Читать книгу Das gefährliche Spiel einer Katze: Redlight Street #176 - G. S. Friebel - Страница 7

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Zur gleichen Zeit standen zwei junge Mädchen in einem kleinen Wohnzimmer und besahen sich eine Menge Fotos.

»Hier, ist das nicht toll?« Sonja warf ihr schwarzes Haar zurück und lachte. Ihre Freundin Agnes nahm das Bild und sah ein wenig neidisch darauf nieder. Sonja in einer weißen Leinenhose, oben ohne, aber die Arme so geschickt haltend, dass man nur ahnen konnte, nichts wirklich sah.

»Ich habe mich nie für Pornobilder hergegeben«, sagte sie hochmütig. »Obwohl man ein Schweinegeld dafür kriegt. Nee, ich hab' mir gedacht, das kann man nicht tun, das geht ins Auge. Und jetzt siehst du ja selbst. Hätte ich es getan, dann wäre der goldene Fisch nicht an der Angel.«

Sie packte die Bilder wieder weg.

Agnes sagte: »Und du glaubst wirklich, er beißt an?«

»Ja, er wird. Und wenn ich nachhelfe!«, entgegnete sie wütend. »Den lass ich mir nicht entgleiten!«

»Sonja, hast du ihm denn auch gesagt, was du bist?«

Sie blickte die Freundin starr an. Dann funkelten ihre Augen auf. »Willst du es ihm vielleicht unter die Weste jubeln? Also, dann kannst du was erleben!«

Agnes machte ein erschrockenes Gesicht. »Von mir erfährt er ganz bestimmt nichts. Aber es kann doch mal herauskommen, dass du eine Dirne bist, und dann ...«

»Nee, ich hab' vorgesorgt. Und du kriegst meine Wohnung mit allem Drum und Dran, wenn du den Mund hältst. Wir bleiben auch Freundinnen, ehrlich. Ich lade dich auch mal ein. Der hat ein ganz pompöses Haus. Du, es juckt mich in allen Fingern. Ich kann es noch immer nicht glauben.«

Die Dirne schaute wieder die Fotos an, dann Sonja und schluckte. Natürlich neidete sie ihr das Glück. Aber wenn sie auch selbst gern so einen reichen Freier gehabt hätte, so fühlte sie doch instinktiv, dass es gemein war, ihn so zu hintergehen. Ihre Nerven könnten so etwas nicht verkraften. Sie würde ständig in Angst leben, dass es doch herauskam. In diesem Sinne sprach sie nun mit der Freundin.

Sonja lachte nur: »Das kapierst du einfach nicht!«

»Aber es können doch auch Männer darunter gewesen sein, die ihn kennen, vielleicht seine Freunde sind. Meinst du nicht, die würden es ihm sofort sagen?«

»Das sollen sie nur wagen!«, sagte sie eiskalt. »Dann lernen sie mich gründlich kennen. Dann nehme ich keine Rücksicht mehr und verpfeife sie dann auch sofort. Das wissen sie, und darum werden sie schweigen. Verstanden? Ich bin ja nie so eine billige Hure wie du gewesen.«

Agnes Wangen färbten sich rot. Das war stark. Obwohl die andere die Wahrheit sagte, konnte sie es doch nicht gut vertragen. Sie kamen beide aus einem Dorf, waren zugleich fortgegangen und dann zusammengeblieben. Sonja war schöner und attraktiver als sie, und die war es dann auch gewesen, die den Vorschlag gemacht hatte, mit ihren Körpern Geld zu verdienen.

»Nur ein paar Jährchen, dann sind wir fein heraus.«

Sie waren nach Berlin gegangen und hatten dort zusammen auf dem Straßenstrich gestanden. Aber dann war Egon, der gemeine Zuhälter, gekommen und hatte sie ausgenommen wie Zitronen. Sie konnten noch von Glück reden, dass er dann bei einer Schießerei ums Leben gekommen war. Sonja merkte erst da, wie gefährlich es sein konnte, wenn man sich als billige Dirne verkaufte. Sie hatte aufs falsche Pferd gesetzt. In diesem Beruf arbeitete man sich nie hinauf, wie sie anfangs geglaubt hatte, sondern immer weiter hinunter. Aber sie wollte zu den Klasse Dirnen gehören, sich alles leisten und natürlich wenig dafür arbeiten.

»Gehen wir in die Provinz«, hatte sie dann vorgeschlagen.

So waren sie dann hierher gekommen, in eine mittelgroße Stadt. Sonja hatte auch hier großes Glück: Sie wurde von einem Fotografen entdeckt, brauchte also nicht sofort auf den Strich zu gehen. Sie, Agnes, musste aber wieder Nacht für Nacht auf der Straße ihr Geld verdienen.

Durch den Fotografen lernte Sonja viele reiche Leute kennen. Sie mietete sich die kleine luxuriöse Wohnung und trieb ihr Spielchen, mit wem sie wollte. Sonja war im Grunde eine geborene Dirne, Agnes wusste das. Sie konnte nie genug bekommen. Und darum hatte sie jetzt auch ihre Zweifel, als Sonja sagte, sie würde heiraten.

»Aber du brauchst doch ständig neue Männer. Das hast du mir doch selbst gesagt, Sonja. Und jetzt nur einen?«

Die Freundin lachte auf.

»Agnes, du bist wirklich dämlich. Wenn Geld im Hintergrund ist, und er hat Geld, dann lässt man sich eine ganze Menge gefallen, das sag ich dir. Ich hab’ dann keine Zukunftssorgen mehr. Ich bin reich. Ich werd einen todschicken Wagen fahren und in einer vornehmen Villa leben.«

»Bestimmt wird er nicht zulassen, dass du das Geld zum Fenster hinauswirfst«, antwortete sie.

»Er ist doch ganz happy, den krieg ich schon kirre«, erwiderte sie lachend.

Agnes nagte an ihrer Unterlippe. Gewiss. sie freute sich, dass die Freundin ihr diese kleine Wohnung schenken wollte, sie war im Augenblick richtig abgebrannt. Aber war das nicht so etwas wie Judaslohn?

Nur weil sie eine Dirne war, sollte sie keine moralischen Empfindungen mehr haben?

Sonja stand an den Schrank gelehnt, hatte eine Zigarette in der Hand, kniff die Augen zusammen und schaute Agnes starr an.

»Woran denkst du im Augenblick?«

»Ich?«, stotterte sie hastig. »An nichts, wirklich nicht.«

»Doch«, sagte sie eiskalt und sehr beherrscht. »Du überlegst die ganze Zeit, wie du mich in die Pfanne hauen kannst Ich spür das doch.«

»Nein, Sonja, wirklich nicht!«

»Lüge nicht, das hast du noch nie gekonnt!«, schnitt sie ihr das Wort ab.

Lastende Stille lag über beiden. Sonja wusste ganz genau, dass nur Agnes ihr gefährlich werden konnte. Vor der Freundin hatte sie mehr Angst, als diese wusste. Darum musste sie sich noch kälter und brutaler geben, als sie wirklich war. Zwar hatte sie überhaupt kein Herz und liebte nur sich selbst, aber...

»Ich muss jetzt gehen«, stotterte Agnes. »Ich möchte nicht hier sein, wenn er kommt.«

»Bleib, ich muss mit dir reden.«

»Was denn?«

Sonja löste sich vom Schrank und blieb dicht vor der Freundin stehen.

»Ich bringe dich um«, sagte sie kalt und ihre grünen Augen waren unergründlich. »Merk dir das. Ich kenne dann keine Gnade. Wenn du auch nur ein Wörtchen sagst, dann bringe ich dich auf der Stelle um. Dann ist mir nämlich alles egal, hast du kapiert?«

»Sonja...« Agnes’ Zunge schmeckte pelzig. Angst kroch ihr den Rücken herauf. So kannte sie die Freundin noch gar nicht. Und sie fühlte instinktiv, dass die das ernst meinte. Sonja würde das tun. Unwillkürlich sah sie auf die langen, schlanken Hände; schon fühlte sie diese um ihren Hals, spürte, wie sie zudrückten.

»Ich verrate nichts, ich schwörs!«

Das kalte Gesicht vor ihr lächelte.

»So ist es brav. Ich weiß doch, dass ich mich auf meine kleine Agnes verlassen kann.«

»Kann ich jetzt gehen?«

»Natürlich, niemand hält dich zurück.«

Agnes riss ihr Täschchen vom Sofa und hastete zur Tür.

»Vergiss nicht: Komm morgen gleich vom Strich zu mir. Dann kann ich dir sagen, ob es geklappt hat oder nicht.«

»Jaja!«

Agnes riss die Tür auf. In der kleinen Diele rang sie nach Luft. Sie hatte Angst. Vielleicht sollte sie vor Sonja flüchten? Sich irgendwo verkriechen, wo man sie nie finden würde? Woher nahm sie die Garantie, dass Sonja sie nicht schon früher umbrachte? Sie war eine Wissende, also würde Sonja immer befürchten...

Agnes zog die Etagentür ins Schloss. Schleppend stieg sie die Treppen hinunter. Sie hatte das Gefühl, als wären ihre Glieder aus Blei.

Unten ging die Haustür auf. Agnes blieb unwillkürlich stehen, umkrampfte das Geländer. Ein Mann kam die Treppe herauf. Sie hatte ihn noch nie gesehen. Sonja hatte immer dafür gesorgt, dass sie sich nicht begegneten. Sollte er es vielleicht sein? Aber vielleicht wollte er auch zu einem anderen Hausbewohner.

Ihre Blicke saugten sich an der Treppenbiegung fest. Ein Mann um die fünfzig kam herauf. Er trug einen leichten, sehr teuren Sommeranzug. Sein Haar war ergraut. Er wirkte sympathisch, auf den ersten Blick fand sie ihn nett. Nach solchen Kunden sehnte sich jede kleine Dirne, aber die kamen nicht zum Straßenstrich. die nicht.

Mark sah das junge Mädchen dort stehen, Sie war ganz weiß im Gesicht. Unwillkürlich blieb er stehen.

»Ist Ihnen nicht gut? Kann ich Ihnen helfen?«

Agnes fühlte den Boden unter sich weggleiten. Er war es, er sollte von Sonja betrogen werden! Die Dirne fühlte Schwäche in sich hochsteigen. Noch immer stand er vor ihr und sah sie erschrocken an.

»Nnnein. es geht schon wieder«, stammelte sie hastig. »Ich bin schon wieder in Ordnung.«

»Ich will Ihnen gern helfen«, sagte Mark Winter. »Soll ich Ihnen vielleicht ein Taxi rufen?«

Agnes ging eine Stufe tiefer.

»Vielen Dank. Ich kann schon wieder gehen, danke«, würgte sie hervor.

Er blieb noch ein wenig unschlüssig stehen und sah ihr nachdenklich nach. Irgendwie hatte er das Gefühl, als würde diese junge Frau ihn kennen; ja, als wollte sie ihm etwas sagen.

Er hörte das Geklapper der Absätze, dann war sie verschwunden.

»Ich habe mich getäuscht«, murmelte er vor sich hin, dann blickte er hoch, sah die Etagentür, und ein Lächeln glitt über seine Züge.

Sonja!

Heiß wallte sein Blut auf.

Hastig nahm er die letzten Stufen, dann stand er vor ihrer Tür. Für ein paar Sekunden hielt er die Hand in der Luft. Er wollte nicht so abgekämpft erscheinen. Was würde sie dann von ihm denken! Sie war ja so bezaubernd, so lächerlich jung und lustig.

Sonja!

Nun drückte er auf den Knopf. Er kam sich jung vor. Damals, vor ewig langer Zeit, da hatte er auch so empfunden. Maria! Aber nun begann ein ganz neues Leben für ihn. Alles war schön, köstlich.

Als sie die Tür öffnete, stand nichts mehr von der Kälte und Grausamkeit in Sonjas Augen. Sie war sanft, biegsam und schüchtern wie ein ganz junges Mädchen. Ja, das spielte sie meisterhaft, und darauf war Mark Winter hereingefallen. Sie erinnerte ihn stark an seine jüngste Tochter.

»Sonja!«, rief er überschwänglich und nahm sie spontan in seine Arme.

Obwohl er sie leidenschaftlich liebte und sein ganzes Sinnen auf sie ausgestellt war, so war er doch ein Kavalier der alten Schule. Zuerst hatte sich Sonja sehr darüber gewundert, dass er nicht mit ihr ins Bett gehen wollte. Ja, sie hatte sich ihm buchstäblich angeboten, hoffte sie doch, ihn durch ihre körperlichen Reize besser einfangen zu können. Aber er hatte sie sanft beiseite geschoben und gesagt: »Meine Liebe, so ein Schuft bin ich nicht. Du bist noch so jung und jetzt vielleicht nur verliebt. Ich möchte dich nicht überrumpeln. Du sollst ernsthaft deine Gefühle für mich prüfen, Sonja.«

Beinah hätte sie damals laut aufgelacht. Aber sie war ja so wandelbar und konnte sich sehr schnell umstellen. So war sie das kleine, anschmiegsame Mädchen geworden.

»Was hast du den ganzen Tag ohne mich gemacht?«, fragte er sie jetzt zärtlich.

»Oh, wir haben wieder Bilder gemacht. Willst du sie sehen?«

Da sie sehr viele Fotos machte, glaubte er allen Ernstes, sie würde damit ihren Lebensunterhalt verdienen. dass man aber damit nur reich werden konnte, wenn man angesehen und berühmt war, das wusste er leider nicht; sonst hätte er wohl tiefer nachgeschürft. Dazu kam, dass er dieses Mädchen wirklich sehr liebte und nicht verlieren wollte.

»Ja, zeig sie mir mal.«

Als er sie aber dann sah, besonders das eine, wo sie ihre Blöße nur mit den Händen bedeckte, war er doch erschrocken. Einen Augenblick sagte er gar nichts. Sonja beobachtete ihn scharf. Unwillkürlich hielt sie die Luft an. Zuerst hatte sie ihm diese Bilder nicht zeigen wollen. Aber sie erschienen in den kleinen Zeitschriften, und man wusste nie, ob er sie nicht in die Hand bekam. Sie deckte nur das von ihrem Leben auf, was unvermeidlich war.

»Sonja«, sagte er und seine Stimme klang betrübt, »du bist noch zu jung, du weißt es eben noch nicht. Aber solche Fotos, o Sonjakind, die wirst du nie mehr machen, nicht wahr?«

Sie schmiegte sich an ihn.

»Aber ich muss doch mein Geld auf redliche Art und Weise verdienen, Mark. Und es ist wirklich nichts Schlimmes dabei.«

Er strich ihr liebevoll über die schwarzen Haare, dann presste er sie an sich und küsste sie leidenschaftlich.

»Hast du es dir gründlich überlegt?«

»Ich habe dir doch damals schon gesagt, Mark, ich brauche nichts zu überlegen. Ich liebe doch nur dich. Die jungen Männer ekeln mich an. Ich mag sie nicht. Ach, warum verstehst du denn deine kleine Sonja nicht? Ich glaube, du magst mich gar nicht mehr so wie früher.«

»Wie kannst du nur so reden. Kleines! Ich habe dich sehr, sehr lieb und möchte dich heiraten. Nur, ich habe Angst, dass du dich an meiner Seite langweilen wirst.«

»O Mark, das werde ich nie und nimmer! Wirklich nicht! Und, vielleicht schenke ich dir auch mal ein Kind«, setzte sie neckend hinzu.

Sie hatte geglaubt, ihm eine große Freude zu machen, wenn sie das sagte. Aber sie dachte nicht daran, sich für so ein mühsames Geschäft herzugeben.

Aber zu ihrer grenzenlosen Überraschung hörte sie ihn lachen und zugleich sagen: »Liebling, dafür bin ich ja nun wirklich zu alt. Ich bin fünfzig Jahre alt, für ein kleines Kind wäre ich nichts anderes als ein Opa.«

Sie riss ihre schönen, braunen Augen auf und sah ihn starr an. »Aber wünschen sich denn Männer nicht immer Kinder?«

»Ich habe Kinder, meine Liebe«, sagte Mark noch immer lachend. »Also, dafür brauchen wir nicht mehr zu sorgen. Wir können uns nur unserer Liebe widmen.«

»Du hast Kinder?«, keuchte sie entsetzt. »Kinder?«

»Richtig, das habe ich dir ja noch gar nicht gebeichtet, Sonjakind. Aber sie sind für dich unwichtig, weißt du? Sie sind schon erwachsen und brauchen uns nicht mehr. Bei uns wird nur noch meine Jüngste leben. Vio, sie ist siebzehn, Sabine und Helga sind schon verheiratet und leben mit ihren Männern. Aber bevor wir heiraten, muss ich dich ihnen wohl vorstellen, um ihren Segen zu erhalten.«

Das war so leicht und zwanglos dahingeredet, aber für Sonja war es ein Schock. Warum sie die ganze Zeit angenommen hatte, er wäre ohne Kinder, konnte sie jetzt auch nicht mehr sagen. Gleich zu ihrer Bekanntschaft hatte sie es sich so ausgemalt: Ich fange mir diesen goldenen Fisch ein, dann baumelt er an meiner Angel. Ist er erst einmal mein Ehemann, dann kann ich tun und lassen, was ich will. Er ist ja um so vieles älter als ich. Eines Tages wird dann der Reichtum mir gehören, und ich kann dann endlich so leben, wie ich es mir die ganze Zeit gewünscht habe. Und jetzt musste sie hören, dass er Kinder hatte, gleich drei! Dann würde sie nichts erben, gar nichts.

Ihr Mund war ausgetrocknet, und langsam stieg Zorn in ihr hoch. Sie stand auf und ging zur Bar. Jetzt brauchte sie unbedingt einen kräftigen Schluck.

»Das hättest du mir wirklich gleich sagen können«, sagte sie verärgert.

Betroffen sah Mark seine Liebste an.

»Aber Sonja, es spielt wirklich keine Rolle! Ich wollte dich nicht damit belasten. Du solltest nicht denken, ich wollte dich für meine Kinder haben. Ich brauche dich, du bist für sie nicht verantwortlich.«

Während sie das Glas in der Hand hielt, dachte sie blitzschnell über ihr Leben nach. Mit einem Federstrich konnte sie diesen Mann von ihrer Seite vertreiben. Dann würde er für immer gehen. Sie musste dann weiterhin als Dirne ihr Geld verdienen und Fotos aufnehmen lassen. Alles zusammen aber würde hinten und vorn nicht reichen, da sie ziemlich aufwendig lebte. Und schließlich hätte sie ständig Angst, dass sich wieder ein Zuhälter an sie heranmachte. Im Augenblick machte sie es ja noch sehr diskret, und niemand von der Strichstraße hatte eine Ahnung davon, nur Agnes. Aber die schwieg wohlweislich, weil sie hin und wieder ein paar Brosamen von ihr bekam.

So also sah ihr Leben aus. Und ein zweites Mal würde sie kein solches Glück haben und so einen Trottel von reichem Mann erwischen. Also, warum sollte sie ihn fortjagen? Wenn sie ihn heiratete, musste sie eben sehen, dass sie möglichst viel auf die Seite brachte. Und vielleicht brachte sie es auch fertig, die Kinder mit dem Vater zu entzweien? Das wäre nicht das erste Mal. Dann würde er die drei nur auf ihr Pflichtteil setzen, und sie bekäme den größten Happen. Aber sie hatte noch eine Waffe in der Hand. Er wollte also keine Kinder mehr. Wenn das mit dem Entzweien nicht klappte, dann würde sie schwanger werden, gleich durch wen, aber sie würde es werden. Und es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn es dann nicht ein Junge wurde! Dann würde er doch schier aus dem Häuschen geraten und ihr und dem Kind alles vermachen. Um das Kind würde sie sich selbstverständlich nicht kümmern. Die neun Monate würden ihr schon reichen. Aber alles in allem: Sie würde Geld haben, in einem todschicken Haus leben und angesehen sein. Wehe, es würde sie jemand daran hindern! Und diese blöde Ziege, wie hieß sie denn noch, Vio., hatte er eben gesagt, nun, die würde sie schon aus dem Haus ekeln. Sie hatte keine Angst, dass ihr das nicht gelingen würde.

Mark hatte sie die ganze Zeit traurig beobachtet.

»Ich sehe, du denkst jetzt doch nach. Ich bin zu alt für dich, Sonja, nicht wahr? Du kannst mir ruhig die Wahrheit sagen, ich kann sie verkraften.«

Sie schreckte aus ihren Gedanken auf und sah ihn stumm an. Dann stellte sie ihr Glas ab und ging mit wiegenden Hüften auf ihn zu. Ihre Augen strahlten ihn an, ihr Mund war verführerisch.

Durch die dünne Bluse schimmerte ihre nackte Brust. Sie war anziehend und sehr, sehr schön. O ja, sie wusste, wie die Männer auf sie reagierten. Und Mark Winter war auch nur ein Mann. Als sie jetzt dicht vor ihm stand, streckte er aufstöhnend die Hand nach ihr aus, zog sie an sich, sog den Duft ihrer Haut ein und stöhnte wieder. Diese Zurückhaltung, die er sich auferlegt hatte, war so schwer zu ertragen.

»Sonja«, sagte er mit schwerer Zunge. »O Sonja, du weißt ja nicht, wie sehr ich dich liebe.«

Sie kniete vor ihm nieder, strich ihm übers Haar und zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht.

»Ja, wir werden heiraten, Mark. Du kannst den Termin bestimmen, ich werde dich heiraten.«

»O Sonja!« Im Augenblick konnte er nicht mehr sagen. Er war einfach überwältigt. Und dann war sie ihm so nahe. Er sah ihren Puls in der Kehle pochen, sah die zarten und verführerischen Brüste, die schlanken Schenkel in der eng anliegenden Hose.

Sonja fühlte, dass es bei ihm gefunkt hatte, und sie spielte jetzt ihre Rolle aus, um ihn zur Raserei zu bringen. Aber sie musste höllisch aufpassen, denn es sollte ja so aussehen, als wüsste sie selbst nicht viel von der Liebe, sondern würde einfach von ihm und seiner Leidenschaft mitgerissen.

Blödmann, dachte sie bei sich. Jetzt zappelst du an der Angel; und ich lass dich nicht mehr los, erst wenn ich alles Geld aus dir herausgepresst habe.

»Ich halte es nicht mehr aus!«, stöhnte sie ihm vor. »O Mark, ich verbrenne! Ich sehne mich so sehr nach dir. Nimm mich in deine Arme, halte mich fest, liebe mich! O Mark, ich bin ja so glücklich. Komm, komm, halt mich fest.«

Sie drückte sich an ihn. Und sie machte das so geschickt, dass sich die Knöpfe ihrer Bluse wie von selbst öffneten. Hell schimmerten ihre Brüste hervor. Aufstöhnend griff er danach, drückte sie an sich und küsste sie leidenschaftlich.

»Aber wir müssen noch warten«, murmelte er stammelnd, war aber schon halb von Sinnen.

»Worauf?«, gab sie stammelnd zurück. O ja, sie spielte perfekt. »Wir haben uns doch lieb. Wir wollen doch heiraten, Mark. Worauf sollen wir noch warten? Ich kann nicht mehr warten. Ich kann doch nicht, du bist so wunderbar.«

Sie lagen auf dem Teppich, Sonja stöhnte lustvoll auf, zog ihn immer wieder an sich. Weit war die Bluse geöffnet. Plötzlich rutschte ihr auch die Hose weg. Alles, ohne dass sie augenscheinlich etwas dafür tat.

Mark wusste später auch nicht, wieso dieser leidenschaftliche Rausch ihn so packen konnte. Er verlor den Verstand, als sie auf einmal nackt vor ihm lag. Und sie war so schön, so begehrenswert. Er konnte nicht mehr, so lange hatte er schon auf diesen Augenblick gewartet.

Maria und er hatten sich immer leidenschaftlich geliebt. Und Sonja staunte. Nein, das hatte sie wirklich nicht erwartet. Sie hatte sich eigentlich schon damit abgefunden, einen ziemlich langweiligen Partner zu bekommen. Aber sie würde sich die Freuden schon anderweitig holen. Sie brauchte sie ja, sie war direkt süchtig auf Männer.

Nach einer halben Stunde war der Rausch vorüber. Betroffen erhob sich Mark, machte sich tausend Vorwürfe und bat Sonja immer wieder um Verzeihung.

»Was habe ich nur getan? O mein Gott, Sonja, das habe ich doch nicht gewollt. Kannst du mir je verzeihen?«

»War es denn nicht wunderschön?«, hauchte sie zurück.

Er lächelte.

»O Sonja, du bist ein so zauberhaftes Geschöpf. Womit habe ich dich nur verdient?«

Er ging ins Badezimmer. Sonja räkelte sich auf dem Teppich. So, das hätten wir endlich geschafft, war wirklich ein hartes Stück Arbeit. Und jetzt will ich nicht mehr länger warten, jetzt soll die Hochzeit stattfinden. Ich bin es leid.

Als Mark zurückkam, ging sie ins Bad und duschte sich. Dabei dachte sie an die vielen Männer, die hier schon nach einer wilden Liebesnacht gestanden hatten. Für heute hatte sie keine Angebote angenommen. Überhaupt würde sie jetzt alle absagen. Es wurde zu riskant.

Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, war sie strahlender Laune und sagte: »Und jetzt brühe ich uns einen Kaffee auf, ja?«

Mark war fast demütig.

»Ja«, sagte er zärtlich.

Sie ging in die Küche und summte fröhlich vor sich hin. Ich sollte Schauspielerin werden, dachte sie bei sich. Ich bin doch wirklich perfekt. Vielleicht schaff ich es noch? Vielleicht lässt Mark zu, dass ich eine Schule besuche?

Sie saßen im Wohnzimmer und tranken Kaffee.

Feierlich sagte Mark Winter: »Sonja, möchtest du meine Frau werden?«

»Aber das weißt du doch!«, sagte sie lachend.

»Ich möchte mich bei deinen Eltern vorstellen«, sagte er ruhig.

Sonja erschrak.

»Warum?«

»Das gehört sich so«, sagte Mark. »Alles soll seine Richtigkeit haben. Deine Eltern kennen mich ja noch gar nicht, und ich sie auch nicht.«

Flüchtig dachte er daran, dass er die geliebte Frau ja nur in der Gegenwart kannte, aber gar nichts über ihre Vergangenheit wusste. Im Grunde genommen freute er sich darauf, ihre Eltern kennenzulernen, und so ein wenig tiefer in das Leben seiner Sonja eindringen zu können.

»Aber, hör zu, Mark«, log die junge Frau schnell. »Meine Mutter und auch mein Vater sind sehr krank, weißt du? Sie sind nicht mehr ganz klar im Kopf und werden von Verwandten rührend versorgt. Ich glaube, wir brächten nur Unruhe in ihr Leben.«

»Ist das wirklich so?«

»Ja. Der Arzt sagt, es sei altersbedingt. Ein bisschen wirr im Kopf sind sie.«

Mark sagte: »Arme kleine Sonja, dann hast du ja nicht einmal mehr ein Elternhaus. Ich werde dich sehr glücklich machen, damit du dich geborgen fühlst.«

Und schon dachte er nicht mehr daran, etwas aus Sonjas Vergangenheit zu erfahren. Er glaubte ihr bedingungslos und schien schmerzlich mit ihr zu fühlen. Es wurde ihm überhaupt nicht bewusst, wie abhängig sein Gefühlsleben, ja sogar sein Handeln schon von dieser jungen Frau waren. Es wäre ihm wie Verrat an ihr erschienen, Nachforschungen über das bisherige Leben seiner zukünftigen Frau anzustellen.

Sie dachte: Wenn du wüsstest! Mein Alter ist ein versoffenes Stück, und von meiner Mutter hab' ich das Huren gelernt. Sie hat es immer getan, auch als sie ihren Mann schon hatte. Wenn der auf Tour war, dann ging sie mit jedem Kerl ins Bett, und ich musste so lange auf der Straße bleiben und warten.

Zum Glück wohnten die Eltern in Bayern, und sie hatte sich hier im Norden ansässig gemacht. Fluchtartig hatte sie das Dorf verlassen. Niemand wusste, wo sie war, und das war auch gut so. Nur Agnes wusste von ihren Familienverhältnissen. Aber auch die hatte kein schönes Zuhause gehabt. Ihr Vater saß alle Augenblicke im Gefängnis, und die Mutter war verhärmt und sehr arm.

»Wann werden wir heiraten, Mark?«, bettelte sie. »Ich möchte jetzt immer bei dir sein. Immer, wenn du morgens aufstehst, frühstückst, einfach immer.«

Er küsste sie über den Tisch hinweg.

»Wenn du mir deine Papiere gibst, dann werde ich alles in die Wege leiten. Und ...«, aber jetzt machte er eine kleine Pause.

»Was ist?«

Er sah auf seine Uhr. »In zwei Tagen ist Sonntag, bei uns so etwas wie Familientag. Tradition, weißt du? Dann kommen meine Töchter mich besuchen. Und ich finde, das ist der günstigste Zeitpunkt, dich vorzustellen. Sie werden von dir begeistert sein.«

Sie fühlte sich beklommen.

»Ich hab' schon anderes gehört«, murmelte sie. »Da waren die Töchter gegen eine Heirat.«

»Meine nicht«, sagte Mark herzlich. »Im Gegenteil, sie haben mir immer wieder ans Herz gelegt, zu heiraten. Ich bin ja noch nicht so alt. Und als Maria starb, na ja. Aber ich brauchte erst eine gewisse Zeit, über alles hinwegzukommen. Wir waren sehr glücklich, weißt du? Und ich hoffe, dass wir beide es auch werden. Jetzt brauche ich mich auch nicht mehr so sehr um meine Fabrik zu kümmern. Damals, nach dem Krieg und den Schwierigkeiten, hatte ich viel Arbeit, aber jetzt ist es überstanden. Nun können wir uns ein schönes Leben machen, wir beide.«

Auch das noch, dachte sie bei sich. Und ich hab' gedacht, er ist die meiste Zeit bei seiner Arbeit. Ich will doch viel Freizeit haben, verflixt! Vielleicht sollte ich Mark doch nicht heiraten.

Dann hörte sie ihn sagen: »Ich hole dich am Sonntag ab und bringe dich zu mir. Dann bestimmen wir auch gleich den Hochzeitstermin.«

Sie küsste ihn leidenschaftlich.

Mark konnte sich nur schwer von ihr trennen. Immer wieder fragte er, ob sie ihm auch nichts nachtrage. Fast wäre ihr die Geduld geplatzt, und sie hätte ihm die Wahrheit ins Gesicht gesagt.

Das gefährliche Spiel einer Katze: Redlight Street #176

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