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Erster Auftritt
ОглавлениеKARLOS. DOMINGO.
DOMINGO.
Die schönen Tage in Aranjuez
Sind nun zu Ende. Eure königliche Hoheit
Verlassen es nicht heiterer. Wir sind
Vergebens hier gewesen. Brechen Sie
5Dies rätselhafte Schweigen. Öffnen Sie
Ihr Herz dem Vaterherzen, Prinz. Zu teuer
Kann der Monarch die Ruhe seines Sohns –
Des einz’gen Sohns – zu teuer nie erkaufen.
(Karlos sieht zur Erde und schweigt.)
Wär noch ein Wunsch zurücke, den der Himmel
10Dem liebsten seiner Söhne weigerte?
Ich stand dabei, als in Toledos Mauern
Der stolze Karl die Huldigung empfing,
Als Fürsten sich zu seinem Handkuss drängten.
Und jetzt in Einem – Einem Niederfall
15Sechs Königreiche ihm zu Füßen lagen –
Ich stand und sah das junge stolze Blut
In seine Wangen steigen, seinen Busen
Von fürstlichen Entschlüssen wallen, sah
Sein trunknes Aug durch die Versammlung fliegen,
20In Wonne brechen – Prinz, und dieses Auge
Gestand: Ich bin gesättigt.
(Karlos wendet sich weg.) Dieser stille
Und feierliche Kummer, Prinz, den wir
Acht Monde schon in Ihren Blicken lesen,
Das Rätsel dieses ganzen Hofs, die Angst
25Des Königreichs, hat Seiner Majestät
Schon manche sorgenvolle Nacht gekostet,
Schon manche Träne Ihrer Mutter.
[6]KARLOS (dreht sich rasch um).
Mutter!
– O Himmel, gib, dass ich es dem vergesse,
Der sie zu meiner Mutter machte!
DOMINGO.
Prinz!
KARLOS (besinnt sich und fährt mit der Hand über die Stirne).
30Hochwürd’ger Herr – ich habe sehr viel Unglück
Mit meinen Müttern. Meine erste Handlung,
Als ich das Licht der Welt erblickte, war
Ein Muttermord.
DOMINGO.
Ist’s möglich, gnäd’ger Prinz?
Kann dieser Vorwurf Ihr Gewissen drücken?
KARLOS.
35 Und meine neue Mutter – hat sie mir
Nicht meines Vaters Liebe schon gekostet?
Mein Vater hat mich kaum geliebt. Mein ganzes
Verdienst war noch, sein Einziger zu sein.
Sie gab ihm eine Tochter – O wer weiß
40Was in der Zeiten Hintergrunde schlummert?
DOMINGO.
Sie spotten meiner, Prinz. Ganz Spanien
Vergöttert seine Königin. Sie sollten
Nur mit des Hasses Augen sie betrachten?
Bei ihrem Anblick nur die Klugheit hören?
45Wie, Prinz? Die schönste Frau auf dieser Welt,
Und Königin – und ehmals Ihre Braut?
Unmöglich Prinz! Unglaublich! Nimmermehr!
Wo alles liebt, kann Karl allein nicht hassen;
So seltsam widerspricht sich Karlos nicht.
50Verwahren Sie sich, Prinz, dass sie es nie,
Wie sehr sie ihrem Sohn missfällt, erfahre;
Die Nachricht würde schmerzen.
KARLOS.
Glauben Sie?
DOMINGO.
Wenn Eure Hoheit sich des letzteren
Turniers zu Saragossa noch entsinnen,
55Wo unsern Herrn ein Lanzensplitter streifte –
Die Königin mit ihren Damen saß
Auf des Palastes mittlerer Tribune,
Und sah dem Kampfe zu. Auf einmal rief’s:
[7]»Der König blutet!« – Man rennt durcheinander,
60Ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr
Der Königin. »Der Prinz?« ruft sie und will,
Und will sich von dem obersten Geländer
Herunterwerfen. – »Nein! Der König selbst!«
Gibt man zur Antwort – »So lasst Ärzte holen!«
65Erwidert sie, indem sie Atem schöpfte.
(Nach einigem Stillschweigen.)
Sie stehen in Gedanken?
KARLOS.
Ich bewundre
Des Königs lust’gen Beichtiger, der so
Bewandert ist in witzigen Geschichten.
(Ernsthaft und finster.)
Doch hab ich immer sagen hören, dass
70Gebärdenspäher und Geschichtenträger
Des Übels mehr auf dieser Welt getan,
Als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht konnten.
Die Mühe, Herr, war zu ersparen. Wenn
Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König.
DOMINGO.
75Sie tun sehr wohl, mein Prinz, sich vorzusehn
Mit Menschen – nur mit Unterscheidung. Stoßen
Sie mit dem Heuchler nicht den Freund zurück,
Ich mein es gut mit Ihnen.
KARLOS.
Lassen Sie
Das meinen Vater ja nicht merken. Sonst
Sind Sie um Ihren Purpur.
DOMINGO (stutzt).
Wie?
KARLOS.
80 Nun ja.
Versprach er Ihnen nicht den ersten Purpur,
Den Spanien vergeben würde?
DOMINGO.
Prinz,
Sie spotten meiner.
KARLOS.
Das verhüte Gott,
Dass ich des fürchterlichen Mannes spotte,
85Der meinen Vater selig sprechen und
Verdammen kann!
[8]DOMINGO.
Ich will mich nicht
Vermessen, Prinz, in das ehrwürdige
Geheimnis Ihres Kummers einzudringen.
Nur bitt ich Eure Hoheit, eingedenk
90Zu sein, dass dem beängstigten Gewissen
Die Kirche eine Zuflucht aufgetan,
Wozu Monarchen keinen Schlüssel haben,
Wo selber Missetaten unterm Siegel
Des Sakramentes aufgehoben liegen –
95Sie wissen was ich meine, Prinz, ich habe
Genug gesagt.
KARLOS.
Nein! Das soll ferne von mir sein,
Dass ich den Siegelführer so versuchte!
DOMINGO.
Prinz, dieses Misstraun – Sie verkennen Ihren
Getreusten Diener.
KARLOS (fasst ihn bei der Hand).
Also geben Sie
100Mich lieber auf. Sie sind ein heil’ger Mann,
Das weiß die Welt – doch, frei heraus – für mich
Sind Sie bereits zu überhäuft. Ihr Weg,
Hochwürd’ger Vater, ist der weiteste,
Bis Sie auf Peters Stuhle niedersitzen.
105Viel Wissen möchte Sie beschweren. Melden
Sie das dem König, der Sie hergesandt.
DOMINGO.
Mich hergesandt –
KARLOS.
So sagt ich. O zu gut,
Zu gut weiß ich, dass ich an diesem Hof
Verraten bin – ich weiß, dass hundert Augen
110Gedungen sind, mich zu bewachen, weiß,
Dass König Philipp seinen einz’gen Sohn
An seiner Knechte schlechtesten verkaufte,
Und jede von mir aufgefangne Silbe
Dem Hinterbringer fürstlicher bezahlt,
115Als er noch keine gute Tat bezahlte.
Ich weiß – O still! Nichts mehr davon. Mein Herz
Will überströmen, und ich habe schon
Zu viel gesagt.
[9]DOMINGO.
Der König ist gesonnen
Vor Abend in Madrid noch einzutreffen.
120Bereits versammelt sich der Hof. Hab ich
Die Gnade, Prinz –
KARLOS.
Schon gut. Ich werde folgen.
(Domingo geht ab. Nach einem Stillschweigen.)
Beweinenswerter Philipp, wie dein Sohn
Beweinenswert! – Schon seh ich deine Seele
Vom gift’gen Schlangenbiss des Argwohns bluten,
125Dein unglücksel’ger Vorwitz übereilt
Die fürchterlichste der Entdeckungen,
Und rasen wirst du, wenn du sie gemacht.