Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 510 - Fred McMason - Страница 6

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Der Mann mit dem sichelförmigen Schnauzbart, den schwarzen Kniehosen, blauen Strümpfen, schwarzer Jacke mit Goldknöpfen und dem roten Umhang über der Jacke, starrte aus schmalen Augen in das lodernde Feuer. Er hatte nicht die geringste Erklärung, wie der Brand ausgebrochen oder überhaupt so plötzlich entstanden war.

Der Mann war della Rocca, der Perlen-Wolf, wie er heimlich von seinen Schnapphähnen genannt wurde. Perlen-Hai traf allerdings eher zu. Diesen Namen hatten ihm die Seewölfe gegeben.

Della Rocca war Korse, dementsprechend temperamentvoll, aufbrausend, aber auch jähzornig und brutal. Außerdem hatte er den „Perlen-Tick“.

Zwei der ausgebrochenen Schweine rannten immer noch quiekend und grunzend hin und her und sorgten gleichzeitig für weitere Verwirrung und Angst.

Der Schein des Feuers wurde greller, wilder und explosiver. Die Nacht war jetzt taghell erleuchtet, und so sah der Korse deutlich die Angst, die sich im Widerschein des Feuers in den Gesichtern seiner Schlagetots spiegelte. Ja, sie hatten Angst, die Kerle, und mit den Huren, die sich in ihrer Gesellschaft auf der Insel Cozumel befanden, stand es noch schlimmer. Einige der Frauenzimmer wollten in ihrer Angst flüchten und kreischten in den hellsten Tönen. Doch es gab keinen Fluchtweg. Das Meer hielt sie auf.

In der kleinen Ankerbucht lagen jedoch zwei Schiffe. Eine Zweimastschaluppe und die „Bonifacio“, mit der della Rocca seine Beutezüge und Raids unternahm, wenn er die Spanier um Perlen erleichterte.

Diese beiden Schiffe waren das Ziel einiger nun ebenfalls in Panik geratener Kerle, die ihr Heil nur noch in einer schnellen Flucht sahen. Einer rannte brüllend los, zwei weitere, die das sahen, folgten ihm augenblicklich. Etliche andere standen noch unschlüssig herum, doch die Panik überfiel auch sie. Sie hatten Angst, bei lebendigem Leib geröstet zu werden.

Das Fauchen der Feuerwalze war bereits zu hören. Es war ein hohl klingendes unheilverkündendes Fauchen wie von einer gereizten Großkatze. Und mit jeder Minute wurde das Geräusch lauter und unheimlicher.

Ein paar Frauenzimmer waren kreischend bis zum Wasser gelaufen. Dort standen sie jetzt und starrten angstvoll zu den immer größer werdenden Flammen.

Für della Rocca hatte es den Anschein, als würde dieses Höllenfeuer die ganze Insel versengen.

Er gab sich einen Ruck, löste den Blick von dem schaurig-schönen Schauspiel und schnappte sich einen Kerl, der gerade wie ein Irrer an ihm vorbeitobte. Sein Ziel war der Strand in der Ankerbucht und damit eins der beiden Schiefe.

„Hiergeblieben!“ brüllte della Rocca. „Bleib stehen, verdammt!“

Der Mann, ein geiergesichtiger übler Schnapphahn, hörte ihn nicht. Seine Angst vor dem Feuer war größer als die vor della Rocca. Wie besessen rannte er weiter, keuchend, mit weitaufgerissenen Augen und flackernden Blicken.

Als er mit dem Korsen auf gleicher Höhe war, stellte der ihm ein Bein und lachte roh.

Der Geiergesichtige stoppte abrupt, flog in den Sand und überschlug sich ein paarmal bis er benommen liegenblieb.

Della Rocca hievte ihn am Kragen seines schmierigen Hemdes hoch, drehte es zusammen und hielt den Mann im Würgegriff fest. Die linke Faust landete krachend unter seinem Kinn. Gleichzeitig ließ er los.

Der dünne Kerl trat seine zweite Reise an und landete so im Sand, daß er einen weiteren Mann gleich mitumriß. Mit einem schnellen Satz war der Korse bei den am Boden liegenden Kerlen. Er griff in seinen Gürtel, holte eine zusammengerollte Peitsche hervor und ließ sie hart über die Kerle sausen.

„Wer jetzt abhauen will, den bringe ich um“, sagte er keuchend, wobei er immer wieder auf die brüllenden Kerle einhieb. „Ihr Feiglinge verkriecht euch vor dem Feuer, was? Aber da seid ihr an der falschen Adresse. Hier läuft niemand weg, dafür werde ich sorgen!“

Die beiden schrien sich die Kehlen heiser, denn della Rocca drosch in seiner unberechenbaren Wut immer wieder auf sie ein. Ein paar andere, die das sahen und ebenfalls schon die Beine in die Hand genommen hatten, blieben stehen.

„Keiner geht zu den Schiffen!“ schrie der Korse wild. „Auch die Weiber nicht! Ribas und Moleta – her zu mir!“

Zwei Männer erschienen, die keinerlei Anzeichen von Panik zeigten. Beide waren groß und schwarzhaarig. Moleta wirkte verschlagen und hinterhältig, Manoel Ribas hart und unnachgiebig. Aber beide hatten Galgenvogelvisagen und gingen über Leichen.

Moleta war Bootsmann auf der „Bonifacio“. Manoel Ribas fungierte als Lotse, der sich in den Gewässern der Karibik gut auskannte. Der Korse hielt allerdings nicht viel von Moleta und traute ihm nicht über den Weg. Auf Ribas hingegen konnte er sich verlassen, der ging für ihn durchs Feuer.

„Hört mir genau zu“, sagte der Korse. Er schlug noch einmal mit der Peitsche auf die beiden winselnden Kerle ein und steckte sie dann weg. „Ich weiß nicht, wie das verdammte Feuer so plötzlich entstanden ist, aber das ist noch lange kein Grund, alles stehen- und liegenzulassen und einfach zu verschwinden. Die Kerle spielen verrückt, seit das Feuer ausgebrochen ist. Sie wollen weg und rennen zu den Schiffen, aber daraus wird nichts. Ihr werdet den Halunken zum Tanz aufspielen, wenn sie nicht parieren, verstanden? Haltet jeden auf, der zur Ankerbucht rennt und haut ihm ordentlich was vors Maul.“

„Was sollen wir gegen das Feuer tun?“ fragte Moleta. „Nicht mehr lange, dann sengt es uns den Hintern an. Am besten wäre doch, wir verholen auf die Schiffe und verschwinden.“

„Eben nicht, verdammt! Wir bleiben hier, und wir werden das verfluchte Feuer auch in den Griff kriegen. Das hier ist unser Stützpunkt, und den gebe ich nicht einfach auf.“

„Verstehe“, sagte Ribas. Er fuhr blitzschnell herum und schnappte sich einen Kerl, der an ihnen vorbeirannte. Ein Faustschlag beförderte den Flüchtenden brutal in den Sand.

„Sehr gut“, lobte der Korse grimmig. „Wenn einer trotzdem nicht pariert, dann knallt ihn einfach ab. Ich dulde nicht, daß hier eine Panik ausbricht und jeder verrückt spielt. Dazu steht für uns zuviel auf dem Spiel.“

Ribas grinste dünn, als er della Rocca ansah. Dann warf er einen schnellen Blick zu dem Feuer. Es hatte sich verändert. Das Brausen war hohler und lauter geworden, der Qualm, der es begleitete, stieg in einer riesigen dunklen Wolke zum mitternächtlichen Himmel. Es war so hell wie am Tag, allerdings eine gespenstische Helligkeit, die alles unheimlich und blutrot erleuchtete. Im Widerschein der Flammen wurden die erschreckten Gesichter zu verzerrten Fratzen und unmenschlich wirkenden Grimassen voller Angst und Grauen.

„Wie wollen wir es aufhalten?“ fragte Ribas.

Der Korse deutete mit der linken Hand zu einem langgestreckten Dünenkamm.

„Noch vor der Düne. Die Hütten liegen so an der Bucht, daß sie auf ihrer Ostseite von der Düne abgeschirmt sind. Vorläufig kann also gar nichts passieren, wenn wir ruhig bleiben.“

„Und die Funken?“ fragte Moleta, „die fliegen gleich bis zum Wasser hinunter, und dann verbrennen die Schiffe oder fangen Feuer.“

Der Korse war jedoch nicht aus der Ruhe zu bringen. Er war zwar wütend und erbost über das Feuer, ärgerte sich aber noch mehr über seine Kerle, die immer noch brüllend durcheinanderrannten und nicht wußten, was sie tun sollten.

„Wir kriegen das schon in den Griff“, murmelte er. „Wir werden in Höhe der Dünen alles ausreißen, was brennbar ist. Gleichzeitig errichten wir einen Wall aus Sand. Aber dazu muß jeder mitanpacken. Sorgt dafür, daß die Kerle Arbeit kriegen und scheucht die verrückt gewordenen Weiber in die Hütten oder laßt sie mitarbeiten.“

Er selbst zog wieder seine Peitsche aus dem Gürtel, um selbst mit harter Hand durchzugreifen.

Nur ein paar Minuten später war erneut die Hölle los. Della Rocca und seine beiden Vollstrecker hieben wild auf alles ein, was unschlüssig herumstand oder Anzeichen von Panik zeigte.

„Hinauf auf die Düne, ihr Höllenhunde!“ brüllte der Korse peitschenschwingend. „Holt euch Schaufeln oder buddelt mit den Händen! Reißt alles Zeug aus, das Feuer fangen kann! Und beeilt euch! Wen ich rumstehen sehe, den hänge ich persönlich an die Rah!“

Einer nach dem anderen fügte sich widerwillig. Die Kerle waren das harte Arbeiten nicht gewohnt. Sie hatten immer nur vom Abstauben oder gelegentlichen Überfällen gelebt. Jetzt mußten sie hart ran und schuften, bis ihnen die Knochen weh taten.

Etliche von ihnen rupften Strandgras oder Wurzelwerk aus und trugen es zum nahen Strand hinunter. Dabei saß ihnen das Feuer buchstäblich im Genick und wurde immer bedrohlicher.

Etliche andere waren damit beschäftigt, auf des Korsen Anweisung hin Sand zu Wällen zusammenzuschaufeln, damit das Feuer nicht überspringen konnte und keine neue Nahrung mehr fand.

Auch die Huren hatten Moleta und Ribas eingespannt. Die Frauen, die sie hier zum Zeitvertreib hatten, waren harte Arbeit ebenfalls nicht gewohnt. Hinzu kam die Angst vor dem immer weiter vorrückenden Feuer, dessen Ausmaße immer bedrohlicher wurden. Aber sie mußten helfen, ob sie wollten oder nicht.

Ein Weib mit langen pechschwarzen Haaren und feurigen Augen, die sich Juanita nannte, weigerte sich jedoch. Mit flammenden Blicken starrte sie den hochgewachsenen Korsen an.

„Ich denke nicht daran, Wurzeln und Gras auszureißen!“ schrie sie wild. „Ich will hier weg und nicht geröstet werden. Ihr werdet das Feuer nie aufhalten!“

„Du bleibst hier und hilfst mit“, sagte della Rocca ruhig. „Und wenn du nicht parierst, ziehe ich dir die Peitsche durchs Gesicht, daß du für den Rest deines Lebens gezeichnet bist. Es geht schließlich auch um dein Leben.“

„Laß uns verschwinden“, hauchte sie mit schmachtenden Blicken. „Ich werde dir den Himmel auf Erden bereiten.“

Der Korse lachte geringschätzig. Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Männer, die jetzt voller Angst schufteten, Wurzelwerk ausrissen oder Sanddämme errichteten. Ribas und Moleta trieben die Kerle immer wieder zur Eile an.

„Den Himmel auf Erden?“ Der Korse lachte. „Zuerst müssen wir durchs Fegefeuer, bis unsere Seelen geläutert sind. Das hier ist die Hölle, damit du einen Vorgeschmack davon erhältst.“

„Und du bist der Oberteufel!“ schrie Juanita wild. Angstvoll blickte sie zu der heranfauchenden Feuerwalze. Es sah ganz so aus, als würde diese gewaltige knisternde und fauchende Lohe die ganze Insel Cozumel verschlingen. Ein paar weiter landeinwärts stehende Palmen und Bäume standen wie riesige Fackeln in dem tosenden Inferno. Ihre feurigen Wedel schickten Funken und brennende Holzteile in alle Richtungen.

„Ja, ich bin der Oberteufel“, sagte della Rocca, „und wenn du nicht augenblicklich an die Arbeit gehst, dann wirst du im Vorhof zur Hölle braten, mein Täubchen.“

Betont lässig griff er nach seiner Peitsche, die er langsam durch die Finger zog.

„Der Satan soll dich holen!“ zischte die Schwarze haßerfüllt. Dann wandte sie sich ab und lief zu der Düne, wo die anderen wie die Kesselflicker schufteten.

Die Kerle hatten alle rußgeschwärzte Gesichter und angesengte Hände. Immer wieder sahen sie sich gehetzt um und starrten zu den beiden Schiffen, die Rettung vor den Flammen versprachen. Aber sie hatten auch hündische Angst vor della Rocca, Ribas und Moleta, die unbarmherzig auf sie einschlugen, wenn die Arbeit zu langsam voranging.

Dabei schien es sich um eine Sisyphusarbeit zu handeln, die nie ans eigentliche Ziel führte. Für die Kerle war es ein Akt der Verzweiflung. Kaum hatten sie Busch- und Wurzelwerk ausgerissen oder einen Wall aus Sand errichtet, bildeten sich durch Funkenflug hinter oder neben ihnen neue Brandnester, die wie aus dem Nichts entstanden.

Jedesmal gab es Gebrüll, wenn Funken heranstoben, den Kerlen in die Gesichter fuhren oder ihre Kleidung versengten.

Della Rocca kannte jedoch kein Erbarmen. Immer wieder trieb er die fluchenden Kerle an, fuhr mit der Peitsche dazwischen oder drohte ihnen mit dem Aufknüpfen.

Die Kerle selbst sahen nach kurzer Zeit aus wie die Feuerteufel. Sie schufteten und schufteten, aber schließlich sahen sie doch ein, daß es auch ums eigene Überleben ging.

Ein Erfolg war allerdings noch nicht abzusehen. Der Feuersturm verstärkte sich, die rotglutende Walze wurde größer und mächtiger, und da es Nacht war, wirkte alles nur noch bedrohlicher.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 510

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