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Prolog

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Gesprochen bei Wiedereröffnung der Schaubühne in Weimar im Oktober 1798

Der scherzenden, der ernsten Maske Spiel,

Dem ihr so oft ein willig Ohr und Auge

Geliehn, die weiche Seele hingegeben,

Vereinigt uns aufs neu in diesem Saal

Und sieh! er hat sich neu verjüngt, ihn hat

Die Kunst zum heitern Tempel ausgeschmückt,

Und ein harmonisch hoher Geist spricht uns

Aus dieser edeln Säulenordnung an,

Und regt den Sinn zu festlichen Gefühlen.

Und doch ist dies der alte Schauplatz noch,

Die Wiege mancher jugendlichen Kräfte,

Die Laufbahn manches wachsenden Talents.

Wir sind die Alten noch, die sich vor euch

Mit warmem Trieb und Eifer ausgebildet.

Ein edler Meister stand auf diesem Platz,

Euch in die heitern Höhen seiner Kunst

Durch seinen Schöpfergenius entzückend.

O! möge dieses Raumes neue Würde

Die Würdigsten in unsre Mitte ziehn,

Und eine Hoffnung, die wir lang gehegt,

Sich uns in glänzender Erfüllung zeigen.

Ein großes Muster weckt Nacheiferung

Und gibt dem Urteil höhere Gesetze.

So stehe dieser Kreis, die neue Bühne

Als Zeugen des vollendeten Talents.

Wo möcht es auch die Kräfte lieber prüfen,

Den alten Ruhm erfrischen und verjüngen,

Als hier vor einem auserlesnen Kreis,

Der rührbar jedem Zauberschlag der Kunst,

Mit leisbeweglichem Gefühl den Geist

In seiner flüchtigsten Erscheinung hascht?

Denn schnell und spurlos geht des Mimen Kunst,

Die wunderbare, an dem Sinn vorüber,

Wenn das Gebild des Meißels, der Gesang

Des Dichters nach Jahrtausenden noch leben.

Hier stirbt der Zauber mit dem Künstler ab,

Und wie der Klang verhallet in dem Ohr,

Verrauscht des Augenblicks geschwinde Schöpfung,

Und ihren Ruhm bewahrt kein daurend Werk.

Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis,

Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze,

Drum muß er geizen mit der Gegenwart,

Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,

Muß seiner Mitwelt mächtig sich versichern,

Und im Gefühl der Würdigsten und Besten

Ein lebend Denkmal sich erbaun – So nimmt er

Sich seines Namens Ewigkeit voraus,

Denn wer den Besten seiner Zeit genug

Getan, der hat gelebt für alle Zeiten.

Die neue Ära, die der Kunst Thaliens

Auf dieser Bühne heut beginnt, macht auch

Den Dichter kühn, die alte Bahn verlassend,

Euch aus des Bürgerlebens engem Kreis

Auf einen höhern Schauplatz zu versetzen,

Nicht unwert des erhabenen Moments

Der Zeit, in dem wir strebend uns bewegen.

Denn nur der große Gegenstand vermag

Den tiefen Grund der Menschheit aufzuregen,

Im engen Kreis verengert sich der Sinn,

Es wächst der Mensch mit seinen größern Zwecken.

Und jetzt an des Jahrhunderts ernstem Ende,

Wo selbst die Wirklichkeit zur Dichtung wird,

Wo wir den Kampf gewaltiger Naturen

Und ein bedeutend Ziel vor Augen sehn,

Und um der Menschheit große Gegenstände,

Um Herrschaft und um Freiheit wird gerungen,

Jetzt darf die Kunst auf ihrer Schattenbühne

Auch höhern Flug versuchen, ja sie muß,

Soll nicht des Lebens Bühne sie beschämen.

Zerfallen sehen wir in diesen Tagen

Die alte feste Form, die einst vor hundert

Und funfzig Jahren ein willkommner Friede

Europens Reichen gab, die teure Frucht

Von dreißig jammervollen Kriegesjahren.

Noch einmal laßt des Dichters Phantasie

Die düstre Zeit an euch vorüberführen,

Und blicket froher in die Gegenwart

Und in der Zukunft hoffnungsreiche Ferne.

In jenes Krieges Mitte stellt euch jetzt

Der Dichter. Sechzehn Jahre der Verwüstung,

Des Raubs, des Elends sind dahingeflohn,

In trüben Massen gäret noch die Welt,

Und keine Friedenshoffnung strahlt von fern.

Ein Tummelplatz von Waffen ist das Reich,

Verödet sind die Städte, Magdeburg

Ist Schutt, Gewerb und Kunstfleiß liegen nieder,

Der Bürger gilt nichts mehr, der Krieger alles,

Straflose Frechheit spricht den Sitten Hohn,

Und rohe Horden lagern sich, verwildert

Im langen Krieg, auf dem verheerten Boden.

Auf diesem finstern Zeitgrund malet sich

Ein Unternehmen kühnen Übermuts

Und ein verwegener Charakter ab.

Ihr kennet ihn – den Schöpfer kühner Heere,

Des Lagers Abgott und der Länder Geißel,

Die Stütze und den Schrecken seines Kaisers,

Des Glückes abenteuerlichen Sohn,

Der von der Zeiten Gunst emporgetragen,

Da Ehre höchste Staffeln rasch erstieg,

Und ungesättigt immer weiter strebend,

Der unbezähmten Ehrsucht Opfer fiel.

Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt

Schwankt sein Charakterbild in der Geschichte,

Doch euren Augen soll ihn jetzt die Kunst,

Auch eurem Herzen, menschlich näherbringen.

Denn jedes Äußerste führt sie, die alles

Begrenzt und bindet, zur Natur zurück,

Sie sieht den Menschen in des Lebens Drang

Und wälzt die größre Hälfte seiner Schuld

Den unglückseligen Gestirnen zu.

Nicht er ists, der auf dieser Bühne heut

Erscheinen wird. Doch in den kühnen Scharen,

Die sein Befehl gewaltig lenkt, sein Geist

Beseelt, wird euch sein Schattenbild begegnen,

Bis ihn die scheue Muse selbst vor euch

Zu stellen wagt in lebender Gestalt,

Denn seine Macht ists, die sein Herz verführt,

Sein Lager nur erkläret sein Verbrechen.

Darum verzeiht dem Dichter, wenn er euch

Nicht raschen Schritts mit einem Mal ans Ziel

Der Handlung reißt, den großen Gegenstand

In einer Reihe von Gemälden nur

Vor euren Augen abzurollen wagt.

Das heutge Spiel gewinne euer Ohr

Und euer Herz den ungewohnten Tönen,

In jenen Zeitraum führ es euch zurück,

Auf jene fremde kriegerische Bühne,

Die unser Held mit seinen Taten bald

Erfüllen wird.

Und wenn die Muse heut,

Des Tanzes freie Göttin und Gesangs,

Ihr altes deutsches Recht, des Reimes Spiel,

Bescheiden wieder fordert – tadelts nicht!

Ja danket ihrs, daß sie das düstre Bild

Der Wahrheit in das heitre Reich der Kunst

Hinüberspielt, die Täuschung, die sie schafft,

Aufrichtig selbst zerstört und ihren Schein

Der Wahrheit nicht betrüglich unterschiebt,

Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.

Wallenstein

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