Читать книгу Die verflixte dritte Leiche - Gabriela Hofer - Страница 8

Wut

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„Na los, ihr Rabauken, geht die Zeitung lesen“, sagte eine lächelnde Maria zu Romeo und Moon. Sie liess die beiden Hunde von der Leine und genoss den wunderschönen Frühlingsmorgen. Karin übernahm heute Nachmittag den Kiosk, und sie konnte sich endlich in Winterthur ein paar dringende Kleinigkeiten besorgen. Sobald sie Romeo und Moon bei Felicitas zuhause abgeliefert hatte, würde sie starten. Die Praxis blieb heute geschlossen, da Felicitas am Nachmittag zwei Hausbesuche auf dem Programm hatte. Jessie besuchte die Berufsschule und Hanna vertrat sie deshalb. Vor gut einer Stunde ging nun ein Notruf ein, eine kranke Sau. Ihre Gedanken kehrten zurück ins Jetzt und Hier, als sie von einer ihr bekannten Hundehalterin angesprochen wurde. Sie plauderte ein Weilchen mit ihr und ging dann weiter. Etwa eine Stunde später befand sie sich wieder auf dem Rückweg, als plötzlich ihr Handy klingelte. Sie checkte die Nummer und nahm ab. Normalerweise tat sie dies beim Spazieren nicht, da sie immer auf die Hunde achtete, doch es war Felicitas und vielleicht dringend. Das war es auch. „Felicitas! Bitte nicht so schnell! Was haben diese Möchtegern-Polizisten getan? Hanna verhaftet!? Ja geht’s noch? Krisenbesprechung bei dir? Heute Abend um 18 Uhr? Gut, natürlich komme ich. Bis dann.“ Sie beendete das Gespräch, verstaute das Handy in der Jackentasche und stampfte dann wütend mit dem rechten Fuss auf. „Idioten! Immer liegen die falsch! Völlig unfähig!“ Weiterhin leise vor sich hin schimpfend, setzte sie ihren Spaziergang fort. Romeo und Moon hatten die Ohren gespitzt und gehört, was geschehen war. Sie liessen sich etwas zurück fallen, um die Lage zu besprechen. “Das hast du nun von deiner ewigen Einmischerei. Hättest du die Leichen da gelassen, wo sie gewesen sind, wäre alles in Ordnung“, meinte Romeo entrüstet schnaufend zu Moon. Diese warf beleidigt den Kopf nach oben. „Wie hätte ich ahnen können, dass die beiden Fahnder noch immer nicht besser im Schnüffeln sind? Hanna eine Mörderin? So ein Blödsinn! Ich hoffe, Felicitas wird sich nicht wieder einmischen.“ Romeo knurrte: „Genau das wird sie tun, glaube mir! Somit müssen auch wir wieder schnüffeln gehen. Ich hasse das!“ Moon leckte ihm über die Schnauze. „Du Armer! Ich liebe diese Schnüffelei! Es hat so viel Esprit!“„Ha!“, meinte Romeo nur, kehrte Moon das Hinterteil zu und versuchte, Maria wieder einzuholen. Moon folgte ihm voller Vorfreude auf das Kommende.

Eine Stunde zuvor: Die beiden Fahnder standen vor der verschlossenen Praxis, den Zettel an der Tür lesend. Resigniert liess sich Marius dagegen fallen: „Bitte nicht! Weshalb muss sich diese, diese unmögliche Frau immer genau auf diesem dreckigen Hof aufhalten, wenn wir sie suchen? Wo ist eigentlich diese Peter?“ Roland, auch nicht gerade erfreut darüber, diesen speziellen Hof besuchen zu müssen, meinte: „Vielleicht ist sie mit gegangen? Los, fahren wir hin. Dann wissen wir es.“ Grinsend fragte er Marius: „Du hast nicht vielleicht Gummistiefel dabei?“ Marius erwiderte sein Grinsen: „Nein, Du?“ Die beiden Fahnder stiegen in ihr Auto und fuhren los. Nach einer Weile bogen die sie in den grossen Vorplatz des Bauernhofes ein. Marius zeigte zum Jeep der ebenfalls dort stand. „Dr. Moser ist auf jeden Fall hier. Doch wo ist sie?“ Beide stiegen aus und sahen sich suchend um. Plötzlich hörte man ein fürchterliches Quieken aus dem hinteren Teil der vielen Pferche auf der linken Seite. Dazwischen menschliche Stimmen. „Schweine.“, tönte die resignierte Stimme von Marius. Auch Roland seufzte laut, sagte aber nichts. Gemeinsam suchten sie sich den am wenigsten schlammigen Weg, um dorthin zu kommen. „Mensch Hanna, halte es doch fest!“ Felicitas hatte die Spritze aufgezogen und versuchte nun, dem vor Angst zappelnden Schwein in den vorderen rechten Oberschenkel zu stossen. Es hatte sich dort leicht verletzt. An und für sich keine grosse Sache, doch bei diesem Dreck gefährlich. Beide Frauen sahen nicht mehr gerade sauber aus, gut hatten sie sich Overalls und Gummistiefel angezogen. Hanna pustete eine sich gelöste Haarsträhne aus dem Gesicht. „Tut mir wirklich leid, Feli! Warum muss Jessie aber auch gerade heute nicht hier sein.“ Verzweifelt klammerte sie sich an das Schwein. Felicitas hob beschwichtigend die freie Hand. „Schon gut, Hanna. Du machst das sehr gut. Jessie musste diesen Kurs machen. Es ist Pflicht. Es wäre einfacher gewesen, wenn wir es hätten betäuben können, doch bei Trächtigkeit tue ich es nicht. Bist Du bereit?“ Hanna presste die Lippen zusammen und nickte. Sie kniete sich in den Dreck, packte noch einmal fester zu. Ihre Stimme klang etwas atemlos, als sie keuchte: „Ja, jetzt!“ Felicitas beugte sich über das Schwein. Ihre Hand stiess die Spritze in den Oberschenkel. Genau in diesem Moment geschahen drei Dinge gleichzeitig: Die Fahnder kamen in Sichtweite, Hanna sah sie, erstarrte, das Schwein riss sich los und katapultierte die arme Felicitas nach hinten. Diese ruderte wild mit den Armen, die Spritze flog in hohem Bogen aus dem Pferch. Leider fanden ihre Füsse auf dem glitschigen Boden keinen Halt. Laut fluchend landete sie nicht gerade sanft im Futtertrog. Sie hätte ihren Kopf erheblich an den Pferchstangen angeschlagen, wären da nicht plötzlich zwei grosse starke Arme gewesen, die sie aufgefangen hätten. Sie sah in zwei unwahrscheinlich blaue Augen, die einen Moment sehr besorgt wirkten. Doch sobald Marius merkte, dass sie sich nicht verletzt hatte, erschien wieder der übliche spöttische Ausdruck. Er zog seine Arme zurück, mit denen er sie geschützt hatte, so, als ob er sich verbrannt hätte. Das Ergebnis war, dass Felicitas vollends in den Futtertrog rutschte. Da lag sie nun, alle Viere in der Luft, wie ein Käfer auf dem Rücken. Roland war ebenfalls an den Pferch getreten und schaute laut lachend auf sie nieder. Hanna hatte sich unterdessen von ihrer Starre gelöst, trat schnell an den Pferch und zog die vor Verlegenheit völlig rot gewordene Felicitas auf die Füsse. „Oh, Felicitas, es tut mir so leid, bitte entschuldige! Mein Gott, wie siehst Du aus!“ Die Tierärztin sah aus wie ein Monster. Der Futterbrei klebte im Gesicht, den Haaren und am ganzen Körper. Mit der letzten Würde, die sie noch besass, sagte sie: „Es ist schon gut Hanna. Du kannst nichts dafür, dass diese beiden… Herren… “, ihre Stimme klirrte vor Eis, „… einfach so unerwartet hier auftauchen.“ Roland hatte sein Lachen schnell in ein Hüsteln geändert, überliess es jedoch dem immer noch verwirrten Marius, den Grund ihres Hierseins zu erklären. Dieser nahm sich zusammen. „Bitte entschuldigen Sie unser so plötzliches Auftauchen, doch wir konnten nicht wissen, dass wir ein solches Chaos auslösen würden. Der Grund warum wir hier sind, wir haben einen Haftbefehl gegen Sie, Frau Peter. Es wurden Fingerabdrücke von Ihnen an den Resten der Gummistiefel Ihres Mannes gefunden. Sie müssen leider mit uns kommen.“ Und mit einem genervten Blick zu dem immer noch herum springenden Schwein, sagte er: „Bringt endlich jemand dieses Tier zur Ruhe?!“ Keine der beiden Frauen reagierte darauf. Hanna war totenblass geworden und die Röte im Gesicht von Felicitas hatte noch zugenommen. Prompt legte sie los: „Ja sind Sie denn jetzt ganz verrückt geworden? Hanna eine Mörderin? Ich habe noch nie im Leben so unfähige Fahnder gesehen, wie Sie beide es sind. Das ganze ist lachhaft!“ Marius erstarrte, sein Blick wurde ebenso eisig, wie der von Felicitas. „Dr. Moser, noch ein Wort und Sie sind ebenfalls festgenommen, wegen Beamtenbeleidigung.“ Roland sagte immer noch nichts, betrachtete aber sehr interessiert die Szene. Felicitas öffnete schon den Mund erneut, um zu erwidern. Da spürte sie die Hand von Hanna auf ihrem Unterarm. „Lass es, Feli. Das bringt nichts.“ Und zu den Fahndern gewandt: „Diese Fingerabdrücke kann ich erklären, sie stammen wahrscheinlich vom Putzen der Stiefel. Jeden Tag rieb ich diese Dinger sauber, auch noch, als er mich unverhofft noch einmal, drei Tage vor unserem Termin bei ihm zu Hause besuchte, es war wohl Gewohnheit von mir, obwohl Felix neue gekauft hatte. Da er sich immer schwer damit tat, sich von etwas bequemem zu trennen, nehme ich an, er trug sie auch am Todestag noch.“ In Rolands Augen trat ein nachdenklicher Ausdruck. „Ja, das wäre allerdings eine Erklärung.“ Marius wischte mit der Hand durch die Luft. „Blödsinn. So, kommen Sie bitte aus diesem Pferch.“ Er zog die Nase kraus: „Und ziehen Sie diesen Overall und die Stiefel aus, bitte.“ Nun war es um Felicitas Ruhe endgültig geschehen. Sie öffnete die Pferchtüre, stürmte heraus, umrundete den verblüfften Roland Pfeiffer, trat vor Marius hin, tippte mit dem Zeigefinger auf seine Brust, wobei die Breimasse auf seinem Jackett zu liegen kam: „Sie unmöglicher Mensch, Sie! Noch einmal zum Mitschreiben! Hanna könnte niemals jemanden töten! Sie kann nicht mal eine Fliege tot schlagen! Geht das in Ihren Kopf, Mr. Oberschlau?“ Angewidert trat Marius zwei Schritte zurück. Roland hatte mit ihm Mitleid, trat zwischen die beiden und meinte beschwichtigend zu Felicitas: „Dr. Moser, glauben Sie mir, wir tun das hier nicht gerne, schliesslich kennen wir Frau Peter nun schon eine Weile. Es ist jedoch so, dass diese Fingerabdrücke, kombiniert mit dem Motiv, uns keine andere Wahl lassen, als Frau Peter in Untersuchungshaft zu nehmen.“ Felicitas holte ein paar Mal tief Luft, bevor sie mit wieder ruhig klingender Stimme sagte: „Herr Pfeiffer, IHNEN glaube ich das sofort, doch…“ Sie wurde von Hanna unterbrochen, die ihr wieder mal beruhigend den Arm auf die Schulter legte. „Felicitas, hör auf! Es bringt nichts. Ich werde mit den Herren gehen und du und die anderen, ihr sucht den wirklichen Täter.“ Sie lächelte ein wenig traurig. „Das hatten wir ja schon einmal.“ Sie drückte noch einmal sanft die Schulter von Felicitas, liess los und trat zu den Fahndern hin. Natürlich hatte sie ihren Overall und die Gummistiefel während Felicitas mit den beiden stritt, ausgezogen und stand nun in sauberen Kleidern und Schuhen da. Roland lächelte sie dankend an. „Wir werden es in unserem Bericht erwähnen, wie kooperativ Sie waren. Danke.“ Schnell umarmte Hanna die untröstliche Felicitas noch einmal heftig. Die beiden Fahnder und Hanna verliessen den Schauplatz des Geschehens, nachdem sie sich von Feli verabschiedet hatten. Felicitas blieb mit hängenden Schultern zurück. Warum passierte das immer ihr? War sie dazu verdammt, sich immer und immer wieder mit diesem Neandertaler Rötlin herum zu schlagen? Sie biss sich auf die Lippen, als sie an die schöne kurze Zeit nach ihrem Krankenhausaufenthalt letztes Jahr dachte. Er war so Aufmerksam gewesen und hatte gelacht, als alle sie bei ihrer Entlassung abholten. Eigentlich hatten sie abgemacht, sich mal privat zu treffen, natürlich alle zusammen. Doch daraus wurde nichts. Marius Rötlin verzog sich grusslos nach Amerika. Das war es gewesen. Als sie ihn nun vor ein paar Tagen wieder sah, in diese unwahrscheinlich blauen Augen tauchte, verletzte sie seine kalte Art. Er war wieder zu diesem arroganten Trottel geworden. Sie seufzte tief, nun ja, sie konnte sich später darüber Gedanken machen, warum es so war, jetzt musste sie alle zu einer Lagebesprechung zusammen rufen. Am besten heute Abend, wenn es allen ging. Christian Hunziker - sie hatte ihn per Email immer auf dem Laufenden gehalten - wie versprochen, würde wohl auch dabei sein. Nichts würde ihn davon abhalten können, so wie sie ihn einschätzte. Energisch straffte sie die Schultern, entledigte sich des Overalls und der Gummistiefel, klaubte ihr Handy aus der Hosentasche und rief Maria an, die erste die sie über diese Ungeheuerlichkeit informieren würde. Den Bauern musste sie auch noch suchen gehen. „Hallo Maria, du glaubst nicht, was gerade geschehen ist…“

Die verflixte dritte Leiche

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