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Der Verzicht auf die BeschneidungBeschneidung im frühen Christentum*

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* Zuerst erschienen: Friedrich Wilhelm Horn, „Der Verzicht auf die Beschneidung im frühen Christentum“, pp. 479–505, New Testament Studies, (1996) ©, Cambridge University Press 1996, reproduced with permission.

Die neutestamentlichen Schriften blicken mehrheitlich mit erheblichem zeitlichem Abstand auf die Anfänge des frühen Christentums zurück. Dieser Blick ist in keinem Fall von einem ausschließlich historischen Interesse geleitet, er dient vielmehr durchgehend der Selbstvergewisserung der eigenen Gegenwart. So erscheint die Verhältnisbestimmung zum Judentum in fast allen Schriften durch eine klare Abgrenzung gekennzeichnet. Der weitgehend negative Verlauf der christlichen Mission an Juden einerseits und der Fall Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. andererseits haben diese neutestamentliche Sicht im Wesentlichen geprägt.

Gleichwohl ist für die Ausbildung von christlichen Gemeinden ein spannungsvolles Verhältnis zum Judentum geradezu konstitutiv. Es impliziert Nähe und Distanz zugleich. Man wird diese Frage auf mehreren Ebenen verfolgen, zugleich um die Gefahren eines simplifizierenden Geschichtsbildes und einer einseitigen Fragestellung wissen müssen. Das Judentum der neutestamentlichen Zeit ist eine ausgesprochen komplexe Größe. Und die Frage nach den Anfängen hat neben den theologischen gleichfalls sozialgeschichtliche, juridische oder auch politische Aspekte zu bedenken.

Ich möchte versuchen, an einem klar begrenzten Aspekt jüdischer Lebenswirklichkeit – der Beschneidung der männlichen Juden – aufzuzeigen, wie und weshalb es zu einem eigenständigen, spezifisch anderen christlichen Weg kam. Ich möchte somit Ihren Blick auf die konkreten Formen gelebter Religion lenken. Parallel hierzu wäre etwa nachzudenken über die Bedeutung der jüdischen Speisegebote, des Sabbatgebotes, der Frömmigkeitsübungen wie Fasten und Almosen. Es sind dies die sog. ‚identity markersidentity markers‘1 jüdischer Existenz im Gegenüber zur heidnischen Welt. Werden sie, wie von einem Teil des entstehenden Christentums, nicht mehr eingehalten, so hebt man das Unterscheidungskriterium auf und dispensiert sich zugleich vom jüdischen Gemeindeverband. Wir wissen, dass vor allem das Heidenchristentum, aber auch gebürtige Juden wie der Apostel Barnabas und Paulus von den Christusgläubigen aus dem heidnischen Raum keine Beschneidung verlangten. Wie kam es zu dieser Entscheidung, was hat diesen Weg begünstigt? Den Stellenwert des Themas mag ein Zitat von M. Hengel präzise anzeigen: „Der Kampf des Paulus gegen die Beschneidung und das Gesetz war […] in den Augen seiner judaistischen Gegner ein ‚Verrat am Judentum.‘“2 Dem religiösen korrespondiert ein politischer Aspekt: Heidenchristen sind ab jetzt von der jüdischen Alltagswelt (Tempelbesuch, Ehe mit einem Juden/einer Jüdin, Anspruch auf jüdische Wohltätigkeit, relative Sonderrechte im römischen Staat) a limine ausgeschossen.

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