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New York, New York

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Es war nicht sonderlich schwer aus dem Kofferberg wieder herauszukommen, aber peinlich hoch drei. Wie wenn man während einer Bestattung einen leisen Furz machen will, er aber wider Erwarten so laut wird, dass der Sargdeckel aufspringt. Und dann kam, was kommen musste. Sie setzten mich, wie man das eben aus US-amerikanischen Krankenhausserien kennt, in einen Rollstuhl und schoben mich Richtung Ausgang. Warum machen die das eigentlich? Hat das versicherungstechnische Gründe? Liegt es am maroden Gesundheitssystem, wonach Patienten während ihres Genesungsprozesses das Gehen verlernen? Und hat jemand schon mal, ohne es zu ahnen, einen tatsächlich Gehbehinderten mitten in den Straßenverkehr gekippt um ihn dadurch umgehend in die Pathologie zu befördern? Fragen über Fragen. In Manhattan angekommen sahen wir schon von weitem unser Hotel. Vor dem Eingang hatte sich eine Menschenmenge angesammelt und es qualmte wie der Vesuv. Das auch noch, unser Hotel brannte. Doch als wir näher kamen stellte ich erleichtert fest, dass es sich lediglich um verzweifelte Raucher handelte, die gierig an ihren Zigaretten zogen weil sie wussten, dass in den USA innerhalb geschlossener Räume nirgendwo geraucht werden darf. Das wirkt. In den Staaten liegt die Raucherquote mittlerweile bei nur mehr knapp über 15%. Was ist da los, Freunde? Da müssen sich die Werbefritzen was einfallen lassen, wenn das wieder hochgehen soll. Früher hat selbst Fred Feuerstein Werbung für Zigaretten gemacht. Aber heute? Alles Weicheier. Werbewirksam wären sicher rauchende Astronauten im Space Shuttle. Offiziell herrscht da natürlich Rauchverbot. Aber man weiß von den russischen Kosmonauten in der Raumstation MIR, dass die sich hin und wieder über dem Pazifik eine Zigarette angezündet haben. Dort konnte die Besatzung nicht direkt von der Bodenstation beobachtet werden. Es war allgemein bekannt und es wurde auch toleriert. Lieber entspannte Kosmonauten als ein Kettensägemassaker im Orbit. Der Iwan ist da deutlich großzügiger. Ich wollte nur noch schnell aufs Zimmer, eine Dusche nehmen, und dann ab ins Restaurant. Mittlerweile waren seit unserer Landung vier Stunden vergangen und ich verspürte einen gewaltigen Hunger. Als wir das Lokal betraten, war es menschenleer. Man darf sich in Amerika aber nicht einfach irgendwo hinsetzen, man muss warten, bis einem ein Tisch zugewiesen wird. Eine ausgebildete Fachkraft, mit der Speisekarte unterm Arm, brachte uns zu einem Zweiertisch. Nach einem Blick in die Karte wurde schnell klar, wir waren im Paradies für Feinschmecker angelangt. Auf beiden Seiten der Karte waren nur Burger angeführt, in verschiedenen Varianten, wobei die Unterschiede eher marginal ausfielen. Mit oder ohne Zwiebeln. Mit oder ohne Käse. Mit Pommes. Bei dieser Beilage gibt es keine zweite Option. Aber Hunger ist bekanntlich immer noch der beste Koch, also gingen wir daran unsere Bestellung zu formulieren. „Du musst für mich bestellen“, sagte meine Frau. „Warum, du kannst doch Englisch?“ „Ja schon, ich habe es ein paar Jahre in der Schule gelernt, aber dann eben nie mehr gebraucht. Stell dich doch nicht so an. Jeder andere Mann hätte längst für mich bestellt. Du selbst quasselst den ganzen Tag, wie deine Mutter, aber jetzt bist du plötzlich taubstumm, nur weil du für mich ein Essen bestellen sollst. Typisch. Aber sei dir sicher, da draußen gibt es eine Menge Männer, die gerne für mich übersetzen würden“. Treffer, Schiff versenkt. Ich versuchte es mit einem Basic-Kurs und schärfte ihr folgendes ein: „Wenn ich einmal nicht in der Nähe bin und es spricht dich jemand an, dann sagst du entweder „yes, please“ oder „no, thanks“. Eines davon ist auf jeden Fall richtig. „Aber wie weiß ich, wann ich was sagen muss?“, bohrte sie weiter. „Das erkennst du intuitiv, am Gesichtsausdruck“. Der Kellner nahm uns ins Visier. Ich bestellte zwei Burger, mit Käse und Pommes, und zwei Cola. Meine Frau fiel mir ins Wort: „Sag ihm, ich will meine Cola ohne Eis.“ Das war die Chance, ihr Basiswissen in der Praxis einzusetzen. Ich flüsterte ihr zu: „Sag no ice, please, das versteht er schon“. Sie sagte es und der Kellner blickte sie entgeistert an. Er hätte nicht erstaunter sein können, wenn ich direkt vor ihm auf den Tisch geschissen hätte. In den USA kriegt man faktisch nur Eis zu trinken und so eine Bestellung war ihm offensichtlich noch nie untergekommen. Sicherheitshalber fragte er nach: „Ice? “Meine Frau erkannte intuitiv die Situation und sagte: „Yes, please!“ Sichtlich zufrieden schlenderte er zum Tresen und brachte uns zwei große Becher Eis mit zweifingerbreit Cola drin. Wenn Erwachsene ein paar Vokabeln oder Grammatikstrukturen nicht verstehen, fahren sie ihre Aufnahmebereitschaft runter wie ein Computer. Und dann gehen im Rechner die Lichter aus. Um 20 Uhr lagen wir bereits in den Betten. „Ich kann doch jetzt noch nicht schlafen“ beschwerte sich meine bessere Hälfte. „Schätzchen, du hast die Zeitverschiebung vergessen“, sagte ich, „daheim ist es zwei Uhr nachts“. Im Halbdunkel sah ich wie sie mit den Fingern nachrechnete und schlief ein. Heute stand die Stadtrundfahrt auf dem Programm. Pünktlich um 9:30 Uhr waren wir und die anderen Opfer in Reih und Glied angetreten und wurden Bill zugeteilt. Er war für die Führungen in Deutsch, Suaheli und Französisch zuständig. Er sagte zum Fahrer „Let’s go, cherie“ und ich wusste sofort, was los war. Es war sonnenklar, dass er die Franzosen besser informieren würde. Lag das immer noch an den beiden Weltkriegen? Ich beschloss, mich als Franzose auszugeben falls durchgezählt werden sollte. Meiner Frau sagte ich davon nichts, ich wollte sie nicht unnötig beunruhigen. Ohnehin hätte sie keine Nachteile zu befürchten gehabt. Als Tirolerin gilt sie nicht als deutschsprachig. Los ging‘s in Richtung Süden, durch China Town, Little Italy, bis zur Baustelle des World Trade Center. Dort errichten sie aus Trotz jetzt vier Türme anstelle der bisherigen zwei. Wir stiegen aus und Bill erklärte mir exklusiv die Geschichte der Freiheitsstatue. Ich war der einzige Zuhörer, alle anderen waren bereits auf der Suche nach einem Klo. „Heidi Klum wohnt ganz in der Nähe“, sagte er, „und abends trifft sich in diesem Viertel die schwule Community“. Er kannte die Hotspots dieser Stadt. Wir fuhren weiter Richtung Norden, vorbei am Dakota Building, wo einst John Lennon erschossen wurde, durchstreiften den Central Park und hielten an einer baufälligen Kathedrale. „Zum Beten kommt hier schon lange keiner mehr her“, sagte Bill, „einfach gerade durch, bis nach vorne zum Altar, und dann links. Dort sind genügend Toiletten“. Ich hatte eine Tante, die ging auch einmal in einer Kirche zur Toilette, weil sie während einer Hochzeit heftige Bauchschmerzen bekam. Zuerst hielt sie es für Blähungen, doch als immer dringender am Schließmuskel geklingelt wurde, durchschritt sie die nächste offene Tür und setzte sich erleichtert, um der Natur ihren Lauf zu lassen. Aber es war keine Toilette, es war der Beichtstuhl. Doch das ist eine andere Geschichte. Während also ein Hektoliter Urin von der Kathedrale Richtung East River geschwemmt wurde, fuhren wir noch durch Harlem, auf der Museumsmeile entlang des Central Park und geradewegs über den Broadway zurück zum Ausgangspunkt. Nach vier Stunden nahm Bill lächelnd sein Trinkgeld entgegen und entließ uns aus dem klimatisierten Bus in einen Tropendschungel. Es war heiß und schwül. Auf einer Anzeigetafel las ich 102 Grad. Kommt hin, dachte ich, aber zum Glück war die Temperatur in Fahrenheit angegeben. Zum Abschied gab uns Bill noch einen Gutschein in die Hand. Wenn wir in dieser speziellen Boutique einkaufen würden, bekämen wir auf 5% Rabatt. Really. Wir beschlossen spontan eine kurze Hose für mich zu kaufen, da ich in meiner Jeans zu schnell dehydrierte. Ich probierte die erstbeste Hose, sie passte wie angegossen. Der Kauf war also nur mehr Formsache. Das ist eben der Vorteil, wenn man eine perfekte Figur hat. Da passt Konfektion genauso wie Haute Couture. Allerdings war der Preis bereits heruntergesetzt, weshalb Bills 5%-Kupon ersatzlos eingezogen wurde. Zusätzlicher Preisnachlass nur für Franzosen, sagte die Verkäuferin. War ja auch klar. Aber was soll’s, man gönnt sich ja sonst nichts. Und weil wir schon mal da waren, wollte ich auch noch ein schönes T-Shirt aus New Yorker Produktion. Vertrauensselig beauftragte ich meine Frau mit der Auswahl und sie zog stilsicher ein wunderschönes Designerstück aus dem Regal. Sie drehte mich herum, hielt es mir mit Kennerblick an den Rücken und sagte: Passt! Natürlich nahm sie es nicht in medium, sondern in small, aber das merkten wir erst, als wir wieder im Hotel zurück waren. Es war entwürdigend, ich sah aus wie ein überdimensionierter Marshmallow Marke Ottfried Fischer, aber ihr passte es ausgezeichnet. Vor dem Schlafengehen maß ich im Bad heimlich meine Taille nach. Medium hätte wahrscheinlich auch nicht gereicht. Und ein maßgeschneidertes T-Shirt ist für mich leider nicht drin, da müsste ich schon ein amerikanischer Hund sein. Denn für die Vierbeiner gibt es mittlerweile fast mehr Bekleidung und Konsumartikel als für den Zweibeiner. Die sogenannte Tierliebe hat in den USA längst krankhafte Züge angenommen. Für Lassie ist nichts zu teuer. Blattgoldknochen, Nagellack, Geburtstagskarten mit Hundegebell, Trink-wasser aus Designerflaschen, Diätnahrung für den fetten Hund, Gutenachtgeschichten, Bachblütentherapie, Hundehütten im Art-déco-Stil, goldene Kutschen, maßgefertigte Betten, Perücken (!), und für den gepflegten Hund von heute: Dog Cologne, der Duft, der läufige Hündinnen um den Verstand bringt. Das Frauchen hat ihren schon verloren. Aber das ist noch nicht alles. Bei Companion Air dürfen die kleinen Stinker direkt neben Herrchen in der Business-Class sitzen und werden mindestens genauso verwöhnt. Doch der Knaller kommt erst jetzt. Die Firma Neuticles handelt mit Hodenimplantaten für Hunde, die das Trauma der Kastration lindern sollen, und hat schon hunderttausende davon verkauft. Das glauben sie nicht? Können sie alles nachlesen in „The Bark“, einem Hundemagazin für Intellektuelle.

Uncle Sam. Der Wahnsinn hat einen Namen!

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