Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 112 - Fred McMason - Страница 5

2.

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Die Leinen flogen herüber und ein paar lahme Begrüßungsworte wurden laut, als die „Isabella“ anlegte.

Hasard hielt vergeblich nach der Roten Korsarin Ausschau.

Dafür stand der Wikinger Thorfin Njal mit einem Gesicht an Deck, als müsse er alle seine Freunde persönlich beerdigen. Sein Gesicht war grimmig verzogen, als er dem Seewolf zunickte und etwas vor sich hin knurrte, das kein Mensch verstand.

Hasard ahnte schon, was passiert war, noch bevor er seine Frage an den Wikinger richtete. Irgend etwas war mit der Roten Korsarin passiert, das spürte er. Seine Spannung griff auch auf die Crew über, die herumstand und Thorfin anblickte.

„Siri-Tong ist entführt worden“, sagte Thorfin schließlich in das lastende Schweigen hinein.

Der Wikinger gab eine kurze Schilderung dessen, was sich unlängst ereignet hatte. Der Seewolf hörte zu, ohne ihn auch nur einmal zu unterbrechen. Danach entstand eine kleine Pause.

Hasards Augen wurden ganz schmal. Er musterte den Wikinger, als sähe er ihn zum ersten Mal in seinem Leben. Thorfin reckte unbehaglich seine breiten Schultern.

„Es ging alles so verdammt schnell“, sagte er, „die Ereignisse überstürzten sich, wir konnten die Kerle nicht verfolgen. Jetzt weiß ich nicht, auf welchem der beiden Schiffe Siri-Tong sich befindet. Genausogut kann man sie auch an Land gebracht haben.“

„Prächtig!“ höhnte der Seewolf. „Da habt ihr euch wieder einmal selbst überboten in eurer verdammten Eile. Warum seid ihr davongesegelt, als wäre der Teufel hinter euch her! Und was hatte dieser plötzliche Kurswechsel zu bedeuten, Mister Njal?“

„Sie hat es befohlen“, murmelte Thorfin Njal. Er wich dem Blick der eisblauen Augen aus und sah auf die Planken.

„Sie hat es befohlen“, wiederholte Hasard verärgert. „Und wir Idioten segeln auf gut Glück hinterher, ohne zu wissen, was los ist! Mir reicht es langsam! Die verdammte Eigenwilligkeit der Korsarin bringt uns immer wieder in schwierige Situationen. Gerade sie ist es doch, die sich hier auskennt und einen klaren Kopf behalten müßte. Aber nein, Madam Siri-Tong weiß alles besser. Das fing damals auf Little Cayman an, das war schon auf Tortuga so, und hier ist es nicht anders.“

„Tu mal was dagegen“, murmelte Thorfin.

Hasards Ärger steigerte sich noch. Thorfin sah es an der Narbe im Gesicht des Seewolfs, die eine leicht dunklere Färbung annahm.

„Hoffentlich war euch das eine Lehre, Mann“, sagte Hasard. „Und ganz besonders wird die Korsarin es sich in Zukunft merken.“

„Bestimmt“, sagte Thorfin, „diesmal hat sie ganz sicher etwas daraus gelernt.“

Er war heilfroh, daß Hasard noch so ruhig blieb. Der Seewolf hatte ja recht, es war schon ein Kreuz mit ihr, die immer spontan und plötzlich handelte, wie es ihr gerade einfiel.

„Du weißt also nicht genau, wo sie steckt“, sagte Hasard.

„Nein. Die Bucht ist kaum einsehbar. Entweder befindet sie sich auf einem der beiden Schiffe, wie ich schon sagte, oder aber an Land.“

„An Land hat man sie sicher nicht gebracht“, meinte Hasard.

Er schritt unruhig auf den Planken hin und her und betrachtete aus schmalen Augen die verkniffenen Gesichter von Thorfins Leuten. Die Kerle standen so belämmert herum, als hätte man jedem einzelnen von ihnen einen Belegnagel über den Schädel geschlagen.

Dabei war Hasard sich selbst nicht darüber im klaren, was sie nun unternehmen sollten. Einfach in die Bucht hineinzusegeln, war ein sinnloses Unterfangen. Dabei kam nicht viel heraus.

„Erkundigungen an Land können wir auch nicht einziehen“, sagte der Seewolf laut überlegend. „Wir sind fremde Teufel, wir fallen überall auf, man wird uns keine Auskunft geben.“

„Außerdem kreuzt hier eine Kriegsdschunke vor der Küste“, sagte der Wikinger ärgerlich. „Die haben uns auch verboten, hier weiter herumzusegeln. Anderenfalls will man uns wie Piraten behandeln. Das heißt“, er fuhr sich mit der Hand an den Hals und deutete das Hochziehen eines Stricks an, „man wird uns aufknüpfen, wenn wir hier erscheinen. Natürlich decken sich diese schlitzäugigen Kerle gegenseitig.“

„Dann sitzt die Korsarin wirklich in der Klemme.“

Hasards Blick fiel auf „Flüssiges Licht“, die still und bescheiden im Hintergrund stand und sich zurückhielt. Die meisten der anderen Crew hatten sie noch gar nicht bemerkt. Er gab dem Chinesenmädchen mit den Augen einen Wink, das zögernd näher trat.

Carberry grinste sich eins, als er den Wikinger sah, auf dessen Gesicht sich ungläubige Überraschung malte. Und dann passierte das, was der Profos schon insgeheim befürchtet und erwartet hatte.

Thorfins gekrümmter Zeigefinger fuhr andächtig hoch, berührte den Kupferhelm und kratzte ihn ausgiebig – wie immer, wenn er äußerst verblüfft war. Er starrte von einem zum anderen, sah das Mädchen an, dann den Seewolf, dann Carberry. Dann kratzte er erneut seinen Helm, diesmal etwas mehr zur Mitte hin.

Sein Blick war eine einzige Frage.

„Das ist die Braut des Gelben Grafen“, erklärte Carberry dem verdatterten Nordmann trocken.

„Braut des Gelben Grafen?“ Thorfin staunte. „Eine Adlige etwa?“

Nach und nach begann jeder leicht zu grinsen, bis auf „Flüssiges Licht“, die von der englischen Unterhaltung so gut wie nichts verstanden hatte. Sie konnte sich allerdings eine ganze Menge zusammenreimen.

Auch sie hatte den gewaltigen Mann schon eine ganze Weile unauffällig gemustert. Seine Erscheinung beeindruckte sie. Die Felle, die seine gewaltige Brust bedeckten, der Bart, die Riemensandalen des großen Mannes und schließlich sein „Messer“, wie er es nannte, ein Schwert, das sich kaum in einer Hand bewegen ließ.

Er erinnerte sie an einen Riesen aus der Vorzeit, wie er in den alten Sagen beschrieben wurde. Dazu trug er diesen glänzenden Helm, der in der Sonne wie Feuer aufleuchtete.

„Wer ist dieser gewaltige Mann?“ fragte sie so leise, daß Hasard es nicht hörte. Aber der Profos hörte es, und er grinste.

„Ein behelmter Nordpolaffe ist das“, erklärte er sachlich. „Dort, wo er herstammt, laufen noch mehr von der Sorte herum. Die gehen mit ihrem Helm abends ins Bett und stehen morgens wieder mit ihm auf.“

„Hat immer Helm auf?“ fragte das Mädchen scheu.

„Immer“, versicherte Carberry treuherzig. Sein Spanisch war nicht so gut, und da sie nur Portugiesisch sprach, verstand sie nicht alles, was er sagte.

„Die züchten unter ihrem Helm große Nordläuse, manche brüten auch kleine Vogeleier aus. Kann sein, daß ein ganzer Schwarm Vögel davonfliegt, wenn er den Helm abnimmt.“

„Profos“, sagte Hasard ruhig, „ich denke, über das Thema unterhalten wir uns später ausführlich. Augenblicklich haben wir andere Sorgen, kapiert?“

„Aye, aye, Sir.“

Hasard erklärte ihr, was vorgefallen war. Er sprach langsam und deutlich, damit sie alles verstand.

Sie nickte mehrmals, schüttelte dann den Kopf und stellte ab und zu eine Frage.

„Wenn der hohe Herr es möchte, werde ich an Land gehen“, sagte sie, „und mich umhören. Ich werde Auskünfte erhalten, das weiß ich.“

Hasard hob die Schultern.

„Das kann gefährlich werden“, warnte er.

„Nicht für mich“, sagte sie entschieden. „Für einen Fremden ja, ich werde erfahren, was ich wissen will.“

Das Mädchen wird immer unentbehrlicher, dachte Hasard. Sicher, für sie war es viel einfacher, etwas in Erfahrung zu bringen, wenn sie es geschickt anstellte, und daran zweifelte er nicht. „Flüssiges Licht“ war intelligent und geschickt, er konnte sie mit ruhigem Gewissen an Land bringen lassen.

Er sah hoch zum Ausguck, aber da rührte sich nichts. Der Ausguck meldete keine Schiffe, also war auch keine Gefahr im Verzug.

„Profos, laß das Beiboot abfieren, das kleine natürlich, sobald wir keine Fahrt mehr drauf haben. Suche zwei Leute aus, die das Mädchen an Land pullen. Wir segeln ein Stück der Küste entgegen und gehen anschließend wieder auf den alten Kurs. Sobald ihr zurück seid, segeln wir euch wieder entgegen.“

Thorfin Njal wirkte erleichtert. Sein unbändiger Zorn hatte sich gelegt, und jetzt erfüllte ihn neuer Tatendrang. Allerdings fragte er sich, was sie ohne das Mädchen wohl getan hätten.

Die „Isabella“ lief kaum noch Fahrt. Beide Schiffe dümpelten nur ganz langsam dahin, und so war es nicht weiter schwierig, das kleine Boot auszusetzen.

Carberry hatte auch schon die erforderlichen Männer ausgesucht. Alle hatten sich gemeldet, aber er hatte sich für Donegal Daniel O’Flynn und Gary Andrews entschieden.

„Wie, bei Odin, will sie das nur herausfinden?“ fragte der Wikinger den Seewolf. „Sie kann doch nicht einfach hingehen und gleich drauflosfragen.“

„Die Chinesen haben da ihre eigenen Methoden. Die kriegen das heraus, was sie wollen, keine Sorge. Hier sieht und hört jeder alles, hier bleibt nichts verborgen – nur wir erfahren nichts!“

„Und wie ist sie zu euch an Bord gekommen?“ wollte der Nordmann wissen. „Ich dachte erst, es wäre euer Moses, aber dann sah ich das Gesicht, und – na ja!“

Hasard erzählte es ihm und fand einen aufmerksamen Zuhörer, der immer wieder den Kopf schüttelte.

Inzwischen war das Boot abgefiert worden. „Flüssiges Licht“ und die beiden Männer stiegen ein. An langer Leine zog die „Isabella“ es jetzt hinter sich her.

„Es ist besser, du verholst dich wieder in Richtung Horizont, Thorfin“, sagte der Seewolf. „Dieser Küstenstrich ist zwar kaum bewohnt, aber falls die Kriegsdschunke zurückkehrt, könnte es Ärger geben und unser Unternehmen wäre gefährdet.“

„Ja, ich verstehe, du hast recht, Seewolf. Je weiter ich von der Küste wegbleibe, desto besser ist es.“

Mit dem Daumen gab er dem Bootsmann Juan einen Wink, die Leinen wurden losgeworfen, „Eiliger Drache“ setzte Tuch und entfernte sich langsam von dem Rahsegler „Isabella“.

Hasard ließ im spitzen Winkel zur Küste segeln, das Boot immer noch hinter sich herziehend. Er hielt auf eine der kleinen unbewohnten Inseln zu. Dort konnten sie ihn in der Bucht nicht so leicht entdecken, und außerdem würde er auch gleich wieder abdrehen. Das Beiboot jedenfalls würde unbemerkt irgendwo landen, das sah man von der Bucht aus erst recht nicht.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 112

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