Читать книгу Cora - Gabriele Kappendobler - Страница 4

-Kapitel 1-

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Die Party war in vollem Gange. Die drückende Hitze des Tages war zu einer angenehmen Wärme abgekühlt und machte den Aufenthalt im Freien zum Genuß. Stewards in schmucker weißer Livree servierten lautlos und gewandt geeiste Gläser und erlesene Happen. In einer Ecke des Parks war ein kleines Podium aufgebaut, auf dem eine Band die Szene dezent mit einschmeichelnden Melodien unterstrich. Das Publikum machte den Eindruck, als wäre die gesamte Schikeria des Bezirkes vertreten. Die Damen wetteiferten sichtbar, wer wohl mehr Glanz und Glamour aufweisen konnte. Die Herrenwelt übte betont weltmännisches Auftreten. Alle Gäste schienen sich gut zu unterhalten.

Oder besser fast alle:

Etwas abseitsstehend beobachtete eine junge Frau nachdenklich das Treiben rund um den, von innen beleuchteten, Swimmingpool.

„ Entschuldigen Sie, Miß"

Cora Bergren schrak aus ihren Gedanken auf, als ein junger Mann sie ansprach. Sie erinnerte sich, ihn bereits heute Vormittag im Studio gesehen zu haben. Er schien recht nett zu sein.

„ Sie stehen hier so einsam? Darf ich ihnen etwas zu trinken bringen?“

„ Nein, danke. - Ich möchte nichts“

Er wies auf die andere Seite des Pools, wo eine Schar junger Mädchen einen hochgewachsenen blonden Mann umringten. Gerade beugte er sich zu einer seiner Verehrerinnen herab und schien ihr etwas amüsantes ins Ohr zu flüstern. Ihr Lachen klang hell zu ihnen herüber.

„ Sollten Sie nicht dort drüben bei der Crew um Piet sein ? - Man sagt, er sei unwiderstehlich, und wie man sieht, macht er seinem Ruf mal wieder alle Ehre."

Cora warf ihrem Gegenüber einen vernichtenden Blick zu. Zu sehr hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen.

„ Ich kann mich nicht erinnern, Sie um Ihre Meinung gefragt zu haben."

„ Oh, Verzeihung! Ich wußte ja nicht, dass Ihnen etwas auf den Magen schlägt. “

Er versuchte seinen Fauxpas wieder wett zu machen:

„ --- Aber Sie sollten das alles nicht so ernst nehmen. Piet braucht das. Er sonnt sich gerne in der Bewunderung der Damenwelt. Das hat sicher nichts mit Ihnen zu tun. Glauben Sie mir. “

Er wirkte dabei so rührend, dass Cora ihre schroffe Abweisung bedauerte, aber sie war einfach nicht in der Lage auch noch Witze über ihre vertrackte Situation zu hören.

„ Entschuldigen Sie bitte, ich weiß, dass Sie es nicht so gemeint haben, aber ich möchte jetzt wirklich lieber allein sein.“

„ Schade ! “

Mit einem kleinen Gruß machte er sich auf, woanders sein Glück zu versuchen.

Jetzt war sie wieder allein mit ihren düsteren Gedanken.

Cora war 29 Jahre alt, mit weiblicher Figur. Halblanges brünettes Haar umrahmte ihr Gesicht. Wer in ihre braunen Augen sah, der konnte unschwer erraten, dass sie über eine gesunde Portion Humor verfügte. Sie war nicht unbedingt das was man eine Schönheit nannte, aber sie hatte eine überaus sympathische Ausstrahlung.

Im Moment war ihr jedoch nicht nach Lachen zu Mute.

Cora war mit großen Plänen hierher gekommen. Schon als Kind war sie dem Theater mit Leib und Seele verfallen. Ihre Eltern waren jedoch der Meinung, daß ein solider Beruf wichtig war und Cora absolvierte auf ihren Wunsch hin eine Lehre als Bankkauffrau. Danach aber gab es für sie keinen Kompromiß mehr. Sie besuchte die Schauspielschule und fand schließlich einen befristeten Job an

einem kleinen Provinztheater. Zwei Jahre später zahlten sich schließlich ihr Ehrgeiz und ihre harte Arbeit aus: sie wurde fest angestellt.

Für ein Privatleben war da nicht viel Zeit geblieben und wenn sie es so bedachte, war ihr ihre Arbeit eigentlich immer genug Lebensinhalt gewesen. Piet Garrett war wie ein Erdbeben in ihr Leben eingebrochen.Der smarte Regisseur hatte ihr nach einem Auftritt seine Aufwartung gemacht. Er hatte sie ausgeführt, ihr - herrlich altmodisch - den Hof gemacht. Cora, die einerseits mit beiden Beinen im Leben stand, war andererseits doch sehr romantisch. So fuhr sie gefühlsmäßig voll auf sein Werben ab.

Er überzeugte sie davon, dass ihre Zukunft im Film und nicht im Theater lag. Als er ihr auch noch die Hauptrolle in seinem neuesten Werk in Aussicht stellte, glaubte sie ihr Glück perfekt. Hollywood schien zum Greifen nah. So kam es, dass sie ihre Stelle am Theater kündigte und Piet folgte. Doch als sie das Manuskript las, kamen ihr erste Zweifel. Ihre Rolle beinhaltete mehrere sehr freizügige Szenen, was für sie, die nach sehr strengen sittlichen und religiösen Grundsätzen aufgewachsen war, ein großes Hindernis aufbaute.

Als sie mit Piet darüber sprechen wollte, erlebte sie eine herbe Enttäuschung. Er verspottete sie und machte sich über ihre `Zimperlichkeit ´ lustig. Da sie ihn nicht verlieren wollte, hatte sie eingelenkt. So war sie zu dieser Party gekommen, um mit ihren neuen Kollegen bekannt zu werden. Aber Piet flirtete so ungeniert, dass sie es bedauerte hierher gekommen zu sein.

Das Gefühl, hier überflüssig zu sein wurde immer stärker. Nichts desto Trotz wanderte ihr Blick immer wieder zu der Gruppe. Selbstquälerisch beobachtete sie, wie Piet gerade den Arm um ein junges Mädchen legte, das nicht so wirkte, als plagten sie die selben Sorgen wie Cora. Diese mußte alle Beherrschung aufbieten um nicht auszurasten. Sie wußte, sie würde damit nur Spott ernten. Piet sah plötzlich hoch und ihre Blicke kreuzten sich. Er schien sich keiner Schuld bewußt. Fröhlich winkte er sie heran, aber sie ignorierte die Geste. Sie warf den Kopf zurück und ging in Richtung Haus davon. Sie wollte jetzt wirklich allein sein. Die Menschen im Park gingen ihr mit einem Mal fürchterlich auf die Nerven. Erst in der großen Halle fühlte sie sich wieder besser.

„ Miß Bergren, kann ich etwas für Sie tun? “

Cora schrak aus ihren Gedanken hoch, als sie angesprochen wurde. Sie hatte die junge Frau, die gerade aus einem der Zimmer kam, nicht bemerkt.

„ Danke, Claire. Ich wollte nur auf mein Zimmer. Es ist alles in Ordnung. “

„ Wie Sie wünschen, Madame. “

Cora wartete nicht, bis die Frau verschwunden war. Sie flüchtete regelrecht auf ihr Zimmer.

Wütend schleuderte sie ihre Schuhe von den Füßen und warf sich, ohne Rücksicht auf ihre Garderobe auf das Bett. Ohne es beeinflussen zu können, liefen ihr Tränen der Enttäuschung über das Gesicht. Ihre Träume entpuppten sich als Kartenhaus, das nun im Begriff war einzustürzen.

Sie gestand sich ein, dass sie eifersüchtig war. Sie hatte geglaubt, Piet würde nur ihr gehören und nun

mußte sie einsehen, dass sie für ihn nur eine von vielen war.

Was Cora am meisten ärgerte war, dass scheinbar niemand außer ihr was Besonderes an Piet`s Verhalten fand. Alle kannten ihn und wahrscheinlich lachten sie insgeheim über ihre Naivität.

Cora brachte es nicht fertig, wieder zu den anderen zurück zu gehen und gute Mine zum, für sie bösen, Spiel zu machen. Allerdings würde man sie irgendwann vermissen und suchen. Dann mußte sie einen Grund angeben, warum sie sich hier verkroch - und damit gab sie sich dann wohl endgültig der Lächerlichkeit preis.

Sie richtete sich auf und versuchte ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Wenn sie hierblieb, mußte sie Piet nehmen, wie er war, mit all seinen Affären und Affärchen. Dann mußte sie sich damit abfinden, daß es stets andere Frauen neben ihr geben würde.

Aber wollte sie das wirklich? Nein, sie konnte mit Piet`s Auffassung von einer Beziehung nichts anfangen. Sie war hier absolut fehl am Platze.

Nachdem sie mit ihren Überlegungen so weit gekommen war, beschloß sie, sofort abzureisen.

Sie stand auf , ging ins Bad und kühlte erst einmal ihr Gesicht, erneuerte ihr Make up. Dann zog das blaue Wildseidenkleid aus und schlüpfte in Jeans und eine karierte Bluse. Sie holte die Koffer aus dem Schrank und begann zu packen. Jedes Teil, das sie verstaute, hielt ihr höhnisch vor Augen, dass sie einem Traum nachgelaufen war. Einem Traum, der nun wie eine Seifenblase geplatzt war. Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als wieder nach Hause zu fahren. Na ja, vielleicht hatte sie Glück und bekam ihre alte Stelle wieder.

Als sie das Abendkleid in die Hand nahm, strich sie bedauernd über den Stoff. Es hatte ein riesiges Loch in ihre Finanzen gerissen und nun würde sie es so schnell wohl nicht wieder tragen können.

Sie schloß die Koffer und sah sich noch einmal prüfend um. Sie durfte nichts vergessen, denn wiederkommen würde sie mit Sicherheit nicht mehr.

Dann nahm sie ihr Gepäck auf und verließ leise das Haus.

Jetzt, da sie ihre Entscheidung getroffen hatte, fühlte sie sich etwas wohler. Hier gab es nichts mehr, was sie noch halten konnte.

Sie glaubte sich unbemerkt und war gerade dabei, die Koffer in ihrem Kleinwagen zu verstauen , als sie plötzlich am Arm zurückgezogen wurde.

Das Hausmädchen, dem sie vorhin begegnet war, hatte ihren Aufbruch beobachtet und Piet unterrichtet. Dieser war sich klar, dass Cora ohne Ortskenntnis nicht weit kommen würde. Und er haßte es, wenn jemand seine Einladung nicht entsprechend würdigte, das verletzte seinen Stolz.

„ Cora, was soll denn der Unsinn? Wir haben dich bereits vermißt...“

Jetzt erst fiel sein Blick auf das Gepäck in ihrem Wagen:

„Bist Du von allen guten Geistern verlassen?"

wütend starrte er sie an:

„ Darf ich fragen, was Du jetzt vorhast? Du bist absolut fremd hier, weißt Du eigentlich, wie leicht Du Dich hier Nachts verirren kannst? Du bleibst hier, verstanden? "

„ Das werde ich nicht, “

Sie versuchte seine Hand abzuschütteln :

„Und Du kannst mich nicht zwingen.“

Grimmig verstärkte Piet seinen Griff :

„Glaubst Du? Weißt Du überhaupt was Du da tust? Du kennst Dich hier nicht aus. In den Bergen ist es nachts nicht ganz ungefährlich. Ich hab keine Lust nach Dir zu suchen.“

„Laß mich sofort los" zischte Cora

„Geh zurück zu Deinen Schäfchen, die Dich dämlich anblöcken und laß mich in Ruhe. "

Piet versuchte, sie vom Auto weg zu ziehen .

„Komm jetzt endlich und hör auf damit.“

Und in versöhnlicherem Ton fügte er hinzu:

„ Weißt Du was, wir werden über alles reden. Gleich morgen früh! Okay? “

„ Nein, Piet, wenn Dir etwas an mir liegt, dann reden wir jetzt. Auf der Stelle !“

„ Du weißt, daß das nicht geht, ich habe Gäste. Sei doch vernünftig.“

„ Vernünftig? Oh ja, Piet, das bin ich. Und deshalb werde ich jetzt in mein Auto steigen und verschwinden. --- und wenn Du mich nicht sofort losläßt, dann schreie ich, dass nicht nur Deine Gäste, sondern auch die ganze Nachbarschaft hier antanzt. "

Mit einem resignierten Achselzucken gab Piet nach.

„ All right ! Wenn Du unbedingt willst. - Aber die Rolle kannst Du dann vergessen. Ich hoffe, das ist Dir klar. Glaub mir, Anwärterinnen habe ich genug. Du brauchst nicht zurückzukommen! “

Cora versetzte seine zynische Rede einen heftigen Stich. Ihre Eifersucht ließ sich nicht so ohne weiteres abstellen.

Einen Moment zögerte sie und kämpfte mit der Versuchung umzukehren. Aber ein Blick in seine spöttischen Augen hielt sie zurück. Nein, es hatte keinen Sinn. So wollte sie nicht leben und Piet würde sich für sie nicht ändern.

Sie nahm den letzten Koffer, der noch neben ihr stand und warf ihn ins Fahrzeug.

Kurz zögerte sie, dann drehte sie sich noch einmal zu ihm um und sagte bedauernd:

„ Leb wohl, Piet , uns trennen Welten, da kann man nun mal nichts machen."

Dann setzte sie sich in das Auto, warf die Tür zu und ließ den Motor an. Sie rollte aus der Auffahrt und war schon bald in der Dunkelheit verschwunden.

*

Los Angeles, am Morgen des selben Tages:

Über dem Sunset Boulevard, der Prunkstraße von L.A., war gerade der Tag angebrochen. Die Lichtreklamen waren zum Teil abgeschaltet und die letzten Besucher der diversen Lokale steuerten müde ihre Betten an.

In einem der vielen Hotels lief ein Mann ruhelos durch sein Zimmer. Jason Bennett bot ein Bild der Verzweiflung. Die Krawatte hing lose über dem, zur Hälfte geöffneten, Hemd. Seine Augen stachen rot vor Übermüdung aus seinem blassen Gesicht, das dringend einer Rasur bedurfte.

Gehetzt beobachtete er die Straße unter seinem Fenster. Die halbleere Whiskyflasche in seiner Hand

zeugte von dem vergeblichen Versuch, seine panische Angst im Alkohol zu ertränken.

Und Grund für diese Panik hatte er nun wirklich genug.

*

Vor zwei Jahren war Jason gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er wegen Waffenschieberei eingesessen hatte und versuchte in San Francisco wieder Fuß zu fassen. Er war entschlossen, die Finger von solchen Dingen zu lassen. Aber dann war da dieses Mädchen, das er im `Hill Inn` - Club kennenlernte. Lissy war schön, und sie wollte verwöhnt werden. Im Nu war Jason verschuldet.

Eines Abends machte Lissy ihn mit einem Mann aus Boston bekannt.

Sie hatten gerade in einer kleinen Pizzeria zu abend gegessen, als der Fremde auftauchte. Lissy begrüßte ihn überschwenglich und stellte ihn Jason schließlich als ihren Cousin Bud Smith aus Boston vor. Bud mochte um Anfang Vierzig sein. Er war nicht sehr groß und wirkte leicht bullig. Das faszinierendste waren seine Augen. Sie waren von einem hellen Blau, das an einen Bergsee erinnerte - und sie wirkten genau so kalt. Obwohl der Mann lachend seinen Arm um Lissy gelegt hatte und sich äußerst charmant gab, fror Jason unter seinem Blick.

Wie sich herausstellen sollte, war dieses Zusammentreffen nicht zufällig geschehen, Bud hatte gezielt nach einem Mann mit Jasons Wissen und Verbindungen gesucht. Sie zogen zu dritt durch diverse Bars und als sie sich trennten, waren Bud und Jason beiderseits überaus zufrieden. Allerdings fiel Jason erst später auf, daß Bud zwar sehr spendabel gewesen war, selbst aber keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen hatte.

Bud blieb einige Tage in San Francisco und als er wieder abfuhr, hatte Jason genug Geld, um seine Schulden zu bezahlen und die Aussicht, auch in Zukunft im warmen Regen zu stehen.

Er organisierte für Bud nun Kapitäne, die bereit waren Waffen aus China und Fernost nach San Francisco zu schmuggeln. In welchen Kanälen diese dann verschwanden, wußte Jason nicht.

Ein halbes Jahr, nachdem er Bud kennengelernt hatte, heiratete er Lissy und mittlerweile war er stolzer Vater von einem Zwillingspäarchen. Alles lief bestens!

Ja, bis vor einem Monat dieser FBI-Mann auftauchte und Jason`s Leben zerstörte. Er hatte herausgefunden, womit Jason seinen Lebensunterhalt bestritt - und er konnte es beweisen.

Und er stellte ihn vor die Entscheidung : entweder Jason verriet ihm, wann und wo die nächste Lieferung erwartet würde, oder er verschwand wieder für einige Jahre hinter Gittern.

*

Und nun war Jason Bennett auf der Flucht. Als das Schiff gefilzt wurde, hatte einer der Beamten beiläufig erwähnt, dass es einen Informanten gab. In diesem Augenblick war Jason`s Schicksal besiegelt.

Bud konnte schließlich eins und eins zusammenzählen und es war klar, dass er wußte, wer sie verraten hatte. Darum versteckte sich Jason schon seit drei Tagen in diesem Zimmer und wagte sich kaum vor die Tür. Nur heute morgen war er kurz hinüber in den Supermarkt gegangen, um seinen Whiskyvorrat zu erneuern.

Den ganzen Tag nun hatte er schon das Gefühl, dort auf Bud`s Männer gestoßen zu sein.

Er hatte dafür keinen reellen Anhaltspunkt, aber trotzdem war er sich auf geradezu makabere Weise sicher, sich nicht zu täuschen.

Jason schwitzte und er glaubte langsam den Verstand zu verlieren. Er wußte, sie würden ihn finden und es war nur eine Frage der Zeit. - Sehr kurzer Zeit.

Die Whiskyflasche war jetzt fast leer und er konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Er torkelte zum Bett. Nur eine kleine Weile wollte er sich ausruhen. Aber kaum lag er auf der Matratze, tat der Alkohol endgültig seine Wirkung und er schlief fast augenblicklich ein.

Gegen Mittag wurde er jäh geweckt, als ihm jemand eine Schüssel Wasser über den Kopf leerte.

Noch bevor seine Besucher sich vorstellten, wußte er, dass er verloren hatte. In seinem benebelten Zustand war es für seine Entführer ein Leichtes ihn zu überwältigen. Sie zwangen ihn in ihren Wagen zu steigen und fuhren mit ihm in Richtung Gebirge los.

*

Cora zitterte noch immer vor Wut und Enttäuschung. Sie hatte sich benommen wie ein Schaf, als sie glaubte, sie könnte diesen, von der Frauenwelt verwöhnten, Casanova für sich gewinnen. Nun, sie hatte ihre Lektion gelernt.

Seit einer halben Stunde war Cora nun schon unterwegs. Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander, sie hatte kaum einen Blick für die Straße vor ihr. Sie wußte nicht, wohin sie eigentlich wollte und wenn sie ehrlich mit sich selbst war, mußte sie gestehen , dass es sie auch überhaupt nicht interessierte. Sie kannte im Moment nur einen Gedanken , der sie vorwärts trieb: Nur weg hier - ganz weit weg.

Einige Kilometer weiter brachte sie ein Blinken an ihrem Armaturenbrett jäh in die Wirklichkeit zurück.

„Verdammt !!! "

Wütend schlug sie mit der Faust auf das Lenkrad:

„ Wann werde ich Trottel endlich lernen meinen Wagen vollgetankt zu halten. Irgendwann mußte ich ja mal stehen bleiben."

Sie sah aus dem Fenster und betrachtete zum erstenmal seit ihrer Abfahrt bewußt ihre Umgebung. Was sie sah, war nicht gerade dazu geschaffen sie aufzumuntern.

Sie befand sich auf einer Bergstraße, die in Serpentinen ziemlich steil anstieg. Die Landschaft auf beiden Seiten war dicht bewaldet. Die Baumwipfel starrten gespenstisch in den Himmel.

Erst jetzt wurde ihr auch bewußt, dass sie während ihrer ganzen Fahrt noch durch keine Ortschaft gekommen war. Umkehren hatte daher wenig Sinn, zumal sie einige Abzweigungen passiert hatte, ohne auf die Richtung zu achten.

Kurzum, es war denkbar der schlechteste Zeitpunkt für eine Panne.

Piet hatte sie gewarnt: `Weißt Du, wie leicht Du Dich in den Bergen verirren kannst ?´

Nun, irgendwohin mußte diese Straße schließlich führen. Vielleicht war ja die nächste Tankstelle gar nicht weit weg? Alles war schließlich möglich, oder ?

Also beschloß sie, ihr Heil in der berühmten `Flucht nach Vorne` zu suchen.

Die nächsten Minuten kamen ihr vor wie eine Ewigkeit. Die kleine rote Lampe versetzte sie regelrecht in Panik.

„Oh, Gott hilf mir, bitte "

flüsterte sie in die, immer unregelmäßiger werdenden, Geräusche ihres Motors:

„Nur dieses eine Mal. Ich werde auch nie wieder so leichtsinnig sein"

In diesem Moment setzte der Motor mit einem letzten Hüpfer endgültig aus.

Die plötzliche Stille wirkte gespenstisch und es hätte nicht viel gefehlt , dass Cora in ihrer Angst zu schreien angefangen hätte. Zitternd verriegelte sie die Türen und zwang sich selbst ruhig und vernünftig zu denken. Doch dies dachte sich leichter , als es in die Tat umzusetzen war und so dauerte es eine ganze Weile, bis ihr Herz wieder annähernd seinen gewohnten Rhythmus fand.

Schließlich schaltete sie die Warnblinkanlage ein. Sie würde hier sitzen bleiben, bis es dämmerte und dann zu Fuß nach der nächsten Ortschaft suchen. Hier konnte ihr nichts passieren, solange sie die Türen geschlossen hielt.

Sie versuchte die aufsteigende Panik durch Selbstgespräche in den Griff zu bekommen :

„Entspanne dich, verdammt noch mal,----atme tief durch--- bis zum Morgen ist es noch lang --- du bist hier im Auto sicher. "

Es half nichts. Cora hatte das Gefühl, als ob ihr Fahrzeug immer kleiner würde. Die Enge schien ihr die Luft zum Atmen zu nehmen. Sie schaltete das Radio an und fand einen Sender mit Country-Musik.

Schon kurze Zeit später wurde es wieder still im Wagen. In ihrer Panik hatte sie nicht daran gedacht, das Licht abzuschalten, jetzt streikte auch noch die Batterie.

Nein, so konnte es nicht bis zum Morgen weitergehen. Hier würde sie ebenso wahnsinnig werden, wie dort draußen. Vielleicht würde es ihr ja helfen, wenn sie wenigstens versuchte, Menschen zu finden. Entschlossen stieg Cora aus, holte aus dem Kofferraum eine Taschenlampe und den Reservekanister und machte sich auf den Weg.

Sie lief die Straße weiter bergan und schon nach wenigen Schritten war ihr Auto nicht mehr zu sehen.

Nach einer Weile kam sie zu einer Straßengabelung. Nach kurzem Zögern wandte sie sich nach rechts und lief weiter. Ihr Weg führte jetzt an dichtem Unterholz vorbei. Die Schlucht, die auf der rechten Seite abfiel, war bewaldet. Cora`s Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Ständig knackte oder raschelte etwas im Gestrüpp.

Piet´s Warnung kam ihr in den Sinn: `In den Bergen ist es nachts nicht ungefährlich ´

Wieder war da ein Geräusch hinter ihr. Sie drehte sich blitzschnell um, aber nichts war zu sehen.

Sie nahm ihren Mut zusammen und ging weiter, nicht ohne sich immer wieder um die eigene Achse zu drehen. Mittlerweile konnte sie nicht mehr verstehen, warum sie die Sicherheit in ihrem Fahrzeug aufgegeben hatte. Cora war im Dunkeln alles andere als mutig und ihre Wanderung hatte für sie etwas von einem Horrortrip an sich.

Sie mochte gut eine Stunde gelaufen sein, als sie glaubte in der Ferne ein schwaches Licht wahrzunehmen. Sofort schöpfte sie Hoffnung und sie lief schneller. Aber nach der nächsten Biegung

war es wieder verschwunden. Enttäuschung machte sich in ihr breit. Sie hatte so fest gehofft, endlich

auf Menschen zu treffen.

Nun denn, das Licht war dagewesen und irgendwann mußte sie die Quelle dessen entdecken. Also raffte sie sich erneut auf und setzte ihren Weg fort. Fast eine Viertelstunde später sah sie es wieder. Diesmal bedeutend heller und näher. Es war mit ziemlicher Sicherheit ein beleuchtetes Fenster.

Cora atmete auf.

Wo ein Fenster beleuchtet war, da waren Menschen. Sie war nicht mehr allein, man würde ihr sicher helfen. Vor Freude lachte sie erleichtert auf. Nur noch wenige Minuten, dann hatte sie es geschafft.

Mit neuem Mut lief sie in diese Richtung weiter.

*

Zirka fünf Minuten später sah sie die Ranch vor sich in einer Senke liegen. Als sie das Tor erreichte, hätte sie vor Glück weinen mögen. Es war ein kleines, und soweit man im Dunkel sehen konnte, sehr gepflegtes Anwesen. Das Haupthaus erhob sich zweistöckig im hinteren Teil des Hofes. Ihm angeschlossen und auch seitlich etwas abgesetzt befanden sich einige ebenerdige Bauten. In einem dieser kleinen Nebengebäude, es war das letzte vor dem Waldrand, brannte das Licht, das Cora hergeführt hatte. Dort wollte sie um Hilfe bitten. Die Leute waren noch wach, man würde es nicht übelnehmen, wenn sie so spät noch störte.

Einen Moment zögerte sie noch und lauschte angespannt in die Nacht. Irgendwo im Hintergrund bellte ein Hund. Sie wollte ihm nicht plötzlich gegenüberstehen. Als aber alles ruhig blieb, faßte sie sich ein Herz und bewegte sich langsam über den menschenleeren Hof.

Sie näherte sich dem Haus und hörte Stimmengemurmel. Es schienen sich dort noch mehrere Personen aufzuhalten. Was für ein Glück, dann konnte sie sicher jemand wieder zu ihrem Fahrzeug zurückbringen und ihr Starthilfe geben. Denn ihr war klar, dass es mit einem Kanister Benzin nicht getan war.

Sie mußte an dem offenen Fenster vorbei, und als sie gerade an die Türe klopfen wollte, drangen Gesprächsfetzen zu ihr heraus:

„ Also los, nun red` schon. Warum hast Du uns verpfiffen? Niemand außer Dir wußte, dass die Waffen an diesem Tag ankommen würden. Warum, Jason?“

Cora `s Hand fuhr zurück, als hätte sich die Klinke in ein zischendes Reptil verwandelt. Wie unter einem geheimen Zwang näherte sie sich dem Fenster.

„ Hör zu, Bud, ich wollte das nicht, aber ich habe Familie, ich kann es mir nicht leisten, für Jahre im Knast zu verschwinden. Und - bitte, versteh` das doch - es ist doch nicht viel passiert. Die paar Gewehre...“

„ Die paar Gewehre ! So, Du glaubst, das ist nicht wichtig, ja ? Nun, dann werd` ich Dir mal etwas sagen : ....“ ,

die Stimme klang kalt und unerbittlich:

„ ....Sicher, Du hast vollkommen recht: Die Gewehre sind nicht das Schlimmste. Wir können sie verschmerzen. Schlimm ist, was Du getan hast, - denn das ist Verrat. --- Und Du weißt, was darauf

steht! “

„ Nein, nein, das kannst Du nicht machen, Bud, hör zu.... “,

der Mann schien kurz vor dem Wahnsinn zu stehen:

„ Nein, nnn....“

Das Flehen ging in einem unbestimmten Gurgellaut unter.

Entsetzt sank Cora in die Hocke. Obwohl sie nichts sehen konnte, war ihr klar, dass hier gerade ein furchtbares Verbrechen geschehen war. Sie wußte, dass sie weg mußte, bevor man sie hier entdeckte, aber wie in Hypnose blieb sie unter dem Fenster kauern.

Im Inneren der Hütte waren inzwischen verschiedene Stimmen laut geworden. Viele Männer schienen durcheinander zu reden.

Erst nach einer Weile wurde es ruhig genug, so dass Cora wieder etwas verstehen konnte:

„... Unsere Leute wollen sich nicht mehr lange zurückhalten. Der Terror wächst und sie können nichts unternehmen. Wenn wir bis zum vereinbarten Zeitpunkt die Waffen nicht haben, wird es für Sie ziemlich unangenehm werden, Bud , fürchte ich !",

drohte eine wütende Stimme.

„Wir haben unsere Zusagen bisher immer eingehalten, das wissen Sie genau"

Die Stimme des Mannes, der antwortete , klang befehlsgewohnt und eiskalt. Es schien der selbe Mann zu sein, der auch vorhin zu hören war:

„ Wenn es sein muß, fahre ich selbst nach Hongkong und hole die Lieferung. Sie werden alles pünktlich zum 25., also in 5 Wochen haben. - Der glückliche Ausgang dieser Revolution liegt, wie Sie wissen, auch in unserem persönlichen Interesse. Wenn Don Alfares daran zweifelt, soll er es mir persönlich sagen. Ansonsten betrachte ich dieses Gesprä..."

Cora schrie vor Schreck auf, als sie plötzlich recht unsanft von hinten gepackt wurde. Eine kräftige Hand verschloß ihr den Mund und sie kämpfte verzweifelt um Luft. Panisch schlug sie um sich, versuchte in die Hand vor ihrem Gesicht zu beißen. Es half ihr nichts. Der Mann war wesentlich stärker als sie. Er zerrte sie zur Tür und schleuderte sie brutal in den Raum.

„ Seht doch mal her, was für ein seltenes Vögelchen ich Euch da bringe. Die junge Dame fand Eure Unterhaltung so interessant, dass sie mich nicht einmal kommen hörte."

Cora war von dem Schwung des Wurfes auf allen Vieren gelandet. Sie sah ungefähr ein Dutzend Männerbeine um sie herumstehen und wagte nicht sich aufzurichten. Ein Paar brauner Cowboystiefel näherten sich ihrem Blickwinkel und blieben genau vor ihr stehen. Sie wagte kaum zu atmen. Der Mann stieß sie mit dem Fuß an der Schulter an, so dass sie das Gleichgewicht verlor und zur Seite kippte.

„ Ich werd´ verrückt! Das gibt’s doch nicht!“

Cora erkannte sofort die kalte Stimme von vorhin wieder. Der Mann , der mit Bud angeredet worden war, sah auf sie herab und sein Blick war nicht geeignet um ihr Mut zu machen. Bud war nicht sehr groß. Seine Figur war etwas untersetzt und sein dunkles Haar lichtete sich unübersehbar. Er mochte um Mitte Vierzig sein und er wirkte trotz seiner leicht bulligen Gestalt sportlich durchtrainiert.

„ Ich glaube, wir haben da ein ernsthaftes Problem "

Bud `s Stiefelspitze drängte sich in die Knopfleiste von Cora `s Bluse.

„Was suchst Du hier, hm ? Für wen spionierst Du ? Raus mit der Sprache, --oder soll ich vielleicht ein wenig nachhelfen? "

Cora schrie auf. Als sie rückwärts kroch , um ihm zu entkommen , lachten einige der Männer belustigt auf. Bud zog sie auf die Beine und hielt sie mit der linken Hand am Kragen ihrer Hemdbluse fest. Als sie jetzt an ihm vorbei sah, stockte ihr der Atem: Im Hintergrund des Raumes war ein Mann auf einen Stuhl gefesselt. - Und dieser Mann war zweifellos tot. Sein Gesicht starrte wie eine Horrorfratze durch eine Plastiktüte, die man ihm über den Kopf gezogen hatte.

Bud ließ ihr keine Zeit diesen Schock zu verdauen:

„ Also, - was ist nun, wer schickt Dich her, antworte gefälligst! "

Seine Rechte schnellte blitzschnell hervor und gab ihr eine schallende Ohrfeige. Da er sie gleichzeitig losließ, landete Cora wieder auf dem Boden. Sie knallte mit dem linken Unterarm auf die Bretter und bekam vor Schmerz kaum noch Luft. Sie biß die Zähne zusammen und richtete sich halb auf.

„ Nein-- bitte nicht,"

schrie sie, als sie sah, dass Bud erneut ausholte,

„ bitte, ich , ich - wollte nicht lauschen, ganz bestimmt nicht. Ich - mein Wagen - ich habe keinen Sprit mehr, und da, ich -- oh, bitte, lassen Sie mich doch gehen. Ich-- "

Ein Blick in seine kalte blaue Augen ließ sie jäh verstummen. Plötzlich war sie sich der tödlichen Gefahr bewußt, in der sie sich befand. Ihr wurde klar, dass sie für diese Leute eine Bedrohung darstellte, die diese nicht hinnehmen würden.

Sie begann zu schwitzen und ihr Magen rebellierte.

„ Bitte, lassen Sie mich gehen. Ich werde bestimmt nichts weitererzählen, was ich hier gesehen, ich meine, gehört habe, ..."

Aus der Reihe der Männer war ein Raunen zu hören. Bud sah sich belustigt in der Runde um, bevor er leise und fast schmeichelnd sagte:

„Aber natürlich , mein Täubchen, davon bin ich überzeugt. Restlos überzeugt. Du wirst sogar schweigen wie ein Grab..."

*

„ Darf man erfahren was hier los ist? "

Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden galt schlagartig einem weiteren Mann, der unbemerkt in den Raum gekommen war.

„ es muß schon sehr amüsant bei Euch zugehen. Keine Wache im Hof, niemand an der Tür, -- oder haben wir das nicht mehr nötig ? Habe ich da vielleicht etwas verpaßt?"

Der Fremde, trat an den Kreis heran und sah sich in der Runde um. Nur kurz musterte er Jasons Leiche, die immer noch auf dem Stuhl hing. Der Anblick schien ihn weder zu überraschen noch zu schockieren. Dann blieb sein Blick auf Cora heften , die immer noch am Boden saß und kaum zu atmen, geschweige denn hochzublicken wagte.

„ Was soll denn das werden? Wer sind Sie? "

Zögernd sah sie zu ihm hoch. Seine Stimme war tief und warm , seine Augen ruhten ernst und fragend, aber nicht feindselig auf ihr. Er hatte ein markantes Gesicht, das von dichtem, kurzgeschnittenem schwarzem Haar eingegrenzt wurde. Sein Körper war schlank und wirkte durchtrainiert.

Er mochte zirka Ende Dreißig sein und aus ihrer Lage kam er ihr sehr groß vor. Als er auf sie zu ging, machten ihm die anderen schweigend Platz. Er streckte ihr seine Hand entgegen. Nur zögernd wagte sie es, sie zu ergreifen und ließ sich von ihm auf die Beine helfen.

„ Cora - Cora Bergren , ich ..."

„ Später ! - Kommen Sie mit ! “

„ Bitte, glauben Sie mir, .....!“

Energisch unterbrach er sie :

„ Ich sagte: später. Erst muß ich schließlich wissen, um was es hier geht.“

Mit diesen Worten schob er sie in eine kleine Kammer , die nur mit einem Tisch und drei, schon etwas wackelig wirkenden, Stühlen ausgestattet war. Dort ließ er sie allein und schloß nachdrücklich die Tür hinter ihr.

Wie im Trance ging Cora zu einem der Stühle und setzte sich darauf. Sie bekam immer mehr das Gefühl, in einem Alptraum gefangen zu sein. Jeden Moment mußte sie doch aufwachen.

Noch war sie davon überzeugt, dass sich alles noch aufklären und irgendwie wieder ins Lot kommen würde. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, saß sie jetzt am Tisch und wartete. – Worauf, das wußte sie wohl selbst nicht so recht.

*

Als sich die Tür hinter Cora geschlossen hatte, sah sich Jim Graffton auffordernd in der Runde um.

Jedes Gesicht, das sein Blick traf, nahm einen betont unwissenden oder verschlossenen Ausdruck an.

Zuletzt blieb nur noch Bud übrig.

„ Was soll das, Bud ? Was ist hier eigentlich los ?“

Bud setzte sich auf die Kante des Tisches. Sein Blick hatte etwas leicht provozierendes an sich, als er schließlich erzählte, was sich zugetragen hatte. Jim hörte betroffen zu. Fast mechanisch zog er einen Stuhl heran und setzte sich darauf.

„ Und jetzt ? “ ,

seine Stimme klang heiser:

„ Wie soll es jetzt weiter gehen, Bud ? – Verdammt, wie konnte das passieren ? Wer hielt denn Wache draußen ? “

„ Das war ich, Jim. Tut mir leid, ich war nur schnell...“

„ ..., ja verdammt, hast Du denn geschlafen, Leon ?“

„ Nun, das spielt ja jetzt kaum noch eine Rolle, nicht wahr ?“

ließ sich Bud wieder vernehmen:

„ Tatsache ist nun mal, daß die Frau ein ungeheures Risiko darstellt. Wir können sie nicht gehen

lassen.“

Jim sprang auf:

„ Du bist verrückt, Bud. Komm doch zu Dir ! – Du kannst sie nicht einfach töten, nur weil sie zufällig zum falschen Zeitpunkt hier auftauchte. “

„ Ach nein, kann ich nicht ? Interessant, Bruderherz. Glaubst Du wirklich, ich lasse zu, dass sie zur Polizei rennt und alles kaputt macht ? - - Dass sie zu Ende bringt, was Jason nicht geschafft hat ?“

Bud baute sich wütend vor ihm auf:

„ Willst Du alles aufs Spiel setzen, nur weil Deine sentimentale Ader mit Dir durchgeht ? Kommt gar nicht in Frage ! Noch bestimme ich, wie es hier lang geht. Sie ist eine Gefahr für uns und es gibt keine andere Möglichkeit. Wir müssen sie ausschalten. “

„ Jason war ein Verräter, da hast Du recht. Aber das hier , Bud, das ist M o r d . – Wollt ihr wirklich auf das Niveau primitiver Mörder sinken ?“

„ Irrtum, Jim, wir sind im Krieg ! “

Jim schüttelte den Kopf:

„ Das ist doch nicht Dein Ernst, Bud. Das geht wirklich zu weit. Du bist bereit, diese Frau Deiner Rache zu opfern. Dieser Mord ist so--- so sinnlos.“

„ Nicht meiner Rache, Jim. Unserer Revolution.“

„ Das ist doch in dem Fall das Selbe“

Wütend baute sich Jim vor seinem Bruder auf. Eine Weile schienen sie einen unsichtbaren Kampf auszufechten. Schließlich wandte sich Jim von seinem Bruder ab und den Anderen zu:

„ Wie sieht es aus? Seid ihr alle so verbohrt? “

Fragend sah sich Jim um, hoffte auf Unterstützung, aber scheinbar waren alle Buds Meinung. Niemand wollte ein solch unkalkulierbares Risiko eingehen und für Cora einstehen.

Resigniert gab Jim seinen Widerstand auf.

*

Durch die geschlossene Tür konnte sie zwar kein Wort verstehen, aber ohne Zweifel wurde im anderen Raum heftig diskutiert.

Plötzlich wurde es still und Cora spürte wie sich ihre Muskulatur vor Angst schmerzhaft verspannte. Wie hypnotisiert starrte sie auf die Türe, als diese wieder geöffnet wurde.

Der Fremde betrat das Zimmer und blieb einen Moment unschlüssig vor ihr stehen. Dann ging er zu einem kleinen Barschrank in der Ecke, den sie bis dahin gar nicht registriert hatte.

Er holte zwei Gläser und goß großzügig Cognac ein. Noch immer schweigend stellte er eines der Gläser vor Cora ab und setzte sich ihr dann gegenüber. Die Spannung im Raum war jetzt fast greifbar.

Endlich konnte Cora das Schweigen nicht mehr ertragen.

Ihre Stimme versagte fast, als sie bat:

„ Bitte, helfen Sie mir, ich wollte wirklich nicht lauschen".

Der Mann senkte seinen Blick und schien ganz in den Anblick der bernsteinfarbenen Flüssigkeit versunken.

„ Es ist jetzt vier Jahre her, "

begann er , wie im Selbstgespräch, zu erzählen:

„ Damals hatte Bud eine junge Frau und einen kleinen Sohn. Ein zweites Kind sollte in wenigen Wochen zur Welt kommen. Er lebte mit seiner Familie in einem kleinen südamerikanischen Staat ,

der im Begriff ist, seine Unabhängigkeit von einer tyrannischen Diktatur zu erkämpfen. Eines Nachts wurde der Ort von Soldaten überfallen, alle Bewohner wurden niedergemetzelt . Bud selbst war in dieser Nacht nicht zu Hause. - Seitdem ist sein einziges Ziel, diese Revolution voran zu treiben."

Gedankenverloren ließ er den Cognac im Glas kreisen. Plötzlich sah er hoch und blickte Cora direkt in die Augen:

„Was Sie gehört, bzw. gesehen, haben, kann alle bisherigen Erfolge zunichte machen. Und nicht nur das; Tausende von Menschen, die dort für eine menschenwürdige Zukunft kämpfen, wären unmittelbar in Lebensgefahr . "

Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und beobachtete die Wirkung seiner Worte.

„ Es tut mir leid , Miß, aber ich kann nichts für Sie tun "

„ Wollen Sie damit sagen, dass ich, ich meine, dass die mich....“

Cora`s Gesicht war weiß wie die Wand, wie unter Zwang schüttelte sie unentwegt den Kopf. Verzweifelt wehrte sich ihr Verstand gegen das, was sie gerade gehört hatte.

„Nein, bitte, das können Sie doch nicht zulassen. Sie müssen mir glauben, ich werde nichts weitersagen, ich schwöre es..." ,

sie taumelte hoch und versuchte, sich vor ihm auf die Knie zu werfen.

Mit einem schnellen Griff an ihre Ellbogen hinderte er sie daran. Fast behutsam dirigierte er sie zurück zu ihrem Stuhl.

„ Lassen Sie das, es hat doch keinen Sinn, behalten Sie wenigstens Ihren Stolz."

Cora sank in sich zusammen.

„ Werden sie mir auch eine Plastiktüte über den Kopf ziehen? “

Jim`s Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepreßt:

„ ...nein – ich verspreche Ihnen, dass ich das verhindern werde.“

Er stand auf und ging zu dem Schrank. Als er zurückkam hielt er eine Dose Zucker und einen Kaffeelöffel in der Hand.

„ Sehen sie her ! Los, sehen Sie her ! "

Er leerte einen Löffel voll Zucker auf die Tischplatte. Dann isolierte er sorgfältig ein einzelnes Körnchen.

„ Das hier ",

er deutete auf das Häufchen , das er großflächig ausgebreitet hat,

„ sind die Freiheitskämpfer unserer Revolution. - Und dies ",

er wies auf das einzelne Körnchen,

„ dies sind Sie. Ich kann nicht in Sie hineinsehen. Wenn ich Ihnen glaube, gehe ich immer noch das Risiko ein, dass Sie mich hintergehen. - Dieses Risiko k a n n ich nicht ausschließen, so gern ich dies auch täte.

Wenn ich Ihnen also glauben würde und Sie laufen ließe, könnte das - unter Umständen - das

Todesurteil für all diese hier sein. - Schauen Sie mich an , Cora "

Er nahm ihr Kinn und zwang sie so, ihm in die Augen zu schauen :

„Glauben Sie wirklich, dass ich das Recht habe, für einen Menschen Tausende zu gefährden?“

„ Hey , Jim "

Der Typ, der Cora entdeckt hatte, streckte den Kopf zur Tür herein :

„ Komm mal raus zu uns."

Der Angesprochene erhob sich und wandte sich zur Tür.

„ Denken Sie darüber nach, - u n d v e r s u c h e n S i e e h r l i c h z u s e i n ."

Wieder war Cora allein. Allein mit ihrer panischen Angst starrte sie auf das Häufchen Zucker, das noch immer auf dem Tisch verstreut lag. Eine ehrliche Antwort ! Nein, das konnte sie einfach nicht. Es würde ihr Schicksal besiegeln.

Aber , andererseits war es das ja schon lange. Sie fing an zu zittern und hemmungslos zu schluchzen. Sie schob ihre Faust in den Mund, um zu verhindern, dass sie laut zu schreien begann.

Ihr wurde nun bewußt, dass, egal was sie sagen oder tun würde, diese Männer dort draußen ihr Urteil über sie bereits gefällt hatten und nichts konnte sie noch umstimmen.

Cora sah sich zum erstenmal richtig in der kleinen Kammer um. An einer schmalen Seite des Raumes war, knapp unter der Decke ein Fenster. Es war nicht sehr groß, aber sie war schlank und wenn sie es schaffte, dort hinauf zu kommen....!

Sie lauschte kurz auf die Gespräche im Nebenzimmer, dann nahm sie den Stuhl und stellte ihn so leise wie möglich unter das Fenster. Er wackelte etwas, als sie darauf stieg. Sie öffnete den Riegel und schwang sich auf den Fensterrahmen.

„ Ich würde es nicht tun. Sie sollten Bud nicht auch noch reizen.“

Entsetzt starrte sie auf den Mann unter ihr. Sie war so beschäftigt gewesen, dass sie nicht an die Möglichkeit gedacht hatte, draußen eine Wache vorzufinden.

Langsam glitt sie zurück in das Zimmer.

Aus ! Damit war ihr die letzte Chance buchstäblich zwischen den Fingern zerronnen. Die plötzliche Ernüchterung wirkte sich etwas beruhigend auf ihre Nerven aus. Sie stellte den Stuhl zurück und setzte sich wieder an den Tisch.

Sie wußte, dass sie am Ende war. Bud und seine Männer würden sich über ihre verzweifelten Versuche, sich zu retten, nur amüsieren. Wenn sie es schaffte, die Beherrschung nicht zu verlieren, konnte sie sich vielleicht diese Demütigung ersparen.

„ Behalten Sie wenigstens Ihren Stolz";

Dieser Satz klang in Cora nach. Vielleicht hatte dieser Mann recht und ihr Stolz war wirklich das Einzige, an dem sie sich festhalten konnte.

Verdammt, nein, diese Kerle sollten sich nicht über ihre Angst lustig machen, sie würde ihnen keine Gelegenheit geben, über sie zu lachen. Unbewußt strafften sich ihre Schultern.

*

Nach endlos anmutenden Minuten, die andererseits jedoch viel zu schnell vergangen waren, kehrte der Fremde, von dem sie jetzt wußte, dass er Jim hieß, zurück.

Das erste, auf das sein Blick fiel, war das offene Fenster. Sie hatte also versucht hinaus zu steigen. Nun, diesmal hatte der Wachhabende wohl nicht geschlafen. Jim beschloß, Cora nicht auf diesen Umstand anzusprechen. Sie hatte es schwer genug, es brachte nichts, ihr die mißglückte Flucht vorzuhalten. Bedächtig säuberte er den Tisch und setzte sich dann wieder Cora gegenüber.

Mittlerweile verwünschte er seinen Einfall, um diese Zeit noch auf die Ranch zu kommen. Er brachte es aber auch nicht fertig, sich einfach abzuwenden. Er schien zu spüren, dass seine Gegenwart Cora half. – Auch wenn er sie nicht zu retten vermochte.

„ Haben Sie über meine Frage nachgedacht, Miß ? ",

seine Augen zwangen Cora den Blickkontakt auf. Ihre, eben mühsam aufgebaute, Fassung drohte wie ein Kartenhaus einzustürzen.

„ Haben Sie noch eine Möglichkeit gefunden, die mir entgangen ist?"

Cora atmete tief ein, dann schüttelte sie kaum merklich den Kopf. Heiße Tränen stiegen in ihr auf und ließen sich kaum zurückhalten.

Jim`s nächste Frage brach diesen Damm endgültig :

„ Wo steht Ihr Auto, Cora ?"

„ Wozu wollen Sie das wissen? "

Plötzlich ging ihr ein Licht auf:

„ Oh nein, so einfach werde ich es Ihnen nicht machen ! Wenn Sie mein Fahrzeug wollen, dann suchen Sie es gefälligst. Von mir erfahren Sie es nicht . N e i n ! "

Jim ließ sie eine Weile weinen und wieder zur Ruhe kommen. Dann schenkte er die Gläser noch einmal nach und drückte ihr das ihre in die Hand.

Als er dann sprach, tat er dies sehr leise und langsam, was seiner Stimme eine besondere Eindringlichkeit verlieh :

„ Ich glaube, das sollten Sie Sich noch einmal überlegen. Wenn wir Ihr Auto suchen müssen, dauert das – grob geschätzt - eineinhalb bis zwei Stunden. Gut, das wäre Zeit, die Sie gewinnen. Aber was dann?

So, das war Theorie. - Jetzt zur Praxis: Wenn Sie mir keine Antwort geben wollen, wird Bud die Sache in die Hand nehmen. Glauben Sie mir, ihm werden Sie es mit Sicherheit sagen - und das nicht erst in einer Stunde. Aber soweit muß es nicht kommen; Sie wissen, dass Sie keine Chance mehr haben, also mache ich Ihnen einen , wie ich glaube , fairen Vorschlag : S i e sagen mir, wo sich Ihr Auto befindet, und i c h verspreche Ihnen, dass Sie keiner von denen da draußen belästigt und, dass alles schnell und schmerzlos für Sie abläuft... Also? "

Cora hatte ihr Gesicht in den Händen verborgen und ein heftiger Schüttelfrost machte ihr zu schaffen. Jim wartete schweigend. Ein seltsamer Ausdruck lag in seinen Augen, als er sie beobachtete.

Während Cora noch fieberhaft nach einer Fluchtmöglichkeit suchte, kamen zwei von Bud`s Männern herein.

Sie warfen Cora einen neugierigen Blick zu und wandten sich an Jim :

„ Bud meint, wir sollten jetzt mit Deiner Tischdame einen kleinen Ausflug unternehmen. "

Cora stieß einen unterdrückten Schrei aus und blickte hilfesuchend zu Jim auf. Dieser machte eine kurze Bewegung mit der Hand in Richtung Türe und sagte zu den Beiden :

„ Verschwindet, und sagt Bud, ich werde mich selbst um die Angelegenheit kümmern. "

„Aber Bud meinte... "

„ Und ich sagte , verschwindet !"

„Wie Du meinst , Jim, Du wirst wissen, was Du tust " .

Achselzuckend verließen die Beiden den Raum.

„ Und...?"

auffordernd sah Jim Cora an.

„ Also gut, - Sie haben gewonnen ; "

Mit tonloser Stimme beschrieb Cora, woher sie gekommen war.

„ Ihre Schlüssel, bitte! - Danke “

Jim verließ das Zimmer und gab die Schlüssel und die Standortbeschreibung an Bud weiter.

Dieser sah es gar nicht gerne, dass sein Bruder beschlossen hatte, die Sache in die Hand zu nehmen. Aber Jim war mindestens so stur wie er. Er ließ sich auf keine Debatte ein.

Schon nach kurzer Zeit war er wieder bei Cora.

Er faßte sie leicht am Ellbogen :

„Kommen Sie, wir gehen .“

Als Cora aufstehen wollte, gaben ihre Beine nach. Jim half ihr hoch.

„ Ein paar Minuten noch, dann sind wir von hier weg. So lange sollten Sie noch stark sein. Sie haben in den letzten Stunden schon so viel geschafft, das schaffen Sie jetzt auch noch. -

Kopf hoch, Cora . Sie haben Ihr Versprechen gehalten, glauben Sie mir, ich halte meines auch."

Cora war mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem sie begann, an der Wirklichkeit zu zweifeln. Das alles gab es doch gar nicht - von solchen Dingen hörte oder las man, aber das konnte doch nicht ihr passieren.

Cora atmete tief durch. Ihr Körper verkrampfte sich, als sie sich gewaltsam aufrecht hielt.

Sie ging neben Jim zur Tür. Seine Hand lag leicht auf ihrem Rücken und gab ihr etwas Sicherheit.

Die Gespräche der Männer verstummten, als sie den Raum betraten.

Teils neugierige, teils aber auch mitleidige Blicke taxierten Cora, die ihre ganze, noch verfügbare Willenskraft aufbot, um auf den Beinen zu bleiben. Sie hielt ihren Blick starr auf die Eingangstüre gerichtet. Es war, als ob ihr Unterbewußtsein gnädig einen Schleier über ihre Gedanken legen würde. Es erschien ihr wie eine Ewigkeit, bis sie endlich im Freien standen.

Willenlos ließ sie sich zu einem , etwa 10 Meter entfernt geparkten, Jeep führen.

Jim vergewisserte sich, dass die Beifahrertür verriegelt war, dann schloß er die Fahrertür auf und schob Cora hinauf.

„ Klettern Sie hinüber, und machen Sie keine Dummheiten, ja ? Sie kommen nicht weit. “

Dann stieg auch er ein. Er legte den Sicherheitsgurt an und wollte den Wagen starten. Da fiel ihm noch etwas auf:

„ Ihr Gurt ? “

„ Machen Sie Witze ? “

„ Keineswegs. Bitte legen Sie ihn an.“

„ Wozu denn ? Das gibt doch keinen Sinn ! “

„ Sie schließen ihn, keine Widerrede. Ich will nicht wegen so einer Lappalie gestoppt werden. --- Außerdem können Sie dann nicht so leicht auf dumme Gedanken kommen, - beziehungsweise, sie nicht so leicht verwirklichen. - Also los, machen Sie schon! “

Jim griff an ihr vorbei nach dem Gurt.

„ .... legen Sie Ihre Hände in den Schoß .“

Zögernd gehorchte sie. Er legte den Beckengurt über ihre Arme, rastete den Verschluß ein und zog den Gurt stramm.

Dann verließen sie endgültig die Ranch.

*

Schweigend saß Cora neben Jim in dem Jeep, der nun schon ca. eine Viertelstunde unterwegs war.

Der Druck, den der Beckengurt auf ihre Arme ausübte schürte erneut Cora`s Angst. Sie kämpfte mit aller Kraft gegen das, immer stärker werdende, Verlangen, das Grauen hinauszuschreien. Aber sie wußte, dass dies sinnlos wäre, nichts konnte sie jetzt mehr retten.

Cora `s Gedanken kreisten nur noch um das W i e . Wie würde sie sterben? Was hatte Jim vor?

Würde er sein Wort halten? Cora betrachtete sein Profil, das sich in der Dunkelheit abzeichnete. Ihr war eiskalt vor Angst.

„ Mister ? "

Jim`s Blick war immer noch auf die Straße konzentriert. Sein Schweigen brachte Cora noch mehr in Panik.

„ Bitte, Sir... , - J i m ! “

Ihre ganze Qual lag in ihrer Stimme, als sie schließlich seinen Namen mehr hinausschrie, als aussprach. Ihr unfreiwilliger Begleiter atmete tief ein:

„ Ja? "

„ Was haben Sie mit mir vor? "

Diesmal bekam sie keine Antwort.

„ Sie wollen nicht mit mir reden? Na gut. - Bitte, ich möchte Sie um etwas bitten, Jim ! "

Wieder wartete sie vergebens auf eine Antwort.

„ Bitte" ,

ihre Stimme war jetzt kaum mehr hörbar, ihre Kehle wirkte wie zugeschnürt,

„ bitte,- kein Messer."

Als sie dies ausgesprochen hatte, atmete sie unwillkürlich tief durch. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen über die Wangen liefen, wagte aber nicht, eine Hand aus dem Gurt zu ziehen und sie abzuwischen. Cora glaubte schon, er hätte ihre leise, zaghafte Bitte nicht gehört, da reagierte er doch noch. Ohne den Blick von der Straße zu nehmen, sagte er:

„ Keine Angst, darauf haben Sie mein Wort. Erinnern Sie sich? Wir haben eine Abmachung. - Versuchen Sie Sich ein klein wenig zu entspannen."

Entspannen ! Beinahe wäre sie in ein hysterisches Lachen ausgebrochen. Ihr war fürchterlich übel

und sie kämpfte gegen einen immer stärker werdenden Brechreiz an.

Wieder herrschte tiefes Schweigen . Das gleichmäßige Schnurren des Motors besänftigte etwas die Nerven. Ein leichter Silberstreifen am östlichen Horizont zeigte an, dass der neue Tag nicht mehr allzu fern war. Einen kurzen Moment gab sie sich der Hoffnung hin, sie würde jeden Augenblick in ihrem feudalen Bett in Piet`s Villa aufwachen und diesen Alptraum vergessen können.

Piet ! Seltsam: waren es wirklich erst wenige Stunden, seit sie aus einem Anfall von Eifersucht heraus diese Katastrophe ausgelöst hatte? Cora hatte eher das Gefühl, seit Ewigkeiten keine Sicherheit mehr in ihrem Leben zu kennen. Wie gern hätte sie die Uhr zurück gedreht.

*

Plötzlich veränderte sich die Landschaft.

Waren sie bisher durch Wälder und kleinere Felsgruppen gefahren, so führte die Straße jetzt steil bergauf. An der rechten Seite fiel der Boden fast senkrecht in eine , mindestens einen Kilometer tiefe, Schlucht ab.

Als die Steigung in ein starkes Gefälle überging, fuhr Jim auf einen Parkstreifen, der zur Straße hin durch ein paar große Felsbrocken ziemlich abgeschirmt war.

Als sie in den kleinen Pfad einbogen, sah Cora zu ihrer Überraschung ihr eigenes Fahrzeug dort geparkt. Als der Jeep anhielt, stiegen zwei Männer aus einem weiteren, vor dem kleinen Fiat abgestellten , Wagen. Cora erkannte in ihnen Bud `s Leute.

Im selben Moment wurde ihr bewußt, was das bedeuten mußte. Ohne Zweifel sollte sie hier über den Abgrund stürzen.

Man würde nicht mehr viel von ihr finden und jeder würde an einen bedauerlichen Unfall glauben.

Natürlich, so würden sich die Gäste auf Piet`s Party erinnern, sie war in ziemlich aufgewühltem Zustand losgefahren. Piet hatte sie gewarnt, nachts zu fahren, da sie die Gegend nicht kannte. Ja, hatte er nicht sogar versucht sie gewaltsam zurückzuhalten? `Aber wissen Sie, die Frau war ja so stur...` Zu dumm, dass sie ausgerechnet an dieser gefährlichen Stelle die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren hatte.

*

Todesangst schien Cora`s Brustkorb einzudrücken, sie hatte Probleme durchzuatmen. Ein unkontrollierbares Zittern hatte sich über ihren gesamten Körper ausgebreitet. Ihre Augen erinnerten an ein weidwundes Tier, als sie sich an Jim`s angespanntem Profil festzusaugen schienen. - Ein Blick, der um Gnade flehte.

„ Das können Sie nicht mit mir machen ! --- Oh bitte, lassen Sie mich doch leben!“

Aber sie hatte das Gefühl, als würde sein Gesicht daraufhin nur noch eine Spur härter und verschlossener. Als Jim die Zündung ausschaltete und den Schlüssel abzog, verlor Cora endgültig die

Nerven.

Die Verzweiflung rollte wie in einer riesigen Welle über sie hinweg. Nein, so wollte sie nicht enden, nicht so , nicht hier - und vor allem nicht jetzt !

Sie versuchte, aus dem Fahrzeug zu kommen.

In sinnloser Panik befreite sie ihre Hände und zerrte am Sicherheitsgurt. In ihrer Hektik fand sie jedoch den Öffnungsmechanismus nicht. Wie wild schlug sie um sich, ohne jede Kontrolle, nur noch von Panik getrieben.

„ Hören Sie auf, Cora, verdammt noch mal hören Sie endlich auf ! "

Jim versuchte Cora`s Hände zu fassen, aber die Angst verlieh ihr bedeutend an Kraft , so entwand sie sich immer wieder seinem Griff. Jim`s Hände faßten blitzschnell nach ihren Schultern. Cora spürte einen kurzen stechenden Schmerz, dann wurde sie von Dunkelheit eingehüllt.

Jim stieg aus und ging auf die beiden Männer zu.

„ Habt ihr alles ? Ihre Papiere? Habt ihr den Wagen genug aufgetankt?

„ Klar, alles bestens. "

Bill zeigte auf ein Stelle direkt in der Kurve :

„ Schau, hier wäre es wohl am wahrscheinlichsten, dass ein Wagen ausbricht , was meinst Du ?"

Jim trat an den Straßenrand und blickte in die Tiefe.

„ Ja, ich glaube hier ist es gut. "

Er trat zurück und sah auf die Uhr.

„Okay, Ihr könnt jetzt verschwinden, den Rest erledige ich allein."

„Glaubst du wirklich, dass Du es alleine schaffst ? Bud meinte, Du könntest sicher Hilfe brauchen"

„ Nein!"

Jim blickte zum Jeep hinüber:

„ Fahrt Ihr jetzt. Ich habe ihr mein Wort gegeben, dass keiner von Euch dabei sein wird. Dieses Versprechen zu halten, ist das wenigste, was ich noch für sie tun kann. Keine Sorge, ich komme zurecht. Ciao ! “

Die beiden gingen zu ihrem Wagen. Bill jedoch zögerte einzusteigen, er wandte sich wieder Jim zu:

„ Vielleicht sollte ich doch...“

„ Verdammt, glaub mir, mit einer Frau werde gerade noch fertig! “

Jim wirkte nun ziemlich gereizt, weshalb Bill besänftigend einwandte:

„ Herjeh ! Darum geht es doch nicht. – Ich dachte nur, es ist leichter, - na ja, Du weißt schon – in der Situation.“

„ Nein!“

„ Okay. “

Bill sah hinüber zum Jeep:

„ Armes Ding!“

Jim, der sich bereits dem Fiat zugewandt hatte, hielt inne und sah etwas verbittert zu ihm hin:

„ Das kommt zu spät, Bill. Wenn Du vorhin den Mut zu dieser Bemerkung gehabt hättest, hätte sie vielleicht eine kleine Chance gehabt.“

Als Bill das eigene Fahrzeug fast erreicht hatte, rief Jim ihm nach:

„Ach ja, sagt Bud, ich fahre dann gleich weiter zu der Hütte und nehme dort den Kontakt auf."

*

Jim wartete, bis der Wagen der Beiden verschwunden war, dann warf er einen Blick auf Cora, die aber immer noch reglos in ihrem Sitz hing.

Jetzt arbeitete er schnell und sicher:

Er brachte den Fiat in die richtige Position, ließ die Fahrertür ein wenig offen. Dann schaltete er die Zündung ein und ließ den Motor laufen. Er verkeilte das Gaspedal und löste die Bremse. Der Kleinwagen gewann auf der abschüssigen Straße rasch an Tempo. Krachend durchbrach er in der nächsten Kurve das morsche Holz des Geländers und stürzte, sich einige Male überschlagend , in die Tiefe.

Plötzlich explodierte der Tank und das Fahrzeug verschwand in einem Feuerball.


Cora

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