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3. Kleine Notlügen

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Es war bereits nach Mitternacht, als sich Alex, ein wenig beschwipst, aber sichtlich glücklich, in ihr Zimmer verzog.

Brigitte sah ihr nach, bis sich die Tür zu dem Dachterrassenzimmer schloss, und lehnte sich dann aufatmend in ihrem Stuhl zurück.

„Gott sei Dank. Das ist wirklich eine patente, hübsche und kluge Frau. Bei Männern weiß man ja nie, was sie so anschleppen.“

„Ja, sie ist wirklich schwer in Ordnung. Das mit der Beziehung der beiden könnte aber noch interessant werden. Marcos ist ja eigentlich felsenfest davon überzeugt, dass sie nur seinetwegen gekommen ist. Das ist aber nicht der Fall. Das Mädel muss erst einmal zu sich selbst finden.“

„Mädel?“ Brigitte räusperte sich dezent. „Sie ist fünfunddreißig. Also weiß sie, was sie tut. Diesen Holger in den Wind zu schießen, war eine gute Entscheidung. Die Arbeit in der Boutique dieser Leonie, von der sie erzählt hat und die echt in Ordnung zu sein scheint, war auch eine gute Entscheidung.“

„Du hast vollkommen recht. Fakt ist, dass wir einfach beide im Auge behalten müssen. Auf der einen Seite eine Frau, die jahrelang in den Fesseln einer lieblos gewordenen Ehe festhing und sich ein eigenes Leben aufbauen möchte, und auf der anderen Seite einen verliebten Mann, der sie am liebsten sofort in das seine integrieren möchte. Das könnte wirklich interessant werden.“ Barbara goss sich seufzend ein weiteres Glas Rum ein. Sie warf ihrer Freundin einen auffordernden Blick zu. „Was ist? Letzter Absacker?“

Brigitte kratzte sich mit nachdenklichem Blick in Richtung Treppe am Kinn. „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich es dann noch die Stufen runterschaffe. Ach, was soll’s, ich bin ja vernünftig gepolstert. Gib schon her.“ Lachend streckte sie Barbara ihr Glas entgegen.

Was für ein traumhaft schöner Ausblick. Alex stand in der weit geöffneten Tür ihres Zimmers und genoss den Blick aufs Meer. Sie hatte lange und tief geschlafen und war davon wach geworden, dass in der Etage unter ihr Geschirr klapperte. Nun wehte ihr auch der verlockende Duft von Kaffee um die Nase und so entschied sie sich für eine Katzenwäsche vor dem Frühstück. In Jeans und einem hellblauen T-Shirt, die Haare nur rasch gebürstet, verließ sie ihr neues Domizil. Die Dachterrasse war leer. Offenbar nahmen die anderen Gäste ihr Frühstück unten auf dem Balkon oder in der urgemütlichen Küche ein. Vorsichtig tapste sie die schmale Treppe nach unten. In der Küche erhob sich gerade ein älteres Paar vom reich gedeckten Frühstückstisch. Barbara, in ausgewaschenen Jeans, einer türkisfarbenen Tunika und weißen Leinenschuhen und das Haar wieder zu einem strengen Zopf geflochten, rührte in einer gigantischen Pfanne auf dem Gasherd.

„Oh, Barbara, Ihr Frühstück harmoniert so gar nicht mit meiner Diät.“ Der ein wenig beleibte Herr klopfte sich lachend auf den stattlichen Bauch.

Seine Frau, eine zierliche Brünette in einem grünen Sommerkleid, hob die rechte Augenbraue. „Diät? Habe ich etwas verpasst, mein Lieber, oder hast du dich versprochen?“

Gutmütig tätschelte ihr Mann ihren Arm. „Na, nur Fisch essen zu dürfen und auf Fleisch zu verzichten, läuft bei mir unter Diät, mein Schatz.“

Schmunzelnd ergriff ihn seine Frau am Arm. „So, so, Fisch! Vor allem dieser köstliche Speck, den es gerade zu den Rühreiern und den gebratenen Pilzen gab, nicht wahr?“

„Speck läuft unter Nervennahrung. Das ist doch allgemein bekannt.“ Er wandte sich an Barbara, die dem liebevollen Schlagabtausch lächelnd zuhörte. „Damit sich meine liebe Frau wieder beruhigt, brechen wir jetzt zu einem ausgedehnten Spaziergang auf. Nochmals vielen Dank für das leckere Frühstück.“

Die beiden verabschiedeten sich, nickten Alex freundlich zu und verschwanden ins Erdgeschoss.

Barbara begrüßte Alex mit einer festen Umarmung.

„Guten Morgen, Alexandra, na, wie hast du in deiner ersten Nacht hier geschlafen?“

„Tief, fest und, soweit ich das beurteilen kann, auch traumlos. Das Bett ist prima und der Blick heute Morgen absolut atemberaubend.“

„Fein, so ist es gut. Dann hast du jetzt gewiss Hunger? Die Frühstücksgäste sind alle durch. Die ersten haben schon um acht Uhr gefrühstückt. Komm, setz dich draußen an einen der Tische, ich bringe dir ein paar Happen.“

„Barbara, das kann ich aber auch selbst. Für das, was ich hier zahle, musst du mich nicht bedienen.“ Schon regte sich ihr schlechtes Gewissen.

„Papperlapapp! Ich will es aber. Zumindest heute lässt du dich noch ein wenig verwöhnen. Dafür darfst du auch keine Bestellung aufgeben, sondern lässt dich überraschen. Na los, nun setz dich, sonst wird es kalt.“

Barbaras Ton ließ keine Widerrede zu. Also setzte Alex sich an einen der Tische und genoss den traumhaften Ausblick auf den alten Stadtteil, den Hafen und das Meer. Ein paar Minuten später schleppte Barbara ein riesiges Tablett an und lud es vor ihr ab.

„So, hier haben wir Rührei, dazu Bacon. Ein paar frische gebratene Pilze, Tomaten, zwei knusprige Brötchen, Butter, selbst gemachte Mangomarmelade, Käse, frisch gepressten Orangensaft und Café con leche.“ Vor ihr landete ein großes Glas mit Milchkaffee. Barbara musterte das Angebot zweifelnd.

„Ich hoffe, es genügt. Im Notfall habe ich noch Mandelkuchen mit Zitronencreme.“

„Barbara, ich bin vom Zuhören schon beinahe satt. Vielen lieben Dank. Wer soll denn das alles essen?“

„Na du, und ich hole mir jetzt auch einen Kaffee und sehe dir ganz entspannt zu.“

Sie kehrte mit einer eindrucksvoll großen Tasse zurück, setzte sich und streckte die langen Beine von sich. „So, erst mal entspannen. Heute bin ich seit sechs Uhr auf den Beinen. Den Kuchenboden habe ich gestern schon gebacken, aber die Creme braucht Zeit und damit ich rechtzeitig fertig bin, wenn die ersten Gäste hungrig auf der Matte stehen, muss ich eben früh raus.“ Sie nippte an ihrem Kaffee und atmete tief aus. „Ich sollte mir angewöhnen, früher schlafen zu gehen. Aber die Nächte hier sind einfach zu herrlich.“

Alex schob sich eine Gabel mit Rührei und Pilzen in den Mund und kaute genussvoll. „Das ist richtig. Es ist so schön, wenn man ohne Jacke draußen sitzen kann und nicht dauernd Angst haben muss, sich zu erkälten.“

Barbara grinste. „Bei tagsüber achtunddreißig Grad im Schatten musst du dir da eher weniger Sorgen machen.“

Das Frühstück war ein Traum. Herzhaft biss Alex in ein Brötchen mit Butter und der wunderbar fruchtigen Marmelade. Neugierig ließ sie ihren Blick über den Balkon schweifen. Auf dem Nachbartisch stand noch Frühstücksgeschirr, ansonsten war alles picobello sauber.

„Macht ihr das am Morgen alles alleine?“

„Was heißt hier am Morgen? Wir machen immer alles alleine. Brigitte kümmert sich um die Zimmer, da ist sie jetzt auch gerade, ich mich um das Frühstück. Die Vorbereitungen teilen wir uns, sie macht exzellente Marmeladen, Säfte und so weiter. Dafür bin ich gut im Backen. Nur Brot kann ich noch nicht so richtig. Das ist dann eher für Dekozwecke geeignet, also etwas hart. Dann müssen wir täglich einkaufen und das restliche Haus sauber machen. Zweimal im Monat heißt es Buchhaltung, das ist wahrscheinlich für uns beide der totale Horrortermin. Ab und an ist es etwas anstrengend, das will ich gerne zugeben.“

Alex trank einen großen Schluck des sahnigen Milchkaffees, ehe sie den Mut aufbrachte zu fragen: „Wenn ich jetzt zu neugierig bin, dann antworte bitte einfach nicht, aber warum seid ihr zwei hergekommen?“

Barbara musterte sie eindeutig belustigt. „Du machst dir viel zu viele Gedanken, dass du andere nerven könntest. Wirklich. Aber zu deiner Frage. Bei mir war es vor elf Jahren aus gesundheitlichen Gründen. Ich hatte trotz viel Sport und regelmäßigem Training mit Kindern starke Schmerzen in den Gelenken. Dazu sollte ich erwähnen, dass ich früher Ballett getanzt und später als Lehrerin an einer Tanzschule gearbeitet habe. Der Arzt sagte mir nach der Untersuchung, dass es fortschreitende Arthrose sei. Er gab mir noch ein, bestenfalls zwei Jahre, ehe ich bewegungstechnisch so weit eingeschränkt sein würde, dass ich nur noch unter Schmerzen würde laufen können. Ich hatte mich damals gerade von meinem Mann getrennt, der eine gesunde und keine kranke Frau an seiner Seite wollte. Mich hielt also nichts, und schon als junges Mädchen habe ich die Kanaren geliebt. Ich bin für zwei Monate hergeflogen und habe die Lage sondiert. Nach vier Wochen war ich praktisch schmerzfrei. Ich fand dieses Haus und stellte fest, dass es erschwinglich war. Meine Scheidung war einvernehmlich abgelaufen und mein Mann hatte mir die anteilige Lebensversicherung ohne zu murren ausgezahlt. Damit konnte ich das Haus kaufen und musste nur knapp dreißigtausend Euro Schulden machen. Ein paar Wochen später bin ich in Las Palmas gelandet und habe die Insel seither nicht mehr verlassen. Selbst wenn es oft wirklich an die Substanz geht, körperlich fühle ich mich besser denn je. Das ist so viel wert.“

„Allerdings, das stimmt.“ Alex schob ihren Teller von sich und leerte ihr Saftglas. „Und Brigitte?“

„Bei der war es eine logische Entscheidung. Bei ihrem Lebensgefährten wurde vor neun Jahren Krebs diagnostiziert. Es war ein langer Kampf, den er nach vier Jahren verlor. Sie war bei ihm bis zum Ende. Danach konnte sie weder das gemeinsame Haus noch alles, was sie an ihn erinnerte, ertragen. Seine Kinder, die damals sehr froh darüber gewesen waren, dass ihr Vater nicht alleine war, wurden plötzlich sehr eigen, als es ums Erbe ging. Albert hatte Brigitte fünfzigtausend Euro vermacht, das Haus alleine war gut eine Million wert, und trotzdem versuchten diese undankbaren Kröten, auch an Brigittes Erbe zu kommen. Sie verloren vor Gericht und Brigitte hat nicht lange überlegt. Seitdem ist sie hier bei mir. Sie hat viel in dieses Haus gesteckt und nur einen Notgroschen für sich behalten. Heute ist sie zu einem Drittel Miteigentümerin der Casa Vista und alles hat sich super eingependelt.“

„Auweia, dass bei Geld immer der Charakter aufhören muss. Ich verstehe das nicht.“

Barbara tätschelte ihr liebevoll die Wange. „Ja, meine Liebe, weil du von Haus aus welchen hast. Aber jetzt erzähl, wann wollen wir los in Sachen ‚Mission Sebastian‘?“

Alex war verwirrt. „Ich dachte, der hat heute frei?“

Barbara seufzte. „Das dachte er auch. Sein Kollege ist krank, also musste er antreten und Marcos ist alleine nach Las Palmas gefahren.“

„Warum sagt er denn nichts? Ich hätte doch mitfahren können?“

„Ach, Alexandra, welchen Teil von spanischer Macho hast du gestern Abend nicht verstanden?“ Barbara streckte sich ausgiebig. „Außerdem ist dem momentan wichtiger, glaube ich zumindest, dass wir Sebastian aus der Patsche helfen. Wie weit ist denn dein Masterplan gediehen?“

Sofort stellte sie ihr Glas beiseite. „Ich rufe sofort bei Inga an. Aber zuvor helfe ich dir abräumen.“

Zwanzig Minuten später waren alle Tische blitzsauber und die Spülmaschine lief. Alex flitzte in ihr Zimmer und wählte Ingas Nummer, die sie von den zahlreichen Bestellungen in der Boutique tatsächlich noch auswendig wusste. Wie nicht anders zu erwarten, stimmte Inga ihrem Plan sofort zu.

„Mach die dumme Gans nieder. Und zwar richtig, wenn ich bitten darf. Wenn du schon meinen Namen benutzt, dann werde ihm gerecht.“

Alex versicherte ihr, dass sie ihr alle Ehre machen würde, und beendete erleichtert das Gespräch.

Sie beugte sich über die Brüstung und rief nach Barbara.

„Alles in Ordnung. Ich würde mich dann passend zurechtmachen. Hast du für dich was richtig Nobles?“

Sie konnte Barbaras verächtliches Schnauben deutlich hören. „Was denkst du denn? Eine Exballerina und nichts Edles? Dann pass mal auf.“

„Gut, ich beeile mich. Gib mir zehn Minuten.“

So schnell sie konnte, zog Alex sich um. Sie schlüpfte in ihr kupferfarbenes Etuikleid, legte dezenten Schmuck an und glättete sich mithilfe von Rundbürste und Föhn ihre weichen Locken. Das Make-up war gelungen und hatte genau den sexy Touch, den sie sich erhofft hatte. Prüfend betrachtete sie sich im Spiegel. Doch, das war passend, sie sah tatsächlich wie ein Klon der Millionärsgattin aus. Inga wäre stolz auf sie. Gut, nun noch die teure Sonnenbrille, die sie sonst kaum trug, die Pumps einpacken, die Flip-Flops anziehen. Hatte sie etwas vergessen? Hektisch huschte ihr Blick durch das Zimmer. Nein, eigentlich sollte alles passen. Schnell kramte sie ihre edle braune Unterarmtasche heraus und eilte dann im Laufschritt nach unten, was bei der engen Treppe eine Herausforderung darstellte.

Im Flur der ersten Etage bremste sie überrascht ab.

„Barbara, du siehst unglaublich gut aus. Wahnsinn.“

Ihr fehlten tatsächlich die Worte. Die Frau trug ihr langes Haar am Hinterkopf zu einer Banane geschlungen. An ihren Ohren baumelten Perlenohrringe, eine passende Kette war um ihren Hals drapiert. Barbara trug ein enges schwarzes Kleid mit halblangen Ärmeln, das bis zur Hälfte der Unterschenkel reichte und hinten geschlitzt war. Ein breiter schwarzer Ledergürtel betonte ihre schlanke Taille und hochhackige schwarze Wildlederpumps vervollständigten das edle Ensemble. Die 50er-Jahre-Sonnenbrille mit den Glitzersteinen war ein ausgesprochen hübsches, eindrucksvolles Accessoire. Barbara klemmte sich lässig ihre Lacktasche unter den Arm. „Nun, bin ich passend gekleidet?“

Alex kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. „Absolut perfekt. Das soll jetzt bitte nicht einschleimend klingen, aber du bist eine der schönsten Frauen, die ich jemals gesehen habe.“

„Danke, meine Liebe, das Kompliment gebe ich gerne und von Herzen zurück. Und wie geht es nun weiter?“

„Im Hotel gibt es im Gartenrestaurant den ganzen Tag High Tea. Wir, Mylady, gönnen uns, ermüdet vom Shoppen, dort nun edlen Tee mit Sahne, Scones mit Clotted Cream und hausgemachter Erdbeermarmelade, dazu ein Gläschen Prosecco.“

Beide begannen lauthals zu lachen.

„Oh Mann, wenn ich bedenke, dass es Frauen gibt, die tatsächlich so leben … Nein danke.“ Barbara schüttelte sich und tupfte sich die Lachtränen aus dem Augenwinkel.

„Nicht alle sind so bescheuert, wie man denken könnte. Inga lebt so, aber die ist schwer in Ordnung. Sie möchte sofort im Anschluss einen genauen Bericht unserer Aktion haben. Ich glaube, am liebsten wäre sie hergeflogen und hätte das selbst durchgezogen. Also, komm, gehen wir los.“

Alex war ein bisschen aufgeregt. Alles musste klappen und Sebastian musste schnell reagieren. Schließlich wollte sie ihm helfen und ihn nicht noch tiefer hineinreiten. Leider hatte sie ihn nicht mehr vorab einweihen können. Sie brachten den ersten Kilometer zu Fuß hinter sich. Kurz bevor sie am Hotel ankamen, winkte Barbara ein Taxi heran, erklärte in wenigen Worten, dass sie in lebensrettender Mission unterwegs seien, um eine nervende Touristin in ihre Schranken zu weisen, und nun für das letzte Stück des Weges – standesgemäß – ein Taxi bräuchten. Die angebotenen zehn Euro für die letzten fünfzig Meter bis zum Hotel lehnte der Fahrer lachend ab. „Macht sie fertig, chicas!“

Alex schlüpfte im Taxi in ihre engen Pumps und stopfte die Strandlatschen in ihr Handtäschchen. „Jetzt wird es ernst. Los geht’s.“

Das Taxi hielt in der noblen Auffahrt. Sofort eilte ein Portier herbei und öffnete die Wagentür.

Barbara ergriff die ihr entgegengestreckte Hand und stieg mit bewundernswerter Eleganz aus dem Wagen. Zu Alex’ Überraschung gelang ihr das gleiche Kunststück, wenn auch etwas weniger elegant. Barbara wusste einfach, sich zu bewegen. Alex setzte sich ihre Brille auf die Nase, hakte sich bei Barbara unter und zeigte auf den Eingang zum sonnendurchfluteten Gartenrestaurant.

„Komm, meine Liebe, dort ist es wirklich ganz allerliebst. Du wirst überrascht sein, es erinnert tatsächlich ein klein wenig an das Savoy.“

Sie konnte fühlen, wie Barbara heftig schluckte. „Wenn du noch ein bisschen dicker aufträgst, dann ersticke ich. Nur dass das klar ist“, raunte sie ihr zu.

„Da musst du jetzt durch.“

Mit hoheitsvoller Miene winkte Alex den Oberkellner herbei, der ausgesprochen schnell vor ihnen stand und sich leicht verbeugte. „Herzlich willkommen. Was darf ich für die Damen tun?“

Sie zeigte auf die wunderschön angerichteten Silberplatten mit Gebäck, die auf einer langen Tafel aufgereiht waren. „Wir sind erschöpft, so viel zu sehen und so viel zu entdecken. Ihr Tee und Ihre Scones wurden uns bei Cartier empfohlen. Sie sollen ganz vorzüglich sein.“

Auf dem Gesicht des Mannes breitete sich ein zufriedenes Strahlen aus. „Ich darf Ihnen versichern, dass Sie etwas Derartiges in ganz Puerto de Mogán nicht mehr finden. Sie haben die richtige Wahl getroffen, meine Damen. Wo möchten Sie denn sitzen?“

Alex hatte, wenn es darauf ankam, sehr gute Augen. Sie erspähte Sebastian auf der Sonnenterrasse.

„Sehr gerne draußen, unter einem der Schirme.“ Sie deutete mit Nachdruck in Richtung der Tische.

„Sehr gerne, gnädige Frau. Darf ich Sie beide bitten, mir zu folgen?“

Er brachte sie an einen Tisch mit Blick auf Park und Pool, direkt neben einem gigantischen Rosenstrauch.

„Sehr hübsch, wirklich. Und nun würden wir uns freuen, Ihren High Tea und die damit verbundenen Köstlichkeiten serviert zu bekommen.“ Alex wandte sich mit leicht schräg gelegtem Kopf an Barbara. „Was denkst du, meine Liebe, ein Gläschen Prosecco dazu?“

Barbara wedelte höchst elegant mit ihrer Rechten. „Gerne, gut gekühlt, wenn ich bitten darf. Aber bringen Sie uns auch noch eine Flasche stilles Wasser, leicht temperiert.“

„Selbstverständlich, meine Damen. Ihre Wünsche werden sofort erfüllt werden.“ Er eilte davon und Alex hörte, wie er im Innenraum nach Sebastian und einem Pablo rief. Dann wandte sie sich mit hochgezogener Braue Barbara zu.

„Leicht temperiert, ja? Aber mir was von ersticken erzählen.“

Barbara grinste ihr verschwörerisch zu. „Hey, wenn schon, denn schon. Oh, pass auf, da kommt Sebastian mit Wasser und Prosecco. Jetzt wird’s ernst.“

Der hübsche Canario stellte mit elegantem Schwung das Tablett vor ihnen ab. „Meine Damen, Ihre Getränke, der Rest kommt sofort.“ Erst dann hob er den Blick und erkannte Alex und Barbara natürlich sofort. Alex reagierte blitzschnell, setzte ein hoheitsvolles Lächeln auf und zischte: „Sebastian, spiel jetzt einfach mit, ich bin nicht ich, oder vielmehr ich bin jemand anderes – ach was soll‘s. Bitte stell das Zeug ab und tu so, als ob du mir aufmerksam zuhörst, ja?“

„Madame, ist Ihr Prosecco den Wünschen entsprechend?“ Sein Blick war noch etwas verwirrt, aber er reagierte sofort.

„Perfekt, bitte gieß uns doch noch etwas Wasser ein.“ Wesentlich leiser flüsterte sie: „Ist die Tussi, die dich so nervt, hier? Wenn ja, zeig sie mir. Ich bin deine reiche Geliebte … und halt jetzt bloß die Klappe. Wenn alles so läuft, wie ich hoffe, bist du sie ab heute los.“

„Madame, Ihr Wasser, bitte sehr.“ Formvollendet goss er ihnen das Wasser in die Gläser. „Ja, sie liegt dort am Pool, die Dritte von hier aus gesehen, die im goldenen Bikini.“

„Gut, sie sieht zu uns herüber. Du nimmst jetzt meine Hand und küsst sie. Und nimm sofort dieses freche Grinsen aus dem Gesicht.“

Sebastian nahm ohne Umschweife ihre Hand und küsste sie genau den richtigen Hauch zu lange, wobei er ihr unter seinen langen Wimpern einen Blick zuwarf, der einfach nur göttlich war.

„Danke, mein Lieber, du bist zu reizend. Würdest du bitte der Gräfin noch etwas Eis bringen?“

„Selbstverständlich, ich eile, Madame.“ So schnell, wie der Bengel verschwand, kämpfte er hundertprozentig mit einem Lachkrampf.

„Gräfin? Na warte.“ Barbara nippte mit ausdrucksloser Miene an ihrem Wasser.

„Das war die Retourkutsche für das ‚leicht temperiert‘.“ Alex ergriff ihr langstieliges Proseccoglas. „Auf uns, meine Liebe, und auf den heutigen Tag.“

„Möge er weiterhin so gut gelingen, Süße.“

Lange würde sie das nicht mehr durchhalten. Also hieß es, langsam zum Punkt zu kommen. Ihr Tee samt herrlich duftenden Scones, Cream, Marmelade und sogar frischen Erdbeeren wurde auf einem silbernen Servierwagen herbeigebracht und auf dem Tisch drapiert. Während Sebastian ihren Tee einschenkte, warf er ihr feurige Blicke zu und achtete darauf, dass die Dame am Pool ihn gut sehen konnte. Verdammt, der Kerl war wirklich zu gut, um wahr zu sein. Erneut ergriff er, sehr geschickt und vom Restaurant aus nicht zu erkennen, ihre Hand und führte sie zum Mund. „Genieß es, mi corazón.“

„Übertreib’s nicht, du Fratz, sonst zieht dir die Gräfin hier nachher die Ohren lang.“ Barbaras Stimme vibrierte vor unterdrücktem Lachen.

Mit todernster Miene, so als hätte er soeben das höchste Lob erhalten, verbeugte Sebastian sich vor ihnen und ging dann hoch aufgerichtet in den Innenbereich. Nur wenn man sehr genau hinsah, konnte man das Beben seiner Schultern erkennen.

Alex führte möglichst gelangweilt ein Stück Scone zum Mund und nippte dann an ihrem Tee. Immer wieder sah sie zu der Lady am Pool, die sie mittlerweile deutlich verärgert musterte. Den Namen, Kiki Arnsberg, hatte Marcos ihnen gestern genannt, folglich konnte sie nun loslegen. Sie schob ihre Sonnenbrille auf die Nasenspitze und warf einen gelangweilten Blick auf den Pool. Als er den der Frau traf, zauberte sie ein falsches Lächeln auf ihre Lippen. „Süße, ich habe eine liebe Bekannte aus dem Country Club in Kitz erkannt, ich bin sofort wieder bei dir. Ich sage nur kurz Hallo.“ Sie sagte es so laut, dass es auch der Oberkellner hören musste, der ein paar Schritte von ihnen entfernt Position bezogen hatte.

Alex erhob sich so elegant, wie es ihr möglich war, und stöckelte die Stufen zum Pool hinunter. Kiki Arnsberg hatte sich aufgesetzt und starrte ihr nahezu feindselig entgegen. Na, dann konnte es ja losgehen.

„Hallo, ich glaube, wir kennen uns.“ Ohne eine Einladung abzuwarten, setzte Alex sich auf einen der kleinen gepolsterten Hocker, die neben den Liegen standen. „Ich bin Inga, Inga von Mahnstein, du bist doch Kiki Arnsberg, nicht wahr?“

„Äh, ja, das bin ich, aber ich muss ehrlich sagen, ich kenne Sie nicht.“ Kiki Arnsberg musterte sie mit zusammengekniffenen Augen.

„Na, es war ja auch nur eine kurze Begegnung. Unsere Männer wurden einander vorgestellt. Letztes Jahr, Allianz Arena, die Einladung der Hypo Vereinsbank zur Champions League. VIP-Lounge des FC Bayern, klingelt es jetzt?“ Die Eckdaten hatte sie von Inga, die sich keinesfalls mehr sicher war, dass Arnsbergs dort gewesen waren. Da es aber das Ereignis für die Crème de la Crème der Immobilienbranche war, gab es eine gute Chance. Und tatsächlich, das Glück war ihr hold.

„Oh, ja, jetzt erinnere ich mich. Armin von Mahnstein ist dein Mann?“ Aha, so schnell kam man wieder zum vertrauten „Du“.

„Ja, meine Liebe, das ist er. Allerdings haben wir da ein Arrangement, das mir sehr gefällt und das ich sehr genieße. Wenn ich hier auf Gran Canaria in unserer Finca bin, habe ich Narrenfreiheit, in jeder Beziehung. Zu dieser Freiheit gehört seit einem Jahr auch ein ganz besonderer Mann. Dieser absolut bezaubernde Kellner, der dir, so wie ich es gehört habe, wohl auch ganz gut gefällt. Oder irren meine Informanten sich?“

Es war beeindruckend, wie sehr Wut und Ärger ein Gesicht binnen Sekunden altern lassen konnten. „Sie irren sich, diese Informanten. Ganz gewiss sogar. Was soll ich denn mit diesem Jüngling?“

Alex schlug aufreizend ihre Beine übereinander. „Siehst du, das habe ich mich auch gefragt. Ist doch gar nicht deine Liga, nicht wahr? Ich muss zugeben, ich hänge an dem reizenden Kerlchen.“ Sie legte eine kleine Kunstpause ein, ehe sie mit gelangweilter Stimme fortfuhr. „Abgesehen davon teile ich sehr ungern.“

„Was auch nicht nötig ist. Thore ist furchtbar eifersüchtig, es wäre katastrophal, wenn ihm solch ein idiotisches Gerücht zu Ohren käme.“ Kiki war sichtlich not amused.

Alex wedelte unbestimmt in der Luft herum. „Heiß hier, ich werde dann mal wieder in den Schatten gehen und der Gräfin Gesellschaft leisten. Gut, dass wir darüber gesprochen haben. Ach, ehe ich es vergesse, nächste Woche treffen sich unsere Männer beim Benefiz-Golfen am Chiemsee, soll Armin Thore Grüße bestellen?“ Sie setzte ihr bezauberndstes Lächeln auf.

Kikis Gesichtsausdruck zeigte, dass sie sehr gut verstanden hatte. „Danke, meine Liebe, nicht nötig. Wir telefonieren täglich. Und dir noch viel Freude auf deiner Finca.“

Alex warf einen koketten Blick in Richtung Sebastian, der gerade in der Nähe vorüberlief. „Worauf du dich verlassen kannst. Genieß deinen Aufenthalt, meine Liebe.“

„Ich kann nicht mehr. Mal ganz davon abgesehen, dass das Zeug da drin todlecker war, darf ich dir versichern, dass das nicht mehr mein Ambiente ist.“ Barbara streckte sich und rückte ihre Brille zurecht. Sie standen auf der Straße vor dem Hotel und machten sich gerade gemächlich auf den Weg zur – so ließen sie es zumindest verlauten – nächsten Boutique.

„Es ist wirklich schön da drin, aber wie du weißt, stand der Aufenthalt mit Holger unter nicht ganz so optimalen Sternen.“ Alex fixierte nachdenklich den unebenen Steinboden. „Wart mal. Flip-Flop-Zeit.“

Sie wechselte schnell ihr Schuhwerk und warf Barbara einen fragenden Blick zu. „Was denkst du, hat das geklappt?“

„Aber so was von! Sie hat sich ja kaum mehr getraut, in Sebastians Richtung zu sehen. Sag mal, bekommt deine Inga keine Probleme mit ihrem Mann, wenn das hier auffliegen sollte?“

Alex wehrte ab. „Niemals. Wenn Armin außer Geld ohne Ende was hat, ist das Humor. Und Inga hat davon sowieso mehr als genug. Nein, kein Thema.“ Sie druckste herum, ehe sie fortfuhr. „Barbara, wie komme ich denn jetzt am besten schnell nach Mogán? Ich muss mir dort noch mal etwas ansehen. Fährt der Bus öfter?“

„Du willst zur verlassenen Finca, nicht wahr? Du willst sehen, ob sie noch immer so einen Zauber auf dich ausübt.“ Barbara hakte Alex lächelnd unter. „Schau nicht so verblüfft. Marcos hat uns schon erzählt, dass du dich da oben in ein Anwesen verliebt hast. Und vergiss den Bus, du nimmst meine Luxuskarosse.“

Tapas, Träume und ein Macho

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