Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 86 - Fred McMason - Страница 5

2.

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„Eiliger Drache über den Wassern“, wie der schwarze Segler hieß, tat seinem Namen alle Ehre an.

Groß, mächtig und unverwüstlich glitt er eilig über den reißenden Strom, als könne nichts ihn aufhalten. Das pechschwarze Schiff rauschte wie ein Bote des Todes heran. Der schwarze Rumpf, die schwarzen Masten und die aufgegeiten schwarzen Segel ließen ihn unheimlich und fremd erscheinen. Beim bloßen Anblick des Schiffes duckte man sich unwillkürlich.

Am Kolderstock stand der mächtige Wikinger, in rauchgraue Felle gehüllt. Er trug trotz der brüllenden Hitze seinen glänzenden Kupferhelm. Neben ihm wirkte Siri-Tong zerbrechlich, die jetzt die Augen zusammenkniff und nach vorn zur „Isabella“ blickte, die langsam aus dem Kurs scherte.

Sie hatten gesehen wie der Affe an Deck gefallen war, und es war ihnen auch nicht entgangen, daß das verängstigte Tier einem Kaiman zum Opfer fiel, der es buchstäblich zerfetzte.

„Gib acht, Thorfin“, sagte die Rote Korsarin. „Die Seewölfe legen Hartruder!“

„Ich sehe es“, erwiderte der Wikinger ruhig. „Die weichen einer Sandbank aus. Verdammter Strom!“ setzte er hinzu.

Danach überschlugen sich die Ereignisse, und jetzt hatte der Wikinger plötzlich alle Hände voll zu tun.

Die „Isabella“ lief auf, drehte sich, schwoite herum, der Anker fiel. Sie versperrte einen Teil des Fahrwassers, genau an jener Stelle, wo der Fluß wieder zusammenlief.

Nicht einmal der erfahrene Wikinger reagierte so schnell wie Siri-Tong. Sie erfaßte die Situation auf den ersten Blick, schob ihren schmalen Körper an den seinen und drückte nach, um den Druck auf den Kolderstock zu verstärken.

„Hartruder, Thorfin!“ schrie sie.

Thorfin Njal erkannte jetzt ebenfalls, was sich da anbahnte. Die „Isabella“ wurde scheinbar immer länger – und sie fuhren genau auf die Schiffsmitte zu.

„Bei Odin und seinen Raben“, knurrte der riesige Mann. Seine mächtigen Fäuste drückten den Kolderstock mit einem Ruck herum.

Gleichzeitig begann der Amazonas an dem Schiff zu schieben und zu zerren, als wolle er es direkt in die Galeone hineinlaufen lassen. Langsam, viel zu langsam fiel „Eiliger Drache über den Wassern“ ab und scherte aus dem Kurs.

„Die Galeone ist aufgelaufen“, sagte Siri-Tong, „sie sitzt fest, Thorfin!“

Fieberhaft überlegte sie, wie man den Seewölfen jetzt helfen könnte. Aber es gab nichts zu helfen, sie konnten bei dieser Windstille nicht wenden, und wenn, dann wäre es ein Manöver von mehreren Meilen geworden. Selbst wenn sie Anker warfen, half das nichts mehr. Sie konnten nur von Glück sagen, wenn sie mit der „Isabella“ nicht gleich zusammenstießen.

Jetzt sah es ganz danach aus, als der Strom das Schiff immer mehr zur Seite versetzte.

Der Wikinger gab keine Antwort. Die neue Situation war so schnell entstanden, daß es ihm die Sprache verschlug. Außerdem hatte er genug damit zu tun, das Schiff vorsichtig aus dem Kurs zu steuern.

Auch an Deck des schwarzen Seglers hatte man verfolgt, was da passiert war. Insgeheim betete jeder der rauhen Gesellen darum, daß die beiden Schiffe nicht zusammenstoßen mögen, denn dann gab es hier Kleinholz und vielleicht ein paar Tote.

Siri-Tong verschwand vom Achterdeck, flankte mit einem Satz in die Kuhl und stand bei dem Boston-Mann, dessen goldener Ohrring wild schlenkerte. Er hatte die Hände in Hüfthöhe geballt und bewegte sie unruhig auf und nieder.

„Das schaffen wir nicht mehr“, sagte er rauh. „Es ist zu spät, um auszuweichen.“

Thorfin Njal am Ruder schwitzte Blut und Wasser. Unter seinem Helm juckte und brannte es. Er hatte das ekelhafte Gefühl, als laufe dort ein ganzes Ameisenheer Amok.

Der schwergebaute Mann sah nur noch einen allerletzten Ausweg, um die mittschiffs drohende Kollision zu verhindern. Er mußte die „Isabella“ hart anlaufen, dann Ruder legen und mit der Breitseite daran vorbeischeren. Daß die Bordwände sich dabei berühren würden, konnte nicht ausbleiben. Aber die Beschädigung würde nicht sehr groß werden.

Zum Greifen nahe hing das Schiff jetzt vor ihnen, als der Wikinger Ruder legte. Auf der Galeone sahen sie seine mächtige, alles überragende Gestalt, die den Kolderstock bewegte, als sei er ein kleiner Knüppel.

„Haltet euch fest!“ brüllte er mit Donnerstimme. „Paßt auf, daß keiner über Bord geht.“

Siri-Tong hatte plötzlich eine Idee. Sie sah den Boston-Mann an, der immer noch die Hände geballt hatte.

„Schnell, das starke Tau, Boston-Mann! Werft es hinüber, sobald wir an der ‚Isabella‘ vorbeischeren. Los, ihr anderen, willig, beeilt euch! Mit etwas Glück kann es uns gelingen, die Galeone herunterzuziehen. Wartet mit dem Festhalten, bis wir achterlich vorbei sind!“

Die Männer kapierten sofort. Das schwere Tau wurde aufgenommen und lose um den achteren Doppelpoller gelegt. Juan stand bereit zum Nachfie- ren.

Dann war es soweit. Der schwarze Segler scherte so dicht an der Bordwand der „Isabella“ vorbei, daß keine Hand mehr dazwischen paßte. Die Männer sahen sich nur stumm in die Augen, doch die Seewölfe hatten ebenfalls begriffen, um was es ging und was der Boston-Mann und Juan beabsichtigten.

Edwin Carberry vergaß seine Flüche. Die Zunge lag ihm wie ein dicker Klumpen im Hals, seine Sprüche kamen einfach nicht heraus.

Als die beiden Hecks sich schwach berührten, lief ein leichtes Zittern durch die Schiffe. Beide rieben hart aneinander, und dort, wo sie sich trafen, sah das Holz abgeschmirgelt aus.

Dann flog das Tau zur „Isabella“ und wurde belegt.

Auf dem schwarzen Segler standen jetzt zwei Männer zum Nachfieren bereit: Juan und der Boston-Mann.

Rasend schnell lief das Tau um die Poller, bis sie zu qualmen begannen und sich hellgrauer zarter Rauch entwickelte. Der Boston-Mann legte einen weiteren halben Schlag, stemmte sich mit dem Fuß gegen die Poller und hielt langsam fest.

Der Bootsmann Juan sorgte dafür, daß der Boston-Mann genug Lose hatte und sich nicht in dem wie wild ablaufenden Tau verfing.

Spürbar nahm die Fahrt des schwarzen Seglers ab, aber die „Isabella“ rührte sich immer noch nicht, sie schwang nur ein wenig das Heck herum und blieb störrisch liegen.

„Noch zwanzig Yards!“ schrie Juan. „Mehr Lose gibt’s nicht!“

„Laß sie durchlaufen!“ befahl die Rote Korsarin. „Erst bei den letzten fünf Yards hart abstoppen!“

Wie eine glühende Schlange wand sich das Tau durch die Hände. Es wurde immer heißer, bis der Boston-Mann unterdrückt stöhnte.

Ein weiterer halber Schlag um die Poller, noch einer. Der Qualm wurde stärker, das Hartholz der Poller glühte.

Die letzten Yards liefen ab.

Der Boston-Mann fluchte. Mit einem Blick erkannte er, daß der schwarze Segler jetzt ebenfalls hart aus dem Kurs lief. Da stemmte er sich mit dem Tau in der Faust hart gegen die Poller. Die Leine pfiff, straffte sich, hing dann wieder durch, sang ein höllisches Lied, als sie sich wieder straffte. Mehr als siebzig Yards waren jetzt draußen.

Dann brach sie mit einem peitschenden Knall.

Vom Achterkastell kam das laute und ungenierte Fluchen des Winkingers, der jetzt in seiner Sprache loslegte, die außer seinen rauhen Gesellen niemand verstand.

Zum Glück verstand sie niemand, denn des Wikingers grausame Flüche hätten jedem abgebrühten Mann die Stiefel ausgezogen.

Wild schwang er den Kolderstock herum und schaffte es gerade noch rechtzeitig, einer sich kräuselnden Wasserfläche auszuweichen.

„Der letzte Mist!“ brüllte er, und der Stör, der neben ihm stand und die Angewohnheit hatte, stets die letzten Worte seines Kapitäns zu wiederholen, sagte mit langem Gesicht ebenfalls: „Der letzte Mist!“

Siri-Tong erschien wieder auf dem Achterkastell. Die Enttäuschung war deutlich auf ihrem Gesicht zu lesen.

„Schade“, sagte sie leise, „ich hatte mir viel davon versprochen. Wie können wir ihnen jetzt helfen?“

Thorfin Njal hob hilflos die mächtigen Schultern.

„Zunächst gar nicht, sonst laufen wir auch noch auf. Der Seewolf wird die Flut abwarten oder leichtern müssen. Nur drückt die Flut hier kaum herein“, setzte er nachdenklich hinzu.

Es ärgerte ihn ebenfalls mächtig, daß das erfolgversprechende Manöver mißlungen war. Es war alles viel zu schnell gegangen.

Siri-Tong blickte achteraus, wo die „Isabella“ immer kleiner zu werden schien. Sie sah die Seewölfe an Deck stehen, ebenfalls hilflos, genauso wie sie.

Weit vor ihnen, wo das mächtige Delta in den Atlantik überging, lag eine Insel, von Urwald bewachsen. Sie lag mitten im Strom, der hier mächtig aus seinem breiten Bett drängte und dessen Farbe stark lehmgelb war. Die ihnen zugewandte Seite der Insel war bis ans Wasser hin von dichtem Wald bewachsen.

Siri-Tong entsann sich dieser Insel wieder. Sie hatte zum Meer hin eine Bucht mit relativ ruhigem Wasser.

„Thorfin“, sagte sie. „Wir umfahren die Insel auf Backbord und versuchen, in das Stauwasser auf der Rückseite zu gelangen. Dort können wir ankern und abwarten. Ich möchte nicht in den Atlantik hinaus, wenn Hasard dort noch festsitzt.“

„Wir werden es schaffen“, versprach der Wikinger. „Aber der Seewolf wird uns von dort nicht sehen können, wir befinden uns dann im toten Winkel.“

„Er wird nicht annehmen, daß wir hinaussegeln, jedenfalls glaube ich das nicht“, sagte sie.

Sie scheuchte die Männer auf ihre Posten, und die flitzten willig los, weil sie den unterdrückten Zorn der Roten Korsarin instinktiv spürten – und fürchteten.

Thorfin ließ das schwere Schiff hart nach backbord abfallen, so hart, daß es fast zur Längsachse im Strom trieb, der jetzt wieder gegen die Breitseite schob. Hier, an der kleinen Insel, war der Fluß wieder gefährlich und gurgelte scharf und laut an dem Ufer vorbei.

Der Bug erreichte das Stauwasser, das Achterschiff schwang herum. Mit dem letzten Rest Fahrt lief der schwarze Segler in die Bucht. Der Anker klatschte auf Grund und hielt. Das Schiff war von den Seewölfen nicht mehr einsehbar, auch die Crew der Roten Korsarin konnte die „Isabella“ nicht mehr sehen. Siri-Tong verließ sich darauf, daß der Seewolf ihr Manöver im Geiste nachvollzog.

„Wir warten so lange, bis die Flut aufläuft, oder bis wir Wind kriegen, um den Strom hochsegeln zu können“, entschied sie. „Die Galeone muß so schnell wie möglich wieder flott werden.“

Auch Thorfin und der Boston-Mann überlegten, wie man den Seewölfen helfen konnte.

„Heute wird es nicht mehr klappen“, sagte der Wikinger zweifelnd, „in ein paar Stunden ist es dunkel, und den tückischen Fluß möchte ich bei Nacht nicht hinaufsegeln, jedenfalls hier im Delta nicht. Was nutzt es uns, wenn wir nachher ebenfalls irgendwo festsitzen?“

Siri-Tong sah das ein. Der nächste Morgen mußte abgewartet werden, alles andere hatte keinen Sinn. Dann saßen wirklich beide Schiffe fest, und keiner konnte dem anderen helfen.

Carberrys Miene hatte sich verfinstert. Er starrte über das Schanzkleid in den gurgelnden Strom, der machtvoll vorbeifloß. Alles mögliche trieb heran. Bäume, große Äste, die aufgedunsenen Kadaver irgendwelcher Tiere, tote Fische, Schlamm, Lehm und Blätter.

„Da ist mir die freie See doch zehnmal lieber“, sagte er grollend. „Da sieht man, was man hat, aber auf diesem lausigen Fluß mit seinen miesen Sandbänken …“

Der Profos motzte herum, wie es seine Art war. Wenn es technisch möglich gewesen wäre, hätte er diesem verlausten Fluß die Haut in Streifen von seinem Affenarsch gezogen, so jedenfalls drückte er sich öfter aus.

„Geh ihm bloß aus dem Weg“, raunte Blacky Bob Grey zu, der den Profos etwas fragen wollte, „der ist für den Rest des Tages sauer, weil wir festsitzen.“

Carberry hatte auf der anderen Seite Tiefe loten lassen, doch das Ergebnis hatte seinen Unmut nur verstärkt. Auf dieser Sand- oder Schlammbank schwemmte immer mehr Zeug an, und er hatte das Gefühl, als würde die „Isabella“ immer höher auf den Dreck gezerrt und geschoben.

Schöne Aussichten waren das – und das alles praktisch vor der Haustür zum Atlantik.

„Wir hätten auch sofort einen Tampen zum schwarzen Segler hinüberwerfen sollen,“ meckerte er weiter, „dann hätte es …“

Hasard legte seinem Profos leicht die Hand auf die Schulter.

Carberry drehte sich um und grinste schief.

„Hätte und wenn hilft uns keinen Schritt weiter, Ed! Bei dem Gefasel und den Selbstvorwürfen kommt leider nichts heraus. Überlegen wir lieber, um nach einem erfolgversprechenden Weg zu suchen.“

„Tut mir leid“, murmelte der Profos. „Ich denke gerade daran, daß die anderen schon bald auf dem Meer sind.“

Hasard hob die Schultern.

„Ich weiß nicht. Anfangs glaubte ich, Siri-Tong würde hinter der Insel warten. Aber man hat keinen Einblick in die Bucht. Der Urwald versperrt die gesamte Sicht.“

„Wenn sie weitergefahren sind, können wir sie ohnehin nicht sehen“, murmelte Carberry.

„Wir warten den morgigen Tag und die zweite Flut ab“, sagte der Seewolf, „vorausgesetzt, die Flut bringt uns nicht heute noch herunter. Hilft das auch nichts, werden wir leichtern, und damit ihr nicht auf trübe Gedanken verfallt, bringen wir jetzt beide Anker aus, bis zum letzten Yard Tau. Ihr holt die Trossen straff, sonst drückt uns der Strom immer weiter auf die Bank.“

„Aye, aye, Sir“, sagte Carberry. „Wenn die Anker halten, können wir uns morgen vielleicht daran ’runterziehen.“

Augenblicklich kam Leben in ihn, er drehte sich um und fixierte die Männer an Deck.

„Auf, auf, ihr verlausten Heringe!“ dröhnte seine Stimme. „Fiert die Boote ab, bringt Stock- und Heckanker aus! Willig, Leute, und nicht so lahmarschig! Nennt ihr das etwa Boote wegfieren, was, wie? Fiert weg, fiert weg, ihr Rübenschweine, oder soll ich euch reihenweise die Haut in Streifen von euren verdammten Affenärschen abziehen?“

„Gott sei Dank, jetzt ist er wieder normal“, meinte Blacky erleichtert. „Wenn er seine großmäuligen Sprüche klopft, kann nichts mehr schiefgehen.“

„Hoffentlich flucht er weiter“, sagte Luke Morgan.

Der Profos tat ihnen den Gefallen, denn jetzt war er wieder in seinem Element. Seine Flüche hallten über Deck, bis sich um die Lippen des Seewolfes ein leichtes Lächeln stahl.

„Nichts wirkt auf den Profos so erleichternd wie Fluchen“, sagte er zu Ben Brighton. „Sieh dir die Leute an! Die haben direkt entzückte Gesichter und arbeiten wie besessen.“

„Hmm, er ist ein guter Zuchtmeister“, gab Ben zu. „Das kann keiner besser als er.“

Es gab noch mehr Flüche, als sie mit dem schweren Anker im Boot gegen den Strom anruderten und ihn dann ausbrachten, so lang die Trosse war, und das waren immerhin gut hundertzwanzig Yards.

Aber unter Carberrys wildem Brüllen wurde auch das geschafft. Jetzt lagen beide Anker weit draußen im Strom, und am Spill standen die Männer bei den Spaken und drehten, bis die Trossen straff waren und ihr Lied sangen.

„Gut so“, sagte der Seewolf, „nicht mehr weiter einholen.“

Er warf einen Blick auf das Wasser. Nein, an die Flut war vor Sonnenuntergang nicht zu denken. Selbst wenn sie kam, konnte man in diesem weitverzweigten Flußdelta nicht navigieren, ohne Gefahr zu laufen, erneut mit einer Sandbank Bekanntschaft zu schließen.

„Zwei Mann gehen Deckswache, einer bleibt im Ausguck!“ ordnete er an, als er noch einmal das Schiff inspizierte.

Die Stimmung war nicht gerade die beste an Bord der „Isabella“, dachte er, aber vorerst ließ sich das nicht ändern.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 86

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