Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 134 - Fred McMason - Страница 4

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Für den Profos Edwin Carberry gab es an diesem sonnigen Tag nicht den geringsten Anlaß zum Meckern.

Die „Isabella VIII.“ segelte mit einer frischen achterlichen Brise nordwärts, dem fernen England entgegen. Die Dünung war sanft, der Himmel von azurner Bläue und die Stimmung an Bord direkt fröhlich.

Das Schiff blitzte vor Sauberkeit, die Segel waren getrimmt, und, genau genommen, hatte außer dem Rudergänger niemand etwas zu tun.

Deshalb stand Carberry auf dem Quarterdeck, ließ seine Blicke vom Wasser zum Land wandern und fand trotz aller angestrengten Suche nichts, was zu bemängeln war.

Ein wenig verdroß ihn das. Himmel, auf einem Schiff wie diesem gab es immer etwas zu tun, und wenn die Kerle herumstanden, faselten und sich unterhielten, dann wurden ihnen höchstens die Knochen morsch.

Segel nachtrimmen? Nein, die standen wie eine Eins, da gab es nichts zu trimmen. Das Deck? Aufgeklart und sauber! Die Ladung, bestehend aus Reis, Seide und Schätzen war in Ordnung.

„Dem alten Plymson seine Kneipe müßte mal wieder aufgeräumt werden“, sagte er zu Hasard, der an der Schmuckbalustrade stand und zum Land hinüberblickte, das etwa eine Meile entfernt war. Dieses Land war flach, nur ab und zu von kleinen Dattelpalmen bewachsen, und von Büschen und niedrigen Pflanzen unterbrochen.

Der Seewolf sah seinen Zuchtmeister an und musterte das fast häßliche, narbige Gesicht und das trotzig vorgeschobene Rammkinn, das Carberrys innerlichen Unmut deutlich ausdrückte. Der Profos war nicht zufrieden, obschon er allen Grund hatte, zufrieden zu sein.

Hasard lächelte. Der laue Wind spielte mit seinen langen schwarzen Haaren, und ließ sein Gesicht verwegen und hart erscheinen.

„Du kannst es wohl gar nicht mehr erwarten, Ed? Bis nach England haben wir noch eine gewaltige Strecke vor uns, und du wirst dich noch eine Weile gedulden müssen, bis du mit Plymsons Perücke die Theke aufwischen kannst.“

„Mit ihm selbst vor allem“, sagte der Profos grimmig. „Weißt du, Sir, wie ich mir das vorstelle? Wir gehen ganz harmlos grinsend in seinen Saftladen, trinken einen und fangen Stunk an.“

„Weshalb denn das?“

Carberry räusperte sich verlegen. „Ich meine natürlich, der alte Plymson wird Stunk anfangen und …“

„Weshalb sollte er?“

„Jedenfalls wird es Stunk geben – wie auch immer“, versprach der Profos düster. „England, Plymson und wir, das kann gar nicht gutgehen, da treffen so viele Dinge aufeinander, daß es irgendwann ganz einfach zu einer Explosion kommt. Und natürlich bleibt uns nichts anderes übrig, als uns zu wehren.“

„Natürlich nicht“, sagte Hasard sanft und warf wieder lächelnd einen Blick in das narbige Gesicht, das sich jetzt zu einem Grinsen verzog und fast verträumt wirkte.

Hasard kannte seinen Zuchtmeister genau, besser als der sich selbst, und so spürte er überdeutlich, daß Carberry irgend etwas brauchte, um sich abzureagieren. Es lief ihm alles zu glatt, im Moment gab es keine Abwechslung, es war ruhig, und es war einfach nichts los.

Einzig und allein aus diesem Grund kribbelte es Ed in den Fäusten, und deshalb reagierte er sich mit düsteren Versprechungen ab.

So wie der Seewolf ihn kannte, hätte Ed jetzt am liebsten gleich und sofort des alten Plymsons Kneipe ausgeräumt, mit den Galgenvögeln, die dort verkehrten, den Fußboden aufgewischt und die Kneipe samt ihren Huren, Säufern und Schnapphähnen zu Kleinholz verarbeitet.

Als Hasard nichts mehr entgegnete, warf der Profos noch einen irritierten Blick auf ihn, zuckte dann mit den Schultern und ging über den Niedergang zur Kuhl hinunter, wo der Kutscher mit einigen anderen Seewölfen stand und zum Land zeigte.

„Datteln sind das“, sagte er und unterstrich seine Worte dabei mit Gesten, „süß und fein, sage ich euch, eine Bereicherung für unseren Speisezettel. Aber leider legen wir dort nicht an.“

„Datteln“, sagte Ed verächtlich und sah, wie der Kutscher zusammenzuckte. „Diese klebrigen Riesenwanzen! Die sind höchstens was für Affen, aber nicht für uns.“

„Datteln sind gesund“, widersprach der Kutscher empört.

„Und ich sage dir, das sind klebrige Mistdinger, und wenn ich das sage, dann stimmt es auch. Halte hier keine Reden, Kutscher, sieh lieber zu, daß heute keine Kakerlaken oder Ratten in der Suppe schwimmen.“

Der Kutscher glaubte, sich verhört zu haben.

„Kakerlaken, Ratten?“ stammelte er ungläubig. „Ja, zum Teufel!“ schrie er laut und reckte seine magere Brust heraus. „Was glaubst du eigentlich, wer du bist, he? Das lasse ich mir von dir nicht unterstellen, Ed, das geht zu weit, geht das! Ich gebe mir die größte Mühe, ein anständiges Essen auf die Back zu bringen, und dann kreuzt du auf und quasselst dummes Zeug! Dir ist wohl eine Kakerlake über die Leber gelaufen, was? Was, wie?“ wiederholte er Ed Lieblingsworte, um ihn zu ärgern.

Es sah nach einem handfesten Streit aus, doch dann staunten alle, denn der Profos wandte sich ab und stellte sich ans Schanzkleid.

„Du verstehst wohl auch keinen Spaß mehr, du Kombüsenwanze“, sagte er, ohne sich umzublicken.

„Das – das war ein Spaß?“ fragte der Kutscher, wobei er ratlos und verwirrt in die Runde blickte. „Das habe ich natürlich nicht gewußt, Ed.“

Carberry brummte etwas, das kein Mensch verstand, worauf der Kutscher sich umdrehte und laut lachte. Allerdings hörte sich das Lachen eher nach dem Gemecker einer Ziege an.

„Was gibt es da zu lachen, verdammt?“ fragte Ed.

„Ich lache über deinen Spaß“, versicherte der Kutscher, und damit hatte er dem Profos das Wasser abgegraben. Säuerlich grinsend ging Carberry nach vorn, doch hinter seinem breiten Rücken tippte sich der Kutscher bedeutungsvoll an die Stirn.

„Er kann es auf den Tod nicht leiden, wenn nichts passiert“, sagte der Kutscher leise. „Dann brennen ihm die Kaldaunen durch.“

Eine halbe Stunde später allerdings gab es einen Zwischenfall, und es passierte tatsächlich etwas, das sie jäh hochriß.

Die „Isabella“ befand sich nur noch knapp drei Kabellängen vom Land entfernt und segelte auf eine kleine Landspitze zu, hinter der sich eine ebenso kleine Bucht verbarg, als Bob Grey aus dem Ausguck laut rief: „Deck! Ein Schiff in der Bucht, fast ein Wrack!“

Gleich darauf tauchte es auf, von der Landspitze aus durch eine dichte Gruppe Dattelpalmen fast verborgen.

Ein kleiner Zweimaster war es, der dort lag. Genau betrachtet hatte das Schiff keinen einzigen Mast mehr, nur noch zwei Stümpfe standen an Deck, und auf dem Deck sah es aus, als hätte sich dort eine ganze Horde Piraten gründlich ausgetobt.

Im Nu hingen die meisten Seewölfe in den Wanten, um sich das merkwürdige Gebilde anzusehen, doch die zweite Überraschung folgte sofort.

Auf dem Wrack stieg an einer auf Deck hochkant gestellten Rah die holländische Flagge hoch. Auf der Backbordseite wurde gleichzeitig eine Qualmwolke sichtbar, und zur grenzenlosen Verblüffung der Seewölfe klatschte eine Eisenkugel vor dem Bug der „Isabella“ in die See – das allgemeine Zeichen zum Stoppen.

Hasard sah ungläubig zum Land hinüber. Dieser abgebrochene Zweimaster erfrechte sich, der „Isabella“ einen Schuß vor den Bug zu setzen. Das war nicht hur unglaublich, das war einfach eine bodenlose Frechheit, eine Unverschämtheit.

Carberry, der mittlerweile wieder auf dem Achterdeck war, schwoll am Hals eine Ader an, ein sicheres Zeichen dafür, daß ihm spontan die Galle überlief und er sich nur noch sehr mühsam in der Gewalt hatte. Es war ein plötzlich ausbrechender Jähzorn, der ihn erfaßte und knallrot anlaufen ließ.

„Dieses Rübenschwein zerreiße ich in der Luft!“ schrie er und sah den Seewolf wild an. „Sollen wir ihm die Flagge wegschießen, Sir?“

„Nein“, sagte der Seewolf zu seiner großen Überraschung. „Ich habe mir das eben überlegt, Ed. Wir könnten diesen Holländer mit einer Breitseite in einen Trümmerhaufen verwandeln, nur so im Vorbeisegeln, und das weiß er auch genau. Er wollte nichts weiter als uns warnen. Etwas anderes anzunehmen; wäre unsinnig.“

Hasard hatte gerade das letzte Wort gesprochen, als es drüben schon wieder aufblitzte, die Flagge schnell gedippt wurde, auf dem Wrack Leute winkten und gleichzeitig die zweite Kugel, ein Sechspfünder vermutlich, weit vor dem Bug des Rahseglers ins Wasser klatschte.

„Kein Zweifel, eine Warnung“, sagte auch der Bootsmann Ben Brighton und blickte den Seewolf an.

Hasard nickte. „Wir sehen uns diese Leute einmal an“, sagte er. „Es sieht so aus, als brauchen sie Hilfe. Auf die Stationen! Wir laufen die Bucht an. Die Kanonen gefechtsbereit halten, Tiefe loten und aufpassen!“

Für Carberry gab es endlich etwas zu tun, und so überzog ein hartes Grinsen sein Narbengesicht. Endlich konnte er wieder nach Herzenslust loswettern.

„Hopp, hopp, ihr lahmen Krüppel!“ donnerte seine Stimme über das Deck. „Über Stag und backbrassen! Zeigt mal, ob ihr das überhaupt noch könnt! Habt schon lange keinen Tampen mehr in der Hand gehabt, was, wie? Willig, willig, ihr triefäugigen Kanalratten! Glotzt nicht den Wind aus den Segeln, und wenn auch nur ein einziger Lappen bei dem Manöver killt, dann werde ich dafür sorgen, daß eure Affenärsche im Großmars ebenfalls killen!“

Er rieb sich zufrieden die Hände, als die Männer mit dem Manöver begannen, als die ersten Schweißperlen auf den Gesichtern glänzten und harte Fäuste Schoten und Brassen packten.

Unterdessen blickte Hasard zu dem Holländer hinüber. Außer dem halben Wrack war weit und breit kein anderes Schiff zu sehen. Auch an Land rührte sich nichts. Nur die Männer auf dem Zweimaster, die das Manöver der „Isabella“ verfolgten, liefen hin und her, winkten und schrien.

Merkwürdig, überlegte er, die Holländer waren doch ausgezeichnete Schiffsbauer und hatten meist erstklassige Zimmerleute an Bord. Sollten die nicht imstande sein, ihr lahmes Schiffchen ohne fremde Hilfe wieder aufzuriggen? Nach einer Falle sah es jedenfalls nicht aus, aber man konnte nie wissen.

Vielleicht hatten sie auch die Absicht, ihren zerfetzten Zweimaster gegen die „Isabella“ zu tauschen. Er beschloß jedenfalls, auf der Hut zu sein und sich nicht überrumpeln zu lassen.

Er sah wie Al Conroy zusammen mit Batuti und Blacky an den Culverinen hantierte und etwas später auch die vorderen und achteren Drehbassen lud. Der Stückmeister Conroy war da ein besonders vorsichtiger und mißtrauischer Mann. Zusätzlich zu seiner Armierung hatte er auch noch eins der tragbaren Bronzegestelle mit einem der chinesischen Brandsätze geladen, um allen Eventualitäten vorzubeugen.

Nachdem die Segel ausnahmslos im Gei hingen, trieb die letzte Brise die „Isabella“ schräg versetzt dem Land entgegen.

Von dem holländischen Schiff löste sich ein Boot, besetzt mit vier Männern, die wie rasend pullten, und die Strecke schon halb geschafft hatten, als auf dem Rahsegler der Anker fiel.

Die Seewölfe lehnten am Schanzkleid und sahen den Holländern entgegen, die jetzt heran waren.

Auf Hasards Anordnung hatte Carberry die Jakobsleiter ausbringen lassen, und jetzt wartete der Profos mit verschränkten Armen und mißtrauisch nach unten gerichteten Blicken.

Die vier Holländer trugen nur ausgefranste Hosen, die bis zu den Waden reichten, ihre Oberkörper waren nackt und von der Sonne verbrannt. Einer von ihnen stand im Boot und sah zur „Isabella“ hoch, während die anderen die letzten Yards pullten.

„Ist es gestattet an Bord zu gehen, Sir?“ fragte der aufrecht stehende Mann auf Englisch mit holländischem Akzent.

„Woher wissen Sie, daß wir Engländer sind?“ fragte Hasard, der neben dem Profos stand.

Der Holländer winkte ab. Dabei lachte er.

„Ich lasse mich nicht täuschen, Sir, ich kenne die neuartige Bauweise der Engländer. Dies ist ein englisches Schiff, darauf wette ich ein Faß Rotwein.“

„Entern Sie auf!“ sagte Hasard knapp. Der Mann hatte ein ehrliches Gesicht, hellblonde Haare und blaue Augen, die wach und neugierig in die Welt blickten.

„Ihr bleibt im Boot und wartet!“ befahl der Holländer seinen Männern, die ruhig nickten.

Auch das imponierte dem Seewolf. Er ließ nicht gleich die ganze Horde an Bord stürmen, sondern gab sich zurückhaltend und bescheiden.

„Lassen Sie Ihre Männer aufentern“, sagte Hasard. Von den vier Leuten drohte nicht die geringste Gefahr. Was wollten sie gegen zwanzig Seewölfe schon ausrichten! Der Profos allein hätte die Burschen nach Strich und Faden weichgeklopft.

Der Blonde gab Hasard die Hand, ein kräftiger Händedruck, wie der Seewolf fand, nickte den anderen zu und musterte schnell das blitzsaubere Deck und die Männer.

„Mein Name ist de Haas, Pit de Haas“, sagte er, „ich bin der Bootsmann von diesem Wrack da.“

Hasard gab sich kühl und verbindlich.

„Killigrew“, sagte er kurz. „Ist es bei Ihnen üblich, daß man den Bootsmann schickt? Oder ist der Kapitän krank?“

„Augenblicklich haben wir keinen Kapitän, Sir, der ist sozusagen verhindert. Ich möchte mich für den Vorfall von vorhin entschuldigen, aber ich sah keine andere Möglichkeit, um Sie zum Beidrehen zu bewegen.“

Hasard wartete ab. Er sah, daß die drei anderen zwar neugierig das Schiff anstarrten und die Leute musterten, aber es war eben nur die übliche Neugier. Auch trug keiner von ihnen eine Waffe, wie er sofort feststellte. Niemand hatte eine Pistole im Hosenbund.

„Was führt Sie zu mir, Bootsmann?“ fragte der Seewolf. „Ich nehme an, Sie brauchen Hilfe.“

„Nein, das ist es nicht, Sir. Wir werden zwar eine Weile zu tun haben, aber mit unseren Arbeiten werden wir selbst fertig. Das einzige was uns fehlt, ist eine Handvoll großer Nägel, aber es geht zur Not auch ohne sie.“

Der Seewolf lächelte spöttisch und sah den Bootsmann an. „Sie werden uns nicht wegen dieser Handvoll Nägel gestoppt haben, nehme ich an. Weshalb dann, wenn Sie nicht einmal Hilfe brauchen?“

Er blickte in ein offenes und ehrliches Gesicht.

„Ich möchte Sie warnen, Sir“, sagte der Holländer schlicht. „Sie segeln dicht an der Küste entlang, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis man Sie überfallen wird. Zwar sieht Ihre ‚Isabella‘ wie ein Spanier aus, aber mich kann man nicht täuschen, ich kenne mich aus. Ich wußte schon, daß es ein englischer Rahsegler ist, als ich Ihren Bug von weitem sah.“

Hasard nickte anerkennend.

„Sogar die Spanier selbst sind schon darauf hereingefallen“, sagte er lächelnd. „Wer also, denken Sie, sollte uns überfallen, und aus welchem Grund?“

Van Haas deutete mit der Hand auf die Laderäume.

„Ich sehe, daß Sie geladen haben, Sir. Was es ist, weiß ich natürlich nicht, aber es wird schon einigen Wert besitzen, etwas das man brauchen kann“, setzte er hinzu. „Das also ist der erste Grund. Der zweite ist El Corsario, wie er sich nennt, ein größenwahnsinniger Spanier, der sich einbildet, jedes Schiff das hier vorbeisegelt, müsse eine Art Tribut an ihn errichten.“

„Wie ich sehe, haben Sie Ihren Tribut nicht freiwillig entrichtet“, sagte Hasard trocken und deutete auf das Wrack.

„Richtig, Sir! Unser Kapitän sah keinerlei Veranlassung, diesem El Corsario Anteile aus unserer Gewürzladung zu überlassen. Auch die Stoffe, die wir auf einer großen Insel tauschten, wollte er nicht hergeben. El Corsario nahm sich daher, was ihm gefiel. Und ihm gefiel alles“, setzte De Haas bitter hinzu.

„Sie haben sich gewehrt?“

„Das Resultat sehen Sie da drüben. El Corsario bot etwa zwanzig Schiffe auf, kleine und große. Uns blieb nur die Flucht, und auch die gelang nicht, jedenfalls nur teilweise.“

„Was verlangen Sie als Gegenleistung für Ihre Warnung?“ fragte der Seewolf.

„Symbolisch nur eine Handvoll Nägel. Unsere Warnung ist nicht gerade uneigennützig. Wir wollen nicht, daß diesem gottverdammten Halunken noch mehr in die Hände fällt. Deshalb mein Rat, Sir: Segeln Sie weit hinaus, mindestens zehn, zwölf Meilen, sonst geht es Ihnen wie uns.“

Hasard nickte langsam und sah dem Mann wieder in die Augen. „Wo ist Ihr Kapitän?“

„El Corsario hat ihn und den Bestmann gefangen genommen und sie eingesperrt. Er will sie hinrichten lassen, Hängen, wie er sagte.“

„El Corsario“, sagte Hasard verächtlich. „Der scheint sich hier als Volksheld aufzuspielen. Der faule Zahn sollte ihm schleunigst gezogen werden.“

„Es hat keinen Zweck, sich mit ihm anzulegen, Sir, wirklich nicht. Seine Übermacht ist zu groß, und er hat viele Leute.“

Hasard gab dem Moses Bill einen Wink.

„Bringe einen Schluck zur Begrüßung, Junge“, sagte er.

Die Seewölfe lauschten den Worten der drei anderen Holländer, die haarklein von dem Angriff berichteten und wie El Corsario sie auseinandergenommen hatte.

Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann, unterhielt sich mit einem, der das gleiche Handwerk gelernt hatte. Es war ein holländischer Schiffsbaumeister, der als Zimmermann zur See fuhr.

„Jetzt seid ihr also dabei, euer Wrack aufzuriggen. Wie wollt ihr das schaffen?“ fragte er. „Habt ihr Ersatzmaste?“

„Einen haben wir, den anderen flicken wir zusammen. Die Segel sind ebenfalls wieder geflickt und die Löcher an der Wasserlinie alle ausgebessert. Uns fehlt nichts weiter als eine Handvoll Nägel, wie schon der Bootsmann sagte.“

„Die kriegt ihr von mir“, versprach Ferris, „und wenn ihr noch etwas braucht, kriegt ihr es ebenfalls, wenn der Seewolf, äh – der Kapitän nichts dagegen hat.“

Der Holländer starrte ihn mit offenem Mund an.

„Sagtest du eben Seewolf, Rotschopf?“ fragte er entgeistert.

Tucker sah, daß auch die anderen nich umdrehten, Hasard anstarrten und kein Wort hervorbrachten. Sekundenlang wurde es auf der „Isabella“ totenstill.

Der Bootsmann faßte sich als erster. Respektvoll trat er einen Schritt vor Hasard zurück.

„Ihr seid der Seewolf?“ fragte er erschreckt. „Der Mann, von dem ganz Spanien spricht?“

„Ich bin es“, sagte Hasard leichthin. „Deshalb braucht euch doch nicht der Schreck in die Knochen zu fahren.“

„Auf Ihren Kopf ist von den Spaniern eine hohe Belohnung ausgesetzt, Sir“, sagte der Bootsmann.

„Wollt ihr sie euch verdienen?“

„Godverdomme, nein, Sir! Ihr seid also der Seewolf! Wenn El Corsario euch fängt, wird er euch an die Spanier ausliefern, um die Belohnung zu kassieren, obwohl er bei seinen eigenen Landsleuten nicht sehr geschätzt wird, denn auch von ihnen verlangt er Wegezoll.“

Hasard lachte laut, auch der Profos und ein paar andere fielen in das Gelächter ein.

„Dazu muß El Corsario mich aber erst einmal haben, Minheer van Haas. Und das geht nicht von heute auf morgen.“

Hasard ließ den Männern Wein reichen und trank ihnen zu.

„Dieser Korsar, wie er sich nennt, hat wohl eine Menge Schätze angehäuft?“ fragte er.

„Mit Sicherheit, Sir.“

„Man sollte sie sich ansehen“, schlug der Profos händereibend vor.

„Ja, das sollte man wirklich, Ed. Du wolltest doch ohnehin eine Kneipe ausräumen. Wir sollten uns das wirklich in aller Ruhe überlegen.“

Die Männer sahen, wie es in den eisblauen Augen des Seewolfs aufblitzte, und sie wußten jetzt schon alle, daß Hasard dicht an der Küste vorbeisegeln würde und gleichzeitig wieder etwas ausheckte, das El Corsario letzten Endes nicht gerade freuen würde.

Der holländische Bootsmann rang die Hände.

„Sir“, sagte er beschwörend, „ich weiß, was man über Sie erzählt. Die Spanier zucken zusammen wenn der Name Lobo del Mar fällt, sie haben Angst vor jedem Raid des Seewolfs. Aber hier begeben Sie sich unnötig in Gefahr. Sie werden gegen zwanzig Schiffe nichts ausrichten können.“

Hasard verschränkte die Arme über der Brust.

„Nun, wir haben keine sonderliche Eile, Bootsmann, uns bleibt also Zeit zum Überlegen. Nun jedoch zu euch: Wir haben einen Besan als Ersatz, ihr sollt ihn haben, er würde genau passen, und wir werden euch helfen, das Schiff aufzuriggen.“

„Das kann ich nicht verlangen, Sir, das können wir nicht annehmen.“

Hasard antwortete nicht darauf. Statt dessen fragte er: „Wie weit entfernt befindet sich El Corsarios Versteck?“

„Etwa dreißig Meilen nordwärts, Sir! Ganz in der Nähe gibt es eine Oase mit frischem Quellwasser. Eine Bucht befindet sich dort, länger als diese und nur schlecht einsehbar von See aus. Weit draußen liegt ständig ein Schiff vor Anker, ein kleineres kreuzt Tag und Nacht in der Nähe.“

Hasard wußte, daß er diesen Leuten Vertrauen schenken konnte. Er hatte ein sicheres Gespür dafür. Er konnte Halsabschneider und Schnapphähne von ehrlichen Leuten auf Anhieb unterscheiden, und er hatte sich so gut wie noch nie geirrt.

„Laß das große Beiboot abfieren, Ed“, sagte er zum Profos. „Und holt den Besan, den wir als Ersatz haben. Dann suche dir ein paar Freiwillige, die den Leuten beim Aufriggen helfen.“

„Aye, aye, Sir!“ brüllte Ed.

Freiwillige fand er mehr als genug, und so war es verständlich, daß bei den zurückhaltenden Holländern lauter Jubel ausbrach, obwohl der Bootsmann immer wieder betonte, wie peinlich ihm das alles sei, und daß er selbst schon klarkommen würde.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 134

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