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1. Gehen, Wandern und Bergsteigen

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Was das ausgiebige Spazierengehen und das Wandern betrifft, so läßt sich allgemein feststellen, daß sich im 19. Jahrhundert die Mitglieder der meisten fürstlichen und aristokratischen Familien dieser wohl friedlichsten und besinnlichsten aller Sportarten mit Vergnügen hingaben. Zu den besonders eifrigen Gehern gehörten die Habsburger, die ihre ersten Trainingsstunden im frühen Kindesalter erhielten. So ist auch von Kaiser Franz Joseph bekannt, daß er als Kind mit seinen Eltern und Geschwistern halbe Tage lang zu Fuß unterwegs war (beliebte Ausflugsziele waren der Wienerwald, die Praterauen bei Wien und die Gegend um Ischl). Selbst als Herrscher versuchte er noch, zumindest eine Stunde des Tages für einen Spaziergang freizuhalten.

Habsburger wie Wittelsbacher und Wettiner erwiesen sich auch als wesentlich begabtere Bergsteiger und Kletterer als die meisten ihrer nord- und südeuropäischen Amtskollegen. Das mochte hauptsächlich damit zusammenhängen, daß sie in gebirgigen oder gebirgsnahen Gegenden lebten. Allerdings waren auch die meisten Wohnsitze der Bourbonen-Herrscher in Frankreich, Spanien oder Neapel von Wäldern und Bergen umgeben; ich denke aber, daß die wenigsten von ihnen je auf die Idee gekommen waren, sie zum Wandern zu benutzen. Die Bourbonen fühlten sich seit jeher immer stärker der Kunst und einem künstlichen, von Etikette und Zeremoniell geprägten Leben zugetan, während Habsburger, Wittelsbacher und Wettiner immer eine größere Neigung für die Natur und die Natürlichkeit verspürten. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß auch der in Bayern lebende Herzog Maximilian seine Söhne und Töchter früh dazu anhielt, die Bergwelt des Landes zu Fuß zu erkunden. Damit sie sich dabei auch wirklich sportlich verhielten und nicht ermüdeten, ließ er sie sogar in einer eigenen Geh- und Steige-Technik unterrichten. Daß wir heute wissen, worin sie bestand, ist ausschließlich der Neugierde eines der zahlreichen Griechischlehrer Elisabeths zu verdanken. Er sprach die damalige Kaiserin auf ihre besondere Kondition beim Gehen an und vergaß auch nicht, ihre Anwort in seinen Lebenserinnerungen festzuhalten. »›Ich (= der Griechischlehrer) kann mich nicht genug verwundern, daß der Gang Euerer Majestät nach stundenlangem Gehen nicht die geringste Müdigkeit verrät.‹ – ›Ich werde auch niemals müde‹, entgegnete sie. ›Wir, meine Schwestern und ich, haben dies unserem Vater zu verdanken. ›Man muß auch gehen lernen‹, sagte er uns immer und hielt uns einen berühmten Lehrmeister dafür. ›Aber unser Lehrer‹, fügte sie heiter hinzu, ›schärfte uns jedesmal ein: ›Man muß bei jedem Schritt, den man tut, von dem früheren sich ausruhen können, sowenig wie möglich sich über die Erde schleifen.‹ Nur ein Beispiel sollten wir uns vor Augen halten: Die Schmetterlinge. Meine Schwester Alençon und die Königin von Neapel*) sind berühmt wegen ihres Ganges in Paris.« (Christomanos, S. 76)


Kaiser Franz Joseph als Kind mit seinen beiden ältesten Brüdern, den Erzherzogen Carl Ludwig (li.) und Ferdinand Maximilian (re). Sie wurden von klein auf zu ausgedehnten Spaziergängen mitgenommen.

Ein anderer Hinweis auf die Anforderungen, die Herzog Maximilian beim Gehtraining an seine Kinder stellte, findet sich in Ioan Haslips Elisabeth-Biographie. Wenn sich der Mann »auch nicht sonderlich um seine Kinder kümmerte, legte er doch großen Wert darauf, daß sie … richtig gehen lernten. ›Ich möchte nicht, daß ihr wie Königinnen umherstolziert‹, pflegte er zu sagen … In späteren Jahren konnte man die fünf Wittelsbacher Prinzessinnen stets an ihrer guten Haltung und ihrem leichten, schwebenden Gang erkennen.« (dies., S. 16f.) Noch ausführlicher wurde der oben erwähnte Griechischlehrer der Kaiserin – ganz nebenbei einer ihrer glühendsten Verehrer –, wenn er sie einige Zeit ungestört beobachten konnte. So hinterließ er in seinen »Tagebuchblättern« auch ein ziemlich genaues, beinahe lebendes Bild von Elisabeths Gang. »Sie geht weniger als sie wandelt – eher könnte man sagen, sie gleitet – den Oberkörper leicht nach rückwärts und in die schlanken Hüften gewiegt. An die Bewegungen eines Schwanenhalses erinnert dieses ihr Gleiten. Wie ein langstieliger Iriskelch, der im Winde pendelt, schreitet sie über den Erdboden, und ihre Schritte sind nur eine fortgesetzte, immer neu ansetzende Ruhepause …« (Christomanos, S. 37)

Doch noch einmal zurück zur Kindheit und Jugend Kaiserin Elisabeths und zurück zu ihrem Vater, Herzog Maximilian in Bayern. Daß er sich für seine Kinder ein so reichhaltiges Sport- und Trainingsprogramm ausdachte, hing sicher damit zusammen, daß er wie viele seiner Zeitgenossen eines Tages auf die Theorien von Jahn gestoßen war. Die Bücher des »Turnvaters« zählten damals zum geistigen Allgemeingut, weshalb die Ideen und Anweisungen hier – in Jahns Schriften – wie dort – aus dem Mund des Herzogs – sehr ähnlich klangen. Die Lehre vom Gehen beginnt zum Beispiel mit den Sätzen: »›Ein guter Gänger muß mit Anstand: zugleich Schnelle und Dauer verbinden die Örtlichkeit – Berg und Tal, Sand und Lehm – nicht achten. Ein guter Gänger sein ist eine große Kunst, sie aber auf dem Turnplatze zu üben, wäre zu zeitraubend, daher muß sie schon dem Kinde durch seine frühesten Umgebungen gelehrt werden.‹« (Jahn zit. in: Frank, S. 91)

Die Wittelsbacher Prinzen und Prinzessinnen wurden aber nicht nur im Gehen und Bergsteigen, sondern auch im Springen unterrichtet. Als beste schriftliche Quelle kann wieder der Griechischlehrer der Kaiserin herangezogen werden. Er hat Elisabeth eines Abends beim Turnen an den Gymnastikgeräten überrascht, als sie sich auf einen Sprung vorbereitete. »Um sich (von den Ringen, an denen sie hing) niederzulassen, mußte sie über ein niedrig aufgespanntes Seil hinwegspringen. – ›Dieses Seil‹, sagte sie, ›ist dazu da, damit ich das Springen nicht verlerne. Mein Vater war ein großer Jäger vor dem Herrn, und er wollte, daß wir wie die Gemsen springen lernen.‹« (Christomanos, S. 67) Auch diese Bemerkung läßt darauf schließen, daß Herzog Maximilian das Jahnsche Erziehungsprogramm genau kannte. Denn das Springen zählte zu jenen siebzehn Grundsportarten, die in seinen Büchern ausführlich beschrieben wurden.

Daß Kaiserin Elisabeth tatsächlich wie eine Gemse zu springen vermochte, erfährt man ebenfalls in den Tagebuchblättern von Constantin Christomanos. Als ihr Vorleser und Sprachlehrer durfte er sie im Frühjahr 1892 nach Griechenland begleiten und sich während eines Spazierganges von ihrer Sprungsicherheit und Gelenkigkeit überzeugen. Wenn seine Augenzeugenberichte meist auch sehr schwärmerisch klingen, so stellen sie für die Elisabeth-Forschung doch eine der besten schriftlichen Quellen dar. »Wir mußten eine Hecke überspringen, die den tiefer liegenden Weg verrammelte. Ich wollte sie beim Springen stützen, aber sie lehnte es ab. Ich wollte ihr einen Ast reichen, auf den sie sich stützen könnte, weil ich keinen Stock bei mir hatte, aber sie sagte: – Es ist nicht nötig. Sie werden sehen, daß ich auch zu einer Seiltänzerin getaugt hätte. Und sie sprang über die Hecke. Die Bewegungen, die ihr Körper dabei durchmachte, waren erstaunlich … so schwellen die Wellen am Strande und blühen in Schaum auf, sich selbst übertreffend.« (Christomanos, S. 167)

Kaiserin Elisabeths Fitness- und Diät-Programm

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