Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 656 - Fred McMason - Страница 6

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Er stand an der Pinne und steuerte das Schiffchen, das sie den Piraten auf Madagaskar abgenommen hatten, sicher durch die Nacht.

Jung Hasard und sein Bruder Philip schliefen bei dem warmen Wetter an Deck.

Old Donegal räusperte sich leise und blickte erneut achteraus. Das Leuchten wurde noch stärker, und es erschien auch an anderen Stellen im Wasser, was ihm gar nicht behagte.

Meeresleuchten! Das gab es oft, aber niemand hatte eine vernünftige Erklärung dafür, aus welchem Grund das nachtschwarze Wasser leuchtete.

Philip hatte gesagt, das sei nun mal mitunter so, und sein Bruder Hasard hatte es lediglich als „Naturerscheinung“ zur Kenntnis genommen.

„Nein, nein, so einfach kann man das nicht abtun“, brummelte Old Donegal vor sich hin. „Jedes Ding hat eine Ursache. Ihr Bürschchen wollt das nur nicht wahrhaben, aber ich weiß es.“

Er drehte den Docht der Laterne etwas höher, linste auf den Kompaß, nickte vor sich hin und blickte danach nochmals achteraus, wobei er ruckhaft den Kopf wandte.

Unheimlich sah das aus – so als glimme oder brenne der Achtersteven der kleinen Karavelle und ziehe diese Spur durchs Meer wie ein leuchtendes Fanal. Er konnte das Kielwasser auf mehr als eine Meile deutlich erkennen.

An anderen Stellen waren ebenfalls helle, leuchtende Flecken im Wasser zu erkennen. Sie erinnerten ihn an kleine, hellerleuchtete Inseln, die unruhig in der See schwammen.

Sehr unruhig räusperte er sich schon zum vierten Male.

Möglicherweise hielten die Meeresgötter gerade ein Fest auf dem Grund der See ab. Das würde erklären, warum alles erleuchtet war. Dieses Fest fand natürlich in einem unterseeischen Palast statt, und er konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie jetzt da unten in der unendlichen Tiefe tanzten, sangen und sich amüsierten. Nixen, Meermänner und alles mögliche mochte da versammelt sein.

Er fragte sich ganz ernsthaft, ob sie wohl merkten, daß da gerade ein Schiff über sie hinwegsegelte. Er sah sie mit ihren algengekrönten Häuptern deutlich vor sich, die Gestalten und Dämonen aus der Tiefe.

Old Donegal war gern am Spintisieren, wenn er nachts allein war. Dabei gingen ihm die wunderlichsten Gedanken durch den Kopf. Allerdings ließ er dabei auch nicht den Kompaß aus den Augen.

Der Teufel mochte wissen, ob sie in der Lage waren, in Surat anzulegen, denn das Kartenmaterial, das sie an Bord hatten, war von minderer Qualität und eine genaue Navigation nicht möglich. Die Seekarten, die Philip in der Kapitänskammer gefunden hatte, bezogen sich nur auf Afrikas Ostküste. Jedenfalls wußte er mit absoluter Sicherheit, daß sie auf die indische Westküste zusteuerten.

Abermals beschäftigte er sich mit dem Phänomen des leuchtenden Wassers. Sie hatten es schon öfter erlebt und darüber gestaunt. Doch selbst der weise Kutscher hatte es nicht exakt erklären können.

Old Donegal zuckte zusammen, als er ein krächzendes Geräusch hörte. Es war ein paar Augenblicke still, dann hörte er deutlich eine Stimme, die das ziemlich unsinnige Wort „Quooaak“ sagte. Dem Wort folgte ein Krächzer.

Der alte Haudegen zog das Genick ein. Es war ja nicht so, daß er Angst hatte, Gott bewahre! Aber unheimlich klang das schon, wenn mitten auf See einer „Quooaak“ sagte und ein Krächzen folgen ließ.

Er spürte, wie es ihm trotz der warmen Nacht eiskalt den Rücken hinunterrann.

Mit zusammengekniffenen Augen blickte er zu den Zwillingen. Ein kleines Grinsen stahl sich in sein zerfurchtes Gesicht, als Hasard sich einmal bewegte und zur anderen Seite wälzte.

„Nicht mit mir, Söhnchen“, murmelte er. Klar, die beiden Kerle wollten sicher seine Reaktion testen, und wenn er dann mit einem Fluch reagierte, würden sie sich was feixen.

Er korrigierte den Kurs ein wenig – und hörte wieder dieses unheimliche Geräusch. Gleichzeitig klang es auch so, als schlügen Flügel gegeneinander.

Old Donegals Blick wurde jetzt wachsam und mißtrauisch, als er die Zwillinge musterte. Keiner der beiden rührte sich, und doch glaubte er zu wissen, daß sie sich heimlich eins grinsten.

„Hört mit dem Quatsch auf!“ sagte er grob. „Schlaft lieber! In einer Stunde ist mein Törn rum, dann seid ihr an der Reihe.“

Keiner der beiden gab Antwort. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig, wie er feststellte. Das verwirrte ihn etwas, und als er sie im schwachen Schein der Laterne ausgiebig betrachtete, erklang noch einmal dieses schreckliche Geräusch, das ihn nervös herumfahren ließ.

Das hörte sich an wie ein großer Frosch, der irgendwo auf den Planken hockte. Er entsann sich jedoch nicht, auf der ganzen Irrfahrt auch nur einen einzigen Frosch gesehen zu haben. Außerdem schlugen Frösche nicht mit den Flügeln.

Die Zwillinge verursachten dieses Geräusch jedenfalls nicht, das wußte er jetzt genau.

Mit wachen Sinnen lauschte er in die Dunkelheit und versuchte im Widerschein des Wassers etwas zu erkennen. Ob da einer der Meermänner an den Rumpf des Schiffes geklatscht hatte?

Old Donegal schrak heftig zusammen, denn ganz plötzlich war da ein Rauschen dicht neben ihm in der See. Mächtige Schwingen schlugen aufgeregt, und dann erblickte er einen monströsen Schatten, der ihm ein Stöhnen entlockte. Der Schatten war riesengroß und flog genau auf ihn zu.

Der Alte ließ die Pinne sausen, stieß einen leisen Fluch aus und ging hinter dem Schanzkleid in Deckung.

Hart schluckend sah er aus den Augenwinkeln, daß der Schatten genau Kurs auf ihn nahm, die Schwingen zusammenfaltete und auf dem Handlauf des Schanzkleides Platz nahm.

„Misericordia“, stammelte er entsetzt. „Hinweg, Satan!“ Die letzten Worte brüllte er laut.

Der Schatten nahm davon jedoch keine Notiz. Er blieb hocken und schien ihn genau zu betrachten.

Von dem Gebrüll erwachten die Zwillinge und fuhren hoch.

„Was ist denn los?“ fragte Hasard, der mit einem Satz auf den Beinen war. Philip war ebenfalls blitzschnell aufgesprungen.

„Da!“ rief der Admiral. „Der Satan oder ein Seeungeheuer! Es will mir die Augen auskratzen.“

Im schwachen Widerschein der Deckslaterne erkannte Hasard einen großen Vogel, dessen Oberschnabel gekrümmt war. Aus dem Gefieder des Vogels troff Wasser an Deck. Das Tier schüttelte sich und plierte Old Donegal von der Seite her an.

„Dein Seeungeheuer ist ein Kormoran“, sagte Hasard. „Wahrscheinlich hat ihn das Licht der Laterne angelockt. Seltsam, daß er so weit draußen auf See ist.“

„Ein Kormoran?“ fragte Old Donegal ungläubig. „Dann hat er sich verwandelt. Vorhin hatte er eine andere Gestalt, das weiß ich genau.“

„Kormorane tun das öfter“, murmelte Hasard. Dabei zwinkerte er seinem Bruder zu, der sein Grinsen mühsam verbarg.

Er näherte sich dem Vogel, der ruhig sitzenblieb, ihn aber etwas furchtsam anblickte. Philip drehte den Docht der Laterne etwas höher, um das Tier besser sehen zu können.

Es war tatsächlich ein Kormoran mit den typischen Watschelfüßen und dem stark gekrümmten Oberschnabel. An den Stirnseiten des Kopfes hatte er weiße Flecken.

Old Donegal betrachtete ihn mehr als mißtrauisch. Er glaubte sicher zu sein, daß der Vogel vorhin eine andere Gestalt gehabt hatte. Aber die Zwillinge wollten das natürlich nicht wahrhaben.

Als Hasard den Vogel vorsichtig berührte, öffnete der nur warnend den großen Schnabel, biß aber nicht zu. Nach einer Weile ließ er sich sogar streicheln.

Old Donegal stand inzwischen wieder an der Pinne und korrigierte den kleinen Schlenker, der sie etwas vom Kurs gebracht hatte. Ganz geheuer war ihm der nächtliche Besuch jedoch nicht.

„Wie schmecken Kormorane eigentlich?“ fragte er. „Der würde doch einen schönen Braten abgeben.“

„Die schmecken tranig, wie uralte Fische“, sagte Hasard. „Außerdem bringt es Unglück über ein Schiff, wenn man einen Kormoran abmurkst.“

Für Old Donegal war das Thema damit augenblicklich erledigt. Unglück wollte er sich nicht unbedingt einhandeln. Sie waren in letzter Zeit sowieso nicht gerade vom Glück begünstigt.

„So, so, Unglück bringt das. Na, dann lassen wir ihn eben in Ruhe.“

Der große Vogel war sichtlich erschöpft und wollte sich vermutlich nur eine Weile ausruhen.

Sie ließen ihn in Ruhe, wie Old Donegal gesagt hatte.

Hasard übernahm nach einer Weile die Pinne, während der Admiral noch etwas unschlüssig an Deck stand.

„Willst du dich nicht ein bißchen aufs Ohr legen, Sir?“ fragte Philip. „Du kannst dich jetzt ausruhen. Hasard und ich übernehmen bis zum Morgen.“

„Ich dachte eigentlich noch an einen kleinen Schlummertrunk. Auf den Schreck hin natürlich. Solche unerwarteten Gäste hat man ja nur sehr selten an Bord.“

„Dagegen ist nichts einzuwenden. Zur Stärkung für den Rest der Nacht könnten wir auch einen kleinen vertragen.“

Old Donegal holte die unvermeidliche Buddel und hielt sie den Zwillingen hin.

„Aber nur einen kleinen Schluck für den Rudergänger. Zur Kräftigung.“

Die kleinen Schlucke arteten nie in eine Sauferei aus. Old Donegal betrachtete das eher als Medizin, die Geist und Körper wachhielt, wenn man sie mäßig genoß. Und sie genossen sie auch nur mäßig, was so viel hieß, daß jeder nur einen kleinen Schluck nahm.

Er aber nahm drei kräftige Schlucke, weil er ja seinen Schlummertrunk brauchte und nicht mehr am Ruder stand, jedenfalls nicht vor dem Morgengrauen.

Eine halbe Stunde später ging er nach unten. Er wollte zuerst an Deck schlafen, aber da fand er keine Ruhe, weil er meinte, der Kormoran blinzele ihm dauernd zu und beobachtete ihn.

In der Frühe des nächsten Morgens, als noch kurze Dämmerung herrschte, erschien Old Donegal frisch und ausgeruht wieder an Deck. Er wünschte seinen Enkeln einen guten Morgen. Da sah er, daß der Kormoran zusammenschrak, die Flügel ausbreitete und davonflog.

„Der kann mich wohl nicht leiden“, brummte er. „Kaum sieht er mich, da haut er auch schon ab.“

„Er war bereits seit ein paar Stunden unruhig und watschelte auf dem Handlauf hin und her“, berichtete Hasard. „Er fliegt auch seltsamerweise nicht zum Land hin, sondern nimmt Kurs auf See. Das ist schon seltsam.“

Der Kormoran vollführte einen Schlenker nach dem anderen in der Luft, als könne er sich über sein Ziel nicht schlüssig werden. Dann drehte er nach Südwesten ab und entschwand langsam ihren Blicken.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 656

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