Читать книгу Wo bist du, Maja? - G. S. Friebel - Страница 7

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Der Regen trommelte unaufhaltsam an die Fensterscheiben. Das Wetter hatte auf einmal umgeschlagen. Gestern noch der herrlichste Sonnenschein, und heute war alles Grau in Grau. Maja wollte es zuerst gar nicht so recht glauben, als sie am Morgen die Augen aufschlug. Sie glaubte zuerst, immer noch zu träumen, aber dann sah sie doch, dass es Wirklichkeit war.

Jürgens Bett war schon leer, wie sie mit leisem Erschrecken feststellte. Himmel, hatte sie denn so tief geschlafen, dass sie nichts gemerkt hatte? Gestern war es auch ziemlich spät geworden, und dann noch der Wein, er hatte sie selig schlafend gemacht. Das Abendkleid hing noch über dem Stuhl.

Mit einem Sprung war sie aus den Federn. Die Uhr sagte ihr, dass sie es noch schaffen könnte. Schnell unter die Dusche, dann zog sie sich das weiche, weiße Hauskleid an und bürstete sich über die schwarzen Locken. So verließ sie das gemeinsame Schlafzimmer. Im Kinderzimmer hörte sie Melanie aufjauchzen. Jetzt hatte sie aber keine Zeit.

Im Esszimmer traf sie ihren Mann beim Frühstück. Vorwurfsvoll blieb sie in der Tür stehen und sah ihn an.

„Du hättest mich wecken sollen!“

,,Ah“, Jürgen stand auf und ging ihr entgegen. „Aber du schliefest doch so schön, und du versäumst doch nichts!“

„Doch, ich will mit dir frühstücken. Ich würde mich als ganz schlechte Frau fühlen, wenn ich noch in den Federn läge, während mein Mann sich abplagen muss!“

Er küsste sie. „Na, wenigstens einigermaßen ausgeschlafen, mein Herz?“

„Und du?“, gab sie zurück.

„Oh, ich fühle mich ausgezeichnet!“

Sie schenkte ihm den Kaffee ein und bestrich die Brötchen.

Jürgen überflog die Post, die das Mädchen gerade gebracht hatte.

„Deine Mutter hat geschrieben, Maja!“

Maja nahm den Brief mit den etwas zittrigen Schriftzügen entgegen. Seit dem Tode des Vaters lebte die Mutter allein in einer anderen Stadt. Den Bitten ihrer Tochter und denen des Schwiegersohnes hatte sie noch nicht nachgegeben. Maja sähe ihre alte Mutter viel lieber bei sich. Aber die Mutter hatte den vernünftigen Standpunkt, dass junge Leute besser für sich lebten.

Maja las den Brief.

„Was schreibt sie denn? Will sie endlich kommen?“

„Jetzt wird sie wohl müssen“, sagte Maja kummervoll. „Sie schreibt nämlich, dass sie sich kränklich fühle, und wenn ich im Augenblick nichts anderes zu tun hätte, so möchte ich doch mal bei ihr reinschauen.“

„Und du wirst fahren?“

„Natürlich,, Jürgen, ich werde sie gleich mitbringen.“

„Schön, mir soll es lieb sein. Hoffen wir, dass es nichts Ernstes ist.“

Maja trank ihren Kaffee aus und faltete den Brief zusammen.

„Du nimmst deinen Wagen?“

„Nein, ich fahre mit dem Zug, Jürgen. Du weißt doch, dass Mutter lange Autostrecken nicht gut verträgt. Und außerdem fahre ich selbst ganz gern mit dem Zug.“

„Soll ich dich also zum Bahnhof bringen?“

„Geh du nur erst in die Fabrik. Ich werde Mutter ein Telegramm schicken und ihr mitteilen, dass ich morgen früh dort sein werde. Ich werde den Nachtzug nehmen.“

„Gut, dann werde ich jetzt also gehen. Grüße mir Melanie von mir!“

Maja brachte ihren Mann bis zur Tür und winkte ihm nach.

Ein leichter Reisekoffer mit dem Nötigsten war fertig gepackt und stand schon in der Diele.

Maja und Melanie spielten im Wohnzimmer mit bunten Bauklötzchen, als Jürgen das Zimmer betrat. Er hockte sich auch auf den Boden und hob seine Tochter in die Höhe. Ein paarmal ließ er sie herumwirbeln, bis sie hell auf jauchzte. Maja sah ihnen zu und lachte. Das Kind strampelte und wollte mehr. Unermüdlich wollte es wie ein Ball in die Luft geworfen werden.

Endlich kam das Mädchen und meldete, dass angerichtet sei. Maja und Jürgen speisten zusammen zu Abend.

„Wirst du wieder schnell nach Hause kommen? Es wird sehr einsam ohne dich sein!“

„Armer Jürgen, hole dir doch Peter zur Gesellschaft. Aber ich will versuchen, alles schnell zu erledigen. Wenn Mutter nicht sehr krank ist, werde ich mich nicht lange aufhalten und sie gleich mitbringen.“

„Ob dir das gelingen wird?“

„Ich werde mein Möglichstes versuchen, Jürgen.“

Dann aber war die Zeit angebrochen, wo sie endlich zum Bahnhof fahren musste. Maja trug ein rotes Sommerkostüm mit einer weißen Bluse. Sie sah allerliebst aus. Das schwarze Haar hatte sie zu einem schweren Knoten zusammengebunden. Das tat sie öfter, wenn sie reiste, so war es ihr nicht hinderlich. Aber auch diese Frisur stand ihr vorzüglich.

Jürgen hatte gleich den Wagen vor dem Haus stehen lassen. Noch immer regnete es, und große Pfützen standen auf der Straße. Die Laternen spiegelten sich darin wider.

Maja schlüpfte in den Wagen. Jürgen warf den Koffer hinter sich und fuhr gleich los. Kaum konnten die Scheibenwischer das viele Wasser bewältigen.

„Auch der Himmel ist traurig, weil du fortfährst“, murmelte Jürgen.

„Aber, du tust, als würde ich eine Ewigkeit fortbleiben, und außerdem sind wir doch schon so lange verheiratet!“

„Du meinst, da würde es mir nichts ausmachen? Irrtum, meine Beste, vielleicht ist es so bei dir, aber ich werde dich schrecklich vermissen!“

Majas Hand schob sich in die seine. Er drückte sie leicht und ließ sie dann wieder los, da er schalten musste.

„Ich werde erst wieder glücklich sein, wenn ich bei dir und Melanie bin! Zufrieden?“

„Ja!“

Der Bahnhof kam in Sicht. Jürgen ließ seine Frau aussteigen und brachte dann den Wagen zum Parkplatz.

„Hast du eine Fahrkarte, mein Herz?“

„Ja, komm, wir müssen uns jetzt beeilen. Ich habe nicht mehr viel Zeit.“

Hastig liefen sie die Treppen zum Bahnsteig hinauf. Jetzt, um diese Zeit, waren nicht viele Reisende unterwegs. Fast leer war der Bahnsteig, nur das Bahnpersonal stand herum und wartete auf die Ankunft des Zuges.

Jürgen hielt die Hände seiner Frau umkrampft und sah sie unverwandt an. Maja hatte ihr schönes Gesicht emporgehoben. Er sah ihre Augen und den stolzen Mund.

In der Ferne hörten sie das Brausen des Zuges. Dann endlich war er in die Halle eingefahren und hielt schnaufend an.

Maja küsste ihn zärtlich und voller Leidenschaft. „Vergiss mich nicht.“

„Dass du scherzen kannst. Weißt du auch, dass das unsere erste Trennung ist?“

„Ich muss jetzt gehen, der Zug hat nicht lange Aufenthalt!“

„Ja, das musst du wohl. Ruf mich gleich an, wenn du bei Mutter bist, ja?“

„Ja, ich werde es tun!“

„Komm, ich helfe dir den Koffer tragen!“

„Lass nur, das kann ich wohl selbst!“

„Maja!“ Es war wie ein leiser Aufschrei. „Maja!“

Sie wandte sich noch einmal um und sah ihren Mann erstaunt an. „Was ist, Jürgen?“

„Ach, Maja, schelte mich einen dummen Jungen, aber weißt du, ich kann nichts dafür, ich habe ein so unsinniges Gefühl, wirklich. Ach, Maja, bleib hier, fahr nicht fort!“

„Lieber Jürgen“, sagte Maja etwas ratlos.

„Nein, du hast recht, du musst fahren, ich bin ja auch schon still!“

Noch ein letzter Kuss, und dann stieg sie wirklich in den Zug. Sie stand so lange am Fenster, bis sie aus dem Bahnhof gefahren waren. Jürgen lief noch ein kleines Stückchen mit, und dann hob er winkend die Hand. Immer kleiner wurde die Gestalt seiner Frau. Noch sah er ihren Kopf, doch dann war der Zug in die Nacht hineingebraust und hinterließ nur eine große, dunstige Wolke.

Das war das letzte, was Jürgen sah, und sein Herz wurde immer schwerer. Noch wusste er nicht, dass er Maja für lange Zeit verlieren sollte. Sie verschwand spurlos aus seinem Leben, und die Ängste übermannten ihn und ließen ihn verzweifeln. Nur das Kind hielt ihn daran zurück, nicht zusammenzubrechen.

Maja hingegen wandte sich endlich um, als sie ihren Mann nicht mehr sah. Außer ihr war noch ein einzelner Herr im Abteil. Er sah sie an.

Wo bist du, Maja?

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