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Porträt des Kaisers als junger Mann
ОглавлениеSancho Cota, ein Dichter, der nach dem Tod Philipps des Schönen aus Spanien in die Niederlande geflohen und dort der Sekretär von Philipps Tochter Eleonore geworden war, hat uns ein intimes Porträt ihres Bruders Karl hinterlassen, das diesen am Vorabend seiner Abreise nach Spanien charakterisiert:
»Jetzt wollen wir davon sprechen, wie König Karl im Alter von sechzehn Jahren war. Er war von mittlerer Größe, hatte ein längliches Gesicht, blondes Haar, hübsche hellblaue Augen, eine wiewohl schmale, doch wohlgestalte Nase, wohingegen sein Mund und Kinn nicht so ansehnlich waren wie seine Züge sonst … Er war ein anmutiger, durchaus stattlicher Mann, aufrecht in seinem Lebenswandel, der Speis und Trank nur in Maßen zusprach; geistreich weit über seine Jahre hinaus; weitherzig und großzügig und überaus tugendsam.«1
In so gut wie allen zeitgenössischen Beschreibungen Karls finden sich Bemerkungen zu seinem charakteristischen »Mund und Kinn«. Der italienische Diplomat Antonio di Beatis, den Karl kurz vor seiner Abreise nach Spanien empfing, bemerkte, dieser sei zwar »groß gewachsen und von prächtiger Gestalt mit eleganten, geraden Beinen – den schönsten, die man bei einem Mann seines Standes je gesehen hat – … jedoch sein Gesicht ist lang gezogen und leichenblass, der Mund schief mit schlaff herabhängender Unterlippe (und er lässt ihn offen stehen, wenn er nicht aufpasst).« Ein anderer italienischer Gesandter jener Zeit berichtete, Karl sei »hübsch und hochgewachsen, redet nicht viel, obwohl ihm der Mund stets offen steht, was ihn ganz und gar nicht ziert … Er ist sehr anfällig für den Katarrh, und da seine Nase ständig verstopft ist, muss er eben durch den Mund atmen. Seine Zunge ist kurz und dick, weshalb er nur mit großer Mühe spricht.«2 So gut wie alle zeitgenössischen Skulpturen und Gemälde zeigen Karl mit offen stehendem Mund und markantem Unterkiefer. Bei einer weiteren Eigenschaft stimmten alle überein, nämlich der Frömmigkeit des jungen Mannes. Di Beatis zufolge besuchte Karl »jeden Tag zwei Gottesdienste, erst eine gelesene und dann eine gesungene Messe«; in der Karwoche zog er sich in der Regel zu Exerzitien zurück. So geschah es 1518 an seinem ersten Osterfest in Spanien, als er begleitet von »einem sehr kleinen Gefolge« in ein Kloster ging, »um allen weltlichen Angelegenheiten zu entfliehen und fast völlig allein zu sein, um sein Gewissen desto besser prüfen zu können und eine ernsthafte Beichte abzulegen«. Danach »brach er auf, um alle heiligen Stätten in der Umgebung zu besuchen und dort Ablass seiner Sünden zu erhalten«. Zwei Jahre darauf begab er sich wiederum »während der Zeit der Karwoche in ein Kloster, um dort seine Andacht zu halten«, und weigerte sich, Regierungsgeschäfte zu führen.3
Manche Beobachter sorgten sich um seinen Gesundheitszustand. Einer der wenigen Punkte, in denen seine beiden Großväter übereinstimmten, betraf seine Heirat mit Mary Tudor, die zunächst für Mai 1514 angesetzt gewesen war. Maximilian und Ferdinand jedoch meinten einhellig, die Hochzeit müsse »aufgeschoben werden, weil die Natur ihm nur wenig Körperkraft geschenkt hat«. Drei Jahre später warnten Karls Ärzte, dieser erscheine »so schwach, dass er keine zwei Jahre mehr zu leben habe«, was seine Minister in den Niederlanden dazu bewegte, einen Aufschub der geplanten Spanienreise zu erwirken, weil ihm »in seinem Heimatland [bessere] Gesundheit« sicher sei.4 Solche Bedenken widersprechen den Berichten von Karls Tüchtigkeit und Ausdauer beim Jagen und beim Turnierspiel und könnten schlicht auf ähnliche Vorurteile zurückgehen, wie sie schon die Minister seines Vaters Philipp an den Tag gelegt hatten, die »lieber zur Hölle fahren wollten als nach Spanien« (siehe Kap. 1) – oder wie sie selbst Erasmus von Rotterdam hegte, der eine ihm angetragene spanische Bischofswürde mit der Erklärung ablehnte, dass er sich »aus Spanien nichts mache«.5 Aber für den Januar 1519 ist eben doch ein einschneidendes Ereignis verbürgt, das tatsächlich auf eine körperliche Schwäche des jungen Karl hindeutet. Dem französischen Botschafter zufolge, der als Augenzeuge dabei war, »sank [Karl] zu Boden, als er während der heiligen Messe gerade kniete, und blieb so über zwei Stunden lang liegen, mit verzerrtem Gesicht, aber ohne sich zu rühren, gleich als wenn er tot wäre. Man trug ihn in sein Schlafgemach«, wo er dann für mehrere Tage blieb. »Jedermann hier spricht darüber«, gab der Botschafter zu Protokoll, nicht zuletzt, weil Karl »erst vor kaum zwei Monaten auf die gleiche Weise erkrankt ist«, als er gerade Tennis spielte.6
Doch selbst wenn »jedermann« in den Tagen danach »darüber« gesprochen haben mag, hat doch nur ein weiterer Augenzeuge, der Historiker und königliche Rat Pedro Mártir de Anglería, die beunruhigende Episode (womöglich handelte es sich um einen epileptischen Anfall) festgehalten – und selbst dieser zweite Zeuge gab sich alle Mühe, den Ernst des Vorfalls herunterzuspielen: »Während der König die Messe hörte, wurde er ohnmächtig und stürzte, erholte sich jedoch sogleich wieder.« Mártir fuhr fort: »Manche sagen, eine überreiche Mahlzeit am Tag zuvor sei schuld daran; und einige führen es auf ein Übermaß an geschlechtlicher Liebe zurück.«7 Die Erklärung, Karl habe eben »zu viel gegessen«, erscheint wenig plausibel: In den meisten Quellen, die von den Angewohnheiten des jungen Königs berichten, ist eher (wie bei Sancho Cota) von seiner Mäßigung die Rede, was Essen und Trinken angeht. Und was die Deutung »zu viel Sex« betrifft: Nach vier Jahren an Karls Hof kam der Venezianer Francesco Corner zu dem kategorischen Urteil, dass es sich bei Karl »nicht gerade um einen Weiberhelden« handele.8 Damit lag er jedoch falsch.
Im Februar 1517 berichtete ein englischer Diplomat in Brüssel (ohne Angabe seiner Quelle), dass »der Lord Chevers begonnen habe, dem Verlangen des Königs nachzugeben, und ihm gestattet, sich im Garten der Venus zu vergnügen«. Vielleicht war diese Andeutung ganz einfach der Erwartung geschuldet, Karl werde dem Beispiel seiner Großväter folgen, die beide uneheliche Kinder gezeugt hatten (Maximilian hinterließ sogar so viele, dass »er sich nicht an alle erinnern konnte«). Oder sie ist auf das ewige Interesse zurückzuführen, mit dem Diplomaten aller Zeiten sich für die sexuellen Eskapaden an den Höfen interessierten, an denen sie residierten.9 Doch teilt Karl selbst zu diesem Punkt einige Details mit, gleich in seinem ersten erhaltenen Brief von eigener Hand, den er im Januar 1518 an Heinrich von Nassau, den Oberbefehlshaber seiner Truppen in den Niederlanden, schrieb (Abb. 8). Bereits die umstandslose Anrede (»Henri«) ließ eine ungezwungene Vertraulichkeit zwischen den beiden Briefpartnern erkennen, genauso Karls Behauptung, er habe »so viele Briefe von Euch erhalten«, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, auf alle »mit meiner eigenen schönen Hand« zu antworten, trotz Heinrichs Drohung, wenn er nicht eigenhändig zurückschreibe, werde Karl als »des Teufels Beute« enden. Karl erklärte deshalb, er werde »als Erstes auf Euren närrischen Brief (fole lettre) antworten, da ja jeder am liebsten von dem erzählt, was er am liebsten mag«, und scherzte dann über die Liebesabenteuer einiger seiner Höflinge. Als Nächstes ließ er einen Schwall von Beschwerden über Spanien auf Heinrich einprasseln: wie sehr ihm die niederländischen Fischspezialitäten fehlten, wie sehr er sich nach einem vernünftigen Glas Wein verzehrte und wie »überaus verdrossen ich darüber bin, dass ich meinen Heinrich nun nicht mehr sehe (je suis bien mary de ne plus voir mon Henry)«. Vor allem aber fehlten ihm die »hübschen Damen (belles dames), denn die findet man hier kaum – obwohl ich glaube, dass ich eine gefunden habe, die mir gefällt … Sie macht nicht viel her, trägt immer ein Fingerdick Schminke«, fuhr er wenig galant fort, aber »wenn die Dame willens ist, werde ich sie leichter und billiger bekommen als dort drüben«. Offenbar war er erfolgreich, denn wie Laurent Vital berichtet, der über zehn Jahre als Karls Kammerdiener fungierte, »eroberte und besaß« Karl zu der damaligen Zeit »durch Liebe eine Dame (avoit conquis et fait une dame par amour)«. Wer mag jene Dame gewesen sein? Einzig und allein der Botschafter Thomas Spinelly liefert uns zumindest eine Teilantwort, teilte er doch Karls Onkel Heinrich mit, dass »der König in amouröser Verbundenheit zu einer feinen Hofdame der Königin von Aragón« stand (von Germaine de Foix also, Karls Stiefgroßmutter).10
Kein anderer Diplomat, Minister oder Chronist scheint die fragliche Dame erwähnt zu haben, und das Schweigen all dieser Herren mag überraschen – aber andererseits hatte kaum einer von ihnen überhaupt etwas Nennenswertes über den jungen Karl zu berichten. In Sancho Cotas Memorias findet sich nur ein einziger Hinweis darauf, dass Karl vor seiner Abreise nach Spanien einer Frau gegenüber die Initiative ergriff: Eines Tages – mit ziemlicher Sicherheit war es im Winter 1515/16 – »beschloss [er], dass er einen Wappenspruch haben sollte wie andere Fürsten auch, und so nahm er seinen Dolch und ritzte in eines der Fenster in seinen Gemächern in Brüssel die folgende Devise: ›Plus oultre‹«, also: »Immer weiter«.11 Dieses Motto, das beinahe sofort mit den beiden Säulen des Herkules (und deren Durchschreiten westwärts) in Verbindung gebracht wurde, hatte die doppelte Bedeutung, dass Karl nicht nur die geografischen Grenzen früherer Reiche hinter sich lassen wollte, sondern auch die Tapferkeit, den Ruhm und die Glorie der Helden des Altertums. Der Wahlspruch fand rasch Anklang: Bereits im Oktober 1516 zitierte Karls Leibarzt und Ratgeber Luigi Marliano ihn in einer Rede, die er vor einer Versammlung aus Rittern vom Goldenen Vlies hielt. Marliano stachelte den jungen König dazu an, »ein neuer Herkules, ein neuer Atlas« zu werden, und im Jahr darauf prangten das Motto und die unvermeidlichen Säulen an prominenter Stelle auf dem Großsegel des Schiffes, mit dem Karl nach Spanien fuhr.12 Eine lateinische Variante, »Plus ultra«, erschien auf der Rückseite des Gestühls, in dem Karl bei der nächsten Kapitelversammlung des Ordens in Barcelona saß – und später noch an tausend anderen Stellen. Obwohl Cota uns nicht verrät, woher Karl die Inspiration für seinen Wahlspruch nahm – der ja persönlich, heroisch und ritterlich zugleich wirkte –, ist hier vermutlich an den Recueil des Histoires de Troye zu denken, den einst Herzog Philipp der Gute von Burgund in Auftrag gegeben hatte. Karl der Kühne besaß eine reich illuminierte Handschrift dieser Sammlung von Troja-Geschichten, die in der herzoglichen Bibliothek verwahrt wurde, und seine Ehefrau Margarete von York, die erste Erzieherin des jungen Karl, schätzte den Recueil so sehr, dass sie ihrerseits eine Übersetzung ins Englische anfertigen ließ. Bis 1516 dürfte Karl den Text mehrere Male vorgelesen bekommen haben – und damit auch die Worte der Inschrift, die angeblich an einer der Säulen des Herkules aufgefunden worden waren: »Geht nicht weiter, wenn ihr Land erobern wollt«, wobei sich in der vollständigen französischen Version die beiden Wörter plus und oultre verbargen.13
Wie vor ihm schon Cota, so fiel Laurent Vital zu dem jungen König Karl nicht viel Denkwürdiges ein. Ein ganzes Kapitel seiner Chronik von Karls »Erster Reise nach Spanien« widmete er den »guten Sitten, die Gott unserem Herrn, dem Katholischen König, hat zuteilwerden lassen«, vermochte dann aber nur wenige Beispiele zu nennen, außer dass der König »das Fluchen nicht ausstehen konnte«, dass er »wahr sprach und gerecht handelte« sowie »Schmeichler und Ausplauderer zutiefst hasste«. Konkret hatte Vital nur einen einzigen Beleg für Karls »gute Sitten« vorzuweisen: Er berichtet, wie der zwölfjährige Karl einmal »einen seiner alten Diener« tadelte, weil dieser schlecht von einem anderen gesprochen hatte, dessen Entlassung er so provozieren wollte.14
Zweifellos spiegelt das Fehlen von Berichtenswertem den Umstand wider, dass der junge König nur selten einmal etwas Außergewöhnliches tat oder sagte. In seiner detaillierten Schilderung der langen Reise von Gent nach Saragossa – sie dauerte neun Monate – gibt Vital nur eine einzige längere Unterhaltung wieder: Und selbst die ist eine belanglose Plauderei darüber, wie Essen und Trinken unter den Schiffen der königlichen Flotte aufzuteilen seien, als diese unterwegs einmal in eine Flaute geraten waren. Di Beatis, der seine Beobachtungen unmittelbar vor Beginn der Seereise zu Papier brachte, hielt fest, dass »Seine Majestät gleich nach dem Mittag- oder Abendessen einem jeden gnädig Audienz gewährte, dort, wo er saß, am Kopf des Tisches«, obgleich dabei »Seine Majestät nicht sprach«. Auch Corner stellte fest, dass Karl »bei Audienzen und Unterredungen nur wenig spricht«. Stattdessen »lässt er den Großkanzler oder einen anderen anwesenden Minister antworten, und wenn er doch spricht, dann um zu sagen, dass er die Angelegenheit dem Großkanzler übertragen oder an M. de Chièvres oder jemand anderen weiterleiten wird, je nachdem, wie wichtig die Angelegenheit gerade ist«.15
Wiederholt bezeichneten Corner und auch andere Diplomaten Chièvres als »alter rex« – einen »zweiten König« –, während Erasmus bemerkte, dass Chièvres’ »geringstes Wort Gesetz ist«. Vital rechtfertigte die Bereitwilligkeit, mit der Karl »den Ratschlag von Älteren schätzte und bevorzugte«, unter Verweis auf ein abschreckendes Beispiel aus dem Alten Testament: den Fall Jeroboams, »der aus seinem Königreich vertrieben wurde, weil er die Alten und Weisen mit Verachtung strafte und stattdessen den Jungen und Törichten sein Ohr schenkte«.16 Andere waren weniger wohlwollend. Ein spanischer Gesandter meldete im Jahr 1516, Karl werde »herumkommandiert und kennt nichts anderes, weiß auch nichts anderes zu sagen als das, was ihm seine Räte einflüstern und vorsagen. Er folgt diesen Ratgebern ganz und ist vollkommen an sie gebunden.« Im Jahr darauf behauptete ein venezianischer Diplomat, Karl »spreche wenig und sei auch kein Mann von großem Verstand«; zwei andere erklärten, dass sie »bei drei Gelegenheiten, zu denen sie ihn getroffen hatten, ihn nie auch nur ein einziges Wort hatten reden hören, da sämtliche Angelegenheiten von seinen Ratgebern besprochen und entschieden wurden«; und ein englischer Diplomat äußerte mit brutaler Deutlichkeit die Ansicht, dass »der König von Kastilien bloß ein Idiot und seine Ratgeber allesamt korrupt« seien.17
Das war offenkundig nicht ganz fair. Laurent Vital wusste genau, warum sich Karl und seine Regenten so und nicht anders verhielten: Sie mussten »aus einer Not eine Tugend machen«, hatten sie doch eigentlich inakzeptable Zugeständnisse zu machen, wollten sie einen Krieg vermeiden und »den Besitz dieses Waisenprinzen bewahren«, bis der ein Alter erreicht hatte, in dem er »seine Rechte« erfolgreich selbst »verteidigen« konnte. Chièvres bereitete den Prinzen schon auf diesen Tag vor, und er tat es so vorsichtig wie umsichtig. Martin du Bellay, ein französischer Diplomat, dem gewiss nicht daran gelegen war, den Hauptrivalen seines eigenen Herrn grundlos zu rühmen, berichtete über seinen Aufenthalt an Karls Hof im Jahr 1515: »Alle Dossiers und Akten, die aus den verschiedenen Provinzen eingehen, legte man dem Prinzen persönlich vor, selbst des Nachts, und nachdem er sie genau gelesen hatte, erstattete er selbst seinem Rat Bericht über ihren Inhalt, und dann wurde in seinem Beisein über alles beraten.« Als einer von Du Bellays Kollegen sich verwundert darüber zeigte, dass Chièvres »den Geist des jungen Prinzen dergestalt belaste, wo er doch alle Mittel gehabt hätte, ihm dies zu ersparen«, antwortete Chièvres: »Mein Vetter, ich bin sein Tutor und Beschützer, solange er jung ist … wenn ich einmal sterbe, und er hat noch nicht gelernt, seine Angelegenheiten selbst zu dirigieren, wird er wieder einen Tutor brauchen, weil er in der Regierungsarbeit nicht recht unterwiesen wurde.«18
Dennoch scheint die bis ins Detail reichende Lenkung durch Chièvres und vor ihm durch Margarete und Maximilian Karls Selbstvertrauen und Eigenständigkeit zumindest gedämpft zu haben. So erklärt sich vermutlich seine Abhängigkeit von deutlich älteren Männern – nicht nur von Chièvres und Adrian von Utrecht, die Altersgenossen seines Großvaters Maximilian waren, sondern auch von Pfalzgraf Friedrich und von Heinrich von Nassau, die immerhin doppelt so alt waren wie Karl. Sicherlich stellten all diese Männer – wie auch die anderen noch lebenden Ratgeber Philipps des Schönen – für Karl eine wichtige Verbindung zur Lebenswelt seines Vaters her, was auch einige oft übersehene politische Kontinuitäten erklären mag. Später erkannte Karl dann aber doch, wie gefährlich es sein konnte, in einzelne Minister allzu viel Vertrauen zu setzen. Die geheimen Instruktionen, die er 1543 für seinen Sohn Philipp niederschrieb – der fast in demselben Alter war wie damals Karl, als er zum ersten Mal nach Spanien kam –, enthielten jedenfalls eine ernste Mahnung vor exakt der Art von Abhängigkeit, die einst Karls Beziehung zu Chièvres gekennzeichnet hatte:
»Besprecht Eure Angelegenheiten stets mit vielen, damit Ihr nicht an einen gebunden oder ihm verpflichtet seid, denn obwohl es Zeit sparen mag, liegt es doch nicht in Eurem Interesse, vor allem zu Anfang, denn man wird sofort sagen, Ihr würdest gelenkt – und das mag auch stimmen. Jeder, der solche Gunst von Euch erfährt, wird über die Maßen hochmütig werden und sich selbst derart überhöhen, dass es endlose Probleme nach sich ziehen wird; und zum Schluss werden all die anderen sich beschweren.«19
Das sind in der Tat weise Worte. Allerdings fügte der Kaiser sie lediglich als einen Nachtrag auf einer Seite an, die mehr Korrekturen aufweist als irgendeine andere aus den Instruktionen – eine Kuriosität, die womöglich Karls Scham und Verlegenheit darüber widerspiegelt, dass sein eigenes Unvermögen, auf die beschriebene Weise zu handeln, letztlich Rebellion und Aufruhr nach sich gezogen hatte und beinahe sogar den Verlust seines gesamten spanischen Erbes (Abb. 9).