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Der Tiger von Ybbsitz

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Ich bin jetzt ein Star. Diesen Satz memorierte Andreas Hanger, während er auf der A1 mit Vollgas Richtung Heimat unterwegs war. Er galt jetzt als heller Stern am türkisenen Nachthimmel. Der James Hunt der ÖVP. Der Stirling Moss der Kanzlerpartei. Der Niki Lauda des Mostviertels. Ob er auch ein Kapperl tragen sollte? Jedenfalls kein rotes. Und es würde seine Frisur zerstören. Also eher nein. Er wusste, dass er sich in seiner jetzigen Situation auch um Merchandising küm-mern musste. Kurz würde nicht ewig Kanzler bleiben und dann wäre er, bei geschickter Selbst-vermarktung als Nachfolger in der Poleposition. Hangman-Muscle Shirts würden sicher gut ankommen. Ein Renner auf jedem Kirtag. Taschenfeitel. Flaschenöffner. Igel als Schlüssel-anhänger. Nussknacker. Daraus folgend Hanger Nussöl. Ob der Name geschützt war? Falls ja, würde er bei Günther Platter intervenieren. Man würde sehen. Der Tacho zeigte 160 km/h. Nichts und niemand würde es wagen ihn zu blitzen. Und falls doch, dann wäre dieser Irrtum der Exekutive rasch aufgeklärt. Die Zivilstreife konnte Hanger allerdings nicht rechtzeitig erkennen, und als sie ihn auf Höhe Melk auf den nächsten Parkplatz rauszogen überlegte er fieberhaft, was Marko Arnautović einst einem Beamten entgegen-geschleudert hatte. Er glaubte sich zu erinnern, dass Arnie kürzlich beim Spiel gegen Nord-mazedonien seinen Gegenspieler mit folgenden Worten beleidigt hatte: „Ich kaufe dein Leben.“ Aber das passte hier und jetzt nicht Als der Beamte schließlich seine Papiere verlangte, fiel es Hanger glücklicherweise wieder ein. Mit dem Brustton der Überzeugung verweigerte er deren Herausgabe: „Ich f*cke deine albanische Mutter.“ Den Rest würde Nehammer für ihn klären. Oder ein Gericht, sofern ihn der Nationalrat, wider Erwarten, ausliefern sollte. Schon nächste Woche würde er im Parlament dafür sorgen, dass Zivilstreifen künftig deutlich als solche zu kennzeichnen seien. Und dass die Ankündigung oder der Vollzug eines Geschlechtsverkehrs mit albanischen Müttern keine Beamtenbeleidigung war, sondern lediglich ein Ausdruck der Freude und Wertschätzung. Insbesondere dann, wenn der Beamte kein gebürtiger Albaner war. Hanger verließ die Autobahn bei Amstetten-West und erreichte über Kematen, Sonntagberg, Böhler-werk und Waidhofen an der Ybbs seine Heimat-gemeinde Ybbsitz. Zu Hause angekommen entledigte er sich seiner Kleidung und ging ins Bad, um sich bettfertig zu machen. Er bürstete alle Haare zu einem rechteckigen Plateau nach oben und nahm mit der Nagelschere kleinere Korrek-turen vor. Wer im Rampenlicht steht, muss auf sein Äußeres achten. Haargel hatte er nicht nötig. Das war eher etwas für Weichlinge. Seine Haare waren wie Borsten. Er hatte schon überlegt, ob es sich dabei um einen genetischen Defekt handeln könnte, der über viele Generationen weiter-gegeben worden war. Früher waren die Winter hart und da konnte es schon vorkommen, dass in entlegenen Dörfern der Genpool ausgedünnt und jeder mit jedem verwandt war. Enger als erlaubt. Sollten ihn seine politischen Gegner doch ruhig einen Igel auf Drogen nennen. Einerlei. Seine Frisur war jetzt sein Markenzeichen. Und er war stolz darauf. Deroesterreichischefriseur.at und Top Hair International hatten bereits wegen Interviews angefragt. Das Baumpflegeportal Gol-dener Schnitt ebenso, aber das dürfte wohl ein Missverständnis gewesen sein. Er zog seinen Bademantel an. Chinesische Seide. Tigerprint-Optik. Maßanfertigung. Hanger trat ans Fenster. Sein Gemächt baumelte im Abendwind, vor ihm lag Ybbsitz. Es hatte, und da stimmte er mit seiner Frau überein, schon wesentlich bessere Zeiten erlebt. Ybbsitz hingegen ging es prächtig.

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