Читать книгу Magisches Kompendium - Chaosmagie - Erste Schritte der chaosmagischen Theorie und Praxis - Frater LYSIR - Страница 7

Gedanken, Archetypen und das Tohuwabohu

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Nach diesem Channeling kann man sich wahrscheinlich zu Recht die Frage stellen, ob die Aussage, dass das Buch für Anfänger und magische Neulinge gedacht ist, einfach nur ein schlechter Scherz war. Nein, das war kein Scherz! Dass das Channeling nicht einfach ist, habe ich bereits vor dem Channeling gesagt. Dass die Thematik „Chaos und Kosmos“ nicht einfach ist, sollte auch mittlerweile klar sein. Doch wenn man die ersten Schritte in der Chaosmagie ausführen will, muss man eben auch ein wenig seinen Horizont erweitern. Diese Erweiterung bedeutet letztlich auch, dass es keine Dogmen gibt, dass es keine Tabus gibt und dass in diesem Kontext auch alles thematisiert und angesprochen werden muss. Leider werden Dogmen und Tabus in der magischen Szene immer wieder vorkommen, denn auch in der Chaosmagie existiert des Öfteren ein sehr konservatives Denken. Daher ist es auch immer wieder witzig, wenn in verschiedenen Büchern, die sich unter anderem auch mit der Chaosmagie befassen, hier wilde Vokabeln wie zum Beispiel „Hexenmeister“ auftauchen, und es hier sogar ganze Definitionen über diesen Titel gibt. Dass bei dieser Definition auch noch „böse Geister“ beherrscht und beschworen werden, lässt vermuten, dass hier die mittelalterlichen Vorstellungen, die es in der zeremoniellen Magie gab, wohl auch zum Teil in der Chaosmagie existieren. Nun ja, da die Chaosmagie absolut individuell ist, ist es jedem Menschen erlaubt, seine eigene Chaosmagie zu definieren und auszuführen, und wenn man hier der Meinung ist, dass man unbedingt sich „Hexenmeister“ nennen muss, zusätzlich eine Definition verfassen muss, was denn dieser Titel alles impliziert, dann ist das einfach so.



Wenn man die Chaosmagie versucht einzuengen, wird sie ihre Wirksamkeit verlieren. Wenn man sich mit wilden Titeln schmücken will, kann man dies machen, doch es wird zu einer kontroversen und zerstörerischen Dynamik führen, sodass man irgendwann seine eigene magische Entwicklung aus den Augen verlieren wird, da man sich permanent rechtfertigen will, rechtfertigen muss. Die Chaosmagie muss einfach als eine Art der Magie verstanden werden, bei der bewusst alle Verwendungen aller anderen magischen Disziplinen möglich sind, sodass man seine eigenen Ziele, seine eigenen Transformationen, seine eigene Evolution, seine eigene Transzendenz voll und ganz erreichen kann.

Durch diesen Prozess wird man selbst zu einem Schöpfer. Interessant ist hier, dass gigantisch viele Schöpfungsmythen eben im Chaos beginnen, und hier dann eine besondere Ordnung entwickeln. Ob es jetzt Chaos, Abgrund, Finsternis, Abyss oder etwas anderes ist, ist hier relativ irrelevant, denn auch eine formlose Masse, ein ungeordnetes Ganzes, eine gigantische Tiefe (wozu letztlich aber auch dann eben die Schöpfungsmythen zählen, die sich auf das Meer, auf den Ozean beziehen), kann man ohne weiteres mit dem Begriff „Chaos“ gleichsetzen. Es geht also ganz einfach darum, dass eine unbekannte Region, die sich dem menschlichen Denken, aber auch dem menschlichen Paradigma, entzieht, einem Schöpfungsaspekt gleichgesetzt wird, da man hier auch wieder sagen kann, dass die Schöpfung unendlich und unbegreiflich ist. Und wenn man sich die verschiedenen Wissenschaften anschaut, dann kann man ohne weiteres sagen, dass sich aus dem Chaos heraus definitiv ein Kosmos gebildet hat, egal, ob es jetzt die Entstehung des Sonnensystems ist, oder die direkte Entstehung und Evolution der Erde. So ist das Chaos auf der Erde erst einmal eine gestaltlose und extreme Tatsache, die jedoch Stück für Stück Gestalt annimmt, sodass man hier eben den Ursprung aus einem Urgrund erkennen kann. Wenn man so will, wird der Ursprung im Urgrund geschaffen, geboren, und muss sich seinen eigenen Weg im Chaos, aus dem Chaos selbst erkämpfen. Manchmal existieren aber auch die Ideen, dass es hier einen Ellipsoiden gibt, ein Weltenei, da der Ellipsoide / das Ei, auch sehr gerne mit dem fünften Element, mit dem Element Äther gleichgesetzt wird. Das Element Äther beinhaltet all die anderen Elemente, also die Elemente Erde, Feuer, Luft und Wasser, wobei es hier im Grunde keine Wertigkeit gibt, auch wenn dies gerne in magischen Büchern propagiert wird. Alle Elemente besitzen den gleichen Wert, den gleichen Nutzen, und bedingen sich untereinander, wobei dann natürlich der Äther, der Geist, die Quintessenz hier doch herausragend ist.



Aus diesem Weltenei, aus dieser „Prima Materia“, aus dieser ersten Materie, aus diesem kosmisch-alchemistischen Urlabor stammt die energetische Idee des Kosmos, sodass durch die Ursubstanz, durch die „erste Materie / prima Materia“, aus dem Chaos, sich eine Energie emporkämpft, um hier einen Kosmos, eine Ordnung zu erschaffen. So erhält die Materie bestimmte Formen, wobei diese Formen aber dann auch im energetischen Kontext verstanden werden müssen, als die klassischen Archetypen die es gibt. Die klassischen Archetypen tauchen selbstverständlich in der Psychologie auf, sodass Carl Gustav Jung hier klar und deutlich zu nennen ist, wobei man in diesem Kontext aber gerne den energetischen Aspekt vergisst, und auch den Umstand, dass diese Archetypen einen bestimmten Kosmos bedingen, und gerade in der Chaosmagie KEINEN Platz einnehmen, da in der Chaosmagie ganz bewusst gesagt wird, dass die Archetypen hier eine begrenzende Energie darstellen. Nun, dies stimmt natürlich, dennoch ist es wichtig, dass man diese Archetypen kennt, denn wenn man sie einfach nur missachtet, übergeht und missinterpretiert, werden sie sich definitiv verselbstständigen, was dann in der Praxis der Chaosmagie mehr als nur kontraproduktiv sein wird. Die Archetypen existieren im kosmischen Grundgefüge des menschlichen Seins, sodass diese immer vorhanden sind. Man kann versuchen sie zu umgehen, man kann aber auch versuchen sie so weit umzustrukturieren, dass man mit ihnen ohne weiteres chaosmagisch und freiheitlich arbeiten kann. Die Chaosmagie ist hier so ähnlich wie ein Tauchgang in den Tiefen des Ozeans. Ein Tauchgang? Na ja, die Archetypen könnten hier ohne weiteres als Sauerstoff verstanden werden, als Sauerstoff, der benötigt wird, damit der Mensch atmen kann. Braucht man Sauerstoff? Ja, den braucht man, um langfristig zu überleben. Doch man kann für eine gewisse Zeit auf Sauerstoff verzichten. Dennoch ist es wichtig, dass man weiß und begreift, dass der Sauerstoff überlebenswichtig ist, und dass man hier andere Klimmzüge machen muss, um dieses Paradigma, dieses Muster, diese Vorgabe zu umgehen. Genauso ist es auch mit den Archetypen! Doch welche Archetypen gibt es? Wie äußern sich diese in der Magie? Welche anderen Aspekte gibt es hier, die man mit der Magie kreuzen und auch erklären kann? Nun, die verschiedenen Archetypen kann man hervorragend auf die Planeten unseres Sonnensystems anwenden, wobei es auch hier wieder wichtig ist, dass es nicht um irgendeinen Gasriesen oder um irgendwelche Gesteinsbrocken geht, sondern um die jeweiligen energetischen Archetypen. Wenn es also um Jupiter geht, und hier nur der Name „Jupiter“ fällt, dann ist hier die archetypische Energie, die archetypische Schwingung gemeint und nicht der Gasriese. So will ich im Folgenden einmal die verschiedenen Archetypen wiedergeben, wobei ich hier sofort erwähnen will, dass die Aufzählung keine Wertigkeit impliziert.

So will ich hier immer die primären Aspekte der Planeten mit einknüpfen, genauso wie die Betitelungen der Planeten, gleichzeitig aber auch einzelne Götter und Göttinnen. Dies läuft bewusst der klassischen Chaosmagie entgegen. Die Chaosmagie arbeitet nur dann mit spezifischen Göttern und Göttinnen, wenn dies der Protagonist ausdrücklich will. Da dieses Buch aber für Anfänger konzipiert ist, und die archetypischen Energien wichtig sind, gerade dann, wenn man sie eben aussparen will, will ich diese betiteln:

Der liebevolle Vater:

Primärer Aspekt der Sonne, des Planeten Jupiter und des Neptuns. Großzügiger Patriarch, der eher Gnade vor Recht ergehen lässt und die Barmherzigkeit der Weisheit spiegelt. Klassisch wären hier die Gestalten der Vatergottheiten zu wählen, wie z. B. Jupiter, Zeus, Dagda, Odin oder auch Osiris.

Die liebevolle Mutter

Primärer Aspekt des Mondes und sekundärer der Venus. Nachsichtige, liebende und fürsorgliche Matriarchin, die mögliche Verfehlungen ihrer „Sprösslinge“ schnell verzeihen kann. In diesem Fall auch Ansprechperson für alle Probleme, Sorgen, Nöte etc. Klassisch wären hier die Gestalten der Muttergottheiten zu wählen, wie z. B. Demeter, Dana, Gaia, Nerthus und Hathor.

Das Ungeheuer:

Sekundärer Aspekt des Mars, Saturn und Pluto. Symbolisiert die irrationalen, emotional geladenen Negativhandlungen, die im Jähzorn oder aus der ethischen Hemmungslosigkeit heraus, geführt werden. Klassisch wäre hier die Gestalt des „Monsters“, des wahnsinnigen Widersachers, zu wählen. Göttliche Prinzipien wären hier Apophis, der Fenriswolf, Minotaurus, Medusa etc.

Die destruktive Mutter

Primärer Aspekt der Lilith, sekundär Venus und Mond, aber auch Uranus. Hier ist die Furie das Wort der Wahl, die zerstört, sich nicht an Regeln hält, rebelliert und alte Muster vernichten will. Gleichzeitig aber auch die „Übermutter“, die ihre Zöglinge aus Angst und Sorge „erstickt“ und an der individuellen Evolution hindert. Klassisch wären hier Gestalten der „dunklen Göttinnen“ zu wählen, wobei man im Einzelnen große Unterschiede zwischen, Lilith, Morrigan, Nemesis, Nix, Ereschkigal, Kali etc. finden würde.



Der Jüngling

Sekundärer Aspekt von Merkur, Mars und Uranus. Voller Tatendurst und Übermut wirft man sich in das Leben und will alles gleichzeitig auskosten – ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen. „Das Leben jetzt leben und nicht später.“ Klassisch wäre hier die Gestalt des „Herumtreibers“, der „Hans-Dampf-in-Allen-Gassen“, zu wählen.

Die Prinzessin:

Primärer Aspekt der Venus und sekundärer des Mondes. Ungebunden und frei, willentlich die lebenslustigen Seiten der eigenen Persönlichkeit erfahren und leben. Klassisch wäre hier die Gestalt der „Sirene“, die Verführerin, zu wählen.

Der Held

Primärer Aspekt des Mars, sekundär Uranus. Er ist der klassische Held, der die Welt rettet, die Frau seiner Wahl bekommt und bei allen beliebt ist, da er alles kann. Fragmentarisch ist er der Messias oder auch der Samildánach, der Kunstfertige oder der Alleskönner. Klassisch wäre hier die Gestalt des Gottes Lugh oder auch die Figur des Herkules zu wählen, aber auch die Heldenfiguren des Cuchulainn oder des Fionn kann man hier nennen.

Die Amazone

Primärer Aspekt der Venus, sekundärer Aspekt des Mondes. Sie ist die emanzipierte Jungfrau (in Bezug auf das Göttinnenprinzip Jungfrau), die weiß, was sie will und wie sie ihr Ziel erreicht. Sie liebt die Autonomie und gibt sich ihren Ausschweifungen hin. Klassisch wären hier die Göttinnen des Jungfrauenprinzips zu wählen wie z. B. Brigid, Diana, Artemis oder Scatharch.

Der Schurke

Primärer Aspekt des Merkur, sekundär des Mars. Es ist das Schlitzohr, der Filou, der aber auch seine maskulinen Eigenschaften und seine Macht, gezielt für persönliche Zwecke, einzusetzen weiß. Klassisch wären hier die „Schurkengötter“ wie z. B. Loki, Lugh, Balor, Legba, Eshu, Gauwa und auch unter gewissen Rahmenbedingungen Prometheus zu erwähnen.

Priesterin bzw. Priester

Primärer Aspekt des Mondes und der Sonne. Wissen, Weisheit und Intuition agieren hier Hand in Hand und werden für die Evolution anderer, so wie für die Selbstevolution verwendet. Es sind die intuitiven Kräfte des Seins, der Dienst im „Großen Werk“. Klassisch sind hier Aine, Aradia und Isis zu nennen.



So viel also zu den Archetypen, doch was hat das jetzt explizit mit der Chaosmagie zu tun? Was hat das allgemein mit der Magie zu tun? Nun, meistens ist es so, dass in der Magie schnell irgendwelche spezifischen Entitäten benannt werden, und diese auch eine entsprechende Anbetung erfahren. Natürlich ist dies auch in der Religion der Fall, doch sehr oft findet man dies auch in der Magie. Speziell will ich hier die Richtung „Wicca“ und auch „Thelema“ betiteln, also einmal die Thematik des Hexentums, der Naturreligion, das Leben mit dem Kreislauf der Natur, und einmal eine magische Sichtweise, die sich auf den wahren Willen bezieht, auf magische Ausbildungen, lange Exerzitien und Disziplin, sodass hier auch Yoga und allerlei zeremonielle Aspekte berücksichtigt werden müssen. Wicca und Thelema! Und was hat das jetzt mit der Chaosmagie zu tun?

Tja, um es jetzt schon einmal kurz vorab zu sagen, obwohl das Thema in einem separaten Kapitel ausführlich behandelt wird, kann man sagen, dass die primären Ideen der Chaosmagie sich auf England beziehen, und hier im Grunde als eine Art Gegenbewegung, als eine Rebellion gegen Wicca und auch gegen Thelema zu verstehen ist. Doch dazu später mehr. Erst einmal soll es ausreichend sein, dass die klassische Magie, die meisten Menschen, die sich mit der Magie beschäftigen und hier ein bewusstes Handeln an den Tag legen, sich auf verschiedene Gottheiten, auf verschiedene Paradigmen, auf verschiedene Muster und auf verschiedene Kulturen beziehen. Und genau dies will die Chaosmagie nicht, und versucht dies auch so gut wie möglich zu vermeiden, es sei denn, der Chaosmagier will dies explizit ausführen. Es gibt gigantisch viele magische Zivilisationen und Kulturen, egal, ob es jetzt die sumerische, babylonische, mesopotamische, ägyptische, äthiopische, mitteleuropäische (hier wird gerne der Begriff der „Kelten“ verwendet, wobei dieser Begriff jedoch unkorrekt ist, da es niemals DIE Kelten gab, da es eine Bezeichnung der Besatzer war, der Römer, und hier es verschiedene Stammes- und Dorfkulturen gab), nordeuropäische (auch hier wird gerne ein falscher Begriff verwendet, in diesem Kontext der Begriff der „Germanen“, was hier auch wieder falsch ist, da es erneut nicht DIE Germanen gab, sondern dies auch wiederum eine Betitelung der Römer war), griechische oder römische Kultur ist, die Magie wird aus diesen Kulturen, Zivilisationen und Götterpanthea sehr oft und sehr gern verwendet. Dies ist auch absolut legitim, dies ist sinnig, dies ist vernünftig, doch für die Chaosmagie kontraproduktiv.



Auch die verschiedenen Aspekte, die sich direkt auf die Natur beziehen, sodass eben hier die verschiedenen Gestirne vergöttlicht werden, oder andere Naturphänomene wie zum Beispiel Blitz und Donner, Stürme, Erdbeben etc., genauso wie Naturmonumente, wie zum Beispiel Bäume, Berge, Abgründe, Flüsse etc., läuft der Chaosmagie vollkommen konträr entgegen. Man kann hier sagen, dass der chaosmagische Mensch viel lieber die Idee verwendet, dass man selbst alles bestimmen muss, um damit zu arbeiten. Wenn man hier einen Werbeslogan erfinden müsste, könnte man folgende Aussagen treffen:

Nichts ist Wahrheit, alles ist Lüge, alles ist Illusion, alles ist möglich und jeder selbst erschafft sich seine Wahrheit und seine Realität!“

Dies bedeutet, dass hier nicht direkt auf alle zivilisatorischen, magischen, kulturellen und energetischen Aspekte aus Ignoranz verzichtet wird, nein, ganz im Gegenteil, dies bedeutet, dass der chaosmagische Mensch ganz bewusst in die verschiedenen Zivilisationen, Kulturen und Götterpanthea eindringt, um hier die Energien herauszufinden, die für seine aktuelle Magie, für seine aktuelle Zielsetzung sinnvoll und notwendig sind. Hierbei ist es sehr spannend, dass eben die verschiedenen archetypischen Schwingungen eine gigantische Ambivalenz besitzen, die man aber erst dann erfahren wird, wenn man mit den jeweiligen energetischen Prinzipien eng zusammenarbeitet, oder sich intellektuell mit den Legenden, Mythen und Sagen beschäftigt. Nehmen wir sonst einfach mal den klassischen Vater Gott „Odin/Wotan“. Im archetypischen Kontext ist Odin/Wotan der liebevolle Vater. Er ist ein Patriarch, er ist ein Herrscher, ein wahrer König, der auch manchmal Gnade vor Recht ergehen lässt. Doch wenn man sich auf die verschiedenen Legenden, Mythen und Sagen des nordischen Pantheons einlässt, dann findet man den Umstand, dass Odin/Wotan auch ein Kriegsherr ist, der gnadenlos in die Schlacht zieht, und hier seiner Mordlust freien Lauf lässt. Wenn man dies erneut auf die Archetypen anwenden will, dann ist Odin/Wotan auch definitiv das Ungeheuer, aber auch der Jüngling, der Held und erst recht der Schurke. Warum der Schurke? Nun ja, Odin/Wotan ist dem Wochentag Mittwoch zugeordnet, genauso wie die Prinzipien Hermes und Merkur, und diese stehen wieder für die Gilde der Diebe und der Schurken. Man sieht also, dass hier gigantisch viele Verknüpfungen existieren, die für den Anfänger auch mehr als nur chaotisch sein können, was wiederum bedeutet, dass hier die Aussage, dass man für die Chaosmagie Wissen, Weisheit und Gnosis (Erkenntnis) benötigt, im wortwörtlichen Sinn zu verstehen ist.



Und da Odin/Wotan eben auch ein großer Herrscher ist, der aber auch sein Reich durch Krieg expandiert hat, ist Odin definitiv auch ein Ungeheuer, genauso wie ein Held, genauso wie ein Jüngling, denn der Tatendurst, die Freude an Abenteuern, die Odin besitzt, findet man auch in sehr vielen der verschiedenen Legenden, Mythen und Sagen. Durch diese Ambivalenz passen aber sehr viele Götter perfekt in die Chaosmagie hinein. Es geht auch nicht darum, dass hier explizit ohne Götter agiert werden muss. Nein, die Chaosmagie sagt nur aus, dass jeder magische Mensch selbst bestimmen soll, selbst bestimmen muss, welchen Aspekt einer omnipräsenten Energie verwendet wird. Odin/Wotan ist hier ein passendes Beispiel, da er eben der liebevolle Vater, das Ungeheuer, der Held, der Jüngling und auch der Schurke ist. In der Chaosmagie muss man sich nicht festlegen. Gut, in einem Ritual, indem man mit Odin/Wotan arbeiten will, ist es mehr als nur kontraproduktiv, wenn man am Anfang des Rituals den Jüngling herbeiruft, und dann plötzlich das Ungeheuer benötigt, um im Anschluss den liebevollen Vater zu interviewen, der sich dann in einen Helden verwandeln soll. Für das Prinzip Odin/Wotan ist dies kein Problem, für das menschliche Energiesystem schon. Doch möglich ist es, gerade in der Chaosmagie. Da die Chaosmagie aber letztlich auch auf die ungeformten energetischen Potenziale zugreifen will, auf die Potenziale die man theatralisch „in der Finsternis“, „im Abgrund“, „in den Tiefen der Ozeane“ oder sonst wo finden kann, ist hier wieder ein besonderer Aspekt zu nennen. So geht es also auch darum, dass der chaosmagische Mensch eine große Experimentierfreudigkeit an den Tag legt, und eben auch mit dem Impulsiven, dem Chaotischen und letztlich mit allen unkontrollierbaren Energien hantieren will. Man könnte es damit vergleichen, dass man die ganze Zeit nur Fahrrad fährt, und plötzlich die Chance hat, auf ein 300 PS starkes Supersport Motorrad zu steigen, um dieses dann über die Rennstrecke zu prügeln. Das Fahrrad hat zwei Reifen und man benötigt Gleichgewichtssinn, das Motorrad hat zwei Reifen und man benötigt auch ein wenig Gleichgewichtssinn. Doch das war es auch schon. Und der Chaosmagier würde hier, zumindest in der Theorie, weniger Probleme damit haben, auf das Supersport Motorrad zu steigen, um dann seine Erfahrungen auf der Rennstrecke zu sammeln. Wird irre Spaß machen, kann aber auch irre gefährlich sein, wenn man sich selbst überschätzt. Und genau dies passt hervorragend für die Chaosmagie. Man kann mit der Chaosmagie sehr viel Spaß haben, man kann mit der Chaosmagie gigantisch viele Erfahrungen machen, man kann aber auch mit und in der Chaosmagie gehörig auf die Fresse fallen, sich viele Zähne ausschlagen, und, um es etwas zu dramatisieren, auch einen tödlichen Unfall erleiden.



Wenn man nur Fahrrad fahren kennt, und plötzlich ein 300 PS starkes Motorrad unterm Gesäß hat, kann verdammt viel passieren. Um eine solche Gefahr zu vermeiden, wäre ein Blick in die Zukunft toll, oder? Natürlich spiele ich hier auf verschiedene Divinationsmethoden an, wobei es hier egal ist, ob man mit Tarotkarten arbeitet, oder mit anderen Karten aus dem Bereich der Chartomantik, mit Runen, mit dem I-Ging, mit der Geomantie oder mit welcher Methode man auch immer eine Weissagung ausführen will. Doch es gibt hier interessanterweise in den Reihen der Chaosmagie viele Kritiker, die sagen, dass jegliche Divination, jegliche Bedeutung, egal, ob es jetzt Tarotkarten oder Runen oder andere sind, stets falsch sein werden, da ausschließlich der Chaosmagier selbst bestimmt, was Wahrheit ist. Wow! Da hat irgendjemand wirklich die Divination vollkommen NICHT verstanden. Erstens, es geht überhaupt nicht um DIE Wahrheit, auch wenn es letztlich, selbst für Chaosmagier, unumstößliche Wahrheiten gibt. Wenn hier schon Diskussionen auftauchen, dann kann man sich am besten auf eine Diskussion einlassen, ob unter Normalbedingungen die Schwerkraft existiert. Für einige Chaosmagier scheint dies ja eine Lüge zu sein, sodass ich genau diese sehr gerne in einem Experiment testen möchte, ob Sprünge aus dem zehnten Stock mit dem Leben vereinbar sind, oder vielleicht doch nicht. Lüge und Wahrheit! Bei Divinationen geht es um Tendenzen, bei Divinationen geht es nicht um eine unumstößliche Wahrheit, bei Divinationen geht es darum, dass man dem eigenen Tagesbewusstsein Hinweise gibt, Hinweise die aus dem eigenen Unterbewusstsein kommen. Mehr ist es nicht. Und die Chaosmagie würde hier einen fatalen Fehler begehen, wenn die Divination missachtet werden würde. Gerade wenn es darum geht, dass man mit irgendeinem System divinatorisch arbeitet, sollte man auch bei dem System bleiben. Gut, dies mag einigen Chaosmagiern widerstreben, und auch hier lade ich diese Charaktere herzlich ein, einfach mal Tarotkarten zu ziehen, und dann die Runen Deutung einzusetzen, um dann zu merken, dass es wirklich eine dämliche und blöde Idee ist, wenn man divinatorische Systeme, die einfach nicht zusammenpassen, chaotisch mischt. Man sieht hier sehr deutlich, dass auch die Chaosmagie in gewissen Parametern mit Mustern arbeiten muss, oder diese einfach fortlässt. Wenn es um Divinationsmethoden geht, müssen entsprechende Regelungen einfach eingehalten werden. Chaosmagie hin, Chaosmagie her. Es ist zwar süß, niedlich und nett, wenn man hier permanent den Gegenpol der Ordnung einnehmen will, wenn man permanent in einem Chaos existieren will, doch ist dies eher eine Ego-Seifenblase, die mit wachsender Erkenntnis, mit wachsendem Wissen und mit wachsender Weisheit platzen wird.



Chaos und Ordnung müssen sich definitiv nicht aufheben, Chaos und Ordnung müssen sich definitiv nicht ausschließen, denn beide können parallel und sogar miteinander existieren. Dies haben natürlich schon verschiedene Systeme und magische Maximen postuliert, sodass man das Zusammenspiel zwischen Chaos und Kosmos in einem „kosmologischen Kontext“ erkennen kann, also im Kontext der Existenzerschaffung, der Welterschaffung, was wiederum bedeutet, dass das Chaos mit dem Nichts in diesem Kontext verglichen wird, mit der Nicht-Existenz, der Kosmos mit dem Sein, mit der Existenz. Man wird sich in diesem Kontext Stück für Stück auf die Sichtweise der Kabbalah zubewegen, denn in den kabbalistischen Lehren gibt es doch verschiedene Fachvokabeln, die diese Thematik perfekt beleuchten und erklären. Es ist in diesem Kontext sogar eine Vokabel, die man aus dem Alltag kennt. Es geht hier um das Wort Tohuwabohu! Es ist ein Begriff, der in der Genesis auftaucht, und der dafür steht, was „am Anfang war“, bzw. was existierte, als die Erde „erschaffen“ wurde. Im kabbalistischen Kontext muss man hier natürlich noch eine Ergänzung hinzufügen, da es in diesem Kontext um die dritte Dimension, um die dritte Manifestation geht. Wenn man in eine wortwörtliche Übersetzung gehen will, dann wird meistens der Begriff „Tohuwabohu“ einfach mit „wüst und leer“ grob übersetzt, wobei es dann nicht wirklich schwierig ist, statt „wüst und leer“ einfach die Vokabel „Chaos“ zu klassifizieren. Tohuwabohu! Eigentlich ist es nur ein Wort, welches man jetzt nicht näher in Augenschein nehmen muss. Doch da es in der Chaosmagie auch um ein gewisses Fundament aus Wissen und Weisheit geht, will ich doch hier einen kleinen Exkurs machen, sodass man die klassische Bedeutung des Wortes für sich selbst aufnehmen kann. Wenn man in die hebräische Schreibweise hineingeht, dann findet man die Buchstabenkombination „תהו ובהו“ sodass man hier Wörter „תהו“, also „Tohu“ und „בהו“ also „Vohu“ besitzt, und noch das hebräische Waw „ו“, was man in diesem Kontext als va/ve sprechen kann, und einfach „und“ bedeutet. Also hat man hier wortwörtlich Tohu UND Vavohu, was dann in der Übersetzung von „Tohu (תהו)“ Öde, Wüste oder Leere lautet, sodass man sich hier auch sofort vorstellen kann, warum das hebräische Wort „Tehom“ oder auch „theomi“ in der Übersetzung „Urwasser“, „Tiefen“ und „Abgrund „heißt bzw. „abgründig“ oder auch „abgrundtief“. Die Übersetzung der Vokabel „Vohu (בהו)“ kann hier „starren“ aber auch „glotzen“ bedeuten, genauso wie „erstarren“ oder „sich wundern“. Wenn man dies etwas weiterführen will, hat man hier also einen „wundersamen Abgrund“, eine „erstarrte Tiefe“, also irgendwie etwas, was unbegreiflich ist, sodass man hier nur noch „in die Leere glotzt“.



Man könnte dieses „Starren“ auch mit der Spiegelmagie kombinieren, sodass man sich selbst vor dem Spiegel setzt, den Punkt zwischen seinen Augen, seine Nasenwurzel, mit starrem Blick fixiert, um sich dann in seine eigenen Tiefen führen zu lassen. Auch hier würde man, in der Theorie der Spiegelmagie, in seinen Abgrund stoßen können, und sein wahres, animalisches, chaotisches Selbst zu erkennen. Man könnte dies auch noch weiter führen, indem man in die erste Hochkultur der Menschheit geht, sodass man sich hier das sumerische Reich anschaut, das sumerische Pantheon. Das sumerische Pantheon ist eigentlich perfekt für die Chaosmagie, denn ganz am Anfang waren die jeweiligen Prinzipien keine Götter gewesen, sondern ausschließlich philosophische Maximen und Gedankenkonstrukte. Erst im weiteren Verlauf wurden diese archetypischen Schwingungen „vergöttlicht“. Da natürlich das Chaos und der Kosmos essenzielle Prinzipien sind, ist es natürlich nicht überraschend, dass auch die sumerische Mythologie entsprechende Geschichten aufzuweisen hat. Hierbei geht es aber nicht um einen Abgrund oder um eine Leere, nein, hier geht es um Wasser, speziell um Salzwasser und Süßwasser. Namentlich sind hier die philosophischen Prinzipien „Tiamat“ und „Apsu“ zu thematisieren und zu nennen, Prinzipien die für die Schöpfung und für die Vernichtung stehen. Doch wie schon erwähnt, die Konzepte „Tiamat“ und „Apsu“ sind in den sumerischen Ideologien KEINE direkten Götter, nein, sie waren archetypische Grundprinzipien, und wurden auch als solche verstanden. So wurde also in der sumerischen Mythologie erkannt, dass die Schöpfung mit dem Leben, mit dem Süßwasser verknüpft sein muss, genauso wie die Vernichtung (gleichzeitig aber auch die Neuwerdung) mit dem Salzwasser verknüpft ist. In der sumerischen Mythologie bedeutet Schöpfung, dass hier eine Kreation stattfand, eine Kreation AUS dem Chaos und im Grunde auch DURCH das Chaos und MIT dem Chaos. Und genau dies ist auch wieder die Chaosmagie! Durch das Chaos, durch die Chaosmagie wird erschaffen, aus dem Chaos, aus der Chaosmagie wird erschaffen, mit dem Chaos, mit der Chaosmagie wird erschaffen! Doch wenn etwas erschaffen wird, muss es jedoch irgendwo herkommen. In diesem Zusammenhang greifen manche Chaosmagier dann doch ganz gerne auf die Physik zurück, sodass hier auch immer wieder Fachwörter verwendet werden, Fachwörter die neben der Quantenphysik gerne in den chaosmagischen Büchern thematisiert werden. Nun ja, dies ist kein großes Problem, doch es ist immer ein wenig albern, wenn auf der einen Seite propagiert wird, dass man sich in der Chaosmagie gefälligst an keine Regeln halten soll, und man gleichzeitig ganz brav in der deduktiven Naturwissenschaft immer wieder Angst hat, um hier die Chaosmagie mit der Naturwissenschaft zu verbinden.



Sicherlich, die Chaosmagie bestimmt jeder für sich, sodass es vollkommen legitim ist, wenn man hier die Wissenschaft mit ins Boot holen will. Doch sollte man dies dann auch klar und deutlich sagen. Und natürlich gibt es hier entsprechende Fachvokabeln, die perfekt für eine Erklärung sind. Nehmen wir doch einfach mal die Vokabel „Energie“!

Wenn man hier die Naturwissenschaft und die Magie, oder auch die Esoterik bzw. die Spiritualität, verknüpfen will, dann findet man hier nicht nur ein machtvolles Wort, nein, man findet auch eine Vokabel, die gigantisch viel Streitpotenzial besitzt. Oh ja, die Vokabel „Energie“ kann sehr heftige Diskussionen zwischen Physikern, andere Naturwissenschaftlern und letztlich spirituellen, esoterischen und magischen Menschen auslösen. Es geht meistens darum, dass sie Naturwissenschaftler sich aufregen, dass hier der Begriff „Energie“ missbraucht wird, um alle erdenklichen obskuren magischen Phänomene irgendwie zu erklären, und am besten auch noch kapitalistisch auszuschlachten. Ich kann die Naturwissenschaftler da ganz gut verstehen, doch gleichzeitig will ich hier klar und deutlich sagen, dass auch diese Gruppe keine Wörter gepachtet hat. Man muss ganz einfach akzeptieren, dass der Begriff Energie sich sehr weit verbreitet hat, sodass er in der Alltagssprache nicht mehr wegzudenken ist. Stück für Stück hat sich also diese Vokabel in das menschliche System eingeschlichen, sodass hier wieder Muster und Programme bedient werden, sodass hier Kaskaden ausgelöst werden, wodurch Stück für Stück unterschiedliche Vorstellungen des Menschen keimen, die sich dann eben auf das Wörtchen „Energie“ beziehen.

Auch die Chaosmagie setzt sehr oft auf das Wörtchen „Energie“, da natürlich mit dieser Vokabel sehr viel erklärt werden kann. Eine solche Erklärung ist in der Physik manchmal sehr wichtig, sodass die Verwendung des Wörtchens „Energie“ im wortwörtlichen Sinne „Kraft“ kostet. Dieser Kraftakt bezieht sich darauf, dass die Bezeichnung „Energie“, so wie sie heute von der Physik verwendet wird, primär auf den Physiker William John Macquorn Rankine (05.07.1820 - 24.12.1872) basiert, der diese Vokabel „Energie“ ca. 1852 eingeführt hat, wodurch eine deutliche Definition bzw. Abgrenzung zum physikalischen Begriff der „Kraft“ geschaffen wurde. Doch auch der Physiker Thomas Young (13.06.1773 - 10.05.1829) muss hier genannt werden, denn dieser hatte den Begriff Energie bereits im Jahr 1800 in einem mechanischen Zusammenhang verwendet, wobei hier aber keine klare Trennung bzw. keine klare Grenzziehung zur eigentlichen „Kraft“ vollzogen wurde.



In der Chaosmagie wird man auch immer wieder auf Kräfte und auf Energien stoßen, da aber die Chaosmagie sich auch in allen anderen magischen Systemen bedienen kann, will ich hier auch die verschiedenen anderen Bezeichnungen aufführen, die man mit diesem Begriff, mit dem Wörtchen Energie, verbinden kann. Energie! In der klassischen magischen Literatur wird man auch ganz andere Wörter finden, Wörter die sich auch wieder aus verschiedenen Kulturen und Zivilisationen gebildet haben, genauso wie Wörter, die bewusst und künstlich erfunden wurden. Zu nennen sind hier zum Beispiel die Begrifflichkeiten „Prana“ (Sanskrit; Lebenskraft oder Lebensenergie), „Chi/Qi“, „Ki“, „Gi“ (chinesisch, japanisch, koreanisch; Energie, Atem, Fluidum, Luft, Gas, Dampf, Hauch, Äther, Temperament, Kraft, Atmosphäre), „Od“ (von Carl Ludwig Friedrich von Reichenbach [12.02.1788 – 19.01.1869]; Industrieller, Chemiker, Naturforscher und Philosoph, „erfand“ einen Begriff, der sich vom Gott Odin ableitet und mit „Lebenskraft“ oder „Lebensenergie“ übersetzt werden kann), „Mana“ (aus der Sprache der Maoir; es bedeutet so viel wie Macht [die spiritueller als auch weltlicher Natur sein kann], aber primär auf eine spirituelle Energie [ähnlich dem Chi, Qi, Ki, Gi] deutet) oder „Orgon“ (von Wilhelm Reich [24.03.1897 - 03.11.1957]; Psychiater, Psychoanalytiker, Sexualforscher und Soziologe, „erfundene“ biologische, später kosmische Energie).

Man sieht also, dass man hier schon ein kleines Wörterchaos besitzt, ein Wörter Chaos, was jedoch eine ganz besondere Ordnung beschreibt. Man wird erkennen, dass die ganzen Vokabeln letztlich immer einen inneren Vorgang beschreiben, der zwar bewusst erfahren wird, aber nicht immer gezielt mit Worten beschrieben werden kann. Chaotisch, nicht wahr? Wenn man jetzt mit verschiedenen Metaphern arbeiten würde, würde man viel mehr „Chaos“ als „Kosmos“ erzeugen. Daher wird sehr oft versucht, adäquate Bezeichnungen zu finden, Bezeichnungen wie zum Beispiel „Lebenskraft“, „Vitalität“, „Gotterfahrung“, „Erleuchtung“, „Fülle“, „Ganzheit“, „Atman“, „Seelenwille“, „Höheres Selbst“, „Wirken im Großen Werk“ oder einfach „Energie“, aber auch „Chaos“, denn selbstverständlich ist auch das Chaos eine ganz besondere Energie. Man sieht also, dass es auch hier wieder ausreichend viele Begriffe, Verifikationen und Möglichkeiten gibt.



Doch warum verwenden denn nun jetzt die Magier, die Spirituellen, die Esoteriker, die Okkultisten und die Mystiker den Begriff „Energie“? Es gibt doch unendlich viele andere fachspezifische Vokabeln – wie man schon allein an dieser Aufzählung sehen konnte – die wirklich „magische Begriffe“ betiteln. Es sind so viele Begriffe, dass sich die magische Szene schon fast nicht untereinander unbedingt einigen kann, da es so viele Begriffe gibt und auch hier wieder Menschen ihre Lieblingsvokabeln haben. Da bin ich kein Ausnahmefall. Auch ich habe meine „Lieblingswörter“, doch muss man bei Erklärungen und Veranschaulichungen auch immer berücksichtigen, ob der Mensch, der einem gegenüber ist und zuhört, auch die jeweilige Vokabel kennt. Nun, hier ist und bleibt die Vokabel „Energie“ eben umgangssprachlicher, sodass man sich sicher sein kann, dass der Begriff „Energie“ (in all seinen „energetischen Variationen“) bekannt sein wird, während Vokabeln wie „Prana“, „Chi/Qi“, „Ki“, „Gi“, „Od“, „Mana“ oder „Orgon“ für einige unverständliches Kauderwelsch darstellen. Dies ist vollkommen legitim, wenn man seine ersten Schritte in der Chaosmagie ausführt. Doch wenn man mehr und mehr mit der Chaosmagie arbeitet, muss man sein eigenes Wissen und seine eigene Weisheit zu einem Fundament ausbilden. Ach, man muss? Nein, muss man nicht, doch dann wären wir bei der Diskussion, ob man für eine magische Arbeit explizites Fachwissen benötigt, oder ob man mit einem Allgemeinwissen weiter kommt. Alle, die glauben, dass man für die Magie nichts tun muss, werden Egoseifenblasen produzieren, sie werden sich auf die Chaosmagie stürzen, lustige und dramaturgische Schauspiele abhalten, selbst aber im Chaos versinken. Eine Meisterung des Lebens ist für diese Menschen meistens gigantisch weit entfernt, sodass sie eben Spielball von allen erdenklichen Umständen im Außen sind. Und dieser Spieltrieb, der dann von außen auf den jeweiligen Menschen ausgeübt wird, wird sich auch auf das Innere übertragen. Und genau hier sind wir schon wieder bei dem Begriff „Energie“, denn in der Chaosmagie ist die Energie des Menschen, die Energie des Willens und die Energie der eigenen Gnosis absolut essenziell. Nun, vielleicht wird bei diesen ganzen Beispielen aufgefallen sein, dass ich immer wieder einen Bezug auf das Individuum Mensch ausführe und dass die chaosmagischen „Effekte“ und „Erlebnisse“ primär im „Inneren“ des Menschen kreiert werden, und letztlich auch aus dem Menschen herauskommen. Hierdurch vollführen diese Wirkungen im Innen und im Außen kausale Reaktionen, kausale Reaktionen, die aber auf einem chaotischen Prinzip aufbauen. Gut, jeder magische Akt wird in diesem Kontext subjektiv sein und selbstverständlich absolut individuell!



Diese Individualität ist in der Chaosmagie absolut wichtig, denn diese Individualität wird im eigenen Inneren gebildet. Und dies führt zu der Frage, was das Wort „Energie“ eigentlich wortwörtlich bedeutet? Nun, der Begriff „Energie“ kommt aus dem Altgriechischen und setzt sich aus den beiden Wörtern ἐν (en) und ἔργον (ergon) zusammen, was zum Wort Enérgeia führt, aus welchem sich dann das Wort „Energie“ ergibt bzw. gebildet hat. Wenn man dann in die Übersetzungen geht, findet man, dass die griechische Silbe „ἐν“ (en) wie folgt übersetzt bzw. gedeutet werden kann: (1) in, innerhalb (räumlich), (2) auf (räumlich), (3) an, bei (räumlich), (4) unten (Teil von etwas) oder (5) in, innerhalb, binnen (zeitlich).

Das griechische Wort „ἔργον“ (ergon) bedeutet so viel wie: (1) Werk, Arbeit (etwas schaffen), (2) Tat, Handlung, Wirken (etwas vollbringen), (3) Geschäft, Verrichtung (eine Tat). Zusätzlich kann man über das Wort „ergon“ sagen, dass es eine spezifische oder individuelle Funktion oder Aufgabe besitzt, in Bezug auf eine „Sache“ bzw. „Angelegenheit“, wobei die Funktion/Aufgabe die für diese Sache/Angelegenheit essenziell/bedeutungsvoll ist. Es ist also ein sehr „starkes“ oder „machtvolles“ Wort, das in seiner Grundbedeutung nicht „mal eben“ oder „leichtfertig“ verwendet werden sollte.

Wenn man sich dann auf eine Umschreibung des Wortes „Energie“ einlassen will, kann man die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „ENERGIE“ einfach als ein „inneres Werk“ oder ein „in (sich selbst) Wirken“ erklären. Und wenn man sich jetzt die magischen Ziele der Chaosmagie anschaut, dann ist diese Übersetzung genau das, was man selbst als einen essenziellen Zielpunkt deklarieren sollte. So wie es in der Magie im Allgemeinen darum geht, sich zu evolutionieren, sich zu entwickeln, sich zu erkennen und in die Transformation, in die Transzendenz zu gehen, so bezieht sich dies natürlich auch auf die Chaosmagie, was aber in diesem Zusammenhang bedeutet, dass man für sich feststellen muss, dass es immer ein „inneres Werk“ oder ein „in (sich selbst) Wirken“ sein wird, welches den ersten Dominostein um stoßen wird, um sich selbst zu vergöttlichen.

Diese Vergöttlichung ist absolut wichtig, denn dadurch, dass man sich selbst als schöpfen das Prinzip erkennt, vereinigt man sein Chaos, mit dem eigenen Kosmos. Wenn man will, könnte man hier auch ein weiteres, physikalisches Fachwort anführen, was genau darauf passt, dass sich Chaos und Kosmos vereinen. Es wäre die Fachvokabel Entropie!



Die Entropie, aus dem Griechischen kommend (ἐντροπία), ist hier in der wortwörtlichen Übersetzung „eine Wendung“ (direkt wortwörtlich an / in Wendung), eine Wendung, die sich zum Chaos jedoch bewegt. Physikalisch durchlaufen alle Prozesse, die in irgendeinem System ablaufen einen Umstand, der eine Zunahme von Entropie bewirkt, also eine Zunahme einer Wendung. Dies wird eigentlich als der Schritt von der Ordnung ins Chaos gedeutet, sodass die Schöpfung in diesem Kontext eine Negentropie ausführt. Es ist in diesem Zusammenhang jedoch einfach nur eine Kurzbezeichnung für eine „negative Entropie“ oder eben eine Antientropie, sodass das Leben in diesem Zusammenhang genau das ist. Wenn also jedes System, im physikalischen Sinne, spontane Prozesse besitzt, sodass hier eine Entropie, eine Unordnung, ein Durcheinander, eine Konfusion, ein Wirrwarr, ein Chaos anfängt, ausgeführt wird, bestrebt wird, umgesetzt wird, bedeutet das, dass hier wieder der Satz „Wie Oben, so Unten“, bzw. „Wie Innen, so Außen“ definitiv greift, denn letztlich geht alles wieder zurück zur Quelle, zur Unität, zurück zum Abgrund, zum Abyss! So ist die Entropie einfach als ein besonderes „Chaos“ zu deuten, oder auch als „ein Maß für Chaos“, was bedeutet, dass man auf der Skala von 0-100% schauen muss, wie viel Kosmos, wie viel Chaos, wie viel Schöpfung, wie viel Zerstörung und wie viel Entropie man benötigt, um seine eigenen magischen Ziele zu erreichen. Für den Chaosmagier bedeutet das, wenn man das eigene Leben zu 100 %, in allen kosmischen Bereichen, in allen Ebenen, in allen Ausläufern erfassen, begreifen und verstehen will, dann müsste hier die Entropie auf „Null“ sinken, denn dann hätte man alle Informationen, die es im Kosmos gibt! Doch man hat auch alle Informationen, wenn die Entropie ist, wie sie ist, da die Informationen immer und überall vorhanden sind. Sie sind nur vom Chaos umgeben, vom Chaos durchsetzt, vom Chaos durchzogen! Und auch hier greift wieder die Chaosmagie hinein, denn die Chaosmagie versucht hier die entsprechenden Informationen herauszuziehen, dingbar zu machen, was wiederum zeigt, dass die Chaosmagie eine echte Herausforderung ist! Wenn Chaos und Kosmos zusammenarbeiten, wird es also immer zu spezifischen, energetischen Bewegungen kommen, wenn man so will zu besonderen energetischen Kontraktionen, genauso wie zu energetischen Expansionen. Tja, und genau hierbei ist man schon wieder in der kabbalistischen Mystik angekommen. Es geht bei dieser Thematik darum, dass man sich die Frage stellt, wie die Schöpfung überhaupt möglich war. Die verschiedenen Kabbalisten haben im Mittelalter hier interessante Ideen entwickelt, die, in Bezug auf die Chaosmagie, wichtig sind, da es hier um einen energetischen Akt geht, der sich in diesem Zusammenhang auf alle magischen Operationen anwenden lässt.

Wenn man sich dann also, im kabbalistischen Sinne, mit der Frage beschäftigt, wie Schöpfung überhaupt möglich war, dann kann man kurz und knapp sagen, dass hier eine Art Kontraktion stattgefunden hat! Eine Kontraktion? Ein Zusammenziehen?

Nun, wenn man sich im mystischen und religiösen Kontext auf die Entstehung des Abyss beziehen will, dann findet man wieder das hebräische (oder auch kabbalistische) Fachwort „Tzimtzum“! Der Begriff „Tzimtzum“ oder auch „Zimzum“ bezieht sich auf eine Idee des Kabbalisten Isaak Lurias, der in der Mitte des 16. Jh. die Eingebung hatte, dass der Kosmos sich durch eine „Kontraktion / Konzentration“ erschaffen hat. Hierbei ging es um ein Zusammenziehen des „göttlichen Lichtes“, eine Art des Rückzugs von der Existenz in die Nicht-Existenz, ein zyklischer Prozess, der auch wieder mit einem Mors Mystica verglichen werden kann, wenn es darum geht, dass „etwas“ seine Grundfesten reflektiert. In diesem Fall wäre es die Schöpfung selbst. Kontraktion! Expansion! Chaos und Kosmos!

Man könnte hier auch einfach sagen, dass man eine gewisse Ruhephase benötigt, dass man in die Kontraktion gehen muss, um dann gewaltig in eine Expansion zu schreiten, sodass man hier definitiv über sich hinaus wächst. Die Chaosmagie agiert mit diesem Schema, was wiederum bedeutet, dass die Rituale so konzipiert sind, dass man auch hier immens viele Überraschungen erleben kann. Im Klartext bedeutet das, dass chaosmagische Rituale ohne weiteres über sich hinauswachsen können, sodass in diesem Zusammenhang auch erst einmal eine Kontraktion stattfindet, dass man sich zum Beispiel bewusst und meditativ zurückzieht, dass man sich energetisch hochfährt, um dann in einer energetischen Expansion seine Ziele nicht nur zu erreichen, sondern möglicherweise auch zu überflügeln. Natürlich kommt es in diesem Zusammenhang immer darauf an, wie man seine eigenen Ziele definiert, wie man seine Zielpunkte absteckt und ob ein Überflügeln des eigenen Ziels produktiv oder kontraproduktiv wäre. Daher gilt, dass man sehr achtsam und sehr bewusst in der Chaosmagie arbeiten muss, da ein zu starker Rückzug, eine zu starke Kontraktion genauso nachteilig wäre, wie ein über den Zielpunkt hinaus schießen, was bedeutet, dass der Zielpunkt in diesem Kontext verfehlt wird. Mit der Hilfe der Chaosmagie kann man sein eigenes Potenzial vollkommen entfalten. Doch hierzu ist es natürlich auch wieder notwendig, dass man sich selbst erkannt hat, dass man weiß, wer und was man ist, dass man versteht, wo die eigenen Stärken und wo die eigenen Schwächen liegen, sodass man für sich selbst sagen kann, dass man in seinem eigenen Kosmos das Chaos kontrollieren kann, genauso wie man in seinem eigenen Chaos einen Kosmos kreieren kann.

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Magisches Kompendium - Chaosmagie - Erste Schritte der chaosmagischen Theorie und Praxis

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