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KAPITEL 7.
Eine ernste Gefahr
ОглавлениеLord Flitmore übernahm die erste Wache.
Mit ungeheurer Geschwindigkeit stürzte die Sannah ins Leere.
An der Abnahme der scheinbaren Größe des Mondes berechnete der Lord, daß sie etwa 100 Kilometer in der Sekunde zurücklegte.
„Die Geschwindigkeit wird sich mit der Zeit noch verdoppeln, vielleicht verdreifachen,“ murmelte er; „aber damit wird sie auch ihre höchste Eile erreicht haben. Im gegenwärtigen Tempo würden wir in neun Tagen die Marsbahn kreuzen, mit 300 Kilometern in der Sekunde in drei Tagen; dann würden wir drei Wochen benötigen, um die Jupiterbahn zu erreichen, weitere 25 Tage, um nach dem Saturn zu gelangen, dann 55 Tage bis zum Uranus und etwa 62 Tage bis zum Neptun, im ganzen fünfeinhalb Monate. Das würde elf Monate ausmachen, bis wir wieder zur Erde zurückgelangten, und so lange kann ich wohl hoffen, daß unsere Luftvorräte ausreichen, ganz abgesehen von der Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit, sie auf irgend einem Planeten erneuern zu können, wodurch wir in Stand gesetzt würden, noch unbestimmte Zeit auf die Besichtigung und Erforschung der Planeten zu verwenden, deren Natur unserer Konstitution einen Aufenthalt auf ihrer Oberfläche gestatten würde. So könnten wir also ohne besonderes Risiko bis an die Grenzen unseres Sonnensystems reisen.“
„Prächtig!“ rief eine Stimme.
„Oho, Sie sind’s, Professor?“ sagte der Lord, sich umwendend. „Sie sind zu früh dran; erst in einer halben Stunde kommt die Wache an Sie.“
„Na! Ich habe die zwei Stunden famos geschlafen und fühle mich ganz munter; so wollte ich Ihnen die letzte Zeit Ihrer Wache Gesellschaft leisten; aber Sie werden müde sein; legen Sie sich nur gleich, wenn Sie wollen, ich bin ja auf dem Posten.“
„Ich fühle nichts von Müdigkeit; ich bin es gewohnt, lange zu wachen.“
„Also bis zum Neptun können wir reisen, wenn ich Sie recht verstand? Das ist ja famos!“
„Für mich bedeutet es vielmehr eine Enttäuschung: ich wünschte die Welträume jenseits unsres Sonnensystems zu erforschen; aber das scheint nun ausgeschlossen, denn wir würden bei einer Geschwindigkeit von nur 300 Kilometern in der Sekunde so beiläufig 4500 Jahre brauchen, um den nächsten Fixstern Alpha Centauri zu erreichen.“
„Na, wissen Sie, Lord, wenn wir uns hier in der Unendlichkeit bewegen, außerhalb des Bereichs irdischer Naturgesetze, so ist es ja wohl gar nicht ausgeschlossen, daß wir einige tausend Jahre alt werden,“ scherzte Schultze.
„Und auf leibliche Nahrung und Atmung in gesunder Luft dabei verzichten können,“ ergänzte Flitmore. „Kann sein! Denn was ein Professor für möglich hält, muß sein können. Aber ich fürchte, wir würden an Langerweile zu Grunde gehen, wenn wir viereinhalb Tausend Jährlein durch den leeren Raum reisen wollten.“
„Hören Sie, Lord,“ sagte Schultze unvermittelt: „Die Sonne wird merkwürdig klein!“
Er hatte einen Blick zum Fenster hinausgeworfen und zu seiner Verblüffung bemerkt, daß die Sonnenscheibe kaum noch halb so groß erschien, wie gewöhnlich und auch an Glanz in ähnlichem Verhältnis abgenommen hatte.
Bei einer Geschwindigkeit von 360000 Kilometern in der Stunde war diese Erscheinung ein Rätsel: vier bis fünf Tage von 24 Stunden hätte normalerweise die Fahrt währen müssen, bis die Sonne in solcher Entfernung sich zeigte.
Flitmore wunderte sich zunächst nicht weiter über des Professors Bemerkung: „Ja,“ sagte er, „wir entfernen uns immer mehr von unserm Zentralgestirn.“
Dabei blickte auch er zum Fenster empor.
„Halloh!“ rief er nun aber ganz verblüfft: „Was soll das bedeuten?“
Er griff sich an die Stirn, als zweifle er, ob er wache oder träume.
„Lord, die Sannah macht nicht 300, sondern 15000 Kilometer in der Sekunde,“ rief Schultze aus: „Auf diese Weise erreichen wir Alpha Centauri bereits in 90 Jahren; wenn übrigens die Geschwindigkeit Ihres wunderbaren Weltschiffes im gleichen Tempo noch weiter zunimmt, wie anzunehmen ist, so können auch 90 Tage daraus werden.“
„Ausgeschlossen, völlig ausgeschlossen!“ sagte nun Flitmore ruhig und bestimmt, ging hin und unterbrach den Zentrifugalstrom.
„Was machen Sie da?“ frug der Professor.
„Es war die höchste Zeit, daß wir die Sachlage entdeckten,“ erklärte der Lord: „Wir müssen bereits über die Marsbahn hinausgekommen sein. Hätte ich mich zur Ruhe gelegt und Sie hätten die Bedeutung der auffallenden Erscheinung nicht erkannt, so wären wir rettungslos verloren gewesen. Ja, verloren im unendlichen Raum! Es handelt sich hier nicht um eine fabelhafte Geschwindigkeit unseres Fahrzeugs, sondern um die rasende Schnelligkeit, mit der unser Sonnensystem durch das Weltall saust. Da wir die Anziehungskraft für uns aufgehoben hatten, nahm uns das Sonnensystem auf seiner Fahrt nicht mit, sondern drohte, uns hinter sich zurück im Raum zu lassen.“,
„Erlauben Sie, Lord! Die Sonne soll sich freilich mit ihren Trabanten auf das Sternbild des Herkules zu bewegen, aber nur mit 16 Kilometern in der Sekunde, so daß diese Bewegung gegen die 300 Sekundenkilometer der Sannah kaum in Betracht kommt und keinesfalls unsre rasche Entfernung von der Sonne erklärt.“
„Sie haben recht, Professor; aber da ist eine Bewegung, die kein irdischer Astronom erkennen konnte, die aber geahnt und vermutet worden ist, und die sich in diesem Augenblick enthüllt hat: Die ganze Fixsternwelt, innerhalb deren sich die einzelnen Systeme bewegen, wie etwa unser Sonnensystem nach dem Herkules, bildet wiederum ein großes System, das offenbar mit 15000 oder noch mehr Sekundenkilometern wie ein Strom durch die Unendlichkeit des Raums dahinfährt und diese Strömung ist es, die drohte uns unser Sonnensystem in kurzer Zeit zu entführen, so daß wir im Leeren zurückgeblieben wären, fern von allen Weltkörpern, die uns hätten anziehen oder abstoßen können und uns so die Aussicht gewährt hätten, irgendwo zu landen.“
„Nanu! So hätten wir eben zuwarten müssen, bis der große Weltenstrom neue Welten in unsre Nähe geführt hätte.“
„Ein guter Gedanke; aber wer weiß, wie viele tausend Jahre wir darauf hätten warten müssen. Jedenfalls zog ich es vor, uns wieder dem Einfluß der Anziehungskraft zu überlassen, da es zunächst für unsre Sicherheit notwendig erscheint, unser Sonnensystem nicht zu verlassen. Jetzt werden wir voraussichtlich in die Attraktionssphäre des Mars geraten und müssen aufpassen, daß wir nicht unsanft auf ihn herabstürzen. Ich werde mich daher nicht zur Ruhe begeben, um meine Maßregeln rechtzeitig treffen zu können.“