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Kapitel 2

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Sie erwachte neben Götz, der erst gegen 10:00 Uhr im Büro sein musste und den Luxus genoss noch weiterschlafen zu können.

Ein wenig mürrisch machte sich Sylvia also im Bad frisch, während der Kaffeeautomat bereits in der Küche rumorte.

Der Gedanke, den Kellner des Cafés zu befragen, hatte seit dem Vorabend erheblich an Überzeugungskraft eingebüßt. Vielleicht sollte sie das Ganze einfach vergessen. Das führte doch zu nichts! Sie würde sich bestenfalls furchtbar blamieren, dachte sie. Selbst wenn der Kellner ihr etwas über den Mann erzählen konnte, was würde sie schon mit diesen Informationen anfangen wollen? Zu ihm nach Hause spazieren, klingeln und wenn er öffnete, fröhlich so etwas sagen wie: „Hallo, ich bin die Frau die sie gestern im Café so verführerisch angelächelt haben. Hier bin ich. Bitte vögeln sie mich mal rasch in den siebten Himmel!“?

Sie lachte gleichzeitig irritiert und belustigt auf. Zum einen, weil ihr derartige Gedanken normalerweise nicht durch den Kopf stoben, zum anderen, weil die Vorstellung, mal eben in den siebten Himmel gevögelt zu werden, schließlich auch etwas für sich hatte, wie ihr Unterleib ihr eindeutig verriet, während sie darüber nachdachte und sich das Bild dieses sexy Mannes partout nicht verflüchtigen wollte.

Woher kam auf einmal diese Sehnsucht, dieser unbändige Wunsch nach prickelndem Sex? Ja genau das war es; sie wollte heiße, sündige Erotik erleben!

Sylvia verstand sich selbst kaum mehr. Es war zum aus der Haut fahren.

Sie musste feststellen, dass über diese seltsam verruchten Gedanken selbst ihr Kaffee lauwarm geworden war. Sie schüttete ihn in der Spüle aus, öffnete kurz den Wasserhahn, damit die hässlichen Kaffeereste weggespült wurden und sah zu, dass sie aus dem Haus kam um ihre U-Bahn noch rechtzeitig zu erreichen. Diesen Triumph wollte sie Frau Solcher unter keinen Umständen gönnen.

Zum Mittagessen ging sie, wie gewöhnlich, mit Kolleginnen aus der Abteilung in die Kantine. Heute fiel es ihr jedoch nicht leicht, sich an dem üblichen Klatsch und Tratsch Geschichten zu beteiligen, mit denen sie normalerweise gemeinsam, die eher schale Kantinenkost würzten. Dennoch erledigte sie ihre Arbeit so routiniert und effektiv, wie man es von ihr gewohnt war.

Gegen 15:00 Uhr tobte ihr Smartphone kurz auf dem Schreibtisch herum, um ihr vibrierend die Ankunft einer Textnachricht von Götz mitzuteilen: Hallo Schatz, bei mir wird es heute später. Tut mir leid. Warte besser nicht auf mich mit dem Abendbrot. Ich liebe dich!

Nicht nur, dass er mal wieder später heimkommen würde; nein, er hatte es schlichtweg vergessen! Dabei hatten sie heute Abend gemeinsam essen gehen wollen. Enttäuscht rief sie beim Italiener an, den sie gelegentlich besuchten und stornierte mit kargen Worten die Tischreservierung.

Die Antwort an Götz bestand nicht in einer SMS, sondern in der Manifestation des Entschlusses, nach Feierabend in das Café zu gehen und sich ratsuchend an den Kellner zu wenden.

Gegen viertel vor fünf, schlenderte Sylvia über den Schlossplatz, am Café vorbei. Aus den Augenwinkeln scannte sie die Sitzplätze des Außenbereichs möglichst unauffällig ab, konnte jedoch niemand Bekanntes entdecken. Schließlich beschloss sie vorzugeben auf die Toilette zu müssen, um sich auch im Inneren des Cafés zu vergewissern. Da sie hier mehr oder weniger regelmäßig zu Gast war, würde ihr schon niemand verwehren die Toilette zu besuchen. Der junge Kellner verrichtete auch heute seinen Dienst. Er hatte sie gleich erkannt und ihr freundlich zugenickt, während er geschickt einige Kuchenteller und Tassen auf einem Tablett durch den Gastraum balancierte. Sie suchte die Toilette auf, wusch sich die Hände und nahm, ein klein wenig enttäuscht, an einem der wenigen noch freien Tische im Außenbereich Platz.

Der Kellner erschien recht zügig, und Sylvia bestellte ihren üblichen Latte Macchiato, ohne es jedoch zu wagen, ihn nach dem Paar von gestern zu fragen. Sie nahm ihren Krimi aus der Handtasche, setzte ihre Sonnenbrille auf und versuchte sich auf die Geschehnisse ihres Romans zu konzentrieren. Mit mäßigem Erfolg. Heute war sie kaum in der Lage, dem innerstädtischen Lärmpegel der Fußgängerzone der Landeshauptstadt zu trotzen. Während sie ihn an anderen Tagen schon als eine seicht dahinfließende Hintergrundmusik wahrgenommen hatte, empfand sie ihn heute lediglich als störende Belastung.

Sie ärgerte sich darüber, dass ihr Mann sie versetzt hatte, aber noch mehr, dass er ihre Verabredung schlicht vergessen zu haben schien. So etwas ist doch ein Merkmal, einer nicht mehr gut funktionierenden Partnerschaft, dachte Sylvia und war ganz in Gedanken, als der Kellner unvermittelt neben ihr erschien, er hatte bemerkt, dass sie ihr Glas mittlerweile geleert hatte.

„Haben sie noch einen weiteren Wunsch?“, erkundigte er sich höflich lächelnd.

Sylvia schaute auf. „Wie bitte? Äh, nein danke. Oder doch. Ich möchte zahlen, bitte.“

Der hübsche Kellner lächelt vielsagend: „Dies ist nicht notwendig. Die Rechnung wurde bereits im Voraus beglichen.“

„Wie bitte?“, fragte Sylvia, sichtlich irritiert.

Er lächelte unbeirrt weiter und meinte verschwörerisch: „Am frühen Nachmittag, sprach mich ein Herr an. Er wusste ihren Namen nicht, konnte sie jedoch beeindruckend gut beschreiben. So gut, dass ich sie gleich wiedererkannt habe. Er hat sich nach ihnen erkundigt. Selbstverständlich habe ich ihm nichts über Sie gesagt, und ich wüsste ja in der Tat auch wenig über sie zu berichten. Dennoch bat er mich eindringlich darum, den nächsten Latte Macchiato bezahlen zu dürfen, den sie bei uns so gerne genießen. Er bestand nahezu darauf.“

Sylvia war schockiert: „Und wie sah er aus? Können sie ihn beschreiben?“

Die Augen des jungen Kellners blickten kurz gen Himmel, gleichzeitig tippte er sich mit dem Zeigefinger an sein Kinn, während er angestrengt nachzudenken schien. „Jaja, natürlich. Ich denke schon. Also er war groß, ziemlich durchtrainiert, würde ich sagen und sehr elegant gekleidet. Vielleicht so um die vierzig Jahre. Wenn ich es mir recht überlege, dann war er gestern schon einmal hier. Aber war er nicht in Begleitung einer Dame? Hm, so ganz genau weiß ich es nicht mehr. Tut mir leid.“

„Hat er sonst etwas gesagt? Hat er ihnen seinen Namen genannt?“, wollte Sylvia wissen.

„Nein, tut mir wirklich leid. Da kann ich ihnen leider nicht weiterhelfen. Sind sie sicher, dass ich ihnen nichts mehr bringen darf?“

Sylvia lehnte dankend ab, und der Kellner verließ ihren Tisch.

Was sollte das alles, diese Geheimniskrämerei? Verwirrt lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück, nur um sich im nächsten Moment wieder vorzubeugen und ihre Umgebung mit den Augen nach ihrem verklemmten Gastgeber abzusuchen.

Er war nicht zu entdecken. Sie war enttäuscht und ein klein wenig verärgert über dieses Verhalten. Als sie sich gerade erhob, um zu gehen, vernahm sie die Stimme, die sie sogleich wiedererkannte.

„Verzeihung, das war nicht meine Absicht!“

Sie wandte sich nach rechts und schaute ihn überrascht an.

„Wie bitte?“

„Sie zu verärgern. Das war nicht meine Absicht, das dürfen sie mir glauben“, sagte er, ein sympathisches Lächeln umspielte dabei seine Lippen.

„Sie haben mich beobachtet!“, sagte sie gedehnt und mit leichtem Vorwurf in der Stimme und vermutete, dass er sich die ganze Zeit irgendwo hinter ihr aufgehalten hatte.

„Ja, das habe ich wohl, während sie ihren Latte Macchiato genossen. Und ich bekenne mich schuldig. Schuldig im Sinne der Anklage, aber mit den lautersten Absichten. Ich hoffe, das wirkt sich ein wenig mildernd auf ihr Urteil über mich aus. Und wenn sie mir erlauben mich vorzustellen; Pascal Mendoza ist mein Name.“ Auch jetzt wich dieses sichere, sympathische Lächeln nicht von seinen Lippen.

„Und wie möchten sie die beweisen, ihre lauteren Absichten?“, lächelte Sylvia ein wenig verschlagen zurück.

„Nun, wenn sie mir ein klein wenig Ihrer kostbaren Zeit opfern möchten, werde ich diese während eines weiteren Getränks gerne nutzen um Ihnen etwas mehr als nur meinen Namen zu nennen. Und vielleicht, erfahre ich ja auch den ihren. Besitzen sie doch diesbezüglich einen Informationsvorsprung mir gegenüber.“

„Vielleicht sollten wir den in der Tat relativieren“, antwortete sie keck.

Zustimmend lächelnd zog er sich den zweiten freien Stuhl des kleinen runden Tisches heran, nahm Platz und schaute ihr die Augen. Noch hielt Sylvia diesem gleichzeitig offenen und tiefgründigen Blick aus dunkelbraunen Pupillen stand.

„Und?“, formulierte er fragend.

„Und was?“, entgegnete sie harmlos, während auch ihre Lippen von einem sanften Lächeln umspielt wurden.

„Sie waren im Begriff mir ihren Namen zu verraten.“

„War ich das?“, provozierte sie ihn. „Ich vermute, sie hingegen sind im Begriff herauszufinden, ob sich ihre kleine Kaffeeinvestition auch amortisiert.“

„Aber das hat sie doch bereits eindeutig. Ich darf hier neben ihnen sitzen.“

Sie erwiderte seinen Blick noch immer, nickte bedächtig.

„Sylvia Behringer. So heiße ich, Herr Mendoza.“

„Nun, Frau Behringer, da wir beide uns nun vorgestellt haben, uns nicht mehr völlig fremd sind, rege ich, anstelle eines Drinks, einen kleinen gemeinsamen Spaziergang durch den Schlosspark an. Denn beim Laufen plaudert es sich doch gleich viel angenehmer.“

„Verraten sie mir, warum ich das wollen sollte.“

Pascal Mendoza war auch heute wieder in einen teuren Anzug gehüllt, und aus der Nähe war zu erkennen, dass Sylvias gestriger Eindruck durchaus in Einklang mit der Realität stand. Er schien eine nahezu athletische Figur zu haben.

Er rückte noch ein klein wenig näher zu ihr heran, suchte den Blickkontakt und sagte schließlich, langsam und beinahe eindringlich: „Nun, Sylvia Behringer, wenn sie es so sehr von mir fordern, werde ich ihnen gerne bestätigen, was sie bereits erahnen. Die gestrigen, verstohlenen Blicken, die wir uns zuwarfen, aus denen bereits heute Lächeln wurde, die Art und Weise, wie wir uns unterhalten, uns abtasten, das ist die Antwort auf ihre Frage. Wir beide sind furchtbar neugierig aufeinander. Gestatten sie uns beiden das harmlose Abenteuer, einander besser kennenzulernen.“

Sylvia verspürte den dringenden Wunsch, ihre Entrüstung über seine Worte offen auszusprechen, die so verkehrt klangen in ihren Ohren und gleichzeitig so präzise ihr Empfinden trafen.

Pascal Mendoza schien ihre Bedenken wahrzunehmen. Er erhob sich und reichte ihr auffordernd seine starke, rechte Hand. „Komm!“, sagte er und Sylvia konnte nur schwer einordnen, ob es eine Bitte oder ein Befehl war.

Sie ergriff marionettenartig seine dargebotene Hand ging wortlos, keines klaren Gedanken fähig, neben ihm her in Richtung Schlosspark.

In dieser Jahreszeit stand der Park in voller Blüte, und Pascal begann den Smalltalk, als er sein Wissen über die verschiedensten Blumen, die hier angepflanzt worden waren, auf unterhaltsame Weise kundtat. Dieser große, starke Mann wusste, mit seiner Bassstimme, Geschichten über das Rosenzüchten so zu erzählen, dass es eine Freude war ihm zuzuhören. Nach wenigen Minuten, die ausreichten um Sylvia in seinen Bann zu ziehen, hatte er beim Durchschlendern des Parks bereits seinen Arm um ihre Schultern gelegt.

Sylvia spürte, dass dieser Mann mit keinem anderen vergleichbar war, der jemals ihren Weg gekreuzt hatte. Pascal besaß eine enorme Selbstsicherheit, ohne dabei überheblich zu wirken, er war ohne jeden Zweifel gebildet, gewandt im Auftreten, besaß eine ordentliche Portion Charisma und diese ganze Kombination war in einem wahnsinnig attraktiven Körper verpackt. Der Mann war gefährlich für sie. Er war ein Jäger. Und für Sylvia bestanden kaum Zweifel, dass er ein Meister seines Faches wäre.

Sie nahmen auf einer der Parkbänke Platz und plauderten über Belanglosigkeiten. Pascal brachte sie zum Lachen, und sie fühlte sich wohl in seiner Nähe. Dieser kräftige, muskulöse Arm um ihre Schultern, er signalisierte ihr in Sicherheit zu sein. Dann nahm er ihre Hand in die seine und küsste sie. Im nächsten Moment war Pascal ganz dicht bei ihr, dann fanden sich ihre Lippen. Nur für einen kurzen, verspielten Moment, unbeobachtet von den anderen Parkbesuchern, die ihnen keinerlei Aufmerksamkeit zu schenken schienen, denn was war schon Besonderes daran, dass sich an einem Sommernachmittag im Stuttgarter Schlosspark, zwei Menschen küssten.

Sylvia wich leicht zurück. Sie benahm sich wie ein Schulmädchen, dass nur zu gern bereit war, sich von dem süßen Typen, hinter dem alle her waren, verführen zu lassen. Doch noch immer hielt Pascal sie fest in seinen starken Armen, noch immer nahm niemand Notiz von ihnen. Sie konnte nicht mehr klar denken. Dieser Kuss eben, es war, als hätte er eine Tür aufgestoßen, die Tür zur verbotenen Leidenschaft. Ihre Lippen fanden sich erneut, und Sylvia geriet in einen Strudel heftiger Empfindungen.

Fast widerwillig lösten sie sich voneinander, lediglich das Bewusstsein, in der Öffentlichkeit etwas Ungebührliches zu treiben, vielleicht sogar erkannt zu werden, ließ sie zur Räson kommen. Pascals verheißungsvoller Blick ruhte jedoch weiterhin auf ihr, und sie erkannte die wilden, unbändigen Flammen, die darin loderten. Sie wollte dieses Feuer unbedingt erleben, und wenn es sie verschlingen würde.

Tödlicher Fetisch

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