirts, und sieben Kindern (ein achtes war kurz nach der Geburt gestorben) einzog.
Als sich dann zu den drei Brüdern und vier Schwestern ein vierter Junge gesellte (ihm sollten im Laufe der Jahre drei weitere Mädchen folgen), geschah das für diesen Knaben unter günstigen Verhältnissen: Um ihn herum quirlte die Schar der Geschwister, mit denen er zu den Wäldern und Seen, Mooren und den Anhöhen hinauswandern konnte – denn am Rande der Lincolnshire Wolds war kein Platz für Stubenhockerei, sondern für Tatendrang, Wagemut und Rührigkeit. Bloß, musste es 1796 gleich das Internat von Saint Ives in Cambridgeshire sein? – Nach wenigen Wochen war John Franklin wieder zurück: auf der Lateinschule in Louth, nicht mehr als eine halbe Tagesreise nördlich von Spilsby.
Und wenige Meilen von hier, bei Saltfleet, lag das Meer … sein Geruch erfüllte die Luft.
Diese Prämissen, die familiären wie die topographischen, sollten mit frappanter Konsequenz einen von Willingham Franklins Söhnen als Richter nach Madras, einen anderen als Soldaten um die halbe und einen dritten – nämlich jenen, von dem im Folgenden hauptsächlich die Rede sein wird – als Entdecker fast um die ganze Welt führen.
Zumal die Epoche, in der John Franklin groß wurde, eine Zeit der Entgrenzungen war: Hergebrachte Schranken wurden aufgehoben, bestehende Gräben übersprungen und verbindliche Verhältnisse gelöst. England befand sich im Umbruch. Seine Bürger sorgten (das Ehepaar Franklin hatte es gezeigt) in so massenhafter Weise für Nachwuchs, dass Thomas Robert Malthus in seinem Versuch über das Bevölkerungsgesetz 1798 wegen der ständigen »Neigung aller Lebewesen, sich in höherem Maße zu vermehren, als es die ihnen zur Verfügung stehende Nahrungsmenge zulässt«, nichts als Verelendung befürchtete. Vielerorts entstanden neue Städte, und die alten platzten aus den Nähten. Manchester allein sollte seine Einwohnerzahl von vierzigtausend Seelen zwischen 1770 und 1820 nahezu verfünffachen. Es war die Ära der Industrialisierung, die manchem Wohl und vielen Wehe brachte und allesamt in merkwürdiger Eintracht von der Ferne träumen ließ: die Arbeiter in den Slums, die Kaufleute in den Kontoren, die Unternehmer in den manor-houses. Diese prüften schon die Ausfuhr nach Australien … die anderen planten längst den Handel mit Ostindien … und jene priesen bereits die Freiheit in Amerika …
Infolgedessen wundert es nicht, dass das industrielle oder merkantilistische Saeculum namentlich in England zugleich ein – sagen wir – transozeanisches war. Immer beschäftigten sich Künstler und Denker mit dem Thema des Überseeischen. So bezeichnete Adam Smith 1776 in seiner Abhandlung über den Wohlstand der Nationen Bartolomëu Diaz’ erste Umfahrung des Kaps der Guten Hoffnung als eines der »größten und bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte der Menschheit«; und dann rankte er um diese Diagnose einen nationalökonomischen Exkurs über die »Vorteile, die Europa aus der Entdeckung Amerikas und der Passage um das Kap der Guten Hoffnung nach Ostindien gezogen hat«. 1798 ließ Samuel Taylor Coleridge in seiner Ballade vom alten Seemann einen Engländer in die Antarktis segeln:
»Alsbald kamen Nebel und Schnee, und es wurde bitterkalt:
Und Eis, masthoch, kam vorbeigetrieben, grün wie Smaragd.
Und durch das Treibeis warfen die schneebedeckten Abgründe einen düsteren Schein:
Weder Menschen noch Tiere können wir erkennen – überall war Eis.«
Das ging am Ende bis zu Ford Madox Browns erschütterndem Gemälde Der letzte Blick auf England von 1852 – jener Hommage an seinen Freund, den Bildhauer Thomas Woolner, der mit seiner Frau nach Australien auswandern musste.
Will man die hier umrissene Spanne, die auch das Leben John Franklins mit einschließt, geistesgeschichtlich orten, dann stellt sich heraus, dass sie recht genau mit der Periode des Romantic Movement zusammenfällt.
Der Erkenntniswille seiner Vertreter war auf das Bisher-nicht-Erfahrene und ergo Bisher-nicht-Gestaltete gerichtet. Darum verwarfen sie die klassischen Normen und griffen alternative Axiome auf. Die Künstler ließen sich vom Fallbei(l)spiel der Französischen Revolution in ihrer Auflehnung bestätigen und von der eigenen Einbildungskraft (»imagination«) in ihrem Schöpfertum bestärken. Auf diese Weise überwanden sie die Zwänge der gültigen Ordnung, bis sie schließlich eine noch nie da gewesene Wirklichkeit gewahrten und danach wiedergeben konnten. Mit einem Wort: Sie bewiesen eine Gesinnung, die jener der Rebellen auf dem politischen Sektor entsprach. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wimmelt es von jetzt an in der Dichtung und der Malerei von Unangepassten: von Vaganten, Exploratoren und Abenteurern. Dass Prometheus, der den Menschen das Licht gebracht hatte, aber dafür von Zeus an einen Felsen gekettet worden war, in einem lyrischen Drama von Percy Bysshe Shelley aus dem Jahre 1820 durch Herkules »entfesselt« wird, ist bezeichnend für den Geist jener Zeit – den Trotz, das »Unbound«-Sein, die Unrast … den Wunsch nach Horizont-Erweiterung.
Ihren sichtbaren Ausdruck fand diese allgemeine Aufbruchstimmung im Œuvre William Turners durch die Schiffe: so auf dem Ölbildnis Spithead: Schiffsmannschaft holt einen Anker ein (1818), auf der Zeichnung Blick auf einen Hafen (1827) und auf dem Aquarell Segelschiff auf See (um 1843).
Als sein Zunftgenosse George Sanders um 1810 darstellte, wie Lord Byron windzerzaust am Ufer eines Gewässers steht – bereit, sich in Begleitung seines Gefährten Robert Rushton mit einem Ruderboot auf dem im Hintergrund wartenden Kutter einzuschiffen –, war dies englische Romantik pur!
Auf Schiffen ließ sich das ganz Andere erreichen. Schiffe waren Dienstfahrzeuge – sowohl für erdachte Recken als auch für leibhaftige, für gestandene Helden wie für angehende.
Solch einer war John Franklin, als er sich gemeinsam mit einem Klassenkameraden von Louth nach Saltfleet aufgemacht und zum ersten Mal in seinem Leben das Meer geschaut hatte. »Dieser eine Anblick«, schrieb späterhin sein Biograph Henry Duff Traill, »genügte.« Er stattete John Franklin mit jener Sehnsucht aus, mit der er zum Entsetzen des Vaters den Beruf eines Seemanns anstreben sollte. Ja, er tat dies Schuljahr für Schuljahr mit einer solchen Entschiedenheit, dass Willingham Franklin es 1799 auf einen Versuch ankommen ließ: Er erlaubte seinem Sohn, auf einem Kauffahrteischiff von Hull nach Lissabon und retour zu reisen … und erfuhr bei der Rückkunft seines Sprösslings, dass aus dessen Wunsch inzwischen ein eiserner Entschluss geworden war.
Da gab der Vater klein bei und schickte seinen Ältesten, Thomas, mit John Franklin nach London. Dort musterte der Vierzehnjährige im Herbst des Jahres 1800 als Freiwilliger bei den Seestreitkräften an.
Die Krone brauchte Soldaten: Hatte sich doch der kürzlich zum »Ersten Konsul« ernannte militärische Oberbefehlshaber Frankreichs, Napoleon, unter dem Vorwand, die demokratischen Ideale der Revolution zu exportieren, längst angeschickt, Eroberungskriege zu führen. Dass Lord Nelson die französische Flotte am 1. und 2. August 1798 vor der Küste Ägyptens bei Abukir vernichtet hatte, beirrte den Franzosen nur wenig in seiner Absicht, wie Alexander der Große dereinst »nach Indien zu gehen« – festigte aber erheblich den Nimbus der britischen Marine. Der Rock der Royal Navy zierte ungemein.
»Der Dolch«, meldete Thomas Franklin in brüderlichem Stolz aus London nach Spilsby, »und der Dreispitz, die äußerst formidabel sind, gehören zu den eindrucksvollsten Teilen von Johns Uniform.«
Mag Sten Nadolnys literarische Fiktion der allmählichen Gewährung der Gemächlichkeit durch John Franklin auch noch so faszinierend sein – die Wirklichkeit sah anders aus: Hier überschlugen sich die laufenden, die hastenden, die rasenden Ereignisse und rissen jeden mit sich fort. Wer flink war, kam voran; wer trödelig blieb, der ging unter. John Franklin aber behielt zu allen Zeiten Oberwasser. Denn er war wendig, behände, geschwind – auf Regsamkeit geradezu erpicht.
Shakespeares Drama King John (1591) gehörte erklärtermaßen zu den Werken, die den Jüngling besonders beeindruckt hatten. In dem Stück, das die angestammte Feindschaft zwischen England und Frankreich beleuchtet, appelliert Johns Namensvetter bereits in der ersten Szene an den Patriotismus seines Volkes, als er den provokanten Emissär König Philipps II. August über den Kanal mit den Worten zurückschickt:
»Sei du in Frankreichs Augen wie der Blitz;
Denn eh’ du melden kannst, ich komme hin,
Soll man schon donnern hören mein Geschütz.«
Welche Vorlage für einen Stürmer und Dränger, einen »first class volunteer« in pompösem Outfit!
Als sich John Franklin im März 1801 zum Dienstantritt bei Kapitän Lawford meldete, wurde dessen »Polyphemus« soeben gerüstet, um nach dem Öresund auszulaufen. Zur Zurückweisung von Englands Anspruch auf die Kontrolle der freien – sprich: nicht zugunsten Frankreichs betriebenen – Handelsschifffahrt hatten Dänemark und Schweden, ferner Preußen und Russland in »bewaffneter Neutralität« eine Liga gebildet, was dazu führte, dass den Briten seither der Zugang in die Ostsee verwehrt war. Das Vereinigte Königreich betrachtete diese Maßnahme als Anschlag auf seine Seegeltung und setzte daher eine gewaltige Flotte in Marsch. »Es heißt«, schrieb John Franklin noch am 11. März von Bord der »Polyphemus« an seine Eltern, »dass wir nach Helsingör gehen; wir wollen versuchen, die Festung einzunehmen. Aber manch einer hier fürchtet, dass wir das nicht schaffen. Ich denke, er wird seine Auffassung ändern, wenn er sieht, dass wir fünfunddreißig Linienschiffe haben, nicht mitgerechnet die kleineren Kanonenboote, die Fregatten und Schaluppen. Auch bei vorsichtiger Schätzung werden gleich bei der Ankunft tausend doppelläufige Gewehre dem armen Schloss von Helsingör einen tüchtigen Salut schießen.«
Der vierzehnjährige Franklin tritt der Royal Navy bei
Unverkennbar die Kraftmeierei einer sieggewohnten Truppe! Zumal zu ihrem Stab abermals Lord Nelson gehörte. Am 12. März nahm der mächtige Geleitzug mit dreiundfünfzig Einheiten von Yarmouth aus, östlich von Norwich, Kurs auf den Skagerrak, schwenkte dann nach Süden in das Kattegat ein und bekam am 27. März, als er bei Helsingör in einen Kugelhagel geriet, hautnah zu spüren, wie »bewaffnet« der Status Dänemarks war. Hatte Shakespeare dieses Land nicht im Hamlet (1599) just an diesem Ort durch den Mund der Titelfigur als Schurkenstaat bezeichnet? Jetzt galt es, dessen Hütern eine Lektion zu erteilen. Und so begann im Morgengrauen des 2. April 1801 das Bombardement Kopenhagens.
Die Schlacht, das Gemetzel war unvorstellbar. Auf eine Fläche von zwei Quadratkilometern wurden zweitausend Kanonen abgefeuert. Schiffe liefen auf Grund, Batterien am Ufer flogen in die Luft, Masten splitterten, Menschen stöhnten, Segel loderten auf, Pulverfässer barsten, es zischte und krachte und qualmte, dass es schier unmöglich war, den Überblick zu behalten. Es war ein Inferno. Nelson, der Mühe hatte, das Geschehen von der »Elephant« aus zu leiten, sagte später, es sei »das grauenvollste« aller Gefechte gewesen, die er mitgemacht hatte. Eintausendzweihundert seiner Leute waren schon verwundet oder gefallen; aufseiten des Gegners lag die Zahl bei sechstausend. Da, gegen 14 Uhr 45, stellten die Dänen plötzlich das Schießen ein und hissten allenthalben weiße Fahnen. Der Weg ins Mare Balticum war frei.
Am Nachmittag des 2. April 1801 wurde auf der »Polyphemus« Bilanz gezogen. »Die Prüfung ergab«, berichtet das Logbuch, »dass wir sechs Tote und vierundzwanzig Verletzte zu beklagen haben und dass zwei Kanonen auf dem Unterdeck zerstört sind.« John Franklin hatte seine Feuerprobe physisch – und offenbar auch psychisch – unbeschadet überstanden. Er war nun in die Gemeinschaft der Seefahrer aufgenommen … und konnte es tatendurstig kaum erwarten, dass die »Polyphemus« ihren Hafen erreichte: Plante doch sein Onkel Matthew Flinders eine Forschungsreise nach Neuholland (dem er später den Namen »Australien« gab). »Für den Fall, dass wir vor dem Abgang der ›Investigator‹ heimkommen sollten, wäre ich euch dankbar, wenn ihr euch für mich [bei Matthew Flinders] einsetzen würdet«, hatte John in jenem Brief vom 11. März an Willingham und Hannah Franklin weitblickend gebeten.
Und die Vorsorge zahlte sich aus! Weil Flinders nämlich nach wie vor in England aufgehalten wurde, als Franklin dort Ende Mai eintraf, und die Eltern ihrem Schwager den Filius ans Herz gelegt hatten, stieg der lediglich um: von Yarmouth nach Sheerness, von der »Polyphemus« auf die »Investigator«. Allein die Zeit zum Umpacken des Seesacks war etwas knapp bemessen. Denn der Starttermin war auf den 7. Juni anberaumt.
Matthew Flinders war siebenundzwanzig Jahre alt und seit Kurzem mit einer Schwester von Franklins Mutter verheiratet. Er hatte von 1791 bis 1793 eine Expedition mit dem durch die Meuterei auf der »Bounty« berüchtigten Kapitän William Bligh nach Tahiti sowie Westindien unternommen und war 1795 nach Neuholland gesegelt. Dessen Südküste hatte er bis 1800 auf mehreren Erkundungsfahrten besichtigt und aufgenommen und dabei den Nachweis des Insel-Charakters von Van-Diemens-Land (später Tasmanien) erbracht. Seit er die Früchte dieser Forschung in den Observations on the Coasts of Van Diemen’s Land, on Bass’s Strait and its Islands, and on Part of the Coasts of New South Wales (»Beobachtungen an den Küsten von Van-Diemens-Land, der Bass-Straße und ihren Inseln sowie Teilen der Küste von Neusüdwales«, 1801) vorgelegt hatte, galt er neben seinem Landsmann James Cook als einer der besten europäischen Kenner des Fünften Erdteils. Wobei sich das ›Wissen‹ aller seiner Wegbereiter – darunter der Spanier Luis Váez de Torres, der Niederländer Abel Janszoon Tasman und der Franzose Jean-François de Galaup Comte de la Pérouse – immer nur auf Abschnitte von Uferstreifen bezog. Wie also sah der Kontinent in toto aus? Wo verlief die Küstenlinie? War er vielleicht doch, wie seit Jahrhunderten vermutet, mit einer Landmasse am Südpol verbunden?
Flinders hatte seinen Report dem Präsidenten der Royal Society, Sir Joseph Banks, gewidmet und dabei mit der Wurst nach der Speckseite geworfen. Und zwar so erfolgreich, dass er nur wenige Monate später auf Empfehlung solchen Gönners durch die Großadmiralität Seiner Majestät Georgs III. damit betraut worden war, möglichst viele Befunde über jene Terra incognita zu sammeln: geographische und nautische, botanische und zoologische, anthropologische und astronomische. »Haben Sie alle diese erwähnten Untersuchungen und Erforschungen vollbracht, so verlieren Sie keine Zeit, mit der unter Ihrem Kommando stehenden Korvette für weitere Befehle nach England zurückzukehren.« Eine Order, die ins Leere ging … Aber wie konnte Flinders das ahnen, als er am 7. Juli in Sheemess auf Sheppey in der Themsemündung die Leinen kappen ließ?
1801 – welch ein Jahr für John Franklin! Er war Seemann geworden, hatte auf der Reede von Kopenhagen unter Nelson gekämpft, und jetzt, da eben sechs Monate verstrichen waren, befand er sich auf großer Fahrt um den halben Erdball. Und in einem Wettlauf! Denn den Offizieren der »Investigator« war bekannt, dass auf Drängen des französischen Weltumseglers Louis-Antoine de Bougainville das Direktorium in Paris den Kapitän Nicolas Baudin entsandt hatte, mit der »Géographe« ein ähnliches Unternehmen durchzuführen wie Flinders.
Da war es kein allzu gutes Vorzeichen, dass der Engländer bei der Isle of Wight auf eine Sandbank lief. Erst bei Flut ging die Reise weiter: an der Iberischen Halbinsel entlang, den Atlantik hinunter bis zum Kap der Guten Hoffnung, von wo Franklin einen launigen Brief nach Spilsby schickte: Er sei nun »für die Chronometer verantwortlich, bestimme Positionen & cetera«. Weiter ging es, jetzt gen Osten, quer über den Indischen Ozean, immer parallel zum 40. Breitengrad, bis die »Investigator« Anfang Dezember die Südspitze Neuhollands erreichte, wo die Besatzung bald auf die ersten Eingeborenen stieß. In unfreiwilliger Allgemein-Menschlichkeit notierte Flinders nach einem Landgang seiner Soldaten: »Die roten Röcke mit den gekreuzten weißen Gurten wurden [von den Aborigines] sehr bewundert, da sie Ähnlichkeit haben mit der Art, wie sie sich selbst verzieren.«
Bucht um Bucht, Riff um Riff, Kap um Kap wurde die Südküste Neuhollands fortan kartographiert: Längengrad um Längengrad, Woche um Woche, Messtischblatt um Messtischblatt. Dass am 22. Februar 1802 acht Männer auf der Suche nach einem Ankerplatz für ihr Mutterschiff mit einem Beiboot kenterten und ertranken und dass die »Investigator« am 8. April hinter der Känguru-Insel fürwahr der »Géographe« begegnete, ging in der exploratorischen Routine nahezu unter.
John Franklin beklagte nach dem Treffen mit den Franzosen allerdings, dass er ihre Sprache nicht beherrschte. Ansonsten schrieb er in demselben, an seine Mutter gerichteten Brief aus Port Jackson, der Bucht von Sydney: »Vater betrachtet, wie ich inniglich hoffe, inzwischen die Wahl, die ich für mein Leben getroffen habe, mit größerer Gelassenheit. Er sieht doch: Es lag weder an einer flüchtigen jugendlichen Grille noch an der attraktiven Uniform noch an dem Bedürfnis, die Schule hinzuschmeißen, dass ich mich für diese Profession entschieden habe.«
Es hätte eine glückliche Reise werden können … wenn die »Investigator« nicht ein Seelenverkäufer gewesen wäre. Sie war dermaßen morsch, dass sie bereits auf der Herfahrt Wasser aufsog wie ein Schwamm. Am Ende, im Juli 1803, als Flinders Neuholland bis hinauf nach Arnhemland umrundet hatte (seine Karten waren noch im Zweiten Weltkrieg gültig!), konnte man ihren Rumpf mit einer Planke durchstoßen. Da gab Flinders das Schiff auf; seine Crew zerstreute sich … Dass er selbst auf dem Rückweg nach England auf Mauritius in französische Gefangenschaft geriet und sechseinhalb Jahre lang festgehalten wurde, ist eine traurige Geschichte für sich.
John Franklins Heimreise dagegen stand unter günstigeren Sternen. Er war zunächst mit der »Rolla« nach Kanton und dann von hier aus mit der »Earl Camden« auf verschlungenen Wegen nach England gesegelt. Dort stieg er am 6. August 1804 wohlbehalten das Fallreep hinab.
Sir Nathaniel Dance, der Kommandant der »Earl Camden«, bescheinigte dem Seekadetten: »Ich könnte aus der Besatzung meines Schiffes kein einziges Mitglied benennen, das in Würdigung seiner Beflissenheit und Emsigkeit sowie seiner mustergültigen Führung einen größeren Anspruch auf Lob und Auszeichnung verdient hätte als er.«
Am 7. August 1804 wurde der Name John Franklins aus der Schiffsrolle der »Earl Camden« gelöscht. Und nur einen Tag später wurde er schon in jene der »Bellerophon« eingetragen.
Er war jetzt achtzehn Jahre alt! Innerhalb kürzester Frist war er im Kugelhagel einer Seeschlacht und im Sonnenglanz des Äquators getauft oder, seemännisch gesprochen, mit allen Wassern gewaschen worden. Er hatte Mord und Totschlag erlebt und Frieden und Gedeihen einer weitgehend unberührten Natur genossen. Da war es, als ob das Schicksal ihm nun für einen größeren Zeitraum eine langsamere Gangart beschieden, die Knotengeschwindigkeit herabgesetzt hätte.
Obwohl es anfangs nicht so schien …
Das Machtgeschiebe in Europa, diese strategische Friktion mit ihrem unaufhörlichen Grollen und Beben, all die Scharmützel und Geplänkel und Gefechte – dieser mal kalte, mal laue, mal heiße Krieg wütete noch immer. Und obwohl so viele Mächte daran beteiligt waren, stritten zuvörderst England und Frankreich um die Hegemonie auf dem Kontinent – ach was!: auf dem ganzen Globus. »Beherrschen wir«, hatte Napoleon 1804 beim Aufbau einer Invasionsarmee in Boulogne geschwärmt, »auf sechs Stunden den Kanal, dann sind wir die Herren der Welt.«
Fürs Erste krönte er sich zum Kaiser der Franzosen; und blieb doch für die Engländer nur »Little Boney«. Um ihm klar zu machen, wer im Kanal (und in Europa und in der Welt) das Sagen hatte, blockierten sie seit 1804 die französischen Häfen. Die »Bellerophon« unter Kapitän James Cooke belagerte Brest. Ein ödes Geschäft. »Die Tage«, schrieb John Franklin im Frühling 1805 an die Eltern, »werden wieder länger, und die Küste sieht schön aus. Einmal bin ich ans Ufer gefahren und habe einen ausgedehnten Spaziergang gemacht. Glaubt mir, für uns Kanal-Burschen ist ein Strandbummel, und sei es auch bloß am eklen Rande eines Hafens, ein Vergnügen.«
Langeweile ist der Nährstoff für Gerüchte. In die Karibik sollte es gehen, nach Cádiz oder Ostindien. Da, während die Männer noch über ihre neuen Einsatzorte rätselten, wurde die »Bellerophon« tatsächlich nach Cádiz beordert, wenig später nach Malta und kurz darauf nach Cartagena. Lord Nelson, der unterdessen das Kommando über das mit vierundsiebzig Kanonen bestückte Schiff übernommen hatte, jagte die französische Flotte mitsamt der Armada ihres Verbündeten Spanien. Bis er sie am 21. Oktober 1805 bei Trafalgar stellen konnte.
Da gingen dreiunddreißig Linienschiffe gegenüber Nelsons siebenundzwanzig in Position. Und wieder begann nun das große Töten, wurde Breitseite um Breitseite abgefeuert. Seinem Schwager Booth gab Franklin einen detaillierten Bericht: »Gleich zu Beginn verfingen sich die Masten der ›Bellerophon‹ in denen des französischen Linienschiffes [›L’Aigle‹]. Und obwohl die Rahen somit oben ziemlich dicht beieinander waren, klaffte unten eine Lücke – freilich nicht weit genug, als dass die Franzosen nicht versucht hätten, die ›Bellerophon‹ zu entern. Doch sobald sie Hand an die Reling unseres Schiffes legen wollten, bekamen sie von uns gehörig eins auf die Finger. Auf diese Weise stürzten Hunderte von Franzosen zwischen die Schiffe und ertranken.«
Auch Nelson fiel in dieser Schlacht. Seine Soldaten aber siegten und machten England auf Jahrzehnte zum Gebieter über alle Weltmeere. »Rule, Britannia …!« John Franklin hatte zu diesem Triumph sein Teil beigetragen. Er war der Signalgast der »Bellerophon«. Ist es daher nicht eine bestrickende Vorstellung, dass er es war, der Nelsons Tagesbefehl hinausgesandt hatte, der bald zum geflügelten Wort werden sollte: »England erwartet, dass jeder Mann seinen Dienst tut«?
Das viel zitierte und oft auch ironisierte Diktum galt für die Marine selbstverständlich fort. Aber Ereignisse wie jenes vor Kopenhagen oder bei Trafalgar fanden, genau besehen, lange nicht mehr statt, weil sich das Kräftemessen der Nationen künftig vor allem zu Lande vollzog, in den großen Feldschlachten: Austerlitz … Jena und Auerstedt… schließlich Leipzig … und dann Waterloo …
So spielte die Navy auf der Bühne der Weltgeschichte nur mehr die Rolle eines Komparsen. Sie stellte Geleitschutz, begleitete allfällige Bodenkämpfe durch Entlastungsangriffe vom Meer aus, unterstützte Blockaden und trug logistisch zur Expansion des britischen Kolonialismus in Indien und Nordamerika bei. Denn nachdem Napoleon im Gegenzug zu seiner Niederlage bei Trafalgar die Häfen des weitgehend von ihm dominierten Europas 1806 durch die Kontinentalsperre für Schiffe unter englischer Fahne geschlossen hatte, musste sich Großbritannien seine Märkte in Übersee suchen.
Der Lebenslauf John Franklins spiegelt die großen historischen Prozesse im Kleinen wider.
Sobald die »Bellerophon« in Plymouth überholt war, diente Franklin anderthalb Jahre lang als Obermaat auf ihr bei Patrouillen zwischen dem nordspanischen Kap Finisterre und der bretonischen Île d’Ouessant. Und als sich Portugal mit Rücksicht auf seine einträgliche Weinausfuhr nach England weigerte, die von Napoleon verhängten Abriegelungsmaßnahmen seinerseits anzuwenden und daraufhin im November 1807 französische Truppen gegen Lissabon vorrückten, machte sich die dortige Königsfamilie zur Flucht bereit. Das Schiff, das ihr die englische Regierung zur Verfügung stellte, trug den Namen »Bedford«, und John Franklin befand sich – mittlerweile zum Bootsmann befördert – in der begleitenden Crew. Das Ziel war Rio de Janeiro.
Im Geiste spielte er um Weihnachten 1808 durch, was die Geschwister im nebligen England wohl von ihm sagen mochten: »›Jetzt aalt sich unser Bruder in einem der reichsten Länder unter der Sonne, wo schon der geringste Aufwand bei Ackerbau und Viehzucht mit Riesenerträgen üppigst belohnt wird und der Boden die ergiebigsten Gold- und Silberminen bereithält …!‹« Und er hätte für solch einen neidvollen Seufzer Verständnis gehabt: War doch seine Familie an eine Umgebung gebunden, in der die Menschen, wie er schrieb, »all ihr Sinnen und Trachten auf die teuren und überhöhten Märkte in ungesunden und übervölkerten Städten richten müssen«.
Da lobte er sich das bunte, heute beschauliche, morgen stürmische Dasein zur See, die frische Luft, das Abenteuer.
Sieben Jahre lang diente er auf der »Bedford«. Einmal dümpelte sie in tropischen Gewässern, ein andermal fuhr sie zu einer Spritztour quer über den Atlantik nach Madeira, dann wieder lief sie nochmals Rio de Janeiro an oder tauchte zur Verstärkung von Belagerungsstreitkräften vor der Küste der Niederlande auf, um sich als Nächstes in den 1812 ausgebrochenen Krieg zwischen England und den Vereinigten Staaten von Amerika einzuschalten. In der bis heute (und sei es auch nur durch das übermütige Lied des Country-Sängers Johnny Horton) berühmten Battle of New Orleans gelang es der »Bedford« zwar 1814, eine Anzahl feindlicher Kanonenboote vom Lake Borgne zu vertreiben – das Ringen selbst aber ging für die Briten, »the bloody British«, verloren.
Es bildete im Soldatenleben John Franklins so etwas wie den Schlussakkord. Denn als die »Bedford« heimgesegelt war und Franklin sie am 5. Juli 1815 verlassen und mit der ihm eigenen Promptheit zwei Tage später als Leutnant zur See das Deck der »Forth« betreten hatte, steuerte die Welt auf eine Zeit des Friedens zu.
Napoleon war endgültig geschlagen. Er hatte am 22. Juni abgedankt und begab sich am 15. Juli auf der »Bellerophon«, Franklins einstigem Schiff, in die Hände der Engländer. »Ich komme wie Themistokles«, sagte er mit dem Pathos dessen, der Plutarchs Parallelbiographien (um 110) gelesen hatte, »um mich an den Herd des englischen Volkes zu setzen.«
Zugegeben: Die Bedeutung der beiden Männer ist ungleich. Aber auch Franklin, der seine Epoche auf verblüffende Weise immer wieder verkörpert, musste sich nun – bei halbierten Bezügen – »an den Herd des englischen Volkes« hocken. Der Marine mangelte es an Aufgabenfeldern. Und so kehrte der Erste Offizier der Royal Navy John Franklin Ende 1815 in den Schoß der Familie nach Spilsby zurück. Er war jetzt neunundzwanzig Jahre alt und zur Untätigkeit verdammt.
Er hatte Muße, das Buch Matthew Flinders über Die erste Umsegelung Australiens (1814) zu lesen, und begann bei der Lektüre von einer neuen Expedition zu träumen. Als Robert Brown, der Botaniker der »Investigator«, vor einigen Wochen mit derselben Idee an ihn herangetreten war, hatte Franklin noch gezögert, denn er wollte seine militärische Karriere nicht durch einen neuerlichen ›Forschungsurlaub‹ aufs Spiel setzen. Doch nun, da die Admiralität ihm demonstrierte, wie wenig ihr sein Pflichtbewusstsein galt, wartete er brennend darauf, die von Tag zu Tag unerträglicher werdende Vita contemplativa gegen eine Vita activa einzutauschen.
Die Gelegenheit kam im Frühjahr 1818.
Nachdem die Navy darauf verfallen war, die alten Pläne von 1745 zur Erschließung »einer Nord-West-Passage durch die Hudson-Straße zu den Westlichen und Südlichen Meeren Amerikas« wieder aus der Schublade zu holen, hatte sie quasi als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vier Schiffe bereitgestellt, auf denen jenes bisher nie erreichte Tor nunmehr aufgestoßen werden sollte. Während also die »Isabella« und »Alexander« Richtung Baffin Bay losgeschickt wurden, war der »Dorothea« und der »Trent« eine Route über Spitzbergen befohlen worden. Der Schiffsführer der Brigg »Trent« war John Franklin.
In einem Brief vom 6. April 1818 gestand er bei der Schilderung seiner Begegnung mit einer Reihe von Arktisspezialisten: »Es kommt mir schon ein wenig lächerlich vor, wenn ich mich in der Gesellschaft dieser Leute betrachte und daran denke, wie wenig ich von den Dingen verstehe, die Gegenstand ihrer Unterhaltung sind.«
Der Satz hatte prophetischen Charakter. Denn der Törn stellte sich binnen Kurzem als so etwas wie eine ins ewige Eis verlagerte Donquichotterie heraus: Der Eifer war groß, die Kenntnis der Fakten gleich null. Das zeigte sich am drastischsten daran, mit welcher Unbefangenheit die Männer ihre Fahrzeuge vorübertreibenden Eisbergen näherten. Einmal, berichtete später der Erste Offizier der »Trent«, Frederik William Beechey, in seiner Voyage of Discovery towards the North Pole (»Entdeckungsreise zum Nordpol«, 1843), wäre er mitsamt John Franklin um ein Haar von der Welle überspült worden, die ein kalbender Eisberg verursacht hatte. »Das Stück, das sich losgelöst hatte, verschwand zunächst gänzlich unter dem Wasserspiegel, und man konnte nichts sehen als die gewaltig brodelnde Flut und das Aufsteigen von Sprühnebel-Wolken, so wie es am Fuße eines hohen Kataraktes auftritt. Aber dann, nach wenigen Sekunden, schoss es auf einmal mit seiner Spitze hundert Fuß aus der Tiefe empor, und das Wasser strömte auf allen Seiten herunter, und jetzt tobte und wühlte es, ganz so, als wisse es nicht, wohin es sich wenden sollte, und nachdem es auf diese Weise eine Weile geschlingert hatte, kam es allmählich zur Ruhe.«
Mochten die unbedarften Pol-Stürmer noch glauben, durch Tatkraft und Entschlossenheit derlei Unbilden künftig meiden zu können, so machte ein undurchdringlicher Eiswall ihrem Vorstoß im Juli ein Ende. Die beiden Schiffe drehten bei und liefen nach einer mehr pittoresken als informativen Episode der Polarforschung am 22. Oktober 1818 wieder in den Hafen von Deptford bei London ein. Sie konnten melden, dass sie oberhalb von Spitzbergen eine Höhe zwischen dem 80. und 81. Breitengrad erreicht hatten, genau wie Henry Hudson – 1607.
Folgenreich sollte das Unternehmen dennoch werden. Denn hatte es nicht John Franklin seine Bestimmung gezeigt: die wesentliche, alle anderen Leistungen zurückstufende Sendung seines Lebens?
Was immer John Franklin ins Auge fasste – er nahm es zügig in Angriff. Daher war er nur sieben Monate später, am 23. Mai 1819, erneut aufgebrochen, die Nordwestpassage ausfindig zu machen. Sein Auftrag lautete, vom Ufer der Hudson Bay aus auf dem Landweg zur Mündung des Coppermine hinaufzumarschieren und von dort aus entlang der Küste nach Osten zu ziehen und sich am Ende womöglich mit William Edward Parry zu vereinen, der versuchen würde, ihm mit der »Hecla« sowie der »Griper« über die Baffin Bay und den Lancaster-Sund auf westlichem Kurs entgegenzukommen.
Ein simpler Schreibstubenplan. Es ging nur darum, von A (dem Hafen York Factory) nach B (der Mündung des Coppermine) und daraufhin nach C (dem Lancaster-Sund) zu gelangen … und war doch schwierig zu bewerkstelligen!
Dr. John Richardson
Mit sich hatte Franklin einen Arzt, John Richardson, zwei Kadetten, George Back und Robert Hood, sowie einen Matrosen, John Hepburn; als Träger etliche Eingeborene, »Kanadier« oder sogenannte »voyageurs«, darunter den Irokesen Michel Teroahauté; ferner einen Vertreter der North-Western Company, der – neben der Hudson’s Bay Company – anderen in Kanada tätigen Handelsgesellschaft; außerdem gelegentlich ein paar Eskimos; und last, but not least zwei Dolmetscher.
Alles ließ sich gut an, als der Trupp York Factory am 9. September 1819 verließ. Die Gegend war bekannt und mit einem Netz von trading posts überspannt. Zunächst ging es auf mehreren Flüssen nach Südwesten bis Norway Point (oder House) und von hier aus nach Cumberland House, wo angesichts des einsetzenden Frosts eine Atempause eingelegt wurde. Dann, mit dem Anbruch des neuen Jahres, 1820, arbeitete sich das Expeditionskorps auf Schneeschuhen nordwärts nach Fort Chipewyan und, als der Sommer wieder die Benutzung der Boote zuließ, abermals über ein System von Gewässern nach Fort Providence vor. Hinter dieser Niederlassung durchquerten die Männer einen Landstrich, »den bis dahin noch kein Europäer bereist hatte«. Bis es im August oberhalb des Großen Sklavensees ein weiteres Mal Zeit wurde, ein Winterquartier aufzuschlagen. Franklin taufte es »Fort Enterprise«.
Unterbrochen allein von einigen Rekognoszierungstouren dauerte der Aufenthalt neun Monate – ein Dreivierteljahr, in dem die Temperaturen bisweilen auf 57° unter null sanken und die Männer sich die öde Zeit mit der Zeichnung von Messkarten vertrieben, der Niederschrift von naturhistorischen Notizen und der Pflege ihrer Ausrüstung. Dann, endlich, konnte der Marsch am 14. Juni 1821 fortgesetzt werden … bis es im Mündungsgebiet des Coppermine auf den Tag genau einen Monat danach zu jenem Ereignis kam, das mit der Sternstunde von Vasco Núñez de Balboa so viel Ähnlichkeit besitzt: »Noch an dem gleichen Abend genoss Doktor Richardson vom Gipfel eines hohen vom Lager drei Meilen entfernten Hügels herab den ersten Anblick der See, die mit Eis bedeckt zu sein schien.« Eine Woche später segelte John Franklin »auf dem Hyperboreischen Meere«!
Einen Monat lang verfolgte er den Küstenlauf, lotete er Wassertiefen aus, beobachtete er die Strömung und das Wetter … und legte dabei fünfhundertfünfundfünfzig Meilen zurück. Dann zwang ihn der heraufziehende Winter, die Weiterfahrt abzubrechen und den Rückzug anzutreten. Der Umkehrpunkt bei 68°19' nördlicher Breite und 110°5' westlicher Länge bekam den Namen »Point Turnagain«.
Und eine Wende trat nun in der Tat ein. Denn auch wenn die Strapazen bisher groß gewesen waren, hatten die Europäer doch immerfort Gelegenheit gehabt, die Schönheit des Landes wahrzunehmen, die Sitten und Gebräuche der Eingeborenen zu studieren und die Wonne aller Entdecker zu genießen, an einem Ort der Erde ›Erster‹ zu sein.
Jetzt kippte alles um: Der Mundvorrat schwand dahin, das jagdbare Wild hatte sich nach Süden verzogen; und wechselte doch einmal ein Rentier oder Moschusochse vorüber, so waren die voyageurs zu schwach, um einen sicheren Schuss abzugeben. Bald zehrten die Männer nur noch von Flechten, die sie von Gesteinsbrocken klaubten und gallig »tripe de roche«, »Fels-Gekröse«, nannten; in ihrem Elend überwanden sie sogar allen Ekel und würgten einen Kadaver hinunter, den herumstreifende Wölfe längst verschmäht hatten – einige der Ausgemergelten »hatten dieser Mahlzeit ihre alten Schuhe beigefügt«.
John Franklins Bericht über seinen Vorstoß Ins Arktische Amerika 1819 – 1822 (1823) raunt am Ende, als die Moribunden in »Fort Enterprise«, wenn auch nichts Genießbares, so doch wenigstens eine Zuflucht gefunden hatten, dunkel etwas von Kannibalismus und schildert in umso grelleren Farben die Ermordung Robert Hoods durch den Irokesen Michel Teroahauté und dessen umgehende Hinrichtung durch John Richardson.
Im Grunde war zuletzt, als zehn der Teilnehmer des Hungermarsches durch Mord und Totschlag und Entkräftung umgekommen waren, keiner von den Lebenden mehr zu überlegtem Handeln in der Lage. Da tauchten am 4. November 1821 ein paar Indianer aus dem Waldesdickicht auf. Und nach wie vor rührt uns der Seufzer der Erleichterung an, mit dem John Franklin in sein Tagebuch kritzelte: »Gelobt sei der Herr! Heute sind wir durch die Ankunft von Indianern gerettet worden, die uns am Mittag mit Nahrungsmitteln versorgt haben.«
Irgendwo in seinem Report sollte er nach der Heimkunft nach England im Herbst 1822 den Ureinwohnern Kanadas ein Wort zur »Überlegenheit der Weißen über die Indianer« in den Mund legen. Doch am Schluss, als unabweisbar war, dass er und seine Mannen den Rothäuten das Leben verdankten, gab er offen zu, »dass weiße Männer Schuldner der Kupferindianer geblieben sind«. Die Einschränkung freilich, dass derlei »das erste Mal« vorgekommen sei, konnte er sich nicht verkneifen.
Und Franklin machte Furore. Obzwar er weit davon entfernt geblieben war, Parry zu treffen und damit die so dringend gesuchte Rinne nachzuweisen, sah er sich doch dank den Ergebnissen seiner Feldforschung in der Lage, diejenigen zu bestätigen, »welche die Ausführbarkeit der nordwestlichen Durchfahrt verteidigen«. Zudem: Das Buch über seine Reise, Ins Arktische Amerika 1819 – 1822, war rundweg begeisternd. Es enthielt zauberhafte Landschaftsschilderungen, pittoreske Skizzen aus dem Alltag der Indianer und auf seinem Höhepunkt eine spannende Gruselgeschichte – inklusive Happy End.
Unter denen, die Franklin anhimmelten, war eine Person, die den Namen benutzte, den die englischen Abenteurer einer Indianerin in Anspielung auf ihr Beinkleid gegeben hatten: »Green Stockings«2. Und so zirkulierte unter dem Pseudonym »Grünstrumpf« 1823 eine Weise des treuen Eskimo-Mädchens an den wackersten jener Helden. Sie schloss mit den Zeilen:
»Hiss die Segel aufs Neue, zum Pol hinan fahre,
derweil ich dir allwärts die Treue bewahre:
An den Flüssen, auf Bergen, im Waldlichtungs-Schimmer,
in der Wildnis des Nordens bin dein ich für immer.«
Was die Architektentochter Eleanor Anne Porden als kaum verhüllten Antrag in Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Manier da gedichtet hatte, war in ihrer patriarchalischen Epoche so couragiert, dass es John Franklin wohl gerade deshalb gefiel. Jedenfalls fand die Verlobung mit Miss Porden im Frühsommer 1823 statt, am 19. August folgte die Hochzeit, und am 3. Juni 1824 wurde das Mädchen Eleanor Isabella geboren.
Nur: John Franklin war nicht für traute Häuslichkeit geschaffen. Mochte seine Frau, die an Schwindsucht litt, noch so krank sein und Klein Eleanor im schlimmsten Fall als einsame Halbwaise aufwachsen – der Drang hinaus, dieser viel beschworene Ruf in die Ferne, war stärker als alles andere.
Deshalb ließ er – unter tränentreibendem Hier-gehe-ich-ich-kann-nicht-anders und der Hochachtung der Zeitgenossen vor so viel männlicher Überwindungskraft – Weib und Kind zurück und bestieg am 22. Februar 1825 die »Columbia«, die ihn zu seiner dritten Suche nach der Nordwestpassage über den Atlantik bringen sollte. Als er in Penentanguishene, einem Trappernest am Huronsee, noch mit den Vorbereitungen des Projekts befasst war, erreichte ihn die Nachricht, dass seine Frau sechs Tage nach seiner Abreise gestorben war.
Franklin hatte vor, diesmal zum Delta des Mackenzie zu ziehen, wo sich seine Truppe teilen sollte: Die eine Hälfte sollte von See her in Richtung Westen bis zur Beringstraße sondieren, die andere in Richtung Osten bis zur Mündung des Coppermine. Da Parry auf seiner Expedition von 1818 bis 1820 im Melville-Sund oberhalb der Victoria-Insel auf eine nördliche Breite von 74°26' und eine westliche Länge von 113°47' gelangt war und Franklin im Coronation-Golf unterhalb dieser Insel 68°19' sowie 110°5' erreicht hatte, würde dann für künftige Operationen vergleichsweise wenig zwischen den beiden Höhen »unexplored« bleiben (nämlich rund sechshundertachtzig Kilometer oder dreihundertsiebzig Seemeilen).
Um das Erzübel seiner vorigen Mission, den Ausfall von Proviant, abzustellen, hatte Franklin durch Mitarbeiter der Hudson’s Bay Company im Vorweg eine Kette von Depots anlegen lassen, sodass er seine neue Fahrt durch »Ober-Canada« gut gewappnet antreten konnte. Mit von der Partie waren die altbewährten Weggenossen John Richardson und George Back – Zeugen einer Kontinuität, die zum Signum der ganzen Reise werden sollte. Und wie oft ließ sie Raum für Kontemplation! Angesichts einer malerischen Felsschlucht notierte Franklin: »Ich wurde unwillkürlich daran erinnert, wie sehr jeder Liebhaber des Romantischen von dem Anblick dieses Ortes ergriffen werden müsste, zumal da die Sonne gerade durch die breiten abendlichen Schatten außerordentlich gehoben wurde.«
Die Männer benutzten die ihnen bekannten Wege, kampierten in Cumberland House und Fort Chipewyan und zogen weiter nach Fort Norman am Mackenzie, von wo Richardson und Back einen Abstecher zum Großen Bärensee machten. Derweil fuhr Franklin auf dem Mackenzie zur Beaufortsee, kam dann aber zurück, um mit seinen fünfzig Leuten in »Fort Franklin« am Westufer des Großen Bärensees das neue Jahr abzuwarten.
Dann, am 24. Juni 1826, wurde die Hauptaufgabe angepackt. In vier Booten legten die Männer zur Mackenzie-Mündung ab, wo sie am 4. Juli beim Point Separation voneinander schieden: Franklin entfernte sich gen Westen und Richardson gen Osten.
Und auch wenn Franklin nicht zur äußersten nordwestlichen Spitze der amerikanischen Landmasse vordringen konnte – zum wievielten Male machte ihm der Winter einen Strich durch die Rechnung? – war doch sein Avancement bis hinter die Prudhoe Bay und damit auf eine nördliche Breite von 70°24' und eine westliche Länge von 149°37' ein gewaltiger Fortschritt.
Der Stolz und die Freude des Expeditionschefs wurde umso größer, als er am 8. September 1826 bei der Rückkehr nach »Fort Franklin« dort Richardson mit dessen Tross vorfand und erfuhr, dass sie – wie geplant – die Küste vom Mackenzie bis hinüber zum Coppermine kartographisch aufgenommen hatten.
Selten war eine geographische Expedition dermaßen glatt verlaufen. Deshalb bedurfte es bei der Abfassung der Zweiten Reise an die Küsten des Polarmeeres in den Jahren 1825, 1826 und 1827 (1828) erheblicher Anstrengung des Autors, um seine Leser nicht zu langweilen. Die sporadischen Eskimo-Attacken auf Franklins Eskorte, all diese arktischen Mini-Trafalgars, die in Wahrheit nichts anderes waren als Balgereien mit Dieben, dürften ihre Existenz eher einem kompositorischen Diktat verdanken als der faktischen Realität.
Unumstritten war die erdkundliche Ausbeute der Fahrt, war die allgemeine Ansicht, durch Franklins Engagement der Lösung des Problems der Nordwestpassage sehr nahe gekommen zu sein. Daher belohnte King George IV. diese Großtat, indem er ihren Urheber 1829 in den Adelsstand erhob.
Sir John Franklin war jetzt fünfundvierzig Jahre alt.
Am Ende seines Berichts über die Zweite Reise an die Küsten des Polarmeeres hatte Franklin festgestellt, dass bezüglich der Nordwestpassage lediglich zwischen der Behringstraße und der Prudhoe Bay sowie an der Victoria-Insel zwei kürzere Teilstücke unerforscht waren, sodass die Erschließung dieser Wasserstraße auf »keine unübersteiglichen Hindernisse« mehr stoßen dürfte. Daher hoffte er, »dass Englands Eifer in der Verfolgung dieser Entdeckungen nicht eher erkalten werde, bis die Frage über die Möglichkeit einer nordwestlichen Durchfahrt vollkommen erledigt oder wenigstens die ganze nordamerikanische Küste in unsere Karten eingetragen ist«.
Doch der Köder hatte nicht verfangen. Denn Downing Street weigerte sich plötzlich, weiterhin Geld in Unternehmungen zu stecken, deren Teilnehmer (wenn überhaupt) mit dem Gutachten zurückzukommen pflegen, den begehrten Aufschluss erst beim nächsten Mal geben zu können. Kurzum: Die Admiralität hatte die für den Entdecker der Nordwestpassage einst ausgelobten zwanzigtausend Pfund Sterling am 15. Juli 1828 kassiert.
Die Mittel waren wichtigeren Haushaltsposten vorbehalten. Da sich Großbritannien um die Mitte der zwanziger Jahre den Griechen in ihrem Freiheitskampf gegen die Türken an die Seite gestellt hatte, operierte die Royal Navy in der Ägäis. Und so war die Zeit, in der Franklin nach der Heimkehr aus Amerika »an den Herd des englischen Volkes« verbannt war, nicht lang, denn er wurde 1830 als Kommandant der »Rainbow« nach Malta und ins Östliche Mittelmeer geschickt. Und wieder ließ er ein Eheweib zurück, denn er hatte am 5. November 1828 die Unternehmerstochter Jane Griffin geheiratet – eine Frau, deren unbeugsame Gattenliebe sie nachmals zur zweiten Penelope machen sollte, »der weit Gepriesenen«.
Der Einsatz auf der »Rainbow« war ein Durchgangsstadium auf dem Lebensweg. Denn als die Regierung Williams IV. den Kapitän zur See Sir John Franklin 1836 zum Gouverneur von Van-Diemens-Land berief, wollte sie seine Meriten mit einer Funktion honorieren, die seine Laufbahn krönte.
Wer ahnte, dass Franklin, nachdem er mit seiner Frau und seiner Tochter – und übrigens in Begleitung seines Kameraden von der ersten Kanada-Reise, John Hepburn – im August 1836 in Southampton die »Fairlie« bestiegen hatte, auf ein Fiasko zusteuern würde? Aber auch auf eine Phase, in der die Größe seiner Persönlichkeit erst voll und ganz erkennbar wurde …
Weil es etwas anderes ist, ob jemand in der Schilderung einer publikumsfernen Reise selbst über sich befindet oder bei der Bekleidung eines öffentlichen Amtes von anderen beurteilt wird, gestattet Franklins Wirken in Van-Diemens-Land, den Blick auf seine Wertmaßstäbe, sein Weltbild und sein Wesen zu vertiefen und auf diese Weise die Tatsache zu objektivieren, dass der Mann mehr war als ein Arktis-Maniac.
Van-Diemens-Land, das er mit seiner Familie am 6. Januar 1837 betrat, war eine Sträflingsinsel. Anfangs hatte sie zur englischen Kolonie Neusüdwales gehört, wurde aber seit 1825 als gesonderte Besitzung verwaltet. Vierzigtausend Menschen lebten hier, wobei das Mengenverhältnis zwischen freien Siedlern und Verbannten ungefähr fifty-fifty betrug. Und mit beiden Bevölkerungshälften hatte es sich der nun scheidende Gouverneur Sir George Arthur verdorben. Denn er war korrupt und despotisch. Dieses freilich störte in London wenig; und jenes wurde dort angesichts der guten Rendite, welche die Kolonie dem Mutterland abwarf, übersehen. In Van-Diemens-Land aber hatte Arthurs Regime zu Spannungen zwischen der Einwohnerschaft und der Obrigkeit geführt, sodass Franklin bei der Übernahme seiner Geschäfte in Hobart, dem Hauptort der Insel, regelrecht als Erlöser gefeiert wurde. »Morgen«, hieß es auf einem Plakat, das der Verleger Andrew Bent hatte anschlagen lassen, »sollte als Tag des Dankes gefeiert werden, an dem wir von der eisernen Faust des Gouverneurs Arthur befreit sein werden.«
John Franklin
Solche Zuversicht wollte Franklin nicht enttäuschen. War es doch sein Anliegen, dass sozialer Friede auf der Insel Fuß fasse, dass die Siedler gesetzmäßig behandelt werden, die Günstlingswirtschaft aufhöre und das Los der Verbannten, die bei ihrer Zwangsarbeit in den Bergwerken, im Straßenbau, auf den Feldern und in den Privathaushalten wie Sklaven gehalten wurden, möglichst erleichtert werde. In einer seiner ersten Reden versicherte Franklin, wie der HOBART TOWN COURIER am 13. Januar 1837 meldete: »Ich mag beim Erreichen dieser Ziele versagen, weil ich den Umgang mit derart heiklen Sachverhalten nicht gewohnt bin oder mein auf Versöhnung bedachtes Handeln nicht verstanden wird oder mir aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit Steine in den Weg gelegt werden oder ich die edlen oder berechnenden Belange von anderen antasten muss – aber ich werde nicht deshalb scheitern, weil es mir an Aufrichtigkeit und Entschlossenheit mangelt oder ich es an jener strengen Überparteilichkeit fehlen lasse, die mich dazu zwingt, alle Stände und Vertreter und Untertanen Seiner Majestät in dieser Kolonie unbefangen und frei von Vorurteil zu behandeln. Denn sie sind meiner Obhut anvertraut.«
Schöne Worte! Und weitsichtige …
Sie fielen zum Auftakt einer Gaunerei, die im Buch der Niedertracht einen der erschreckendsten Abschnitte füllt: ein Kapitel, bei dem sich schwerlich sagen lässt, ob es nicht genauso böse der Phantasie Shakespeares entsprungen sein könnte. Motto: »Fair is foul, and foul is fair.«
Der Auslöser war läppisch: Ein Mann hatte ein Verbrechen begangen und war von Richter Matthew Forster – der mit dem ehemaligen Gouverneur Arthur verschwägert war – zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Da aber der Täter von Beruf Koch war und da die Nummer zwei von Van-Diemens-Land, John Montagu – auch er mit dem ehemaligen Gouverneur Arthur verschwägert –, soeben einen Koch suchte, sprach er bei Forster vor. Mit dem Ergebnis, dass der Übeltäter nicht in Ketten, sondern in der Küche landete.
Der Vorgang war exemplarisch für das mafiose System, das Arthur seinem Nachfolger hinterlassen hatte. Und so zögerte Franklin keine Sekunde, die Mauschelei rückgängig zu machen.
Was er dabei unterschätzte, waren die Folgen: Er hatte nicht nur die beiden Düpierten, Montagu und Forster, gegen sich aufgebracht, sondern auch deren Paten Arthur, der in London alle Fäden in der Hand hielt, sowie die von Montagu stets mit vertraulichen Mitteilungen gefütterte Presse.
Mochte Franklin also staatlich finanzierte Schulen errichten und ein College in Aussicht stellen, mochte Lady Franklin sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der weiblichen Gefangenen verwenden, mochte das Ehepaar eine naturkundliche Gesellschaft gründen und ein Museum für die Naturgeschichte von Van-Diemens-Land bauen, mochte Franklin die Sitzungen des Lokal-Parlaments fortan öffentlich und nicht mehr im Geheimen tagen lassen und Highlights wie eine jährliche Regatta veranstalten und dafür sorgen, dass die Insel nach dem Wunsch der Siedler nicht länger Van-Diemens-Land, sondern »Tasmanien« hieß … mochte er vieles tun, um den Lebensstandard auf dem Eiland zu heben: Die Ränkespiele Montagus machten alles zunichte.
Die Zeitungen begannen sich über Franklins »visionäres Gequatsche« lustig zu machen – wozu brauchten Schafzüchter Kultur? Der Grundstein des Colleges landete im Meer. Und um Lady Franklin kursierte das Gerücht, sie sei die eigentliche Herrin in Government House. Die Amtsführung ihres Gatten nannte der CORN-WALL CHRONICLE am 18. Januar 1842 unverfroren »die verrückte Führerschaft eines Nordpol-Spinners«.
Als Franklin schließlich Montagu zur Rede stellte und an seine Zusage gemahnte, gegenüber der Presse Zurückhaltung zu wahren, leugnete Montagu, dass ein diesbezügliches Gespräch jemals stattgefunden hätte: »Während Eure Exzellenz und die Mitglieder Eurer Regierung bei zahllosen Anlässen nachprüfen konnten, warum mein Gedächtnis im Ruf steht, bemerkenswert gut zu funktionieren, sind Eure Beamten nicht ohne Ursache geblieben zu bemerken, dass Eure Exzellenz sich auf das Eure nicht immer mit derselben Sicherheit verlassen können.«
Diese Unverschämtheit brachte das Fass zum Überlaufen, und Franklin schmiss Montagu raus. Der freilich hatte dem Gouverneur solche Entschlossenheit nicht zugetraut und sah nun – zumal er überall verschuldet war und um seine Existenz bangte –, dass er zu hoch gepokert hatte. Deshalb wandte er sich um Hilfe flehend an Lady Franklin, die nach Rücksprache mit ihrem Mann erwiderte, dass die Demission, so leid es ihr tue, nicht zu revidieren sei. Sobald Lady Franklin durch diese Antwort in die Affäre mit hineingezerrt war, ließ Montagu verbreiten, endlich könne er den Nachweis dafür erbringen, dass die administrative Autorität in Van-Diemens-Land faktisch nicht John Franklin, sondern dessen Frau sei. Der CORNWALL CHRONICLE sprach seither nicht mehr von »Seiner Exzellenz«, sondern nur noch von »Ihrer Exzellenz«.
Dies alles erreichte am Ende auch den Kolonialminister in London, Lord Stanley, und veranlasste ihn, Franklin unter dem Datum des 13. September 1842 mitzuteilen, dass er Montagu, dem durch eine fadenscheinige Entlassung Unrecht geschehen sei, zur Wiedergutmachung den weitaus attraktiveren Posten eines Vize-Gouverneurs am Kap der Guten Hoffnung übertragen habe.
Das Government House in Hobart, Ölgemälde von 1837
Da stellte Franklin seinem Vorgesetzten anheim, ihn zu entlassen. Was dieser mit Wirkung vom 10. Februar 1843 auch tat. Und noch einmal wurden jetzt in Hobart Plakate geklebt. Aber diesmal stand auf ihnen: »Glorreiche Neuigkeiten! Sir John Franklin abberufen!«
Die Rückfahrt auf der »Flying Fish« dauerte von Januar bis Juni 1844 und gab Franklin hinreichend Zeit zu erkennen, dass sein Debakel als Gouverneur auch ein positives Element enthielt. Es bestand in der Bestätigung, dass seine von Freiheitsdenken und Aufklärungswillen geprägte Arbeit nicht im bürokratischen Raum genutzt werden konnte, weil seine Liberalität fundamental war: Sie setzte seine Ungebundenheit voraus – brauchte Reisen, Forschen und Entdecken.
Nicht umsonst waren die unbeschwertesten Tage, die er in der Kolonie verbracht hatte, jene, als zwischen August 1840 und Juni 1841 eine Expedition zur Messung des Magnetismus der Südhalbkugel der Erde Hobart besuchte. Das Ganze stand unter der Leitung der Kapitäne James Clark Ross und Francis Rawdon Moira Crozier; ihre Schiffe trugen die Namen »Erebus« und »Terror«. Franklin war buchstäblich aufgekratzt, ja: wie ausgewechselt. Seine Frau berichtete am 7. September 1840 in einem Brief an ihren Vater über die Begegnung der drei alten Seebären: »Mit einem Mal erscheint Sir John den Leuten hier in einem völlig anderen Licht – so heiter und gelöst und beschwingt ist er in der Gegenwart seiner neuen Freunde.«
Ob sie wohl schon bei dieser Gelegenheit Pläne für die Zukunft schmiedeten? Immerhin wussten sie, dass die Royal Geographical Society 1836 die Regierung in London in einer Petition gebeten hatte, das Thema »Nordwestpassage« wieder auf die Agenda zu setzen. Franklin, der seinerzeit ebenfalls konsultiert worden war, hatte damals erklärt: »Sie wissen mit Sicherheit, dass mir keine Aufgabe mehr am Herzen liegt als die Vollendung der Aufnahme der Nordküste Amerikas und damit der Nordwestpassage.«
Nun, da Franklin im Sommer 1844 nach London zurückgekehrt war, flochten sich diverse Fakten zu einem Handlungsstrang zusammen: Lord Stanleys Interesse, den Gouverneur a.D. tunlichst kaltzustellen … die Entscheidung der Admiralität, noch einmal einen Verband zur Erschließung der Nordwestpassage zu entsenden … Franklins Wunsch, die Pioniertat durchzuführen… James Clark Ross’ Vorschlag, den Freund mit der Expedition zu betrauen … und Lady Franklins Bereitschaft, für eine Weile auf ihren Mann zu verzichten. Und war es nicht ein gutes Omen, dass die beiden Dreimaster, die für das Unternehmen ausgerüstet wurden, die »Erebus« und »Terror« waren: jene Schiffe, die Franklin in seine Malaise von Van-Diemens-Land einen Lichtstrahl gesendet hatten?
Trotz allen Schmerzes der Besatzungen über den Abschied von ihren Familien war der 19. Mai 1845, als die »Erebus« unter Franklin und die »Terror« unter Crozier von einem vielstimmigen »Hurrah« und »Farewell« begleitet aus der Mündung der Themse hinaus ins offene Meer glitten, ein Freudentag für den Leiter des Unternehmens. In einem Brief aus Grönland rief er seiner Frau zu: »Wie sehr wünschte ich mir, jedem einzelnen meiner Verwandten schreiben zu können, um ihm zu versichern, wie glücklich ich mich mit meinen Offizieren, meiner Mannschaft und meinem Schiff schätze!« Und Commander James Fitzjames von der »Erebus« meldete nach Hause: »Wir sind voller Freude und sehr stolz auf Sir John Franklin.«
Frohen Mutes setzten sie die Reise fort: von der Disko-Insel nach Westen quer über die Baffin Bay, wo sie vor dem Eingang in den Lancaster-Sund auf zwei Fischtrawler trafen, die »Prince of Wales« und die »Enterprise«. Nachdem sie der »Prince of Wales« eine Visite abgestattet hatten, vermerkte deren Kapitän Dannett im Logbuch: »Beide Mannschaften sind gesund und die Stimmung ist bemerkenswert gut.« Kapitän Robert Martin von der »Enterprise« wollte noch zu einem Gegenbesuch auf die »Erebus« herüberkommen. Aber dann schlug das Wetter um und die Walfänger und die Entdecker verloren einander aus den Augen. Man schrieb den 26. Juli 1845.
Es war der Tag, an dem John Franklin mit seinen Getreuen im Dunst des nördlichen Eismeers auf immer entschwand.
Eskimos wollten später irgendwo Männer gesehen haben, die sich taumelnd durch Nacht und Eis geschleppt haben. Aber solche Nachrichten gehörten bereits zu all dem Vagen und Spekulativen, das sich um den Untergang Franklins rankte.
1847 hatte die Navy die ersten Suchschiffe ausgeschickt, darunter eines, das von Franklins Weggefährten aus Kanada, John Richardson, befehligt wurde, und ein anderes, das sein Freund aus den besseren Tagen von Hobart, James Clark Ross, leitete. Bald durchkämmten Suchmannschaften der Admiralität, des United States Navy Departments und Lady Franklins sowohl von Westen wie von Osten her das Meer im Norden Kanadas.
Zwar fanden Besatzungsmitglieder der – welche Fügung! – »Lady Franklin« unter William Penny am 27. August 1850 auf der Beechey Insel die Gräber von drei Mitgliedern aus Franklins Crew. Was indessen mit den übrigen einhundertsechsundzwanzig geschehen war, konnte auch dieser Fund nicht enthüllen.
Dass Robert John Le Mesurier McClure, nachdem er sich auf der »Investigator« von der Beaufortsee bis zur Barrowstraße vorgearbeitet hatte, dort aber sein Schiff verlassen musste, auf dem folgenden Marsch gen Osten 1854 die Nordwestpassage sozusagen en passant entdeckte – wen interessierte das? Wo doch Lady Franklins herzzerreißende Emsigkeit, das Los ihres Gatten zu klären, alle Schlagzeilen beherrschte! Als Karl Brandes 1854 sein Buch Sir John Franklin. Die Unternehmungen für seine Rettung vorlegte, benötigte er für die Aufzählung dessen, was bisher in die Wege geleitet worden war, mehr als dreihundert Seiten. Und die Suchmannschaften zogen weiterhin aus. Jahr um Jahr … Sommer wie Winter … Bis alle Mühsal zu guter Letzt belohnt wurde. Am 9. Mai 1859 fand William Robert Hobson unter einem Steinhaufen auf King William Land einen Zettel, durch den mitgeteilt wurde: »Sir John Franklin starb am 11. Juni 1847.«
Wie alle Offiziere der »Erebus«-und-»Terror«-Expedition von 1845 ließ sich John Franklin vor dem Start fotografieren