Читать книгу Das gefährliche Spiel einer Katze: Redlight Street #176 - G. S. Friebel - Страница 6

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Violetta stand in der weitläufigen Halle und ordnete die Rosen in der Kugelvase. Dann trat sie einen Schritt zurück und betrachtete ihr Werk. Sie war ein frisches, heiteres Mädchen von einfachem Gemüt und vertrat sehr gern die Hausfrau. Vio war die Jüngste. Seit die Mutter vor fünf Jahren gestorben war, hatte man sie nie als Nesthäkchen behandelt. Sabine und Helga, die beiden älteren Schwestern, hatten mit sich selbst genug zu tun.

Die Haushälterin versorgte sonst den großen Villenhaushalt. Aber heute hatte sie frei und Vio, wie sie von allen nur genannt wurde, hatte schulfrei und sich bereit erklärt, ein wenig Sorge zu tragen, dass alles in seinen geordneten Bahnen lief.

Oben im Haus wurde eine Tür zugeschlagen. Sie wandte ihr Gesicht der Treppe zu.

»Vater«, fragte sie heiter, »möchtest du eine Tasse Kaffee? Er ist schon fertig.«

Er hatte eigentlich keine Zeit, konnte aber den bittenden Augen seiner jüngsten Tochter nichts entgegensetzen.

»Gern«, sagte er. »Bring ihn in den Wintergarten, ich bin sofort da.«

Er ging in sein Arbeitszimmer.

Vio lief in die Küche. Mark Winter studierte die Post, überflog sie kurz und fand, das hätte auch noch Zeit bis morgen. Er war Besitzer einer kleinen Fabrik, die gut florierte. Er hatte keine Sorgen. Außerdem hatte er einen sehr guten Direktor, auf den er sich verlassen konnte. So konnte er ruhig einmal faulenzen. Und das hatte er schon seit Jahren nicht mehr getan. Er war fünfzig Jahre alt, graumeliert und hatte eine sportgestählte Figur. Jeden Morgen trieb er Sport, denn er hielt sehr viel auf sich. Nach dem Tode seiner Frau hatte er sich die ersten Jahre buchstäblich in seine Arbeit vergraben. Zu Hause war alles so still und leer. Die ältesten Töchter waren immer ausgeflogen, und Vio war noch ein Kind und lag schon im Bett, wenn er heimkam. Doch seit einiger Zeit war alles anders. Wundervoll, zauberhaft, strahlend hell begann der Tag. Er fühlte sein Herz wieder aufgeregt in der Brust klopfen. Mark war verliebt! Nach Jahren der Enthaltsamkeit hatte er jetzt ein wundervolles Mädchen kennengelernt. Und es liebte ihn auch, das wusste er, obwohl er es noch nicht gefragt hatte.

Zu dem Mädchen wollte er jetzt auch. Kein Wunder, dass er kaum Zeit für Vio hatte.

»Der Kaffee ist fertig, Vater.«

»Ich komme!«

Mark sah seine Tochter an und staunte, wie groß sie schon geworden war, und hübsch.

»Du siehst mich an, als wäre ich ein Marsmädchen!«, rief sie lachend.

»Du bist sehr groß geworden, Vio. Bald wirst du mich auch verlassen. Wie Sabine und Helga wirst du deinen eigenen Weg gehen und deinen alten Vater allein lassen,«

Erschrocken sah Violetta ihn an. »Aber Vater, du bist doch nicht alt! Du wirst niemals alt werden!«, rief sie leidenschaftlich. »Und ich werde dich auch nie verlassen, nie, Väterchen!«

Er lächelte. »Das ist nun einmal der Lauf der Dinge, Kleines. Und ich habe doch auch nur Scherz gemacht. Du wirst gehen, und ich werde glücklich sein.«

Was die anderen Schwestern noch nicht wussten, das wusste Vio. Sie ahnte, dass es jetzt eine Frau im Hintergrund gab, um die der Vater warb.

Unwillkürlich fühlte sie so etwas wie Eifersucht in sich aufsteigen. Doch zugleich sagte sich das junge Mädchen: Er hat ein Recht auf ein eigenes Leben. Er hat so lange allein gelebt. Ich gönne es ihm von Herzen. Und er soll nicht denken, dass ich ihm dabei im Wege stehen werde. Und doch konnte sie ihre innere Unruhe nicht ganz bewältigen.

»Jane war hier«, sagte sie leise.

Mark hatte sich eine Zigarette angesteckt.

»Jane?«, fragte er jetzt erstaunt. »Was wollte sie denn? Hat sie eine Nachricht hinterlassen?« Es klang ein wenig unwillig.

Vio sah ihn erstaunt an.

»Aber Vater, Jane kommt doch so oft. Nein, sie war nur kurz hier und hat mit mir geplaudert.«

Der Mann dachte an Jane, die schlanke, stille Frau. Sie war mit Maria innig befreundet gewesen. Er kannte Jane wirklich schon seit »hundert« Jahren. Und in ihrer lieben Art hatte sie sich damals rührend um seine Kinder bemüht. Ja, er war ihr sehr viel Dank schuldig. Jane war ein wundervoller Mensch, und er wunderte sich jetzt wieder darüber, warum sie nicht geheiratet hatte. Der Mann, der Jane einmal bekam, musste sich glücklich schätzen. Sie war achtunddreißig Jahre alt und Malerin, das heißt mehr Grafikerin. In ihrem Beruf konnte sie wirklich etwas. Und er wusste auch, dass sie ziemlich gut verdiente.

Nicht weit von seiner Villa entfernt bewohnte sie das Haus ihrer Eltern. Deshalb konnte sie auch immer mal schnell herüberkommen und sich um die Mädchen kümmern. Alle seine Töchter mochten sie gern. Jetzt war ja nur noch Vio zum Bemuttern da.

In diesem Augenblick schaute Vio ihn mit sehr unglücklichen Augen an.

»Vater?«, sagte sie leise.

»Was ist, mein Kleines? Ist das Taschengeld schon wieder aufgebraucht? Na, wie viel brauchst du denn?«

»Vater, das ist es nicht, ich ...«

Er erhob sich.

»Sprich weiter, Kind. Ich habe nicht mehr viel Zeit, aber erzähl mir ruhig deinen Kummer. So viel Zeit habe ich noch immer.«

Ihr Herz klopfte wie wild. Und dann stieß sie es hervor: »Vater, warum heiratest du nicht Jane van Raken?«

Mark Winter blieb abrupt stehen und blickte die Tochter verblüfft an.

»Was hast du da eben gesagt?«

»Jane. Sie ist so wundervoll. Du sagst das doch immer. Ich würde mich so sehr freuen, wenn sie meine zweite Mutter werden würde.«

Für einen Augenblick fühlte sich der Mann wie ein ertappter Sünder.

»Vio«, murmelte er verlegen, »ich ... Weißt du, dein Vater. ..«

Nun war sie aufgesprungen.

»Vater, bitte, belüge mich nicht! Ich weiß, du kennst da jemanden. Ich fühle es. Ach Vater, warum denn nicht Jane?«

Noch immer war er erstaunt. Dann verglich er im Geiste Jane mit Sonja.

»Das verstehst du nicht, mein Kleines. Wenn du erst mal größer bist und selbst liebst, leidenschaftlich liebst, dann wirst du auch deinen Vater verstehen.«

»Du liebst sie also?«

»Ja«, sagte er schlicht.

Vio zerdrückte ihr Taschentuch. »Du wirst sie heiraten, Vater?«

Sein Gesicht wirkte weich und sehr, sehr jung. »Wenn sie mich will«, gab er ruhig zurück. »Ja, dann werde ich sie heiraten, Vio. Und ich glaube, ihr werdet euch wundervoll verstehen, wirklich.«

»Wie alt ist sie denn?«

»Fünfundzwanzig.«

O Gott, dachte Vio, sagte aber nichts.

»Weißt du, wenn ich nachher zurückkomme. dann reden wir noch miteinander, Liebes. Ich hatte sowieso vor, mit euch zu reden. Zwar nicht heute, aber...«

»Vater«, murmelte sie wieder.

Mark küsste ihr die Stirn und ging zur Tür.

»Wünsch mir viel Glück, mein Liebes.«

Ihre Augen schwammen in Tränen. Als er fort war, warf sie sich auf das kleine Sofa, immer hatten sie gewusst, dass der Vater einmal wieder heiraten würde. Neulich hatte Sabine noch gesagt: »Er ist noch so jung und so voller Leben. Er soll wieder heiraten. Vater soll nur nicht denken, dass wir es nicht wollen.«

Sie dachte: Sabine und Helga können gut reden, die haben einen Mann, eine eigene Welt, in die sie sich zurückziehen können. Aber ich, ich muss damit leben. Und dann Jane! Ich liebe sie so sehr. Und wenn sie weiß, dass es eine neue Frau Winter gibt, dann wird sie nie mehr zu mir kommen. Und ich weiß doch, dass Jane Vater liebt. Sie hat ihn immer geliebt. Ach, warum ist sie so bescheiden und zurückhaltend? Warum zeigt sie es ihm nicht?

Vio wusste ganz genau, dass sie das Rad der Zeit nicht mehr aufhalten konnte. Sie hoffte jetzt nur eines: dass das junge Mädchen ihren Vater gar nicht heiraten wollte. Vater war dann doch doppelt so alt und sie jünger als seine älteste Tochter. Aber Männer waren nun einmal so. Wenn Vio auch noch lächerlich jung war, so wusste sie doch schon eine ganze Menge. Je älter die Männer wurden, um so jünger sollten die Frauen sein.

Das gefährliche Spiel einer Katze: Redlight Street #176

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