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4.

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Katinka schlenderte über das Gelände. Der Wind ließ die Tischdecken flattern. Jemand brachte ein paar Feldsteine, um sie zu beschweren. Gelächter. Ein Sektglas fiel um. Leute wuselten umher. Mehr Gäste kamen vom Parkplatz herüber.

Eine runde Frau um die 50 mit kurz geschnittenem grauen Haar und einem Korb am Arm trat Katinka in den Weg.

»Grüß Gott!« Ein Namensschildchen an ihrem Pullover wies sie als Schwester Irmtraud aus. »Wir haben Badges für unsere Gäste vorbereitet, damit wir wenigstens voneinander wissen, wie wir heißen.«

»Katinka Palfy.«

Die Schwester wühlte im Korb. »Bitte, für Sie! Ich hoffe, Sie hatten eine gute Anreise?«

»Hatten wir. Ich bin eine Freundin von Anja Riedeisen. Sie hat als Freiwillige hier ein soziales Jahr absolviert. Vor 30 Jahren.«

»Ich bin erst seit drei Jahren hier. Die Namen von früher sagen mir leider nicht viel.«

»Darf ich neugierig sein?«, bat Katinka. »Warum tragen Sie keine Ordenstracht?«

»Meine Generation tut das nur noch bei Bedarf.« Sie lächelte. »Ihnen wird dies vielleicht eigenartig vorkommen. Dennoch: Ich bin die jüngste Schwester in diesem Altenheim. Mit 55!«

»Ich habe gehört, es gibt bloß noch vier Schwestern.«

»Stimmt. Wir halten die Fahne hoch!« Sie nickte Katinka zu und ging weiter zu den nächsten Gästen, die gerade vom Parkplatz herüberkamen, ein Paar mit zwei Kindern.

»Herzlich willkommen«, rief Schwester Irmtraud. »Verraten Sie mir Ihre Namen? Wir haben Badges vorbereitet.«

»Martin Süderbeck«, sagte der Mann. »Und Carola. Meine Frau.«

Sieh an, das ist er also, dachte Katinka. Anja Riedeisens erste Liebe.

Martin Süderbeck war groß, schlaksig, sein lockiges braunes Haar lichtete sich bereits, aber der grau melierte Dreitagebart gab ihm ein charmantes Aussehen. Er lächelte Schwester Irmtraud an, als er sein Namensschild in Empfang nahm. Grübchen in den Wangen. Ein jung gebliebenes Gesicht.

»Bitte sehr«, freute sich Schwester Irmtraud. »Und für die Kinder?«

»Linda und Delia. Eigentlich wollten sie gar nicht mit, lieber bei der Oma bleiben, nicht wahr?«, wandte er sich an zwei Mädchen von etwa zehn Jahren, die einander glichen wie das berühmte Ei dem anderen.

»Seid ihr Zwillinge?«, wollte Schwester Irmtraud wissen.

»Klar, sieht man doch«, antwortete die eine cool.

Katinka musste grinsen. Durchsetzungsvermögen und Wurstigkeit gegenüber Autoritäten konnte ein Mädchen nicht früh genug lernen.

Unauffällig behielt sie die Süderbecks im Blick, während sie weiterging. Das Gebäude auf der rechten Hofseite wirkte verlassen. Am Eingang prangte ein Schild: Fremdsprachenkorrespondentenschule. In einem Plastikkasten daneben warteten Flyer auf Interessenten. Katinka drückte die schwere Türklinke. Verschlossen.

»Das Internatsgebäude ist das andere«, erklärte jemand.

Katinka drehte sich um. »Gut, dass Sie es sagen. Ich war noch nie hier.«

Der Mann warf sich in die Brust. »Nein?«

Sie lugte auf sein Namensschild. Manfred Krone. »Und Sie?«

»Ich habe mein halbes Leben in diesem Haus als Pädagoge Dienst getan.«

»Zusammen mit Ihrer Frau, habe ich recht?«

Er starrte Katinka missmutig an. Es war offensichtlich, dass er dieses Detail gerne bühnenreif ausgestaltet hätte.

»Und nun gehen Sie in Frührente. Sehen Sie, so schnell sprechen sich Dinge herum.«

Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das kenne ich wirklich zur Genüge. Wir haben es im Albertus-Magnus-Zentrum mit einer Börse zu tun, nichts bleibt unbekannt.«

»Schwester Romana hat es mir erzählt.«

»Romana! Der Name ist Programm. Die Ähnlichkeit mit dem Wort ›Roman‹ fällt ja wohl gleich auf. Also mit einem dicken Schmöker.« Krone hoffte auf eine Reaktion, die ihm belegte, dass sein Witz gut war.

Katinka ging nicht auf ihn ein. »Sie sieht jung aus. Nicht wie 80.«

»Nein, sie hat sich gut gehalten, hat ununterbrochen überall mitgemischt. Wer mit jungen Leuten arbeitet, bleibt im Herzen frisch.«

Du aber nicht, dachte Katinka, während sie den Lodenjanker und den Bauchansatz über der Cordhose ihres Gegenübers musterte.

»Mag sein.«

»Sind Sie auch im Internatsgeschäft tätig?«

»Bloß Begleitperson. Ich bin eine Freundin von Anja Ried­eisen. Früher Mähling.«

Täuschte sie sich, oder wurde Krone tatsächlich eine Spur blasser?

»Wahrhaftig? Anja ist hier? Sie war eine sehr tüchtige Freiwillige. Hat sich schnell reingefunden. Der Winter damals, der dauerte fast ein Dreivierteljahr. Wobei …« Er zögerte. »Kein ganz unproblematisches Jahr.«

»Wegen des Winters?«

»Nein. Pädagogisch gesehen. Ich hoffe, Sie genießen das Wochenende!« Er ließ Katinka stehen.

*

Rhöner Nebel

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