Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 185 - Fred McMason - Страница 5

2.

Оглавление

Die Männer zuckten wie unter einem Hieb zusammen, der sie nicht schlimmer hätte treffen können.

Sie gerieten beim Pullen aus dem Takt, klatschten die Riemen ins Wasser und sahen sich erschreckt an.

El Lobo del Mar! Der Wolf der Meere!

Dieser Name hatte in ihren Ohren einen Klang, der sich fortsetzte wie Donnerhall und sie erzittern ließ.

Viele senkten heftig atmend die Köpfe, andere sahen verstohlen auf den alten O’Flynn, auf Matt Davies oder den Profos.

Der alte Bursche mit dem Holzbein und dem verwitterten Gesicht war ein typisches Mitglied der Crew, dachten die meisten. Der hatte sein Bein sicher bei einem Kampf mit den Spaniern verloren, und nun hatte er einen gehörigen Grimm auf sie.

Dann der andere Mann mit den grauen Haaren und dem fürchterlichen Eisenhaken, der an jener Stelle herausragte, wo ein anderer Mann die rechte Hand hatte. Ein furchteinflößender Kerl, der vor nichts, aber auch gar nichts zurückschrecken würde.

Der Schlimmste aber war der Profos.

Schon seine bloße Anwesenheit flößte den meisten unbestimmte Angst ein. Das war einer, der sofort zuschlug und meist gleich so, daß sein Gegner dann nichts mehr brauchte, außer vielleicht einem letzten Gebet an seinem Grab, falls er ihn nicht gleich ungespitzt in die Erde schlug, denn dann ersparte er sich sogar ein extra Grab.

Er hatte viele Narben im Gesicht, Narben von Schlägereien, von Messerkämpfen, von allem möglichen. Und ein Kinn hatte der, so groß wie eine Faust, noch viel größer, eher einem Amboß gleich.

Hastig wandten sie den Blick von ihm, als er sich leicht umdrehte.

„Pullt schon, ihr triefäugigen Kakerlaken“, sagte er. Immer wenn er sprach, dann hörte es sich an, als zöge am Horizont ein starkes Gewitter herauf.

Und sie pullten, was sie konnten, denn auf das Donnerwetter dieser Stimme konnten sie gern verzichten.

Sie wollten nicht, daß dieser Narbenmann den Teufel tanzen ließ. Gegen den war ihr eigener Profos nur ein Schluck Wasser.

Ed sah, daß die anderen jetzt ebenfalls ins Boot geklettert waren, und wandte sich an Sinona.

„Wenn Sie die Kerle am Strand erkennen können, dann zählen Sie sie nach. Sind das alle? Oder fehlen noch ein paar Burschen?“

Sinona zuckte wieder zusammen. Nach einer Weile merkte er, daß zwei oder drei Mann fehlten.

Nun, er wollte sich keinen weiteren Ärger einhandeln, vielleicht waren sie entwischt oder hatten sich gut versteckt. Später konnte er sich immer damit herausreden, daß von den angeblich Ertrunkenen eben ein paar doch noch gelebt hatten.

„Ja, das sind alle“, sagte er, bemüht, seiner Stimme einen festen Klang zu geben.

„Wirklich?“ fragte Ed liebenswürdig.

„Ganz bestimmt, Sen … Sir, äh.“

Sinona gab mit der Hand den Kurs an.

„Dort, nach Backbord hinüber, Sir“, dienerte er. „Sobald wir die bergige Landzunge umfahren haben, kann man die Insel sehen.“

Die Sonne schickte sich an, das Meer an jener Stelle zu verbrennen, wo es scheinbar aufhörte. Als sie weitersank, sah es sekundenlang so aus, als würde dort ein gewaltiges Feuer entfacht, das sich rasch ausbreitete und übers Wasser glitt.

Ed wollte die mitgebrachte Lampe entzünden, doch er sah am wolkenlosen Himmel bereits den Mond und verzichtete vorerst darauf.

Das andere Boot mit Ben, Ferris und Luke folgte ihnen jetzt. Die Spanier pullten, daß es eine wahre Freude war, aber wahrscheinlich wurde ihnen auch kräftig eingeheizt.

Ed genoß den atemberaubenden Anblick dieser phantastischen Inselwelt, an der sie jetzt vorbeiglitten.

Die hohen, schlanken Palmen hoben sich dunkel mit ihren gefiederten Wedeln gegen den Horizont ab. Ab und zu blitzte ein Sonnenstrahl hindurch. Die Berge, ganz oben noch von einem leicht goldenen Schein überflammt, wurden schwarz, und auf dem fast ruhigen Wasser breiteten sich glitzernde, mitunter blutrote Bahnen aus. Ganz langsam verschwammen die Konturen. Als das Flammenrad der Sonne hinter dem Wasser versank, brach die Nacht herein.

Dunkel wurde es trotzdem nicht. Der Mond löste die Sonne ab, nur die Farben wechselten, und jetzt sah die Landschaft im Schein des Mondes bleich und ruhig aus.

Jede Einzelheit war deutlich zu erkennen.

Die Insel tauchte auf, als sie die Landzunge gerundet hatten. Das andere Boot schloß jetzt auf und folgte ihrem Kurs.

Eine ganz sanfte Brise wehte vom Meer herüber, in der Luft lag der unbestimmbare Geruch irgendwelcher Blumen oder Blüten.

„Noch mehr Backbord, bitte, Sir“, sagte der Spanier. „Wir können die Insel von der linken Seite her anlaufen.“

Carberry wollte gerade den Kurs korrigieren. Jetzt unterließ er es und stutzte.

Weshalb wollte Sinona so weit nach links? Da gab es Felsen und Brandung. Weshalb wollte er nicht auf der anderen Seite anlegen, wo der Strand flach und ohne Klippen war?

Ed ahnte, warum das so war. Dort standen vermutlich die Hütten der paar Insulaner, und dort hatten die Spanier nach ihrer üblichen Manier gehaust. Das wollte Sinona gern verbergen.

Er reagierte nicht und gab auch keine Antwort, und Sinona traute sich nicht, noch einmal darauf hinzuweisen. Er warf dem Profos nur einen prüfenden Blick zu.

Immer näher rückte die Insel, immer deutlicher hoben sich ihre Konturen gegen den Himmel ab.

Carberry erkannte eine Bucht, vor der sich das Wasser leicht kräuselte. Die Einfahrt für ein größeres Schiff war offenbar mit einigen Problemen verbunden, denn dort, wo das Wasser schäumte, mußte sich eine riesige Korallenbank befinden.

Er steuerte darauf zu und beschrieb einen leichten Bogen.

Unbewußt war er fast an der gleichen Stelle gelandet wie Sinona schon vor ihm, aber weit und breit gab es keine Hütten zu sehen. Auf der Insel herrschte geisterhafte Stille. Nicht der geringste Laut eines Tieres oder Nachtvogels war zu hören.

Die einzigen Geräusche waren das Schnaufen der Spanier und das leichte Plätschern der Wellen, die an den Strand leckten.

Das Boot schrammte über Sand, neigte sich leicht zur Seite und blieb dann liegen.

Die Spanier stiegen aus, sahen sich um und sprachen kaum ein Wort. „Wo standen denn die Hütten?“ wollte der Profos wissen.

„Etwas weiter landein“, erwiderte Sinona ängstlich.

„Weit?“

„Nur an dem Bach entlang, Sir, dann eine Biegung, ein kleiner Pfad, und man ist da.“

Carberry nickte dem Kapitän zu.

„Zeit genug haben wir ja“, sagte er hinterhältig. „Dann können wir uns auch gleichzeitig überzeugen, daß es euch hier an nichts mangelt. Gehen wir.“

„Uns mangelt es wirklich an nichts“, versicherte Sinona.

„Das freut mich“, sagte Ed und sah zu, wie auch das andere Boot jetzt auf den Strand lief und die Spanier ausstiegen.

Ben Brighton kam herüber. Die Nacht war so hell, daß man die Gesichter deutlich erkennen konnte.

„Wollte mir mal die Hütten von den geflüchteten Insulanern ansehen“, sagte Ed. „Gehst du mit?“

„Aber gern, zumal die doch nur ein paar Nüsse mitgenommen haben. Sehen wir uns das mal an. Die anderen Burschen können sich ganz nach Belieben über die Insel verteilen.“

Der Profos, Ben, Sinona und noch ein weiterer Spanier folgten dem Pfad, der weiter landeinwärts führte.

Sinonas Schritte wurden immer langsamer.

„Soll ich dich tragen, Generalkapitän?“ erkundigte sich der Profos liebenswürdig.

„Ich bin etwas erschöpft, Sir.“

„Ach ja, er hat den ganzen Vormittag Brotfruchtbäume eingebuddelt. Kein Wunder“, sagte Ed. „Aber jetzt wünsche ich, daß du deine Flamencostelzen etwas schneller bewegst, was, wie?“

Zügig ging es weiter, bis sich die kleine Lichtung ihren Blicken im Mondlicht bot.

Daß hier Spanier gehaust hatten, war deutlich zu sehen. Man sah es noch an den Überresten der Hütten, von denen nur noch die kleinen Pfähle standen. Die Palmen im ganzen Umkreis der Behausungen waren gefällt worden, und ihre Stämme hatten die Hütten zertrümmert, so daß sie unbewohnbar waren.

Pflanzen waren zertreten und verwüstet worden, es sah aus, als hätte hier eine Horde Vandalen gewütet.

Carberry und Ben Brighton sahen sich an. Sinona stand mit gesenktem Kopf daneben und sprach kein Wort.

„Gut gemacht“, lobte Ed. „Ihr seid wenigstens gründlich gewesen, das schätze ich an euch Burschen immer so. Na, ihr habt ja Zeit genug, das alles wieder in Ordnung zu bringen.“

„Man sollte es nicht für möglich halten“, sagte Ben. „Dafür müßte jeder einzelne von euch hundert Schläge mit der Neunschwänzigen erhalten. Gehen wir wieder zurück!“

Sinona schlich mit hängenden Ohren hinter ihnen her, bis sie nach einer Weile wieder den Strand erreichten.

Dort standen die Spanier immer noch herum und wußten nicht so recht, was sie beginnen sollten.

„Die Kerle haben alles verwüstet“, sagte Ben zu Tucker. „Alle Hütten kurz und klein geschlagen, sogar die Kokospalmen haben sie gefällt, um die Nüsse zu ergattern. Segeln wir zurück, die Burschen öden mich an, wenn ich sie nur sehe.“

„Was soll jetzt aus uns werden?“ fragte Sinona kläglich.

„Ihr habt alles, was ihr braucht. Frisches Trinkwasser, jede Menge Früchte, eine Insel und die große weite See. Das Wetter ist auch bestens, was wollt ihr mehr? Hier hängt es sich besser herum als bei uns an der Großrah“, sagte Carberry.

„Ihr verdammten Läuseknacker!“ rief der alte O’Flynn. „Das nächste Mal überlegt ihr euch gefälligst, wie man sich benimmt, wenn man eine bewohnte Insel anläuft.“

Sie schoben das eine Boot etwas tiefer ins Wasser, nahmen die Leine und wollten das andere daran befestigen, um es nachzuschleppen.

Sinonas Unterkiefer klappte herab.

„Das ist unser Boot, Sir“, wagte er zu sagen.

Carberry fuhr herum und ging einen Schritt auf ihn zu.

„Sag das noch mal, du Wanze!“ drohte er. „Das war einmal euer Boot, oder glaubt ihr, wir lassen es hier, damit ihr morgen früh wieder auf den anderen Inseln herumgeistert?“

Unter den Spaniern klang Murren auf, als sie hörten, daß das Boot mitgenommen werden sollte.

„Ohne Boot können wir nicht mal fischen!“ rief einer.

Carberry wollte den Kerlen gleich zeigen, wo die Glocken hingen, damit keine falsche Stimmung aufkam.

Er ging auf den Sprecher zu, fegte ihm mit einem Schlag seinen Kupferhelm vom Schädel, den er immer noch trug, und schlug ihm links und rechts die flachen Hände um die Ohren. Der Don wackelte erst zur einen Seite, dann fing er sich wieder, kriegte das andere Ding und landete in hohem Bogen in dem weichen Sand.

„Will noch jemand das Boot?“ fragte der Profos. „Oder wollt ihr die Fische lieber mit der Hand fangen?“

Niemand muckte mehr auf. Sie hatten gesehen, wie rigoros dieser narbige Kerl immer vorging. Obwohl sie stark in der Überzahl waren, muckste sich niemand mehr.

Auch Sinona sagte nichts, aber in seinen Augen glomm jetzt der Haß, und er knirschte vor hilfloser Wut mit den Zähnen. Er fühlte sich gedemütigt und bestraft von diesen Engländern, und er wandte sich hastig ab, um seinen Haß nicht zu zeigen.

Eines Tages, dachte er, wird sich das Blättchen wieder drehen, und dann ging es diesem Seewolf und seinen Kerlen an den Kragen.

Die sechs Seewölfe nahmen in dem Boot Platz, setzten das Segel und schleppten das andere Boot hinter sich her.

Die leichte Brise trieb sie schnell vom Ufer weg. Bald waren sie nur noch Schatten, die übers Wasser glitten.

„Eigentlich ist es nicht richtig“, sagte Luke Morgan unterwegs, „daß wir diese Satansbrut auf der herrlichen Insel angesiedelt haben. Die sind doch direkt im Paradies gelandet.“

„Hast du denn eine bessere Lösung?“ fragte Ben Brighton.

„Nee, die hab ich auch nicht.“

„Na also! Uns blieb gar nichts anderes übrig. Jedenfalls können sie dort kein Unheil mehr anrichten, auch wenn die geflüchteten Insulaner vorerst nicht mehr zurückkönnen. Wir werden morgen, bei Tagesanbruch, versuchen, Kontakt mit dem Inselhäuptling aufzunehmen, um ihm das zu erklären.“

„Die halten uns doch auch für Spanier oder Kerle, die sie nur ausplündern wollen.“

„Das hängt von der Taktik ab, mal sehen. Ich bin sicher, daß sie uns längst beobachtet haben.“

Der Mond war ein ganzes Stück weitergewandert, als endlich die Silhouette der „Isabella“ wieder auftauchte.

Ben Brighton meldete sich an Bord zurück und berichtete dem Seewolf, daß alles erledigt sei.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 185

Подняться наверх