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Parasoziale Interaktion

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Immer wieder ist in den Zeitungen zu lesen, dass sich Männer über das Internet Hals über Kopf in fremde Frauen verlieben, die in Wahrheit gar keine Frauen sind, sondern Kriminelle. Die Masche nennt sich Romance Scamming. Die Kriminellen, meist sesshaft in Übersee, bauen via Chat und falschen Fotos Vertrauen zu ihren Opfern auf. Die Kriminellen bitten um Geldbeträge – wieder und wieder. Die Männer bezahlen, denn sie wollen der Frau ja helfen. Irgendwann verschwindet die Frau, und zurück bleibt ein gebrochenes Herz. Ist es möglich, sich über sprachliche Kommunikation zu verlieben? Ja!

Mit Beginn des Fernsehzeitalters in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts tritt in Deutschland ein höchst interessantes Phänomen auf. Frauen verlieben sich in Nachrichtensprecher, die sie persönlich gar nicht kennen. Dennoch verschicken die Frauen Liebesbriefe, Glückwunschkarten und Geschenke an die Fernsehstars. Es entwickeln sich parasoziale Beziehungen, die durch parasoziale Interaktion entstehen.

Definition | Parasoziale Interaktion

Parasoziale Interaktion meint die Illusion eines gesprächshaften Austausches zwischen Medienfigur (Schauspieler, Moderatoren, Influencer etc.) und Rezipient. Bei den Rezipienten, beispielsweise den Fans in den Sozialen Medien, kann sich das Gefühl einstellen, dass sie von der Figur persönlich angesprochen werden.8 Auf diese Weise entwickeln sich recht intensive Beziehungen (Liebe, Freundschaft, Feindschaft etc.). Besonders in ökonomischen Betrachtungen sind parasoziale Beziehungen relevant, etwa zum Erfolg von Teleshopping9, Multi Level Marketing (MLM) und – jetzt neu – Influencer-Marketing.

Wie intensiv solche Beziehungen sein können und wie schnell erreichbar sie sind, zeigt ein aktuelles Beispiel aus dem Bayerischen Wald:

Eine Frau ist via Instagram auf einer vermeintlich offiziellen Fanseite des Hollywood-Schauspielers Keanu Reeves unterwegs. Der falsche Star kontaktiert die Frau und es entwickelt sich ein vertrautes Gespräch. Schon bald ergattert die Frau sogar die private Handynummer des falschen Superstars. Der Flirt läuft über WhatsApp weiter. Plötzlich spricht der Star über seine Geldprobleme und bittet die Frau um 39.000 Dollar.10

Vertrauen entsteht erstens über sprachliche Kommunikation, genauer gesagt: über die Art und Weise der sprachlichen Kommunikation. Schlaue Influencer kommunizieren mit ihren Fans umgangssprachlich, authentisch und lebensnah. Zweitens sind das Bild- und Videomaterial entscheidend. YouTube-Stars filmen sich in Alltagssituationen oder beim Zocken von Videospielen per Facecam.

Influencer posten auf Instagram kleine persönliche Videos, die sie beim Abholen eines Milchshakes im Drive-in-Restaurant zeigen. Die Fans fühlen sich geehrt, dass sie in solchen alltäglichen Situationen, die ja wirklich banal sind, dabei sein dürfen. Sie glauben, den Influencer gut zu kennen, denn nun wissen sie ja, dass ihr Star nicht auf Vanille-, sondern Erdbeergeschmack steht. Der Star wird zum Freund und somit glaubwürdig.

Hexendoktor, Sniper oder Sexgöttin

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