Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 389 - Fred McMason - Страница 6

2.

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Nacht, Dunkelheit und Entfernung hatten die zweimastige Schaluppe Don Juans verschluckt. Aber der heimliche Beobachter der Enterkämpfe war noch da und keinesfalls verschwunden.

Hasard hatte ihn bereits am Vortag als kleinen Strich an der Kimm gesehen und war mißtrauisch geworden, als die Schaluppe jeden Kreuzschlag der „Isabella“ nachvollzog. Er hatte den alten O’Flynn gebeten, auch die anderen Kapitäne zu warnen, weil ihm die Schaluppe nicht geheuer erschien. Als er einmal auf sie zusegelte, zog sie sich schnell zurück und verschwand achteraus an der Kimm.

Don Juan de Alcazar hatte am Vortag bereits beobachten können, wie die fünf Kriegs-Galeonen, die den Geleitzug zum Schutz begleiteten, in einem heftigen Gefecht vernichtet wurden. Er war immer eisern auf Tuchfühlung geblieben.

Als er dann die „Isabella“ erkannt hatte, wußte er, daß er sich wieder auf der Spur Philip Hasard Killigrews befand.

Seine Kalkulation war damit aufgegangen und seine Ahnung zur Gewißheit geworden, daß die Engländer bei den nördlichen Bahamas ihr Unwesen trieben. In diesen Gewässern war ihnen auch die Perlen-Galeone „Santa Clara“ in die Hände gefallen.

Was Don Juan bis in die Tiefen seiner Seele erschütterte, war die unglaublich scheinende Tatsache, daß außer der „Isabella“ vier weitere schwer armierte Galeonen die fünf spanischen Kriegsschiffe so mir nichts, dir nichts von der See gefegt hatten. Eine kleine dreimastige Karavelle hatte ebenfalls eingegriffen.

Don Juans schiefergraue Augen durchbohrten die Dunkelheit. Alles in ihm kochte und brodelte vor Wut, als er den pausenlosen Kanonendonner hörte und die Blitze sah, die scheinbar aus der See stachen. Mitunter war das berstende Krachen von Schiffsplanken oder Masten bis hierhin zu hören.

Jetzt wurden die spanischen Galeonen kräftig ausgenommen und gerupft wie fette Weihnachtsgänse. Die Weltmacht Spanien verlor unermeßliche Reichtümer an die englischen Piraten.

Don Juan ballte die Hände zu Fäusten und starrte mit brennenden Blicken in das Chaos an der Kimm. Da flogen nur so die Fetzen, da wurde ein Schatzschiff nach dem anderen geentert, und die Reichtümer aus der Neuen Welt verschwanden in den Bäuchen der englischen Galeonen, statt am spanischen Hof zu landen.

Natürlich mußte Don Juan hilflos zusehen, was sich da abspielte. Er konnte nichts ausrichten – noch nicht. Aber daß er hier ungestört den Beobachter spielen konnte, war Gold wert. Er würde herausfinden, wohin dieser schwarze Satan segelte. War sein Versteck erst einmal bekannt, war alles andere ein Kinderspiel. Eine ganze Armada würde aufkreuzen und das Piratenversteck ausräuchern. Dem konnte auch Philip Hasard Killigrew nichts entgegensetzen.

In dieser Nacht gingen Don Juan die Augen über, denn wie dort gekämpft wurde, war einfach unglaublich. Einerseits ärgerte er sich grün und blau, andererseits faszinierte ihn die Taktik, die Strategie und der unglaubliche Angriffsgeist dieser englischen Höllenhunde.

Er haderte mit sich. Er konnte schließlich diese Kerle, die sein Land gehörig rupften, schlecht bewundern, oder? Auch wenn der Killigrew ihm das Leben gerettet hatte. Das ging dann doch wohl etwas zu weit.

Schon einmal war er diesem Seewolf mit widerstreitenden Gefühlen gegenübergetreten und hatte sich anhören müssen, was der von der „sehr fragwürdigen“ spanischen Krone hielt. Er hatte ihm eine Art Spiegel vorgehalten und ihn mit Worten fast gedemütigt.

„Näher dranbleiben!“ fuhr er den Bootsmann plötzlich an.

Ramón Vigil, ein sechs Fuß großer Riese mit kantigem Gesicht, ausgeprägtem Kinn und blauen Augen, war Katalonier. Seinem Aussehen nach war der Bootsmann der Nachfahre eines Gotenstammes.

Er zuckte leicht zusammen. Mit Don Juan war in dieser Nacht nicht gut Kirschen essen, der hatte eine recht miese Laune. Das hatte auch die übrige Mannschaft schon zu spüren gekriegt.

„Näher heran“, forderte Don Juan mit harter Stimme. „Die Galeonen sind so weit auseinandergezogen, daß man sie nicht mehr unterscheiden kann. Wir dürfen aber diese englischen Piraten nicht aus den Augen verlieren, sonst war alles umsonst.“

„Si, Don Juan“, sagte Ramón mit tiefer Stimme.

Sie segelten etwas näher auf, aber so, daß sie selbst kaum gesehen werden konnten. Don Juan konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die Flammenzungen, die durch die Nacht stachen. Am Aufblitzen wußte er, daß es die Engländer waren.

„Die schießen einen nach dem anderen zusammen“, sagte der Bootsmann knurrend.

„Das sehe ich selbst.“

Daraufhin zog Ramón Vigil es vor, zu schweigen. Don Juan mußte mit seiner schlechten Laune selbst fertig werden.

Fünf Schiffe hat der Killigrew, überlegte Don Juan. Dazu kam noch die dreimastige schnelle Schaluppe. Das war zwar eine kleine, aber unglaublich schlagkräftige Flotte, die einen Geleitzug von dreißig Schiffen und fünf Kriegs-Galeonen knackte, sich in ihn verbiß und einen Brocken nach dem anderen heraussägte.

Dieser Mann mußte zur Strecke gebracht werden, der war für die Spanier gefährlicher als alle Haie der Karibik zusammen.

Das, was er alles aufbrachte, waren beileibe keine Nadelstiche gegen die spanische Krone, es waren ganz empfindsame Schläge, die an allen Ecken und Enden schmerzten.

Eine Galeone brannte. Sie trieb in der See von den übrigen ab. Boote wurden ausgesetzt, die Männer verließen das Schiff. Wieder blitzte es auf, und der Donner rollte heran. Das könnte die „Isabella“ gewesen sein, dachte Don Juan. Er versuchte, durch das Spektiv zu blicken, doch das gab auch nicht viel mehr her bei den Flammenblitzen. Die Schiffe ließen sich dadurch nicht besser unterscheiden.

Stunde um Stunde ging das so, und er mußte hilflos mit ansehen, wie seine Landsleute ausgenommen wurden, wie Gold, Silber und Edelsteine in den Laderäumen der englischen Piraten verschwanden.

Dann hatten sie offenbar genug, weil sie jetzt selbst bis an die Halskrause beladen waren. Die spanischen Schatzschiffe waren nach allen Seiten auseinandergedriftet. Manche waren zum Wrack geschossen, ein paar hatten sich verholt, und der Rest war schwer angeschlagen.

Fürwahr, eine blamable Niederlage!

Er sah, wie sich die Schiffe formierten, erkannte sie aber nur als undeutliche Schatten, die in Kiellinie schwerfällig lossegelten.

„Jetzt bleiben wir ihnen auf den Fersen, Ramón“, sagte er. „Sorgen Sie dafür, daß wir die Kerle nicht aus den Augen verlieren. Können Sie erkennen, wie viele es sind?“

„Leider nein, Don Juan. Dem Aufblitzen nach waren es fünf. Jetzt bilden sie eine langgezogene Linie. Die kleine Silhouette ist die dreimastige Karavelle.“

Die Verfolgung wurde aufgenommen. Es ging immer weiter nach Süden, ganz wie der Schnapphahn Cariba das gegen seinen Willen ausgeplaudert hatte, denn dort, im Bereich der Caicos- oder Turks-Inseln, sollte sich der Schlupfwinkel der Piraten auf einer legendären Insel befinden. So hatte es Cariba jedenfalls ausgeplaudert, und jetzt schien sich das zu bewahrheiten.

So langsam wechselte Don Juans Stimmung. Das Jagdfieber schlug ihn in Bann. Noch nie hatte es jemand geschafft, den Schlupfwinkel genau auf den Punkt zu beschreiben. Aber er würde jetzt feststellen, wo dieser Killigrew hauste.

Zwischendurch dachte er öfter an ihn. Er sah sich fiebernd und verletzt im Boot liegen, verfolgt von Schnapphähnen, und Killigrew rettete ihm bedenkenlos das Leben.

Diese Gedanken waren hier und jetzt völlig fehl am Platz. Er versuchte, sie mit aller Gewalt zu verdrängen. Und doch tauchte immer wieder das Bild des schwarzhaarigen Mannes auf, der ihn mit blitzenden blauen Augen ansah und spöttischüberlegen lächelte.

Er übte sich darin, sich dieses Gesicht als abscheuliche Piratenfratze vorzustellen und den Mann dazu als blutrünstigen, gnadenlosen Schlagetot und Mörder.

Doch dieses Bild zerbröselte immer wieder und fiel in sich zusammen. Sein Feindbild war schon ein paar Male ins Wanken geraten, jetzt schwankte es wieder ganz beträchtlich, immer dann, wenn er sich stark darauf konzentrierte.

Zum Teufel mit dem Killigrew! Er würde seinen Auftrag künftig emotionslos erfüllen und den Mann der spanischen Krone überstellen.

Als die erste Morgendämmerung über den Horizont kroch und alles grau in grau war, griff Don Juan fast genüßlich zum Spektiv und begann, die stur nach Süden ablaufenden Schiffe genauer aufs Korn zu nehmen.

Er warf sogar dem Bootsmann einen freundlichen und ermunternden Blick zu. Ein Mann aus der achtköpfigen Mannschaft brachte ihm etwas zu essen und zu trinken.

Aha, jetzt waren sie schon deutlicher zu erkennen. Achtern segelte ein düster wirkender Zweidecker, vor ihr lief ein riesiges schwarzes Schiff, ein gewaltiger Viermaster, dessen Segel schwarz waren, und auf denen ein gewaltiger Drache zu sehen war. Jedenfalls sah das ganz so aus.

Dann stutzte er. Sein Gesicht wurde etwas länger, denn statt der erhofften fünf Schiffe segelten da nur vier, wenn man von der Schaluppe absah.

Don Juan blieb die zart gebratene Fleischschnitte im Hals stecken, als er die betrübliche Erfahrung machen mußte, daß ausgerechnet die „Isabella“ in dem Verband fehlte. Er kannte das Schiff ganz genau seit dem Gefecht bei Lobos Cay.

„Verdammt noch mal“, sagte er klar und deutlich. „Das sind ja nur noch vier Schiffe. Die ‚Isabella‘ des Killigrew fehlt.“

Ausgerechnet der Mann mußte ihm wieder entwischen, hinter dem er mit aller Gewalt her war. Jetzt hatte er sich verdrückt. Aber warum nur? Er konnte doch nicht wissen, daß er, Don Juan, alles beobachtete?

Das ging ja fast mit dem Teufel zu, und er wollte es einfach nicht glauben.

Erneut nahm er den träge dahinsegelnden Verband aufs Korn. Die „Isabella“ war nicht mehr dabei. Das bestätigte auch der Bootsmann.

„Sie hat sich irgendwann im Lauf der Nacht abgesetzt, Don Juan.“

„Und welche Beweggründe mag Killigrew gehabt haben?“ fragte der hochgewachsene Spanier enttäuscht und verärgert.

„Das entzieht sich leider meiner Kenntnis. Möglicherweise hat er uns als Fühlungshalter durchschaut.“

„Zuzutrauen ist ihm alles“, sagte Don Juan ärgerlich. „Was jetzt? Sollen wir die Beschattung des Verbandes aufgeben und nach der ‚Isabella‘ suchen? Mir geht es in erster Linie um den Mann, den ich unbedingt nach Spanien bringen will.“

„Wir könnten nach dem Schiff suchen“, erwiderte der Bootsmann. „Aber wo sollen wir suchen? In welcher Richtung?“

Trotz des ärgerlichen und enttäuschenden Fehlschlages begann Don Juan hintergründig zu lächeln.

„Natürlich werden wir nicht nach ihr suchen“, sagte er leise, „wir bleiben an dem schwerfälligen Konvoi, an der Piratenflotte. Killigrew mag seine Gründe gehabt haben, als er sich absetzte. Vielleicht war sein Schiff auch schon überladen, oder was immer. Diese Kerle, das steht mit Sicherheit fest, segeln jetzt auf dem kürzesten Kurs zu ihrem Schlupfwinkel, um ihre Beute abzuladen und zu verstecken. Was wird Killigrew also tun?“

„Er wird sich ebenfalls bei dem Schlupfwinkel einfinden, wenn er nicht schon längst dort ist.“

„Sehr richtig. Genau das wird er tun. Und die anderen Kerle werden uns dahin führen.“

„Was geschieht dann, Don Juan?“

„Zunächst einmal nehmen wir in unmittelbarer Nähe eine genaue Positionsbestimmung, um den Standort der Insel festzustellen. Wenn das geschehen ist, verschwinden wir wieder von der Bildfläche und segeln nach Havanna zurück. Erst dann und dort kann ich endgültig planen und festsetzen, wie ich vorgehen werde. Die Angelegenheit mit Killigrew hat wider Erwarten ziemliche Dimensionen angenommen, denn er kämpft nicht mit einem Schiff allein gegen die spanische Krone. Er hat Bundesgenossen, die genauso ernst zu nehmen und gefährlich sind.“

„Ja, es sind verdammt harte Kämpfer und gefährliche Gegner.“

„Geraten Sie mal nicht ins Schwärmen!“ fuhr ihn Don Juan an. „Die Kerle handeln nach der Strategie und Taktik von Piraten. Und sie sind ja auch selbstverständlich Piraten.“

Jedenfalls versuche ich, mir das ständig einzureden, setzte er in Gedanken hinzu und irrte schon wieder ab.

Er würde fraglos Verstärkung brauchen, denn im Alleingang war das „Einfangen“ dieses Killigrew nicht mehr zu bewerkstelligen. Don Juan sah das durchaus realistisch. Die Dimensionen hatten sich entscheidend verändert. Er mußte das unbedingt der Casa melden, falls sich eine Möglichkeit dazu bot.

Wieder sah er sich in dem Boot liegen, beschützt und gepflegt von Killigrew, abgeschirmt von den Schnapphähnen durch Killigrew, ärztlich versorgt durch Killigrew. Immer wieder Killigrew, dachte er fast verzweifelt.

Verdammt, Killigrew hatte ihm zweifellos das Leben gerettet, das entsprach durchaus den Tatsachen. Aber sollte er deshalb gleich sentimental werden, und die Jagd nach dem Feind der spanischen Krone aufgeben?

Das konnte selbst Killigrew nicht erwarten, denn das waren zwei Paar Stiefel. Trotzdem fand er es auch weiterhin recht seltsam, daß ihn der englische Pirat nicht einfach über Bord gekippt hatte, als er hilflos und fiebernd im Boot lag. Da wollte er wohl bloß beweisen, was für ein guter Kerl er war. Jetzt zeigte sich ja sein wahres Gesicht. Er überfiel einen Geleitzug, schoß alles zusammen und plünderte ihn rigoros aus. Wenn das kein Piratenstück war!

„Bleiben Sie so weit zurück, daß wir das letzte Piratenschiff nur noch als Strich an der Kimm sehen, Ramón. Daß sie weiter nach Süden segeln, deutet auf die Caicos- oder Turks-Inseln hin. Und ich möchte nicht, daß die Kerle mißtrauisch werden und etwas merken.“

„Zu Befehl, Don Juan.“

Langsam fiel die Schaluppe wieder zurück, bis der Konvoi kaum noch zu sehen war.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 389

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