Читать книгу Wo bist du, Maja? - G. S. Friebel - Страница 6

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Maja war jung, schön und liebreizend. Ihr Mann liebte sie und trug sie auf Händen. Eine kleine Tochter vervollständigte ihr Glück. Sie liebte ihren Beruf und war glücklich. Das Leben hatte es gut mit ihr gemeint, so glaubten es Maja und auch ihr Mann Jürgen. Bis heute war es auch so. Aber dann erschienen dunkle Schatten in ihrem Leben. Eine grauenvolle Zeit begann für sie. Sie lernte die Angst und die Pein kennen. Und niemand war da, der ihr zur Hilfe eilte. Schon wollte sie vor Verzweiflung aufgeben.

Aber noch wusste sie nichts von dem. Noch lebte sie in den Tag hinein, und das Lachen stand in ihren Augen und in ihrem Herzen.

Maja Richards saß an ihrem Schreibtisch, und ihre Finger glitten flink über die Tasten ihrer Schreibmaschine. Noch zwei Seiten und sie hatte den Schluss des Romans endlich fertig. Sie war immer sehr froh, wenn sie wieder ein Werk beendet hatte.

Maja schrieb Bücher, und sie wurden gern gelesen.

Die Sonne schien durch das Fenster und spielte mit ihrem Haar. Es war blauschwarz und umrahmte mit weichen Wellen ihr liebliches Gesicht. Wenn sie den Kopf hob, dann sah man die großen, dunklen Augen. Maja war so schlank wie eine Gazelle und hatte einen leichten Schritt. Viele, die sie nicht kannten, glaubten sie schwermütig und stolz. Aber das war sie ganz und gar nicht.

Viel lieber tollte sie mit ihrer kleinen zweijährigen Tochter Melanie durch die Wohnung, und das Lachen vereinte sich mit dem fröhlichen Krähen des Kindes. Jürgen selbst beteiligte sich oft an diesem lustigen Spiel.

Maja und Jürgen waren seit drei Jahren verheiratet und liebten sich über alles. Ihr Mann leitete als Direktor eine große Fabrik, und sie konnte ihren geliebten Beruf weiterhin ausüben.

Wieder rasselten die Tasten. Jetzt war sie doch wirklich ins Träumen geraten. Nun noch einige Sätze, und dann war es endlich geschafft. Draußen ging die Tür. Das Kindermädchen kam mit Melanie aus dem Park zurück. Sie hörte das Lachen ihres Kindes durch die verschlossene Tür.

Melanie wusste, wenn die Mutter arbeitete, dann durfte man sie nicht stören. So klein sie auch war, das wusste sie schon sehr genau, dass man dann nicht in das Zimmer stürmen durfte. Aber lange brauchte sie nicht zu warten, da kam schon Maja in den Garten und hob die Tochter hoch in die Luft, dass sie hell aufzujauchzen begann.

„Mutti, willst du mit mir spielen?“

„Ja, mein Kleines, jetzt habe ich wieder Zeit für dich, komm!“

Bis zum Mittagessen widmete sie sich dem Kind, dann ging sie ins Haus und zog sich um. Dann war auch schon ihr Mann heimgekommen. Er ging sie gleich suchen.

„Maja!“ Er breitete die Arme auf, und sie flog ihm entgegen.

„Müde, Jürgen?“

„Es war schon ein sehr anstrengender Tag. Aber jetzt habe ich schon wieder alles vergessen!“

„Schmeichler“, lächelte sie ihn an.

„O nein, ich spreche nur die Wahrheit, mein Liebes.“

Sie schnurrte wie ein Kätzchen in seinem Arm.

„Und du, was hast du den ganzen Morgen getan?“

„Mein Buch ist fertig, Jürgen!“

„Fein, da freue ich mich für dich.“

Hand in Hand schlenderten sie in das Esszimmer. Es war sehr heiß, und die Fenster standen weit offen. Man sah den Rasen und im Hintergrund die großen, stillen Blautannen. Sie verbreiteten Kühle und Schatten.

„Wo ist denn unser kleiner Frosch? Ich höre ihn gar nicht!“, fragte Jürgen.

„Das Mädchen hat sie schon schlafen gelegt. Wir haben im Garten herumgetollt.“

Jürgen lächelte seine Frau zärtlich an. „Glücklich?“

„Ich bin sehr glücklich“, gab Maja das Lächeln zurück. „Du verwöhnst mich über alle Massen!“

„Weil ich dich liebe.“

„Gehen wir heute ins Theater, oder hast du keine Zeit?“, fragte Maja schnell, da sie über sein Kompliment rot geworden war.

„Nein, nein, ich habe es nicht vergessen. Wir gehen wie versprochen.“

Maja und Jürgen besaßen ein wunderschönes Haus am Stadtrand. Sie hatten es sich so eingerichtet, wie sie es sich gewünscht hatten. Jeder hatte sein Arbeitszimmer, und die übrigen Räume wurden mit einem harmonischen Familienleben ausgefüllt.

Nach dem Essen zog sich ihr Mann noch für eine Weile in sein Zimmer zurück. Maja suchte die Haushälterin auf und besprach mit ihr die nächsten Tage.

Maja stand vor dem großen Kristallspiegel in ihrem Zimmer und wendete sich langsam nach allen Seiten. Ja, sie war mit sich zufrieden. Das blutrote Kleid aus leichtem duftigen Chiffon stand ihr vorzüglich. Die schwarzen Haare waren zu einer kunstvollen Frisur aufgesteckt und ließ sie größer und zerbrechlicher wirken.

Sie beugte sich vor und legte die weiße Perlenkette richtig um ihren schlanken Hals. Das Abendkleid reichte bis auf den Boden und war schulterfrei.

Die Tür öffnete sich behutsam.

„Ah, man ist also schon fertig?“

Maja drehte sich mit einem kleinen Lachen um. „Du siehst wundervoll aus, Jürgen!“

In der Tat, auch ihr Mann im Smoking konnte sich sehen lassen. Ihre Augen wurden dunkel vor Sehnsucht. Immer, wenn sie ihn ansah, fühlte sie, wie sehr sie ihn liebte. Ihre Liebe war wie ein Traum. Sie hatten sich bei Freunden auf einem Ball kennengelernt, sich gleich verliebt und kurz darauf geheiratet.

„Neben dir bin ich nur noch ein blasser Stern“, lächelte Jürgen und beugte sich über seine Frau.

„Pass auf mein Haar auf“, murmelte sie leise, erwiderte aber doch den Kuss.

Er lachte.

„Ist man also fertig?“

„Ja!“

Jürgen ging zum Stuhl, hob die wertvolle Stola hoch und legte sie um die Schultern seiner Frau.

Das Mädchen meldete das Taxi. Wenn sie ins Theater gingen, blieb der eigene Wagen immer zu Hause. Nach der Veranstaltung wollten sie noch mit Freunden essen gehen.

„Passen Sie mir auf mein Kind auf!“

„Ja“, sagte das Mädchen und blieb so lange in der Einfahrt stehen, bis der Wagen verschwunden war.

„Eines Tages werde ich dir einen Sohn schenken“, sagte Maja und hielt die Hand ihres Mannes.

„Das hat noch Zeit, meine Liebe! Wir haben ja soviel Zeit, das ganze Leben liegt noch vor uns!“

„Ja, aber wünscht sich nicht jeder Mann einen Sohn?“

„Natürlich!“

„Und warst du sehr traurig, als es nur ein Mädchen war?“

„Welche Gedanken du doch hast Maja, jetzt auf der Fahrt zum Theater!“

„Bitte, gib mir eine Antwort darauf!“

„Nun, wenn du es wissen willst, ich habe um euch beide sehr gebangt und war froh, als alles endlich vorbei war. Es war mir ganz egal, was es wurde, und jetzt bin ich sehr glücklich, dass ich euch beide habe!“

Maja lächelte ihn dankbar an. Aber er sah dieses Lächeln nicht, da es dunkel war im Wagen. Bald hatten sie das Theater erreicht. Es war eine laue Sommernacht. Jürgen half ihr beim Aussteigen. Viele festlich gekleidete Menschen strömten in das große Haus.

„Ah, Maja, du wirst wieder alle Herzen brechen!“, sagte eine Stimme hinter ihnen.

Sie drehte sich rasch um. „Ah, Peter, du bist auch hier?“

Peter war Jürgens bester Freund und noch Junggeselle. Einst hatte er gehofft, Maja für sich zu gewinnen.

„Was macht die Kunst?“

„Ich habe heute mein Buch beendet!“

Peter Barden verbeugte sich leicht vor ihr. „Ich werde es mir gleich kaufen und lesen.“

Maja lachte und reichte ihm ihre Hände. Er beugte sich zu einem Handkuss darüber.

„Wollen wir ewig hier stehen? Wenn ich mich nicht irre, wird heute der Rosenkavalier gegeben, und wir sind eigens dazu hergekommen. Vielleicht reden wir nachher weiter“, meinte Jürgen zu seiner Frau.

Sie wandte sich um, und ihr Kleid raschelte leicht dabei. „Du hast natürlich recht. Aber wie ist es, kann Peter nicht mit uns kommen?“

„Gern, wenn er es wünscht!“ Seine Augen leuchteten auf.

„Du bist doch nicht etwa immer noch eifersüchtig?“, fragte Maja leise auflachend. Dabei zeigten sich zwei Grübchen in ihrem Gesicht, die sie kindlich erscheinen ließen.

Jürgen nahm ihren Arm und führte sie zur Treppe. Peter ging hinter ihnen und lachte vor sich hin. „Ich wusste gar nicht, dass ich so gefährlich bin!“

„Na, na“, Maja krümmte den Finger.

Jürgen schob sie weiter, sein Gesicht hatte einen eigenartigen Ausdruck. Peter Barden war der Sohn und Erbe eines großen Konzerns. Peter hatte Maja mit aller Leidenschaft geliebt und hatte es lange nicht überwinden können, dass sie jetzt seine Frau war. Aber warum, zum Teufel, hatte Maja ihn, Jürgen, gewählt und nicht Peter? Sicher, er konnte ihr auch vieles bieten. Als Direktor verdiente er sehr gut, aber Peter! Dagegen war er doch ein Nichts!

Maja hatte ihm seinerzeit gesagt, sie liebe Peter nicht so sehr wie sie ihn, Jürgen, liebe. Aber Peter sah doch hervorragend aus und hatte keinen Hehl daraus gemacht, ihr zu zeigen, wie sehr er sie liebte und begehrte und ihr die Welt zu Füßen legen wollte.

Nun waren sie vor der Logentür angekommen. Ein Theaterdiener öffnete ihnen die Tür, und sie schlugen den Samtvorhang zurück. Hier standen fünf Stühle mit breiten, bequemen Lehnen. Maja ließ sich an der Brüstung nieder und sah für einen Augenblick nach unten in das weite Rund. Sie legte die kleine Silbertasche vor sich und lächelte.

Gleich zu Anfang ihrer Ehe hatte Jürgen diese Loge gemietet. Maja war eine leidenschaftliche Theaterbesucherin. Aber oft konnte Jürgen sie nicht begleiten. Und so ging sie eben allein. Hier oben saß sie dann, vor allen neugierigen Blicken geschützt. Seltsam, so sicher er auch der Liebe Majas war, hatte er immer noch ein heimliches Angstgefühl in sich, dass er sie eines Tages verlöre. Und wenn das geschehen würde, sein Herz schlug schnell und wild. Er würde bestimmt über diesem Kummer sterben, das wusste er. Maja war sein Lebensinhalt. Wenn sie einmal nicht mehr war, dann würde er alle Freude am Leben verlieren.

Der Gong ertönte, und dann verstummte jeder Laut. Mit angehaltenem Atem lauschte Maja den wundervollen Musikklängen. Sie gab sich ganz hin und vergaß ihre Umgebung. Erst in der Pause wachte sie wieder auf und war zu einem Scherz aufgelegt.

Nach Schluss, es ging schon weiter über zwölf Uhr, brachen sie auf.

Peter fragte, ob er sie noch begleiten dürfe.

„Hast du niemanden?“, fragte Jürgen.

„Wie du siehst nein! Wer einmal Maja geliebt hat, findet nicht so schnell einen Ersatz!“, sagte er etwas gequält! Es sollte scherzhaft klingen.

Maja schob ihren Arm in den der beiden Männer. „Kommt, lasst uns fröhlich sein, ja?“

Der Bann war gebrochen.

Sie besuchten ein ausgezeichnetes Künstlerlokal. Dort konnte man um diese Zeit ausgezeichnet speisen. Dort ging erst um Mitternacht der Trubel so richtig los. Auf dem Tisch standen Kerzen und flackerten leicht im Zug. Maja saß sinnend davor und betrachtete das Spiel der Flammen. Der weiche Schein legte sich über das Mädchen und ließ sie noch unwirklicher erscheinen. Jürgen und Peter sahen sie wie gebannt an. Wie eine Elfe, wie ein kleiner Geist erschien sie ihnen. Nun hob sie den Kopf mit den großen rätselhaften Augen, und ein Lächeln stand darin.

„Man träumt?“

Beide schraken auf. „Verzeih“, sagte Jürgen und drückte für einen kurzen Augenblick ihre Hand.

„Ich möchte tanzen, ich fühle mich heute so glücklich, weißt du. Oben auf der Dachterrasse ist doch immer Tanz. Lass uns dort hingehen!“

Man brach auf und fuhr mit dem Fahrstuhl in die Höhe. Laue Nachtwinde schlugen ihnen entgegen. Hier war das Dach zu einem Garten umgewandelt. In kleinen Lauben saßen die Paare. Im Hintergrund spielte eine ausgezeichnete Kapelle, und in der Mitte befand sich eine große Tanzfläche. Viele Theaterbesucher hatten sich hier eingefunden.

Peter bestellte Wein, und bald funkelte er in den Gläsern. Die Windlichter auf dem Tisch zuckten hin und her und versuchten mit dem Glanz der Sterne zu wetteifern, was aber nicht gelang. Wieder spielten die Musiker auf.

„Darf ich?“ Peter verbeugte sich leicht vor Maja. Jürgen nickte, und Maja stand auf.

Sie war leicht wie eine Feder. Peter legte seinen Arm um die zarte Gestalt und entführte sie. Sie waren ein wundervolles Paar. Peter hatte blonde Haare und blaue Augen. Ein schöner Kontrast zu ihrem dunklen Haar. Maja lehnte sich zurück, und die Sterne tanzten in ihren Augen. Der Duft ihres Parfüms umwallte ihre Figur. Peter schloss für einen Augenblick die Augen.

„Warum musstest du Jürgen heiraten, Maja? Hast du nicht gewusst, wie sehr ich dich liebe?“

Ihr Herz zuckte ein wenig auf, als sie die gequälte Stimme hörte. In ihren Augen stand Trauer, als sie ihn endlich ansah. Sein Blick senkte sich in den ihren. Für einen Augenblick zog er sie behutsam an sich, aber er ließ sie gleich wieder los. Der Walzer wollte kein Ende nehmen.

„Doch“, sagte sie zart.

„Und?“

„Ich liebe Jürgen, Peter, das weißt du!“

„Was ist denn an mir, dass du mich nicht lieben kannst?“, fragte er etwas bitter.

„Nichts, Peter. Aber wenn das Herz spricht, muss man ihm dann nicht folgen?“

„Hättest du Jürgen nicht gekannt, was dann, Maja?“

„Dann?“ Sie sah in den nachtdunklen Himmel, sah die schönen Paare und sich und Jürgen einsam in der Nische sitzen. Und dann schaute sie wieder Peter an. Sein Gesicht war gespannt und so sehnsüchtig. „Dann hätte ich dich wahrscheinlich nur geliebt! Aber ich habe Jürgen getroffen.“

„Ja“, sagte er rau, „und ich war es noch, der euch beide bekannt gemacht hat.“

„Peter, wir haben immer ein ehrliches Spiel gespielt. Ich habe dir nie Hoffnungen gemacht. Du hast es gleich zu Anfang gewusst, bitte, du kannst mir keine Vorwürfe machen!“

„Nein, Maja, verzeih. Du hast recht, und ich bewundere dich. Ich habe mich schon damit abgefunden, dass Jürgen sich das Glück geholt hat. Aber weißt du, manchmal schmerzt es doch.“

„Eines Tages wirst du ein Mädchen finden und mich vergessen!“

„Dich werde ich nie vergessen!“

Dann war der Walzer zu Ende, und sie gingen an den Tisch zurück.

Den nächsten Tanz tanzte sie mit ihrem Mann. Jürgen konnte wundervoll tanzen. „Ich war schrecklich eifersüchtig, als ich euch beide da so sah!“

Sie lachte. „Lieber Jürgen, jetzt fang nicht auch du noch an.“

Er sah sie stumm an, als er aber ihre Augen sah, da wusste er, dass sie nur ihn liebte, und dieses Gefühl berauschte ihn und überwältigte ihn über alle Massen.

Langsam beugte sich sein schöner Kopf herab.

„Nicht“, murmelte Maja mit glänzenden Augen. „Wir sind doch schon ein ganz altes Ehepaar!“

„Pah“, sagte Jürgen und küsste sie voller Leidenschaft vor allen Leuten.

Kurz darauf brachen sie endlich auf. Morgen war wieder eine Konferenz angesetzt, und zu der musste Jürgen ausgeruht sein.

Peter brachte sie nach Hause und wartete im Wagen solange, bis sie im Haus verschwunden waren. Maja stand noch einen Augenblick in der hellerleuchteten Tür und winkte ihm zu. Das war das letzte, was er von dem wundervollen Mädchen sah. Und für lange Zeit sollte sie wie vom Erdboden verschwunden bleiben.

Maja ging noch einmal nach ihrem Kind schauen. Jürgen wartete schon auf sie. Voller Leidenschaft zog er seine schöne, junge Frau in die Arme. Hob sie hoch und trug sie in ihr Zimmer.

Wo bist du, Maja?

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