Читать книгу Cora - Gabriele Kappendobler - Страница 5
-Kapitel 2-
ОглавлениеJim wandte sich von der Szene ab und ging zurück zum Jeep.
Nachdenklich betrachtete er Cora, die in diesem Moment langsam wieder zu sich zu kommen schien. Schnell griff er nach einer Arzttasche, die auf dem Rücksitz gestanden hatte und zog mit geübten Griffen eine Injektion auf. Es war noch zu früh. Er fühlte, daß er noch nicht in der Lage war, sich mit ihr auseinanderzusetzen.
Cora spürte den Einstich in ihrer linken Armbeuge, der sie wieder in die Bewußtlosigkeit zurück führte.
Jim bettete Cora unter die Transportplane des Jeeps. Dann setzte er sich hinter das Steuer, startete aber den Wagen nicht. Er zündete eine Zigarette an und inhalierte den Rauch langsam und bewußt. Nach einigen Zügen spürte er, wie seine innere Spannung nachließ. Jetzt, da er sich entschieden hatte und der Fiat ohne Fahrerin in der Schlucht lag, drängte sich die Konsequenz seines Handelns mit aller Macht in seine Gedanken.
Cora´s Exekution war beschlossen worden, um einem potentiellen Verrat vorzubeugen. Es war eine logische und, vom Verstand her, die einzig vertretbare Entscheidung. Aber Jim´s Emotionen hatten ihm einen dicken Strich durch diese Rechnung gemacht. Er war kein eiskalter Killer, kaum etwas konnte Jim mehr beeindrucken als Zivilcourage. Und Cora`s Haltung hatte ihm gewaltig imponiert. Sie konnte nicht ahnen, daß ihr Mut, mit dem sie seine Frage nach der Richtigkeit seiner Entscheidung beantwortete, ihr letztendlich das Leben gerettet hatte.
Jim drückte die Zigarette aus und ließ den Wagen an. - So war er jetzt also selbst zum Verräter geworden. Er machte sich nichts vor. Wenn aufkam, was er getan, respektive n i c h t getan hatte, ging es nicht nur um Cora´s, sondern auch um sein Leben.
*
Langsam kam Cora zu sich. In einem wirren Zustand zwischen Wachen und Träumen nahm sie ein fremdes Zimmer und eine Gestalt, die sich wiederholt über sie beugte, wahr. Ihre Arme schmerzten leicht und, so sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte sie nicht bewegen, so als würden sie über ihrem Kopf festgehalten. Immer wieder fiel sie in ihren Dämmerzustand zurück.
Doch plötzlich hatte sie es dann geschafft. Ihr Verstand arbeitete wieder. Langsam, ganz langsam, kam die Erinnerung zurück. Ihr erstes Empfinden war maßloses Staunen: Sie lebte ! Sie war nicht in die Schlucht gestürzt worden.
Warum ? Was war passiert?
Sie versuchte, sich aufzurichten. Jetzt wurde ihr auch klar, warum sie ihre Arme nicht bewegen konnte. Sie war am Kopfende mit Handschellen an das Bett gefesselt. Sofort stieg erneut Panik in ihr auf. Verzweifelt zerrte sie an den Fesseln, unterließ es aber schnell wieder, als der Stahl in ihre Handgelenke schnitt. Mit einem gequälten Laut ließ sie sich zurück auf das Kissen fallen.
„ Nun, ausgeschlafen ?“
Cora riß erschrocken den Kopf herum, in die Richtung, aus der die Stimme kam. Sie hatte Jim nicht bemerkt, der an der gegenüberliegenden Seite des Zimmers am Fenster lehnte und sie schon eine Weile beobachtete. Als er jetzt sah, daß sie wieder voll bei Bewußtsein war, kam er herüber.
Verängstigt sah sie zu ihm hoch. Die Position, in der sie sich befand, ließ sie ihre Hilflosigkeit in vollem Umfang spüren. Viel ändern konnte sie daran jedoch nicht, da ihr Bewegungsspielraum sehr begrenzt war.
Jim wirkte müde und erschöpft. Die nervliche Anspannung , der auch er in den letzten Stunden ausgesetzt war, hatte sich in sein Gesicht gegraben. Er ließ sich auf der Bettkante nieder.
„ Entspannen Sie Sich ein wenig. Es gibt keinen Grund, schon wieder Panik zu schieben. Ich habe Sie bestimmt nicht hierher gebracht, um irgendwelche sadistischen oder perversen Neigungen ausleben zu können. “
„ Was soll das? Was wollen Sie von mir ?“
Instinktiv versuchte sie, ein Stück von ihm abzurücken, was Jim jedoch nur mit einem, leicht amüsierten, Lächeln quittierte :
„ Nun, wie wär’s mit einem ´ Danke, Jim ` , - immerhin leben Sie noch, oder ? “
„ Ich lebe - - - !“
Cora hob leicht die Hände an :
„ SO ?“
„ Das läßt sich ändern. Versprechen Sie mir, vernünftig und ruhig zu sein, dann nehme ich Ihnen die Dinger ab.“
Ohne ihre Antwort abzuwarten holte er einen Schlüssel aus der Tasche und kettete sie los. Cora richtete sich langsam auf und kauerte sich wie ein scheues Tier in die Ecke. Vorsichtig rieb sie ihre Handgelenke.
„ Was haben Sie jetzt mit mir vor ? “
„ Nicht viel fürs Erste “,
wieder erschien dieses, leicht spöttische, Lächeln auf seinen Gesichtszügen:
„ Da Sie etwas zerknittert wirken, würde ich vorschlagen, Sie gehen jetzt dort durch diese Tür, da machen Sie Sich etwas frisch. Duschen Sie, es wird Ihnen gut tun. Alles was sie brauchen finden Sie dort drüben. Kleidung zum Wechseln kann ich Ihnen allerdings noch nicht bieten. Inzwischen werde ich uns etwas Eßbares suchen. Wenn sie fertig sind, kommen Sie nach unten. Sie werden sehen: etwas gesäubert und mit vollem Magen sieht alles schon nicht mehr ganz so schlimm aus. - Nach dem Essen werden wir uns unterhalten. Okay ? “
Er ging zur Tür, wandte sich dann aber nochmals um :
„ Ach ja, und noch etwas ! “
Diesmal sah er Cora scharf an :
„ Versuchen Sie jetzt keine Dummheiten. Es würde Ihnen mit Sicherheit nur schaden.“
Damit ließ er sie endgültig allein.
*
Cora lauschte seinen Schritten nach, als er die Treppe hinunterstieg.
Sie mußte das alles erst einmal verdauen. Zuviel war in den letzten Stunden geschehen. Der Schock des Erlebten saß tief in ihr und sie konnte sich noch nicht vorstellen, daß sie wirklich in Sicherheit sein könnte.
Sie schlang ihre Arme um ihren Oberkörper und zwang sich zur Ruhe. Langsam ließ das Zittern in ihr nach.
Jetzt sah sie sich zum ersten mal richtig im Zimmer um.
Es war sehr gemütlich im Country - Stil eingerichtet. Die Vorhänge und die Bezugstoffe der Zierkissen auf dem Schaukelstuhl neben dem Fenster, waren ebenso wie die Tagesdecke des Messingbettes, auf dem sie saß, in rustikalen Erdfarben gehalten. Die dunkelgebeizten Eichenmöbel rundeten den gemütlichen Eindruck des Raumes ab.
Langsam stand sie auf, so als hätte sie Angst , damit etwas Verbotenes zu tun , und ging zum Fenster. Als erstes fiel ihr auf, daß die Griffe an den Fensterflügeln fehlten. Nun, damit hatte sie wohl auch rechnen müssen. Der Blick hinaus zeigte ihr, daß sie sich in irgendeiner Hochwaldgegend befinden mußte. So weit sie sah fand sich auch nicht die Spur einer menschlichen Behausung.
Cora hatte schon von solch einsam gelegenen Häusern, die bei Unwetter sehr schnell von Strom oder Telefon abgeschnitten waren, gehört.
Die Vorstellung, hier in dieser Einsamkeit einem Fremden ausgeliefert zu sein, war nicht gerade geeignet, sie zu beruhigen.
Sie wandte sich der Türe zu, hinter der sich das Badezimmer befand. Zu ihrer Verwunderung sah sie ein modern eingerichtetes, in Grautönen gehaltenes Marmorbad vor sich, das nichts an Service vermissen ließ. Sie wußte zwar nicht, was sie direkt erwartet hatte, aber mit Sicherheit nicht diesen Luxus. Cora ließ sich auf dem Rand der Badewanne nieder, unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu erfassen. Tausend Dinge schossen ihr durch den Kopf. Was war eigentlich geschehen? Warum war sie hier? Was hatte dieser Fremde vor? Wie sollte das alles weiter gehen? Ihr Kopf dröhnte und auch die Übelkeit stellte sich wieder etwas ein.
Daß sie versuchen mußte, von hier wegzukommen, war ihr klar, aber sie hatte noch keine Vorstellung, wie das zu bewerkstelligen wäre. Nach einer Weile gab sie ihre unfruchtbaren Grübeleien auf. Nun, sie würde das Denken eben noch vertagen.
Sie zog sich aus und stieg in die Duschkabine. Das heiße Wasser löste ihre verkrampften Muskeln und linderte ihre Kopfschmerzen. Nachdem sie kalt nachgeduscht hatte, fühlte sie sich wie neugeboren. Nur widerwillig stieg sie wieder in ihre, nicht mehr ganz sauberen, Kleider. Sie fönte ihr Haar und verließ das Bad.
Als sie auf den Flur hinaus trat, sah sie in einer Nische eine große Pendeluhr. Erstaunt stellte sie fest. daß es mittlerweile fast Mittag war.
Vom Erdgeschoß stieg ihr der Duft von Kaffee und gebratenem Speck entgegen. Ihr Magen reagierte entsprechend und drängte damit auch ihre Angst etwas in den Hintergrund.
Cora ging die Treppe hinunter und sah sich suchend um.
Von der großen Eingangshalle, in der sie stand, gingen nach beiden Seiten je zwei Türen ab.
Sie wandte sich nach rechts, wo sich, den Geräuschen nach, hinter einer halboffenen Tür die Küche befinden mußte, wagte aber dann nicht einzutreten.
„ Was ist los ? Haben Sie keinen Hunger? “
Jim`s Stimme riß sie aus ihrer Erstarrung. Zögernd betrat sie den Raum, der von einer modernen Einbauküche aus Kiefernholz beherrscht wurde. Unmittelbar neben der Türe befand sich eine Eßecke, auf deren Tisch verführerisch für zwei Personen aufgedeckt war.
„ Setzen Sie Sich schon, und gießen Sie uns, bitte, Kaffee ein. Ich komme sofort mit den Eiern.“
Cora folgte der Aufforderung und genoß den frisch gebrühten Kaffee wie eine seltene Köstlichkeit.
Jim verteilte Eier und Speck und stellte den Korb mit dem Toastbrot in die Mitte.
„ So, es ist nicht gerade das Hilton-Restaurant, aber ich hoffe es schmeckt doch “.
Cora stellte schnell fest, daß sie sehr hungrig war, und sie war dankbar, daß Jim sie praktisch ignorierte. So konnte sie langsam zur Ruhe kommen und ihre Gedanken ordnen. Schweigend verzehrten sie das Frühstück. Cora hielt ihren Blick fast krampfhaft auf den Teller gerichtet. Sie wagte kaum, Jim anzusehen, der jedoch ihre, offensichtlich ständig wachsende, Nervosität nicht zu registrieren schien.
Als sie fertig waren, schenkte Jim noch einmal Kaffee nach und trug die Teller zur Spüle. Damit verschaffte er sich noch eine kleine Galgenfrist, wie er sich selbst eingestand, denn es erwies sich als bedeutend schwieriger, dieses Gespräch zu beginnen, als er erwartet hatte.
Als er zurückkam, lag spürbar Spannung in der Luft. Am liebsten hätte Cora vor dem, was nun kommen mußte, die Flucht ergriffen. Sie hatte fürchterliche Angst , - und Jim ließ sich Zeit. Im Moment schien ihn nur seine Tasse zu interessieren. Allerdings beobachtete er sie unentwegt aus den Augenwinkeln. Nach einer Weile sagte Jim :
„ Nein “
Cora sah ihn erstaunt an :
„Was meinen Sie mit ` Nein ´?“
„ Die Antwort auf Ihre unausgesprochenen Fragen : Nein - Sie sind nicht rehabilitiert ; Nein - ich kann und werde Sie nicht gehen lassen ; Nein - außer uns beiden weiß niemand, daß Sie noch leben.“ , und nach kurzem Zögern fügte er hinzu:
„ Nein - wenn Sie vernünftig sind, brauchen Sie keine Angst vor mir zu haben. “
„ Was verstehen Sie unter ` vernünftig ´ ? “
Cora ´s Stimme klang belegt und so sehr sie sich auch bemühte, einigermaßen selbstsicher zu wirken, sie brachte kaum mehr als ein etwas lauteres Flüstern zu stande.
„ Vernünftig ? “ -
Jim strich sich nachdenklich über das Kinn:
„ Nun ja: ich denke, das Wichtigste ist wohl, daß Sie Sich mit den Gegebenheiten abfinden . Denn eines muß Ihnen klar sein: auch wenn Sie jetzt hier an diesem Tisch sitzen, heute nacht sind Sie dort oben am Paß ums Leben gekommen. Das muß - und wird - Tatsache sein und bleiben. Ihr altes Leben werden Sie nie wieder aufnehmen können.“
Entsetzt sah Cora ihn an:
„ Und wie soll es jetzt weitergehen? Wollen Sie mich für den Rest meines Lebens hier gefangen halten? “
„ - Sie sollten das nicht als Gefangenschaft betrachten. Eher als Ihre einzige Chance zu überleben. Ich weiß, daß sich das leichter anhört, als es - für uns beide - in der Praxis dann wohl werden wird, aber mit etwas gutem Willen von beiden Seiten müßte es zu schaffen sein. “
Er beobachtete Cora`s Hände, die die Tasse umspannten, daß die Knöchel weiß hervorstachen.
„ Eines Tages wird diese Revolution zu Ende sein. Wenn die neue Regierung dann fest im Sattel
sitzt, wird auch Ihr Wissen keinen, oder zumindest keinen nennenswerten, Schaden mehr anrichten. Eine neue Identität läge dann durchaus im Bereich des Möglichen.“
Cora mußte das Gehörte erst einmal verdauen und den Sinn des Ganzen erfassen.
„ Wenn das so leicht geht, wie Sie es jetzt bringen, warum will man mich dann tot sehen?- Und was ist, wenn vor Ende der Revolution Umstände eintreten, die - nun sagen wir mal : die gegen mein Hiersein sprechen, was dann? “
Jim sah einige Zeit konzentriert in seine Tasse. In Erinnerung an eine ähnliche Situation wurde Cora dadurch wieder etwas mulmig.
Es erschien ihr wie eine Ewigkeit, bis er weitersprach :
„ Zu Punkt eins: Es ist sicherer ein Risiko auszuschalten, als auf einer Zeitbombe zu leben, stimmt’s? Ich hoffe, ich habe da nicht den Fehler meines Lebens gemacht; - wir werden sehen. --- Zu Punkt zwei: Solche ´ Umstände ` werden mit großer Wahrscheinlichkeit auf uns zukommen. Darüber sprechen wir, wenn es so weit ist. In der Zwischenzeit liegt es an Ihnen, wie sich ihr Aufenthalt hier für Sie gestaltet.“
Er nahm einen Schluck Kaffee, bevor er weitersprach. Cora´s Blick lag wie gebannt auf seinem Gesicht. Jim hielt ihren Blick fest :
„ Ich für meine Teil finde , wir fahren am besten mit Ehrlichkeit und – soweit möglich - etwas Vertrauen zueinander. Das heißt: ich gebe Ihnen mein Wort, daß nichts geschieht, ohne daß wir darüber reden. Sie können Sich darauf verlassen, daß Sie in Sicherheit sind, solange Sie mir nicht in den Rücken fallen. - Sie versprechen mir, daß Sie keinen Versuch starten um zu fliehen. Was halten Sie davon ?“
Cora dachte über das, was sie gehört hatte, nach. Der Vorschlag kam ihr total verrückt vor.
„ Wissen Sie eigentlich, wie sich das anhört ? Man könnte meinen, Sie wollen mich zu meinem eigenen Gefängnisaufseher machen.“
Jim lachte laut auf:
„ Nun, so schlecht ist der Gedanke doch gar nicht, das würde mir eine Menge Sorgen abnehmen. - aber im Ernst - überlegen Sie Sich meinen Vorschlag und sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie die Antwort gefunden haben.“
Einen Moment starrte Cora ihn fassungslos an. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Wenn er sich auf ihre Kosten auch noch lustig machen wollte, würde sie sicher nicht mitspielen. Sie stand abrupt auf:
„ Wenn Sie glauben, daß ich das witzig finde, dann täuschen Sie Sich aber gewaltig. Ich weiß nicht, warum Sie mich hierher gebracht haben, aber ... aber...“
Plötzlich wußte sie nicht mehr weiter:
„ Ach verdammt, lassen Sie mich doch in Ruhe, über mich spotten kann ich selbst ! “
Bevor Jim reagieren konnte, verließ sie die Küche und lief die Treppe hinauf.
In dem Zimmer, in dem sie aufgewacht war, lehnte sie sich von innen an die Türe und dachte fieberhaft nach. Sie mußte hier weg, aber wie? Ziellos lief sie durch das Zimmer, versuchte ruhiger zu werden, ihre Gedanken zu ordnen. Als sie wieder am Fenster ankam, sah sie, daß kurz unter dem Sims ein Rosenspalier befestigt war. Mit ein bißchen Glück würde es sie tragen. Aber wie bekam sie das Fenster auf?
Sie suchte im Zimmer und im Bad nach etwas, das sie als Werkzeug brauchen konnte. Schließlich fand sie eine stabil aussehende Schere mit gerundeten Enden. Sie nahm sie mit und steckte sie in die eckige Öffnung, in die eigentlich der Vierkant des Griffes gehörte. Die Schere bog sich , aber das Schloß gab nicht nach. Cora wurde zusehends nervös. Wenn es nicht bald klappte....
„ Glauben Sie mir, die Schere hält das nicht mehr lange aus!“
„ Nein!“
Mit einem leisen Aufschrei fuhr Cora herum, als sie Jim`s Stimme hörte und hielt die Schere instinktiv hinter dem Rücken verborgen. Jim ließ sie nicht aus den Augen, während er auf sie zukam. Mit einem kurzen Griff entwand er ihr das Instrument.
„ Ich habe Sie gewarnt. Wenn Sie es so wollen, bitte, dann eben auf die harte Tour.“
Bevor Cora klar wurde, was geschah, hatte er sie auf das Bett geschleudert. Sie schrie vor Schreck auf, aber bevor sie überhaupt reagieren konnte, war sie bereits wieder mit einer Hand angekettet.
„ Sie haben Sich das selbst zuzuschreiben. Wenn Sie bereit sind, Vernunft anzunehmen, reden wir weiter.“
Jim richtete sich auf und betrachtete sie grimmig.
„ --- Übrigens werde ich jetzt kurz wegfahren. In der Zwischenzeit können Sie darüber nachdenken, wie es weitergehen soll. --- Bis zum Abend bin ich zurück. “
Cora sah ihn entsetzt an. Sie hob die angekettete Hand hoch:
„ Sie können mich doch hier nicht allein lassen ! Wenn Ihnen jetzt etwas zustößt, ich meine, ein Unfall ....?“
„ Das finde ich aber nett, daß Sie sich um mich sorgen. - Nun, vielleicht sollten Sie beten, daß so etwas nicht passiert. Mein Nachfolger auf diesem Posten wäre wohl ein wenig erstaunt, wenn er Sie hier finden würde.
Aber keine Angst, ich komme schon zurück. Bis bald ! - Ach ja, und noch etwas: ich habe Sie nicht verspottet. Ich habe jedes Wort ernst gemeint. Denken Sie auch darüber nach. Und ganz nebenbei: schreien hat überhaupt keinen Sinn, sie strapazieren nur unnütz ihre Stimmbänder. Kein Mensch hört Sie – das heißt: wenn nicht zufällig Bud oder einer seiner Leute hier vorbeischauen.“
Cora hörte wie Jim das Haus verließ und die Tür abschloß. Mit Schaudern dachte sie daran, daß sie hier mutterseelenallein , und das möglicherweise auf etliche Kilometer, war. Sie zerrte an der Kette, aber weder diese noch das Bett gaben nach. Als ihr das Handgelenk weh tat gab sie schließlich auf. So würde sie nie von hier wegkommen.Sie konnte nur hoffen, daß sich morgen eine Chance bot.
Nach einer Weile forderte ihr übermüdeter Körper seinen Tribut. Cora weinte sich, trotz ihrer panischen Angst, in den Schlaf.
*
Jim fuhr in entgegengesetzter Richtung, als sie gekommen waren. Die Ruhe im Wagen tat ihm gut, er mußte seine Gedanken ordnen. Sicher, er hätte wissen müssen, daß Cora ihm nicht sofort bedingungslos vertrauen würde - eigentlich gar nicht konnte -, aber trotzdem war er im Inneren über ihr Verhalten wütend. Das konnte ja heiter werden. – Auch seine Nerven lagen mittlerweile blank.
Als er jedoch nach ca. fünfzig Kilometern an eine , für diese Gegend relativ große , Stadt kam, hatte er
sich wieder beruhigt. Cora war verängstigt, was schließlich nicht schwer zu verstehen war, sie hatte bittere Erlebnisse hinter sich und wenn sie erst einmal darüber geschlafen hatte, würde sie sicher zur Vernunft kommen.
Er suchte einen Parkplatz in der City und machte sich dann zu Fuß auf den Weg.
Jim suchte die Anonymität der großen Kaufhäuser.
Da Cora`s ganzes Gepäck in ihrem Fiat verbrannt war, brauchte sie dringend das Nötigste an Kleidung und Hygieneartikeln.
Während ihrer Bewußtlosigkeit hatte er die Wäschezeichen in ihren Sachen studiert und nun suchte er ein Kaufhaus, wo er all das bekam, was sie , seiner Meinung nach, am dringendsten benötigte.
Nach einer guten Stunde hatte er etliche Taschen im Jeep verstaut.
Nun fuhr Jim zurück, und in ein Dorf, das er auch in der Nacht passiert hatte.
Es war schon später als er eingeplant hatte, aber er mußte sich dort sehen lassen, um seine Abwesenheit zu erklären, falls man versucht hatte, ihn über Funk zu erreichen.
Im einzigen Laden des Dorfes war Jim bestens bekannt, da er schon längere Zeit in dem Haus in den Bergen weilte. In `Donovan`s Drugstore` kaufte er einmal in der Woche alles, was er benötigte.
Als er heute den Laden betrat, stürmten die Kinder des Ladenbesitzers, ein ca. 7jähriger Junge und ein Mädchen von etwa fünf Jahren, ihm aufgeregt entgegen:
„ Hey, Mr. Graffton, haben Sie schon gehört ? Heute nacht war wieder ein Unfall auf der Straße von Lovelhill hierher. Sie haben den Wagen heute früh entdeckt. “
„ Ja “ , unterbrach das Mädchen den Bericht des Bruders:
„ Mr. Reed sagte, er hat noch gebrannt ! “
„ Ach was, er hat gesagt, daß er noch gequalmt hat. Du hörst nie richtig ...“
„ Könnt Ihr zwei Bengel Mr. Graffton nicht erst einmal hereinkommen lassen ? Verschwindet endlich, bevor ich Euch Beine mache ! “
Die Stimme aus dem Hintergrund ließ die Beiden verstummen. Mrs. Donovan scheuchte sie mit einer Handbewegung hinaus. Langsam und schmollend verzogen sich die beiden.
Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, hörte man sie auch schon über die Mutter schimpfen.
Jim lachte, als er den Debatten der beiden lauschte.
„ Seien Sie nicht so streng mit ihnen, Mrs. Donovan, sie sind doch zwei absolute Prachtkinder. –Aber , wie war das mit dem Unfall , stimmt das ?“
„ Ja, ja, oben am Creek , wie schon so oft. Sie haben Leute runter geschickt, aber viel haben die nicht mehr gefunden. Das war ein Kleinwagen, den hat es sowieso total zerlegt, aber darüber hinaus ist er auch noch ausgebrannt. Verflixt, warum müssen die auch immer so rasen.“
„ Na ja, vielleicht war es auch ein Fremder, der die Tücken auf der Strecke nicht kannte ? --- Holen sie ihn rauf ? “
„ Nein, wo denken Sie hin ? Sie kennen doch die Schlucht da oben ? Da haben sie noch keinen raufgeholt. Soviel man hört, kommen sie gar nicht ganz an das Wrack hin. Den Fahrer hat’s scheinbar rausgeschleudert. Na ja, Sie wissen so gut wie ich, daß der eine Mahlzeit für etliches Getier wurde. Armer Kerl ! “
Mrs. Donovan schüttelte sich beim Gedanken an den Verunglückten. Schon viele hatten ihr Leben gelassen. Jeder hier in der Gegend wußte, daß es dort oben keine Chance gab zu überleben.
Jim hatte gehört, was er wissen wollte. Er war mit diesen Neuigkeiten sehr zufrieden. Wie es aussah, verlief alles genau nach seinen Plänen.
Er kaufte seine üblichen Vorräte, unterhielt sich noch eine Weile mit der jungen Frau und machte sich dann auf den Heimweg. Es war jetzt schon sehr spät, und er machte sich Sorgen wegen Cora.
War sie in Panik geraten ? Das hatte er nicht beabsichtigt.
Er parkte den Jeep hinter dem Haus und ging erst einmal hinein, um nach ihr zu sehen.
Erstaunt sah er, daß sie fest schlief. Erst wollte er leise wieder das Zimmer verlassen, aber dann fiel ihm ein, daß sie ja irgendwann aufwachen und dann glauben würde, sie wäre immer noch allein.
Er schüttelte sie leicht an der Schulter :
„ Cora ! “
Irritiert schlug sie die Augen auf. Als sie Jim erkannte, fuhr sie erschrocken hoch. Die Handfessel machte sich sofort wieder schmerzhaft bemerkbar.
„ Cora, Sie sollten nur wissen, daß ich wieder da bin. “
Beruhigend legte Jim seine Hand auf ihre Schulter. Cora war, vermutlich durch die Nachwirkungen der Narkotika, so benommen, daß sie kaum nicken konnte. Sofort schlief sie wieder ein.
Jim holte seine Einkäufe ins Haus und schenkte sich einen Cognac ein. Dann ging er in einen der Räume auf der linken Seite der Halle. Dort war eine hochwertige Funkanlage aufgebaut. Hier liefen sämtliche Informationen bezüglich der Revolution verschlüsselt auf und wurden von ihm weitergeleitet. Jim überprüfte, ob in seiner Abwesenheit etwas hereingekommen war, und gab seine allabendliche Meldung ab.
Dann beschloß er den Tag und ging ebenfalls schlafen.
*
Cora erwachte , als es gerade dämmerte, von fürchterlichen Schmerzen in ihrem rechten Arm und der Schulter. Sie setzte sich auf, um den angeketteten Arm zu entlasten. Als der Schmerz durch ihre Schulter fuhr, schrie sie leise auf. Trotzdem merkte sie bald, daß die veränderte Haltung ihren Muskeln gut tat.
Sie dachte über den vergangenenTag nach : den Tag , den sie eigentlich nicht mehr erleben sollte.
Jim gab ihr immer mehr Rätsel auf. Er hatte ihr zweifellos das Leben gerettet, und Cora ahnte, daß er sich damit ziemliche Probleme aufgeladen hatte. Aber welche Motivation hatte er dafür? Was hatte er mit ihr vor ?
Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß er es wirklich aus Menschlichkeit tat. Das gab es nicht.
Der Schmerz in ihrer Schulter kam langsam wieder, mit jeder Bewegung, die sie machte. Sie war so damit beschäftigt ihn in Grenzen zu halten, daß sie das Klopfen an ihrer Tür beinahe überhört hätte.
Jim wartete ihre Antwort geduldig ab, bevor er das Zimmer betrat. Mit dem geschulten Blick des Arztes sah er sofort, in welcher Verfassung Cora war.
„Guten Morgen ! “
Jim ging zu Cora und kettete sie los. Als sie den Arm sinken ließ, traten ihr die Tränen in die Augen.
„ Tut es sehr weh ? “
„ Nein !“
Cora´s Antwort klang feindseliger und schärfer als beabsichtigt. Jim sah sie ruhig an.
„ Das freut mich für Sie.“
Damit ging er ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer.
Cora hätte ihre schroffe Antwort am liebsten zurückgenommen. Aber dazu war es zu spät und sie nahm sich fest vor, sich von nun an besser zu beherrschen. Wenn sie eine Chance zur Flucht haben wollte, dann durfte sie ihn nicht wütend machen. Nur wenn er sich ihrer sicher fühlte, würde er vielleicht etwas nachlässig. Zu ihrem Erstaunen klopfte es schon kurze Zeit später wieder an ihrer Tür und Jim erschien mit einigen Taschen bepackt, die er auf einem kleinen Tisch abstellte.
„ Das werden Sie wohl in der nächsten Zeit brauchen, “ meinte er,
„ Ich hoffe, es paßt und gefällt ihnen einigermaßen. Wir sehn uns dann unten.“
Kaum hatte er das Zimmer verlassen, siegte auch schon Cora´s Neugier. Sie sprang aus dem Bett und packte den Inhalt der Taschen aus. Überrascht sah sie, was da zum Vorschein kam:
Da waren zwei gerade geschnittene Jeansröcke, eine Jeanshose, zwei Blusen und einige lange, bequeme Pullover. Außerdem diverse Teile an Leibwäsche, Strümpfe, ein Jogginganzug. In einer Tasche fand sie Kosmetika, und - Cora glaubte nicht richtig zu sehen - eine komplette Pflegeserie in ihrem Lieblingsduft. Jim hatte ihre Habe durchgesehen, bevor er sie in der Schlucht versenkte. Sie mußte sich erst einmal setzen, so sehr überwältigte sie diese Geste seines guten Willens. Dann ging sie ins Bad und genoß ausgiebig diesen unverhofften Luxus.
Als sie später nach unten kam trug sie einen der Röcke und einen passenden Pullover darüber.
Jim saß bereits beim Frühstück. Er hatte für sie gedeckt, stand aber nicht auf, um ihr, wie am gestrigen Tag, etwas vorzulegen.
„Kaffee ist hier, am Herd stehen noch Eier, wenn Sie möchten. Bitte, bedienen Sie Sich.“
Cora holte sich ihr Frühstück und setzte sich zögernd zu ihm. Jim betrachtete sie mit einem schnellen Blick von oben bis unten, sagte aber nichts. Cora war unter seinem Blick etwas verlegen geworden. Um dies zu überspielen, schenkte sie Kaffee ein, als würde sie eine feierliche Handlung vornehmen.
Dann faßte sie sich Mut und sprach ihn an:
„ Danke, Jim, danke für alles. Glauben Sie mir, bitte, ich wollte vorhin gar nicht so schroff sein, es war nur, weil... weil....ach, ich weiß nicht warum. - Ich war nicht gut drauf. “
` Weil mein Arm höllisch wehtat und ich mich hilflos und gedemütigt fühlte ´ , fügte sie in Gedanken hinzu. Laut wagte sie es jedoch nicht zu sagen.
Jim stellte sein Gedeck zusammen und stand auf.
„ Ja, okay.- Sie können sich in der Bibliothek bedienen, wenn Sie möchten. Nehmen Sie sich etwas mit hinauf, oder bleiben Sie hier unten, aber ich warne Sie : Machen Sie keine Dummheiten! Wenn Sie versuchen abzuhauen, werde ich keine Skrupel mehr haben, Sie zu töten. “
Dann fiel ihm noch etwas ein:
„ Ach ja, und noch etwas : Ich möchte Sie nie in den Zimmern dort drüben sehen, nicht einmal in der Nähe der Türen. Und verhalten Sie sich ruhig. Ich wünsche einen schönen Tag.“
Damit verschwand er im Funkraum und ließ eine völlig verdutzte Cora zurück. Sie hatte mit vielem gerechnet, daß er wütend würde, sie anbrüllen und schlimmstenfalls wieder anketten könnte. Aber diese demonstrative Gleichgültigkeit hatte sie nicht erwartet.
Nun, sie würde sich einen schönen Tag machen können, wenn sie nicht dauernd durch seine Anwesenheit an die Wirklichkeit erinnert würde. Sie war froh, wenn sie ihn den ganzen Tag nicht sah. Genau so war es !
Cora hatte sich in richtige Kampfstimmung gebracht. Sie merkte gar nicht, daß sie so reagierte, wie Jim es vermutlich erwartet hatte. Sie war aus ihrem Selbstmitleid aufgewacht.
Eine Weile suchte sie in der Bibliothek, konnte sich aber für nichts entscheiden. Sie hatte nicht die Ruhe, sich ein Buch auszusuchen.
Also ging sie auf ihr Zimmer und legte sich ein wenig hin. Sie dachte darüber nach, wie sie wohl doch noch von hier wegkommen konnte. Aber allmählich wurde ihr auch klar, daß sie sehr viel riskierte, wenn sie es wieder versuchte. Wenn, dann mußte es beim nächsten Mal sicher klappen.
*
Sie war wohl eingeschlafen und wachte mit fürchterlichen Kopfschmerzen auf. Jetzt wußte sie, daß Jim etwas, für sie ungeheuer wichtiges, nicht mitgebracht hatte : Schmerztabletten.
Aber vielleicht hatte er ja welche bei sich. Cora stand mühsam auf und schleppte sich die Treppe hinunter. Jim war nirgends zu sehen, leise Geräusche verrieten jedoch, daß er sich immer noch in dem Raum aufhielt, den er am Morgen betreten hatte. Sie stand einen Moment unschlüssig, wagte aber dann doch nicht an die Tür zu klopfen.
Ihr war fürchterlich übel und als sie kehrt machte, um wieder in ihr Zimmer zu kommen, merkte sie schnell, daß sie die Treppe nicht schaffen würde. Sie taumelte zu einem Sofa, das in einer Ecke stand. Stöhnend ließ sie sich darauf sinken und bedeckte ihre Augen mit einem Zierkissen.
So war sie schon eine ganze Weile gelegen, als sie, wie durch einen Nebel registrierte, daß Jim in die Halle kam.
Jim wollte zur Küche und hätte Cora beinahe übersehen. Bestürzt kam er näher.
„Was ist los mit Ihnen ? Kann ich helfen “
Automatisch griff er nach ihrem Handgelenk und fühlte ihren Puls.
„ Ich habe Migräne ! Haben Sie vielleicht eine Schmerztablette? - Bitte ! “
„ Einen Moment , ich seh` mal nach. “
Jim holte seine Arzttasche und prüfte den Inhalt :
„ Es tut mir leid, aber damit kann ich nicht dienen.“
Als Cora aufstöhnte setzte er hinzu :
„ Ich könnte Ihnen eine Spritze geben, wenn Sie das möchten ? “
Kaum merklich zögerte Cora, dann sagte sie :
„ Ja, bitte, tun Sie das ! “
„ Ihnen muß es wirklich schlimm gehen, “
murmelte Jim, während er die Injektion aufzog. Nachdem er Cora die Spritze verabreicht hatte, wechselte er das Kissen auf ihren Augen gegen ein feuchtwarmes Tuch aus. Nach wenigen Minuten fühlte sie bereits, wie der Schmerz nachließ und sie hob vorsichtig den Wickel von ihren Augen.
Sie beobachtete Jim, der mit dem Rücken zu ihr stand und seine Tasche wieder einräumte und dachte plötzlich daran, daß er in der ganzen Zeit, seit sie zusammengetroffen waren noch nie die Ruhe verloren hatte. Wie der berühmte Fels in der Brandung, schoß es ihr durch den Kopf. Aber sofort schob sie diesen unsinnigen Gedanken wieder beiseite.
„ Sind Sie Arzt, Jim? “
Jim lachte auf und drehte sich zu ihr um:
„ Sie sind wirklich das eigenartigste Wesen, das ich jemals getroffen habe ! - Oder glauben Sie nicht, daß diese Frage v o r h e r angebracht gewesen wäre ? “
Unter seinem sarkastischen Blick wurde Cora tatsächlich rot. Als er das sah, vertiefte sich sein Lachen noch.
„ Aber um Ihre Frage zu beantworten : Ja,- ich bin Chirurg,- wenn ich auch zur Zeit nicht praktiziere. Momentan arbeite ich freiberuflich für die Forschung. Zufrieden? “
Wieder ernster werdend fragte er:
„ Haben Sie öfter solche Attacken ? “
Cora nickte:
„ Ja, ziemlich häufig sogar.“
„Und haben Sie sich noch nie deswegen untersuchen lassen?“
„ Doch, schon ein paar mal. Aber man hat nie eine Ursache gefunden. Normalerweise habe ich immer meine Tabletten in der Handtasche. “
„ Morgen besorge ich Ihnen welche, okay ? - Wie sieht es aus, haben Sie jetzt auch Hunger? Wir könnten uns Steaks braten; - wer ist eigentlich der bessere Koch von uns beiden ? “
„ Nun, das weiß ich nicht, aber eigentlich müssen S i e kochen !“
„ Warum ? “
„ Weil ich ihr ... “
zum erstenmal zeichnete sich jetzt auf Cora`s Gesicht ein zaghaftes spöttische Grinsen ab :
„ ... Gast bin. “
Verblüfft sah Jim sie an:
„ Eins zu null : diese Runde geht an Sie. Aber morgen finde bestimmt i c h eine Ausrede. “
Die friedliche Stimmung zwischen den beiden hielt bis zum Abend an. Doch je später es wurde, desto unruhiger wurde Cora. Sie hatte Angst vor der Nacht.
Jim schien ihre Gedanken zu erraten :
„ Haben Sie über meinen Vorschlag von gestern nachgedacht? Wollen Sie mir nicht Ihr Wort geben? Glauben Sie mir, ihr Leben - und vor allem Ihre Nächte - werden dadurch bedeutend leichter.“
Cora schluckte an dem Kloß, der sich wieder einmal in ihrem Hals festsetzen wollte. Energisch schüttelte sie den Kopf.
Jim seufzte resigniert auf. Sie tat ihm leid, aber er wußte auch, daß das Risiko zu groß war, solange sie den Gedanken an Flucht nicht aufgab. Er konnte sie schließlich nicht rund um die Uhr bewachen.
Also verbrachte Cora erneut eine fast durchwegs schlaflose Nacht, in der ihr Arm angekettet war. Die letzte, so schwor sie sich, würde es sein. Morgen mußte sich eine Möglichkeit zur Flucht ergeben.
So konnte es nicht weitergehen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Cora sich eingestand, daß Jim gar nicht so unsympathisch war.
Sie war auf dem besten Weg ihm Vertrauen zu schenken und das wollte sie nicht.
Sie brauchte ihr `Feindbild ´.
*
Der nächste Morgen lief betont friedlich an.
Als Jim sie loskettete, verlor keiner ein Wort über ihren Zustand . Als sie schließlich zum Frühstück kam, war Jim bereits in seinen Arbeitsräumen verschwunden. Cora nahm dies mit Zufriedenheit auf. Ihre Gedanken kreisten nur noch um ihre Flucht und sie hatte Angst, daß Jim sie durchschauen könnte.
Dieser seinerseits registrierte erleichtert, wenn auch ein wenig mißtrauisch, Cora`s neue Gefügigkeit.
So ganz glaubte er noch nicht an den Frieden.
Aber nichts deutete darauf hin, daß Cora Ärger machen würde. Sie hatte sogar das Frühstücksgeschirr, das noch in der Küche stand, gespült und weggeräumt.
Danach holte sie aus der Bibliothek ein Buch und setzte sich damit auf eines der Sofas in der Halle. So war sie auch für Jim jederzeit sichtbar, sobald er sein Zimmer verließ.
Hätte er Cora besser gekannt, dann wären bei dieser scheinbaren Kapitulation sämtliche Alarmglocken in seinem Inneren zum Schwingen gekommen.
So jedoch ahnte er nicht, daß dies genau berechnet war.
Von ihrem Platz aus wurde Cora nicht nur gesehen. Vielmehr konnte auch sie ihn ständig beobachten, ohne Verdacht zu erregen und sie würde ihre Chance nutzen können, sollte sie sich bieten.
Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Am Spätnachmittag schien es aber dann doch noch zu klappen. Jim war aus seinem Arbeitszimmer gekommen und ließ die Türe einen Spalt offen. Cora konnte an der gegenüberliegenden Wand ein Fenster sehen - ein Fenster mit Griff.
Jim sah Cora mit ihrem Buch in der Ecke sitzen und kam auf sie zu:
„ Es ist schon spät. Haben Sie keinen Hunger? “
„ Nun, eigentlich schon...“
„ Gut, dann suchen wir uns etwas Eßbares“
„ Nein,- das heißt, noch nicht: - ich will erst noch dieses ...“
Jim lachte leise auf:
„ Ich verstehe, --- angenommen, ich würde uns jetzt ein paar Rühreier in die Pfanne schlagen, kommen Sie dann zum Essen ?“
Cora`s Herz schlug bis zum Hals. Das lief ja leichter als sie gedacht hatte. Wenn Jim jetzt in die Küche ging, ...!
„ Das ist ein verlockendes Angebot. - Bis dahin bin ich auch durch dieses Kapitel “
Würde er ihr Manöver durchschauen?
Aber Jim war im Moment nicht allzu mißtrauisch. Kopfschüttelnd verzog er sich in die Küche.
Cora wartete noch, bis sie ihn mit dem Geschirr hantieren hörte, dann legte sie leise ihr Buch weg und schlich in das Arbeitszimmer. Sie öffnete das Fenster und stieg auf das Brett.
Sie mochte sich ungefähr zwei Meter über dem Boden befinden. Einen Moment zögerte sie noch, die Höhe machte ihr etwas zu schaffen. Schließlich kniff sie die Augen zu und sprang entschlossen hinunter. Der grobe Schotter knirschte, als sie darauf landete. Da sie außerdem nicht sehr sportlich war, knickte sie auch noch mit dem rechten Knöchel um. Nur mühsam unterdrückte sie einen Schmerzensschrei und humpelte mehr als sie lief, davon.
Jim hatte den Aufprall auf dem Schotter gehört. Als er in die Halle kam, sah er sofort, daß die Tür zum Arbeitszimmer ebenso wie das dortige Fenster offen war.
Mit einem wütenden Fluch schaltete er schnell den Herd ab und setzte Cora nach. Durch ihre Verletzung war es nicht schwer für ihn sie einzuholen.
Cora hörte ihn kommen und fiel nun wirklich in Panik.
Sie ahnte, daß sie den Bogen endgültig überspannt hatte und sie lief um ihr Leben. Gleichzeit war ihr klar, daß sie keine Möglichkeit hatte, ihn abzuschütteln.
Jim kam auf gleiche Höhe mit ihr und riß sie an den Schultern zurück. Durch die Wucht der Bewegung verlor sie den Halt und stürzte zu Boden. Jim , der sie immer noch festhielt, landete auf ihr.
Verzweifelt versuchte Cora unter ihm wegzukommen, aber sein Gewicht hielt sie am Boden fest.
„ Verdammtes Weib ! “
Jim hatte alle Hände voll zu tun um Cora zu bändigen, die wie wild um sich schlug. Schließlich schaffte er es doch. Er kniete auf ihren Armen und verurteilte sie so zur Bewegungslosigkeit. Sein Gesicht war von Wut und Anstrengung verzerrt.
Cora schrie verzweifelt auf, als sich seine Hände um ihren Hals legten. Seine Daumen drückten leicht auf ihren Kehlkopf.
„Ich habe Sie gewarnt, oder ? Und nicht nur einmal. Warum konnten Sie nicht endlich vernünftig werden? Glauben Sie, es macht mir Spaß, für ein hysterisches, bockiges Weib meinen Hals zu riskieren?“
Cora versuchte sich zu wehren, als seine Hände zudrückten. Sie bekam keine Luft mehr und in ihrem Gehirn schien ein Feuerwerk zu explodieren. Als sie schon glaubte, das Bewußtsein zu verlieren, lockerte er den Griff gerade soviel, daß sie wieder atmen konnte.
Seine Stimme schien von weit her zu kommen. Trotzdem war die unbändige Wut in ihr nicht zu überhören:
„ Vergiß dieses Gefühl nie wieder ! Es war ein Vorgeschmack auf das, was Dir blüht, wenn Du auch nur noch ein einziges Mal versuchst falsch zu spielen. “
Langsam lösten sich seine Hände von ihrem Hals und er gab ihre Arme frei.
Cora war nicht mehr in der Lage, gegen ihn anzugehen. Nur mühsam schnappte sie nach Luft und kämpfte die aufsteigenden Tränen nieder. Den Triumph, diese zu sehen, würde sie ihm nicht gönnen.
Jim kniete immer noch über ihr und beobachtete den Kampf in ihrem Gesicht. Ihr Hals zeigte bereits deutlich die Spuren seines Handelns.
Plötzlich fühlte Cora Jim´s Lippen auf ihren. Es war ein harter, fast brutaler Kuß und sie sträubte sich instinktiv dagegen.
Doch so plötzlich, wie er begonnen hatte, ließ er sie wieder los. Er stand auf und zog auch Cora auf die Beine.
„ Entschuldigung. --- Los jetzt, gehen wir hinein.“
Nur mühsam konnte Cora mit ihrem verletzten Fuß noch auftreten. Jim bemerkte es und hob sie auf. Das war zuviel für sie. Verzweifelt wollte sie sich aus seinen Armen winden, aber wieder einmal mußte sie einsehen, daß sie gegen ihn keine Chance hatte. Wütend knurrte er sie schließlich an:
„ Wenn Sie jetzt nicht endlich zu zappeln aufhören, setze ich Sie ab und versohle Ihnen auch noch den Hintern. “
„ Das tun Sie nicht. “
„ Wetten ? “
Ohne weiter auf ihren Protest zu achten, trug er sie ins Haus und auf ihr Zimmer. Dort legte er sie aufs Bett und zog ihr den Schuh aus. Vorsichtig untersuchte er ihren Knöchel. Das Gelenk war schon sichtlich angeschwollen und als er ihren Fuß leicht drehte, stöhnte Cora vor Schmerz auf.
„ Da haben Sie Sich ganz schön was eingehandelt. - Aber das haben Sie wohl verdient “
Cora versuchte zu antworten, aber ihre Stimme gehorchte nicht. Ihr Hals brannte wie Feuer. Sie konnte nicht verhindern, daß ihr die Tränen nun doch noch in die Augen schossen. Jim bemerkte dies, ging aber kommentarlos darüber hinweg. Widerwillig gestand er sich ein, daß ihm ihre Haltung - wieder einmal - imponierte und er wollte sie nicht weiter demütigen.
Er holte eine Salbe und legte ihr einen Verband an den Fuß. Als er fertig war schien er zu zögern, bevor er doch ihre Hand wieder ankettete.
Dann ließ er Cora allein. - Allein mit ihren Schmerzen und ihrer schier unerträglichen Angst. Ob sie jemals wieder von hier weg kam?
Im Moment hatte sie jedenfalls nicht den Mut, an einen weiteren Fluchtversuch auch nur zu denken. Zum erstenmal, seit Jim sie hierher gebracht hatte, fürchtete sie sich wirklich vor ihm. Als sie dort draußen unter ihm lag, hatte sie einen schrecklichen Augenblick das Gefühl gehabt, in Bud`s eiskalte Augen zu schauen. Sie konnte diese Empfindung nicht richtig einordnen, aber langsam glaubte sie, den Verstand zu verlieren.
Das Klopfen an der Tür riß sie aus ihren Gedanken. Jim trat ein und stellte ihr ein Tablett so auf das Bett, daß sie mit der freien Hand daran kam.
„ Bitte ! - Wenn Sie nicht so stur wären, könnten Sie es bequemer haben.“
Mit diesen Worten wandte er sich um und verließ den Raum wieder.
Cora, die ja seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte, griff nach der Gabel. Aber bereits nach dem ersten Bissen gab sie den Versuch auf. Das Schlucken tat weh, daß ihr die Tränen in die Augen schossen. So trank sie nur den Eistee, der angenehm kühl war und die Schmerzen ein wenig linderte.
Die Zeit schlich endlos dahin. Cora gestand sich langsam ein, daß sie eine große Dummheit begangen hatte, und Jim `s Geduld nun wirklich am Ende sein mußte. Ihr wurde klar, daß sie unwahrscheinliches Glück gehabt hatte. Wenn sie leben wollte, durfte sie ihn mit Sicherheit nicht noch einmal herausfordern.
Gegen Abend kam Jim wieder. Er nahm das Tablett vom Bett und stellte es auf dem Tisch ab.
„ Möchten Sie ins Bad ? “
Als Cora nickte, kettete er sie los.
„Bitte, Sie können sich zur Nacht fertig machen, aber keine Dummheit mehr. Ihnen ist hoffentlich klar, daß ich es verdammt ernst meine, oder ? “
Wieder konnte Cora nur nickten.
Sie ging ins Bad und machte sich etwas frisch. Ein Blick in den Spiegel warf das klägliche Bild ihrer aufgelösten Erscheinung zurück. Bei diesem Anblick mußte sie sich beherrschen, um nicht erneut loszuheulen. Sie drehte den Hahn auf, ließ das kalte Wasser über ihre Arme laufen und kühlte ihr Gesicht. Am liebsten wäre sie in die Dusche gestiegen, aber sie wagte nicht, so lange weg zu bleiben. Also bürstete sie nur noch ihr Haar, stieg in den Jogginganzug, da sie Jim nicht im Schlafanzug gegenübertreten wollte und ging dann, wenn auch zögernd, wieder hinüber.
Jim saß im Schaukelstuhl. Er hatte den rechten Ellbogen auf der Lehne aufgestützt und massierte mit Daumen und Mittelfinger seine Schläfen. Als Cora das Zimmer wieder betrat, richtete er sich auf. Er wartete geduldig , bis sie sich auf dem Bett niederließ.
Als er die Fessel wieder schloß, sagte er:
„ Sie hätten sich ruhig Zeit für eine Dusche nehmen können. Oder trauen Sie mir jetzt nicht mehr? Dachten Sie, ich würde Sie stören ? “
Er saß auf ihrer Bettkante und sah sie erwartungsvoll an:
„ - Cora, glauben Sie, daß ich Sie belästigen würde ? “
Cora ahnte, daß er jetzt von ihr eine Art Vertrauensbezeugung erwartete.
Aber sie war verletzt und sie wollte, daß auch er sich so fühlen sollte.
Trotzdem schlug ihr Herz bis in den Hals, als sie trotzig erwiderte:
„ Warum nicht ? - Ich kenne Sie schließlich nicht, oder ? “
Abrupt stand Jim auf. Er warf Cora einen vernichtenden Blick zu, wandte sich dann ab und blieb am Fenster stehen.
Als er nach einer Weile zu sprechen begann, trieften seine Worte vor Hohn:
„ Sie können ganz beruhigt sein, glauben Sie mir. Eine Vergewaltigung ist nun mal nicht meine Sache: erstens fehlt mir dazu der nötige Sadismus - im Moment muß ich sagen: leider.
Zum zweiten befinde ich mich auch in keinem sexuellen Notstand, denn wenn ich eine Frau will, - verlassen Sie Sich auch darauf - dann brauche ich weder Gewalt, noch muß ich dafür bezahlen. “
Cora trafen seine Worte fast körperlich. Ihr Gesicht brannte vor Verlegenheit.
„ Es tut mir leid, Jim “
Erstaunt sah er zu ihr herüber:
„ Wie bitte ?“
„ Sie haben schon verstanden ! - Ich hatte doch nur Angst, daß Sie wütend würden, wenn ich zu lange weg bleibe und ich wollte keinen weiteren Zornausbruch provozieren.“
„ So ein Unsinn ! Für wie cholerisch halten Sie mich denn ? - Und warum sagen Sie das erst jetzt ? “
„ Ich wollte, daß Sie .....“,
Cora`s Stimme versagte, weil der Schmerz sich wieder in ihre Kehle fraß:
„ Ich wollte Ihren Stolz verletzen “
Etwas bitter lachte Jim auf:
„ Mein Kompliment, das ist Ihnen gelungen.“
Und nach sichtlichem Zögern setzte er hinzu:
„ Übrigens gilt mein Angebot immer noch. Schwören Sie mir, daß das ihr letzter Fluchtversuch war und daß Sie sich von nun an an die Spielregeln halten. - Dann vergessen wir unsere Differenzen. “
Erwartungsvoll sah er sie an. Aber als Cora energisch den Kopf schüttelte, ging er mit einem Achselzucken zur Tür.
*
Cora war mit den Nerven am Ende. Ihr Hals tat teuflisch weh und die Tatsache , daß sie hier so hilflos lag, gab ihr den Rest. Aber noch war ihr Stolz stärker als ihre Vernunft. Nein, wenn sie ihm tatsächlich ihr Wort gab, kam das einer Kapitulation gleich. Er sollte nicht glauben, daß er sie jetzt genug eingeschüchtert hatte, um sie so gefügig zu machen. Es war einfach absurd.
`Behalten Sie wenigstens Ihren Stolz ´ . Seine Worte klangen in ihr nach.
Aber bereits nach wenigen Stunden rebellierten die Muskeln ihrer Schulter aufs neue. Cora fühlte sich, als würde jemand mit einem glühenden Messer in ihr arbeiten und ihr Hals brannte und pochte. Vom Stolz blieb da nicht mehr viel übrig.
*
Zur selben Zeit lag Jim wach in seinem Zimmer und suchte einen Ausweg. Auch er hatte alles andere als einen gemütlichen Tag hinter sich. Er gestand sich ein, daß die Situation zu entgleisen drohte. Cora`s Widerspenstigkeit brachte ihn in Zugzwang und was heute geschehen war, wertete er als höchstes Alarmzeichen, denn es hatte nicht viel gefehlt, und er hätte sie wirklich getötet. Das Schlimme daran war, daß er nicht einmal sicher war, ob es nicht tatsächlich klüger gewesen wäre. Wenn es so weiter ging kam er durch diese Aktion noch in Teufels Küche und er fragte sich, ob es das wert war.
Jim war kein Mensch, der Gewalt liebte. Er hatte nie verstanden, daß sein Bruder sich so dem Widerstand verschreiben konnte. Erst der Tod der Schwägerin und seines Patenkindes hatten ihn veranlaßt, sich auf Bud`s Seite zu stellen. Er koordinierte den Nachrichtenaustausch, lagerte Waffen und andere Gerätschaften sicher. Auch versuchte er, den Menschen , die ärztliche Hilfe kaum kannten oder sie sich nicht leisten konnten, eine - wenn auch bei weitem nicht ausreichende - medizinische Grundversorgung zukommen zu lassen. Und wenn Jim auch nicht von dem selben Haß getrieben wurde, wie sein Bruder, so würde er doch nie wirklich das Gelingen der Revolution gefährden.
Nun, er konnte nur hoffen, daß Cora seine Warnung ernst nahm.. Schmerzhaft genug war sie sicher.
Ihm war klar, daß Cora fürchterlich litt, aber er konnte es ihr nicht ersparen. Er mußte sie dazu bringen, sich wirklich mit ihrer Lage auseinanderzusetzen. Ihr sollte klarwerden, daß sie dieses Leben, so wie es war, akzeptieren mußte. Deshalb bestand er auf ihrem Schwur, nicht zu fliehen. Er ahnte jedoch nicht, daß er selbst es ihr so schwer gemacht hatte, ihn zu leisten.
Nach einiger Zeit hielt er es nicht mehr im Bett aus. So konnten und so würden sie nicht weitermachen. Zu viel stand auf dem Spiel und das Risiko, daß ihr die Flucht eines Tages gelang, war zu hoch. So sehr es ihm widerstrebte, aber er mußte sie zu einer Entscheidung zwingen.
Er zog seine Hosen an und ging zu Cora´s Zimmer.
Leise öffnete er die Tür.
Cora hörte ihn kommen und hielt unwillkürlich den Atem an. Jim kam zum Bett und betrachtete sie, dann ging er zum Lichtschalter. Cora erkannte seine Absicht.
„ Bitte, machen Sie kein Licht “
„ Warum? Damit ich Ihre Tränen nicht sehe ? “
Jim kam zurück zum Bett und setzte sich an die Kante. Dann knipste er die kleine Leselampe an.
„ Glauben Sie wirklich, ich weiß nicht, wie es um Sie steht ? Wie lange wollen Sie das noch durchhalten? Eine Nacht ? Zwei Nächte? - Nein, so geht das nicht weiter. Ich bin gekommen, weil Sie Sich jetzt entscheiden müssen. “
Er kettete ihre Hand los. Zögernd setzte Cora sich auf und schmiegte sich schutzsuchend an die Kopflehne des Bettes.
„ Ich werde Sie nicht wieder anschließen, Cora “ ,
Jim sprach leise und eindringlich:
„ Dieses Leben will und werde ich Ihnen nicht aufzwingen. Möglicherweise war es ein Fehler, Sie hierher zu bringen. Ich wollte Ihnen eine Chance geben, aber Sie können scheinbar nur einen Feind in mir sehen. Auf dieser Basis können wir jedoch nicht weitermachen. Es ist für uns beide zu gefährlich. Sie werden mir jetzt und hier sagen, wie es weitergehen soll: geben Sie mir Ihr Wort, daß Sie in Zukunft nicht noch einmal versuchen zu fliehen, dann werde ich mich darauf verlassen. Wollen Sie das aber nicht, dann werden wir die Sache noch in diesen Minuten beenden.
- Sie wissen, daß ich Ihnen in diesem Fall nicht wehtun werde? So war es schließlich ausgemacht, nicht wahr ? Und Sie wissen auch, daß ich imstande bin, mein Versprechen zu halten. “ .
Cora kroch noch tiefer in die Ecke ihres Bettes.
„Was wollen Sie mit meinem Wort ? Ich kann es jederzeit brechen ! “
Cora hatte ihre Stimme kaum noch unter Kontrolle.
Jim nahm ihre Hand und drückte sie beruhigend, während er sprach:
„ Das können Sie, stimmt. Aber, wenn Sie die Absicht hätten, glaube ich nicht, daß Sie mich jetzt darauf hinweisen würden. Ich bin mir ziemlich sicher, daß Sie es nicht tun werden. Wissen Sie, ich gestehe mir einiges an Menschenkenntnis zu. Und ich denke, daß Sie zwar etwas verrückt und ziemlich bockig sind, aber daß Sie zu einem, einmal gegebenen, Wort auch stehen.
Außerdem, - und da dürfen Sie wirklich sicher sein, - wenn Sie es brechen würden, würde ich Sie töten. Und zwar diesmal hundertprozentig und ohne jedes Bedauern. Außerdem wäre es mir dann ziemlich egal, auf welche Weise es sich gerade anbietet.“
Er hatte dies leise und ohne Drohung in der Stimme von sich gegeben, was jedoch seine Entschlossenheit nur noch mehr unterstrich.
Cora fing an vor Angst zu frieren und zu zittern. Ihr Stolz begehrte noch einmal auf. Aber sie war absolut nicht bereit dafür zu sterben.
Als von Cora keine Antwort kam, drängte er :.
„ Also, was ist, Cora? Sie müssen j e t z t entscheiden, was Sie wollen! “
Eine Weile blieb es ganz still im Zimmer, man hätte wohl eine Stecknadel fallen hören. Dann sagte Cora sehr leise :
„ Ich - will leben ! Ich gebe Ihnen mein Wort. “
Und so, als hätten ihre eigenen Worte einen Damm gebrochen, schlug sie plötzlich die Hände vor ihr Gesicht und brach schluchzend auf dem Kissen zusammen. Jim atmete hörbar auf und nahm sie in die
Arme. Cora wehrte sich diesmal nicht dagegen. Er hielt sie wie ein Kind und ließ sie weinen. Als sie sich endlich beruhigte, verließ er kurz das Zimmer. Er kam jedoch sehr schnell wieder und reichte ihr zwei kleine weiße Dragees und ein Glas Wasser.
„ Nehmen Sie das, es ist ein leichtes Schlafmittel, es tut Ihnen heute bestimmt gut.“
Gehorsam schluckte Cora die Pillen.
Jim entfernte die Handschelle vom Bett und steckte sie in seine Tasche.
„ Die brauchen wir ab heute nicht mehr. “
Er blieb noch eine Weile bei ihr sitzen, bis er merkte, daß die Tabletten zu wirken begannen. Dann stand er vorsichtig auf und ging, erleichtert und zufrieden , wieder zu Bett.