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Den ersten leichten Ärger gab es am fünften Tag, als die „Isabella VIII.“ den Äquator überquerte.

Der Kompaß zeigte Südsüdwest, und am Ruder stand der Decksälteste Smoky, der gerade Pete Ballie abgelöst hatte.

Der bullige Mann blickte ausgesprochen finster zu den Flögeln hoch, korrigierte leicht den Kurs und nahm sein mißmutiges Starren wieder auf. Ab und zu blies er die linke Wange auf, fuhr mit der Zunge im Mund herum und fluchte verhalten.

Kein Zweifel: Smoky hatte Zahnschmerzen und daher verständlicherweise ziemlich üble Laune.

Philip Hasard Killigrew hatte Smoky den Rücken zugedreht, sich mit den Ellenbogen auf die Schmuckbalustrade gelehnt und blickte zwischen den Segeln hindurch nach vorn zur Kuhl, wo ziemlich lautes Gebrüll herrschte.

Dort begossen sich die Kerle gegenseitig mit Pützen voller Seewasser und vollführten ein lautes Spektakel.

Dieses Spielchen trieben sie seit etwa einer halben Stunde, und es sah nicht danach aus, als würde es gleich aufhören.

„Verdammter Mist!“ ertönte es laut hinter Hasards Rücken.

Der Seewolf drehte sich um und sah Smoky an, der das linke Auge zusammenkniff und die Wange aufblies, als hätte er einen faustgroßen Klumpen Kandiszucker darin.

„Weshalb fluchst du dauernd, Smoky?“ fragte er gelassen. „Dieses ‚Verdammter Mist‘ höre ich schon fast zehnmal. Laß dir doch mal was anderes einfallen. Oder möchtest du dich an der Wasserschlacht beteiligen? Wenn es dir zu heiß ist, übernehme ich das Ruder für eine Weile.“

„Zahnschmerzen“, maulte Smoky, und es hörte sich verdammt kläglich an, wie er das hervorbrachte. „Mir tut die ganze Schnauze weh, Sir.“

Der Decksälteste war wahrhaftig kein wehleidiger Mann, aber bei Zahnschmerzen war das etwas anderes, da bildete auch Smoky keine Ausnahme. Er bot ein Bild des Jammers und sah genauso hilflos aus wie an dem Tag, als seine Mutter ihn einfach vor einer Kirchenschwelle deponiert und damit seinem Schicksal überlassen hatte.

„Geh zum Kutscher, Smoky“, sagte er daher. „Shane wird das Ruder für dich übernehmen.“

„Ich will aber nicht zum Kutscher, Sir“, murrte Smoky.

„Anders kann dir aber nicht geholfen werden.“

„Zum Kutscher geh ich aber nicht“, sperrte sich Smoky. „Der fummelt mir doch gleich mit dem Kalfateisen im Maul rum. Ich halte es noch eine Weile aus, Sir.“

Smoky hielt es wirklich noch eine Weile aus, aber dann hörte Hasard wieder die gemurmelten Flüche, und die steigerten sich langsam von „verdammter Mist“ bis zu äußerst seltenen Ausdrücken, die selbst den Seewolf gelinde erschauern ließen. Ein paar Minuten lauschte er andächtig und wunderte sich über Smokys unermeßlichen Wortschatz, doch dann wurde es ihm zuviel, als Smoky die ganze Welt und selbst den „Scheißäquator“ zum Teufel wünschte.

„Du gehst jetzt zum Kutscher!“ befahl Hasard.

„Ich will aber nicht, Sir!“

„Verdammt noch mal!“ schrie Hasard. „Entweder gehst du jetzt sofort zum Kutscher, oder ich werfe dich eigenhändig bis zur Kuhl. Hast du verstanden?“

Als der Blick aus eisblauen Augen ihn streifte, verschwanden Smokys Zahnschmerzen schlagartig.

„Aye, aye, Sir“, nuschelte er. Er übergab Big Old Shane das Ruder und schlich wie ein geprügelter Hund den Niedergang hinunter.

Auf der Kuhl war immer noch die Wasserschlacht im Gange, und Smoky paßte mit seinem wehleidigen Gesicht überhaupt nicht unter die johlenden und brüllenden Kerle.

Er starrte mißmutig auf den Profos, der gerade dem Gambianeger Batuti die mit Wasser gefüllte Pütz auf den Schädel stülpte und sich lachend auf die Schenkel hieb, weil Batuti Mühe hatte, die Holzpütz wieder zu entfernen.

Smoky hatte allerdings kein Verständnis für irgendwelche Späße, und das Lachen war ihm schon vor Stunden gründlich vergangen.

Als er weiterschleichen wollte, geriet er an den Hitzkopf Luke Morgan. Der hatte gerade eine gefüllte Pütz in der Hand und grinste den Decksältesten schon erwartungsvoll an.

Es passierte das, was passieren mußte.

Luke hob die Pütz und schleuderte den Inhalt mit voller Kraft in Smokys Gesicht. Der harte Schwall warf den Decksältesten fast um, und das kühle Wasser traf ausgerechnet seine schmerzende Wange und drückte auf den Zahn. Der explosionsartige Schmerz ließ Smoky fast wahnsinnig werden. Am liebsten wäre er senkrecht in den blauen Tropenhimmel gestiegen.

Luke Morgan erwartete nun natürlich, daß Smoky ebenfalls begeistert nach einer Pütz griff, um sich zu revanchieren.

Daher war er sehr erstaunt, als ihm statt dessen Smokys bratpfannengroße Faust an den Schädel flog. In seinem Schädel ging eine riesige Sonne auf, und die zerplatzte gleich darauf in Millionen kleiner funkelnder Sternchen.

Luke Morgan segelte über die Kuhlgräting, und noch während er mit ausgebreiteten Armen darüber hinwegrutschte, grinste er. Er hatte noch nicht richtig mitgekriegt, was da passiert war, und nun lag er benommen an Deck und hörte die Englein singen.

Aber der Engelschor hörte sehr schnell auf zu singen, und mit Lukes Grinsen war es auch vorbei. Sein jähzorniges Temperament erwachte, er lief dunkelrot vor Wut an, sprang auf und stürmte auf Smoky zu, der sich schmerzerfüllt die Wange hielt.

„Du verstehst wohl überhaupt keinen Spaß, du Gammelfisch!“ brüllte er. „Dir werde ich’s zeigen!“

Diesmal fing sich Smoky ein Ding ein, noch ehe er reagieren konnte.

Da Luke Morgan nichts von Smokys Zahnschmerzen wußte, hieb er ihm die Faust auf die linke Wange, und das veranlaßte den Decksältesten zu einem mörderischen Schrei.

Smoky sah nur noch rot. Ganz automatisch flogen seine Fäuste hoch, und er drosch auf Luke ein. Für Morgan wäre es schlecht ausgegangen, denn Smoky hatte sich sein ganzes Leben lang seinen Rang mit den Fäusten erkämpft, und er war nicht gerade zimperlich im Faustkampf. Dazu gesellte sich der wahnsinnige Zahnschmerz, den Luke durch seinen Wasserguß noch verschlimmert hatte.

Als die beiden Kampfhähne erneut aufeinander losgingen, drängten sich zwei mächtige behaarte Arme dazwischen. Die beiden Arme gingen auseinander und schoben die Männer mühelos beiseite.

Doch Luke Morgan hatte schon ausgeholt, und sein Schlag war nicht mehr zu bremsen. Seine knochenharte Faust landete mit einem dumpfen Ton auf Carberrys mächtigem Brustkasten. Es hörte sich so an, als schlüge ein großer Hammer auf einen Gong. Es brach ihm fast das Handgelenk, so hart war der Schlag, aber genausogut hätte er auch in ein Eichenbrett hauen können, denn auf Carberrys Brust bogen sich nur die Haare um. Der Profos schluckte diesen Hieb, ohne eine Miene zu verziehen. Er wich auch nicht um Haaresbreite zurück.

„Seid ihr verrückt, ihr triefäugigen Bordgespenster!“ brüllte er mit seiner Donnerstimme. „Wenn ihr nicht augenblicklich aufhört, schlage ich euch den Großmast um die Ohren.“

Luke massierte seine Faust, aber in seinen Augen blitzte es drohend auf, und Smoky hielt ihm die Faust unter die Nase, zog sie aber zurück, als der Profos ihn ansah.

„Was ist in dich gefahren, Smoky?“ grollte Ed. „Verträgst du keinen Spaß mehr, oder bist du wasserscheu, was, wie?“

Smokys linke Wange schwoll sichtbar an.

„Ich hab Zahnschmerzen!“ schrie er zurück. „Und dieser halbverhungerte Rübenlümmel gießt mir ausgerechnet kaltes Wasser auf die entzündete Stelle.“

„Warmes hatten wir leider nicht“, sagte Ed ungerührt. „Geh doch zum Kutscher, der wird dir schon helfen.“

„Dahin wollte ich ja gerade“, knurrte Smoky. „Aber dann kam dieser …“

„Sag noch einmal halbverhungerter Rübenlümmel!“ schrie Luke. „Dann brauchst du nicht mehr zum Kutscher, ich schlag dir deine Milchzähne einzeln aus!“

Lukes Narbe über der Stirn, die von einem Messerkampf herrührte, war jetzt tiefrot und zeichnete sich deutlich ab. Bei ihm war das ein Zeichen von ungeheurer Wut, und die hätte er am liebsten gleich abgelassen, wenn Ed nicht gewesen wäre.

„Du hast selbst gesagt, daß du als Rotznase jeden Tag nur Rüben gefressen hast, jahrelang“, wetterte Smoky. „Und zwar Futterrüben, deshalb bist du auch so klein und mickrig, du Rübenschwein!“

Inzwischen hatte sich der größte Teil der Crew um die beiden versammelt und hörte belustigt zu, wie sie sich gegenseitig beleidigten.

Morgan wollte schon wieder los, doch des Profos mächtige Linke stoppte ihn. Er hatte Luke am Gürtel seiner Hose gepackt und hielt ihn auf Distanz. Dann beendete er das Spielchen.

„Schluß jetzt!“ donnerte er. „Du gehst sofort zum Kutscher, und du kannst dich weiter abkühlen, sonst werde ich mal den Staub von der Neunschwänzigen blasen und sie tanzen lassen. Die liegt schon viel zu lange nutzlos herum!“

Smoky wandte sich ab, Luke schnaufte wie ein angestochener Stier und drehte sich um.

Inzwischen war der Kutscher schon auf der Kuhl erschienen und schüttelte indigniert den Kopf.

„Daß diese ungeistigen Tranköpfe immer gleich prügeln müssen“, tadelte er. „Kann man das nicht mit Worten beilegen? Aber nein, die ehrenwerten Gents müssen sich den Rest Verstand, den sie noch haben, gleich aus den Köpfen hauen wie der letzte Pöbel!“

Für Luke Morgan war das Faß schon wieder übervoll, und da sein Zorn noch nicht verraucht war, nahm er den Kutscher aufs Korn.

„Du karierte Kombüsenwanze kriegst gleich eins aufs Geweih. Latscht der abgewrackte Küchenhering daher und tönt wieder das Deck voll! Sollen wir uns vielleicht freundlich unterhalten, wenn er mir eins aufs Auge haut, he? Ich kann dir ja mal eine kleben, und dann kannst du das mit Worten beilegen, du – du …“

„Sprich nicht weiter“, bat der Kutscher mild. „Deine üblen Wörter beleidigen mein ästhetisches Empfinden.“

„Was für’n Ding?“ fragte Luke. „Wo sitzt das denn?“

„Bei mir im Kopf“, sagte der Kutscher würdevoll. „Bei dir vermutlich in dem matschigen Sumpfgelände, das du fälschlicherweise als dein Gehirn bezeichnest. Ich kann mich aber auch irren, denn unter deinen Haaren befindet sich möglicherweise auch eine langgestreckte Trockenzone.“

Die umstehenden Seewölfe lachten und amüsierten sich köstlich, denn bei einem Disput gewann immer der Kutscher. Da er sich mitunter so geschraubt ausdrückte, trug er nur noch mehr zur allgemeinen Erheiterung bei.

Luke Morgan überlegte noch krampfhaft, was der Kutscher wohl genau gemeint hatte, aber als ihm endlich ein Licht aufging, hatte der Kutscher sich schon umgedreht und ging gemessenen Schritts davon.

Luke goß ihm voller Zorn eine Pütz Seewasser nach, die den Kutscher von oben bis unten näßte, aber der drehte sich nur gelassen um und lächelte nachsichtig.

„Auch dieses Argument spricht nicht für deinen Geist“, sagte er hoheitsvoll. „Aus einem Bauernlümmel wird nie ein Gentleman.“

Dann wollte er sich um Smoky kümmern, doch der hatte genauso eine Wut im Bauch wie Luke, und als er dessen Wange betasten wollte, hielt Smoky ihm seine gewaltige Faust unter die Nase.

„Kümmer dich um deine Kakerlaken in der Kombüse“, sagte er. „Und nimm deine Gräten aus meinem Gesicht!“

„Der Zahn muß raus“, erklärte der Kutscher, ohne auf die freundlichen Worte einzugehen. „Du kriegst sonst noch mehr Schmerzen. Ich werde ihn dir ziehen!“

„Gar nichts wirst du, verstanden? Das vergeht von allein.“

„Eben nicht“, belehrte ihn der Kutscher. „Das kann eine böse Entzündung geben. Dein Gesicht schwillt ja schon auf Backbord an.“

„Das ist von dem Schlag und nicht vom Zahn. Glaubst du etwa, ich lasse mir im Hals rumfuhrwerken, und die anderen stehen lachend um mich herum? Nee, Kutscher, ohne mich. Probier deine Knochenbrecher meinetwegen an Walfischen aus, aber nicht an mir.“

Der Kutscher versuchte, Smoky zu überzeugen, und glänzte mit beschwörenden Gesten, aber Smoky hatte auf stur geschaltet.

„Mein Zahn bleibt jedenfalls da, wo er ist“, sagte er. „Und das ist, verdammt, mein letztes Wort.“

„Dann geh doch zu einem von diesen Wunderärzten, wenn wir wieder an Land sind“, sagte der Kutscher beleidigt, „und jammere mir bloß nicht die Ohren voll, du sturer Klotz!“

„Jawoll, das werde ich auch tun“, sagte Smoky wütend. „Die Burschen verstehen ihr Handwerk.“

Jetzt war der Kutscher ehrlich empört. Er war ein guter Feldscher, der sein Handwerk verstand, und dann kam so ein sturer Bock wie Smoky und wollte sich absolut nicht behandeln lassen, nur weil er alles besser wußte. Oder weil ihm etwas gegen den Strich ging. Jedenfalls fühlte sich der Kutscher ungerecht behandelt.

„Hoffentlich fällst du einem in die Hände“, sagte er inbrünstig, „dann lernst du mal die andere Seite kennen. Ich habe euch viel zu sehr verwöhnt. Überlege es dir also noch einmal.“

„Bei mir gibt’s nichts zu überlegen. Übermorgen sind die Schmerzen weg, und zwar von allein.“

„Gute Besserung“, wünschte der Kutscher ironisch.

Smoky aber kehrte verbiestert aufs Achterdeck zurück und übernahm wieder das Ruder.

„Die Schmerzen sind schon vorbei“, behauptete er, als der Seewolf ihn daraufhin ansprach.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 214

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