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Ich ging zu meiner Agentur hinüber, nahm die Werbeprospekte aus dem Briefkasten, schloss die Tür auf und trat aus dem hellen Morgen hinein ins dämmerige Empfangszimmer.

Innerhalb dieser dicken, alten Sandsteinmauern blieb es in der Wohnung – egal wie heiss die Sonne draussen auf den Asphalt brannte – schattig und kühl. Es roch nach Walderde, getrockneten Pilzen und manchmal nach angefaulten Kartoffeln, schwach, aber doch streng genug, um zu verhindern, dass in mir das Gefühl der Vertrautheit entstehen könnte. Das Flusswasser, das während einer Woche durch das alte Quartier geflossen war, hatte genügend Zeit gehabt, unter die Bodenplatten und ins Fundament zu sickern und sich von den Gipswänden aufsaugen zu lassen; eine Restfeuchte hatte sich im Holz und in den Dichtungsmassen unter den Fenstersimsen festgesetzt, da und dort kamen nach Monaten noch schwarze Schimmeltupfer zum Vorschein.

Ich hatte Vorhänge anbringen lassen, schwere, blickdichte Ware aus Baumwolle, damit sich die Klienten nicht beobachtet fühlten. Das Gewebe dämpfte nahezu alles, Geräusche, Licht, Wärme, sogar die Erschütterungen, bloss die Gerüche, die dämpfte es nicht. Langsam hegte ich den Verdacht, dass die Vorhänge die Austrocknung der Wohnung sogar verhinderten. Erfolgreich verhinderten.

Ich riss sie zurück und das Fenster auf und liess frische Luft herein.

An der Wand wartete ein Sofa auf Klienten, ein breites, modernes Sofa. Dem Sofa gegenüber stand der dazu passende Sessel. Ich hatte die beiden Möbel mit meinem ersten Honorar gekauft, darauf gesessen und gewartet hatte bisher niemand. Geschlafen hatte ich hingegen mehr als einmal auf dem Sofa, Langnau lag im Emmental, und die Fahrt dahin dauerte immerhin 45 Minuten, und wenn ich jemanden observierte, der sich in derselben Nacht in zwei Betten niederlegte, verbrachte ich halbe Nächte im Auto, unter einem Baum oder hinter einem Container.

In der Mitte stand ein Tischchen, auf dem Zeitschriften lagen, die wie neu glänzten, obschon ich sie zur Eröffnung gekauft hatte, und neben dem Sofa hatte ich ein Plakat mit Reissnägeln direkt auf die neue Tapete gepinnt. Es zeigte den Berg Niesen, gemalt von Paul Klee; nichts als den Niesen und rechts davon die Sonne, abstrakt und in Farben, die alles andere als grell waren und präzis zu meinem Gemüt passten, wie ich fand.

Jedes Mal, wenn ich eintrat, stellte ich fest, dass das Plakat schief hing, ich verspürte aber nie das Bedürfnis, dies zu ändern, denn die Schieflage verstärkte das Plakative; sie enthob das Plakat der Versuchung, ein eigenständiges Bild zu sein. Das Plakat blieb Plakat, Träger des Abdrucks eines Klee-Bildes, und das Klee-Bild mit dem Niesen wurde zum Ereignis, zum Kernpunkt. Je häufiger ich darüber nachdachte, desto mehr kam ich zur Überzeugung, dass dies auch für Menschen galt, die im Dienst der Gesellschaft stehen. Für Polizisten zum Beispiel, für Lehrer, Politiker oder Soldaten. Egal welchen Auftrag sie haben, sie werden eher akzeptiert, wenn man spürt, dass sie mit menschlichen Eigenschaften wie Vergesslichkeit oder Fehlbarkeit gestraft sind und Aufträge so erfüllen, wie sie es mit ihrem eigenen Gewissen vereinbaren können. Abwehr oder gar Widerstand lösen die anderen aus, die Männer und Frauen, die ihren Weg wie eine hellerleuchtete Promenade vor sich haben, denen selber nie ein Fehler unterläuft. Wer kennt sie nicht, diese senkrechten Menschen, die bis zur Zahnstellung vollkommenen Figuren, die alles in ihrem Leben richtig machen, angefangen bei den Eltern, die sie sich ausgesucht haben, bis hin zum Glück, die richtigen Kinder mit dem richtigen Partner gezeugt zu haben, als wären sie nicht zum ersten Mal Mensch auf dieser Erde?

Als Polizist nehmen sie jede Untat, jedes Vergehen als persönliche Beleidigung und ahnden streng, kleinlich und unnachsichtig. Sie verspüren eine tiefe Befriedigung, sobald sie eine Person eines Vergehens überführen können. Sie wähnen sich immerzu auf der Seite des Rechts und halten sich gar für das Mass oder die Norm des Rechts, als hätten sie es geschaffen, führen sich auf wie Vollstrecker statt Vollzieher.

Am unerträglichsten sind diese Menschen, wenn sie an der Macht sind, wenn sie Herr sind über ein Heer von Polizisten. Gerade in dieser Stadt gab es zu jener Zeit einen Polizeivorsteher, der hiess die Stadtpolizei selbst dann einschreiten, wenn etwas nur schon nach Verbrechen oder Sünde roch, und er bezichtigte jede Verharmlosung der Mitschuld. Oft war sein Blick getrübt oder beschränkt, weil er die Gesetze vor dem Gesicht trug, statt im Kopf.

Seinesgleichen geniessen wenig Vertrauen in der Bevölkerung, und ohne Vertrauen wird jede Aktion gegenüber Menschen, jedes Eingreifen oder Einschreiten vom Publikum als Beleidigung empfunden; das wusste schon Konfuzius. Ich hatte mich oft über die Kurzsichtigkeit des Kerls gewundert; wie erbärmlich musste sein Alltag, sein Privatleben ausgesehen haben: Alles, was für ihn zählte, war erstens Sicherheit, zweitens Sicherheit und drittens Sicherheit. Jede Bewegung, jeder Aufruhr, jeder Krawall war für ihn ein Zeichen des Niedergangs, der Verwahrlosung, des Zerfalls. Toleranz, Freizügigkeit und Nachsicht waren für ihn Merkmale der Schwäche. Kurz: Für ihn war alles, was Menschen bewegt, was sie zusammen- oder auseinanderbringt, gefährlich und konnte nur mittels rigorosem Durchgreifen unterdrückt und bewältigt werden. Er war auf seine Weise so unerträglich wie jeder religiöse Fanatiker.

Das Telefon klingelte und holte mich unsanft aus der Grübelei. Ich sauste hinüber ins Büro, das ich im Schlafzimmer eingerichtet hatte. Hier waren die Vorhänge zurückgeschoben, und die Sonne streckte ihre warmen Strahlen bis aufs verstaubte Pult. Ich liess die Prospekte in den Papierkorb fallen, was den Staub zünftig aufwirbelte, und hob der Hörer ab.

Es war Deborah, die Sekretärin des Stellvertretenden Polizeichefs. Statt einer Begrüssung sagte sie: «Endlich! Wo warst du so lange?»

«Ich habe heute meinen freien Tag.»

«So? Und trotzdem bist du in deiner Agentur?»

«Ich muss meine Blumen giessen. Habe gestern keine Zeit gehabt.»

Sie kicherte: «Auch keine Zeit zum Staubwischen?»

Sie war hiergewesen und hatte durchs Fenster gespäht, so viel war klar! (Und Frauen sehen nun mal jedes Staubkorn, so wie ihnen jeder Tupfen Fliegenkot auf einer Fensterscheibe ins Auge springt.)

Ich blickte den winzigen Teilchen nach, wie sie den Sonnenstrahlen entlang hinauf und hinaus in die Welt tanzten, und gab zur Antwort: «Nein, ständig ruft jemand an.»

Sie sagte: «Ach, du bist immer noch derselbe Spassvogel, was? Wann kommst du wieder zu uns zurück? Du fehlst hier, weisst du das? Du hast unserem Laden gutgetan. Seit du weg bist …»

Ich unterbrach sie: «Wenn das so weitergeht, brauche ich Verstärkung. Möchtest du nicht für mich arbeiten?»

«Du meinst, ich könnte bei dir Staub wischen?», fragte sie in höchstem Ton.

Hatte sie angerufen, um mich zu ärgern? Ich versuchte, bei ihr eine empfindliche Stelle zu treffen: «Ich mein es ernst, oder suchst du nicht mehr was anderes?»

Es wurde still. Ich lauschte und liess meinen Blick aus dem Fenster schweifen. Stehend konnte ich zwischen den Häusern die Aare sehen, sie floss aufgewühlt unter der Steinbrücke durch. Nach hundert Jahren Schweigsamkeit hörte ich einen Seufzer am anderen Ende der Leitung, und bevor sie etwas entgegnen konnte, setzte ich einen drauf: «Verstehe, du hast dich abgefunden mit deinem Chef, seinen kindlichen Erklärungen, seinen Selbstlobhudeleien, Peinlichkeiten …»

«Ach, Alex!»

«… mit den unkollegialen Kollegen, mit den einfältigen Kolleginnen, Hyänen, Schlangen und Oberkühen; mit all den Reibereien, mit …»

«Hör auf!» Es klang wie Hoffnung, die von Verzweiflung zerfressen wurde. Sie senkte ihre Stimme, die Zischlaute stachen wie Nadeln in mein Ohr, ich stellte mir vor, wie sie mit ihrer Hand die Sprechmuschel abschirmte, damit nichts von dem, was sie sagte, in unbefugte Ohren gelangen konnte: «Du wirst es nicht glauben, aber seit du weg bist, ist hier alles noch schlimmer geworden.»

Ich hielt den Hörer vom Ohr weg und brüllte in die Muschel: «Ha, und du willst mich zurücklocken! Sag mal, hasst du mich so sehr? Warum verlässt du die Abteilung nicht auch endlich?»

«Ach, Alex», hörte ich sie jammern, «es ist schwer, sehr schwer in meinem Alter. Ich hab es versucht, glaub mir, ich habe 45 Bewerbungen verschickt», und wie um der Zahl zusätzlich Gewicht zu verleihen, fügte sie hinzu, «eine für jedes meiner Jahre.»

Ich hatte ihren wunden Punkt getroffen. Ich sagte in versöhnlichem Ton: «Du und ich, wir wären ein starkes Team.»

Ich hörte ein Geräusch im Hintergrund, jemand war zu ihr ins Sekretariat gekommen, bestimmt Konrad Oberli, der Hausdienstleiter, der sich dauernd auf ihr Pult setzte, als wäre er ihr bester Freund. Das lenkte sie ab, zwang sie zur Teilung ihrer Aufmerksamkeit, deshalb überhörte sie mein Angebot. Sie änderte ihre Stimmlage ein weiteres Mal und sagte: «Der Chef will dich sehen.»

«Sag ihm, er soll selbst bei mir anrufen, wenn er was von mir will. Ich bin jetzt mein eigener Chef.»

Sie sagte: «Er sagt, du seiest gestern Abend am Tatort gewesen. In Muri, bei Schilds Haus. Er will mit dir darüber reden.»

«So? Hat er das gesagt? Weisst du zufällig, was er mir sagen will?»

Sie redete, als wäre sie allein: «Er hat gesagt, der Fall … Er meint, es könnte gefährlich werden, du könntest in Teufels Küche geraten und es am Ende teuer bezahlen.»

«Meint er.»

«Ja. Er hat gesagt, er könne dich nicht schützen und auch nicht decken oder rausholen, wenn du in die Klemme gerätst», sagte sie mit einer Ernsthaftigkeit, die mir zu denken gab.

«Verstehe, er hat Angst um mich.»

«Sieht so aus», sagte sie.

«Das glaubst du ja selbst nicht. Der hat noch nie um jemanden Angst gehabt, ausser um seinen eigenen Arsch. Und helfen würde er nicht einmal seiner Mutter, wenn sie in der Klemme sässe. Er weiss doch, dass das jeder weiss. Deborah, was will er wirklich?»

Beim Reden kam mir der Gedanke: «Oder setzt ihr verdeckte Ermittler ein? Meint er, ich könnte einen erkennen und auffliegen lassen?»

Sie wich den Fragen aus: «Hast du tatsächlich den Auftrag, Schilds Mörder zu suchen?»

«Ich hab doch gesagt, wenn das so weitergeht, brauche ich Verstärkung.»

«Warum überlässt du das nicht unserem Fahnder?», sie klang, als erhoffte sie sich Unterstützung von Oberli.

Tatsächlich ertönte ein Grunzen aus dem Hintergrund, es klang wie Beifall – wenn das nicht Oberlis Stimme gewesen war!

Sie fuhr fort: «Er hat gesagt, der Fall sei eine Nummer zu gross für dich.»

Diese Bemerkung war typisch für den stellvertretenden Chef, er vermutet hinter jedem ungeklärten Fall eine internationale Verbrecherbande: bestens informiert, gut vernetzt, generalstabsmässig organisiert, sehr gefährlich und just am Erweitern ihres Operationsfeldes.

«Und?», fragte ich, «glaubst du das auch? Hast du etwa Angst um mich?»

«Aber sicher.»

«Hör schon auf, als ich Polizist war, hattest du nie welche!»

«Doch, manchmal», sagte sie kleinlaut. Sie war schlicht entwaffnend. Ich meine, nach der Zeit! Ich warf das Handtuch: «Also gut, ich komme, sag ihm, ich sei in einer Stunde bei ihm.»

Die Zusage allein genügte ihr nicht: «Gehts nicht früher? Es ist elf Uhr, und er will mit dem Grand-Chef zum Joggen. Die beiden rennen jeweils um Viertel vor zwölf los – du könntest doch in zwanzig Minuten hier sein.»

Ab und zu redete sie sagenhaft direkt. Sie wusste, wo meine Agentur lag, und sie wollte, dass ich weiss, dass sie es wusste. Hatte sie so etwas wie einen Auftrag, mich zu bespitzeln? Ihre Anspielung löste in mir Gefühle aus, die alles andere als berauschend waren. Der erste grössere Auftrag, und schon wollte mich die Polizei ausbremsen.

Ich versuchte angestrengt, sie meinen Ärger nicht spüren zu lassen: «Umso besser, dann wird er nicht viel Zeit haben für lange Ausführungen. Also, bis dann … Tschüss!»

Ich legte auf und warf einen Blick hinaus auf die Aare. Sie wechselte ihr Erscheinungsbild täglich, manchmal stündlich, und zwar in Temperament, Form und Farbe. Im Sommer, manchmal bis spät in den September hinein, konnte sie dahintrudeln, langsam und in einem Blau, das es sonst nur in Bergseen zu sehen gibt, so klar, dass man jeden einzelnen Kieselstein auf dem Grund glitzern sehen konnte. Dann lockte sie jeden guten Schwimmer zu einem Bad. Und an lauen Abenden bekam sie einen Glanz wie Kinderaugen bei Kerzenschein, und im Winter, besonders im Winter, zeigte sie sich unergründlich, fast schwarz, mit einer Oberfläche, die an eine gehämmerte Eisenplatte erinnerte und tödliche Kaltherzigkeit ausstrahlte.

Heute zeigte sie sich aufgewühlt, wie gesagt, war stärker in Eile als üblich, ihre Farbe glich einer Olivenseife aus Palästina, und sie führte Schaum, Laub und kleine Äste mit sich. Heute lud sie nicht zum Baden ein, heute schreckte sie eher ab, obschon sie noch gute sechzehn Grad warm war.

Ich wandte mich dem Telefon zu und rief beim Advokatur- und Notariatsbüro Scheidegger an.

Eine Frauenstimme meldete sich: «Advokatur und Notariatsbüro Scheidegger, Christine Klay?», sie redete bedächtig und schniefte ständig, erst glaubte ich, sie hätte geweint, aber dann wurde mir klar, dass sie verschnupft war.

Ich nannte meinen Namen und bat sie, mich mit Frau Scheidegger zu verbinden.

Sie hielt sich ein Taschentuch unter die Nase, das Rascheln war nicht zu überhören, und nuschelte: «Sind sie nicht der Detektiv, der Schilds Mörder jagt?»

«Nun ja.»

«Hören Sie: Sie müssen ihn finden!» Sie schnäuzte sich, stöhnte, redete weiter: «Doktor Schild ist ein so guter Mensch gewesen. Er hat mir so oft Blumen gebracht und Süssigkeiten, zum Geburtstag, zu Ostern, zu Weihnachten, immer», sie hustete, «und manchmal hat er mich nach Hause gefahren, wenn ich mein Abonnement verlegt habe, wenn es in Strömen regnete oder wenn es hier spät wurde wegen den Verhandlungen; bis nach Ostermundigen hat er mich gefahren, obschon er doch drüben gewohnt hat, gegen Muri hinaus, sie werden ihn finden, nicht wahr?»

Über das Telefon bestand keine Ansteckungsgefahr, ich konnte beruhigt sein, dafür ging mir die Geduld aus: «Ja, mach ich, aber dazu muss ich mit Frau Scheidegger reden können. Können Sie mich bitte verbinden?»

Sie sagte: «Frau Doktor Scheidegger bespricht sich gerade mit Doktor Müller. Sie hat gesagt, sie möchte auf keinen Fall gestört werden. Doktor Müller übernimmt den Auftrag von Doktor Schild, müssen Sie wissen, den letzten Fall von Doktor Schild, er wird noch heute nach Lipari reisen, zu Herrn Walter Grob, die Polizei hat Doktor Schilds Notizen beschlagnahmt, wissen Sie, der Fall muss jetzt von Doktor Müller weiterbearbeitet werden.»

«Das war Schilds letzter Fall? Walter Grob, der Finanzbetrüger?»

«Aber, Herr Bergmann, wir wollen Herrn Grob nicht vorverurteilen, nicht wahr, er ist nach Lipari geflüchtet, weil ihn alle vorverurteilen, Doktor Schild hat seine Verteidigung übernommen, und jetzt, da er tot ist, wird Doktor Müller dafür sorgen, dass Herr Grob einen fairen Prozess erhält. Doktor Schild hat Herrn Grob auf Lipari besucht, und wie er zurückkommt, wird er erschossen, schrecklich, nicht, und seine Notizen sind, wie gesagt, von der Polizei beschlagnahmt worden. Da fällt mir ein, er hat mir versprochen, eine Karte zu schreiben, ich hab sie nicht erhalten, noch nicht, vielleicht kommt sie morgen oder übermorgen, ist das nicht schrecklich?» Sie redete und schniefte abwechselnd.

«Ich verstehe nicht, was Sie meinen.»

«Die Ansichtskarte, meine ich, wenn die Karte aus Lipari morgen bei mir eintrifft, wo er doch seit Montag tot ist», sagte sie, «ist das nicht schrecklich?»

«Ja. Das kommt vor, jemand schreibt eine Karte und stirbt kurz danach.»

«Er ist nicht gestorben, er ist ermordet worden! Ich werde sie aufheben, er ist so ein guter Mann gewesen.» Jetzt schluchzte sie.

«Tun sie das, könnten Sie …»

Sie versuchte sich zu fassen und lenkte ab: «Also, ich weiss nicht, ich könnte nicht ruhig sein, auf so einer Vulkaninsel, das wäre mir zu gefährlich, wenn man nie weiss, wann der Vulkan hochgeht. Waren sie schon mal da? Ich war noch nie da.»

«Wo?»

«Auf Lipari», sie hatte sich gefasst.

«Nein.»

«Der Vulkan soll voll aktiv sein, ständig Schwefeldämpfe und glühende Lava oben raus und so», sie schnäuzte sich.

Ich überlegte, ob ich einen anderen Weg wählen sollte.

Sie fragte: «Soll ich Frau Doktor Scheidegger etwas ausrichten?» Sie war wieder die Sekretärin, sachlich, dienstbeflissen.

«Ja. Ich nehme den Auftrag an, bitte richten Sie ihr das aus.»

Das brachte sie erneut aus dem Gleis, sie rief: «Ich wusste es! Sie werden ihn finden, und wir werden ihn vor Gericht bringen, diesen … diesen gemeinen Mörder!»

Sie hätte sich gern noch weiter darüber ausgelassen, ich verabschiedete mich gegen ihren Willen, legte auf, sank auf meinen Bürostuhl, blickte aus dem Fenster – jetzt sah ich die Aare nicht mehr, dafür den Himmel, zwischen den Wolken war er sehr blau, wie auf einer Ansichtskarte aus Lipari.

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