Читать книгу Feuer der Liebe - Feuer des Todes - Georg Christian Braun - Страница 3
ОглавлениеKapitel 1
Der vierzigjährige Jochen Waldschütz hatte in seinem Leben einiges durchgemacht und erfahren, viele Enttäuschungen waren darunter, die ihn gestählt hatten.
An jenem dritten März des Jahres 2020 schien einiges anders geworden zu sein. Er wollte sich mal wieder etwas gönnen und begab sich in eine Kneipe.
Das „Schmidener Eck“ in der Schmidener Straße hatte schon eine wichtige Rolle im Leben des Hauptkommissars eingenommen: Trostpunkt. Immer wenn er einen Misserfolg verbuchte, was Gott sei Dank bisher nicht häufig vorkam, schlich er in diese Wirtschaft und ertränkte den gekränkten Stolz in Bier und Wodka. Letzterer sollte die nach etwas fünf Bieren übrig gebliebenen Leidgefühle abtöten.
Hans – Peter Ringwald, von allen nur Hape genannt, der Wirt der Trostherberge, spendierte seinem Freund Jochen für den Heimgang noch einen Absacker, meist einen Grappa. Damit der edle Hauptkommissar sicher zu Hause im Gesundbrunnen 21 ankam, orderte Ringwald zusätzlich ein Taxi. Alles klappte wunderbar, man kannte sich und konnte sich aufeinander verlassen: Waldschütz auf Ringwald und dieser auf die Taxifahrer.
Der dritte März, ein Dienstag, hatte die Kraft, das Leben eines Menschen zu verändern. Am Tresen saß neben Waldschütz eine Dame, die er zunächst nicht beachtete, nicht sehen wollte, weil er mit den Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts seine eigenen, meist schlechten Erfahrungen gemacht hatte.
Hape wollte schon die Ohren auf Empfang stellen und die Leidensgeschichte nach Jochen anhören, als die Dame am Tresen diese Aufgabe an sich zog und Waldschütz ansprach: „Hi, ich bin die Biggi.“
„Tag“, antwortete der Hauptkommissar und wollte sich wegdrehen. Doch der Anblick der Dame, den er sich höflicherweise abgerungen hatte, versetzte ihn in ein ungekanntes Staunen. Ein Gesicht mit einer entzückenden Schönheit, ein anmutiges Lächeln, kristallklare blaue Augen lächelten ihn an und verzauberten ihn in eine Schockstarre, aus der er für einen Moment nicht mehr herauskam. Er genoss diesen einmaligen Augenblick einer unglaublich schönen Frau, die mit einem Mal ein verschlossenes Herz öffnete und zum Pochen an schubste. Er fühlte die Schmetterlinge im Bauch kribbeln, ein völlig unbekanntes Gefühl. Er war hin und weg und hatte seinen Mund vor Staunen weit geöffnet. Nichts würde ihn schließen. So fasziniert war der Mann, der sich nie mehr vorstellen konnte, sich noch ein einziges Mal zu verlieben.
Biggi lächelte ihn auch an, scheinbar hatte sie das Antlitz des Hauptkommissars in ihren Bann gezogen. Für sie besaß Jochen Waldschütz eine Anziehungskraft eines brutal starken Magneten, der sie nicht entkam. Sie fühlte sich ihm offenbar hingezogen, so der Eindruck eines Beobachters, der nur Hape sein konnte, der Wirt des Schmidener Ecks und Zeuge einer unglaublichen Begegnung.
„Äh, ich bin Jochen“, antwortete Waldschütz nach gefühlt zehn Minuten, als er sich wieder gefangen und die Gefühle einigermaßen im Griff hatte.
Biggi und Jochen zogen sich zurück und begaben sich an einen Tisch. Sie starrten immer noch einander in die Augen, doch lächelten sie zwischendurch auch mal den anderen an. Ganz klar, sie hatten Feuer gefangen, sie wurden von Emotionen geschüttelt, die man nur jüngeren, hormongetränkten Turteltäubchen zugestanden hätte, aber niemals gestandenen Menschen.
Dem Hunger musste der ansonsten vorhandene Durst weichen, das Pärchen bestellte eine Kleinigkeit zu essen. Beide aßen einen großen Salat mit Putenstreifen. Während Hape und sein Team die Mahlzeit herrichteten, wollte Waldschütz seiner beruflich bedingten Neugier entsprechend nach den Lebenseckpunkten und Privatleben der neuen Bekanntschaft fragen.
„Ich bin die Brigitte Jansen, 35, und arbeitete als Managerin bei einem großen Chemieriesen in Darmstadt, wurde aber wegen angeblicher Misserfolge gekündigt.“
Die Augen Waldschützens leuchteten, eine erfolgreiche Frau saß ihm gegenüber.
„Und ich bin Jochen Waldschütz und bin Hauptkommissar bei der Kripo hier in Stuttgart.“
„Ein veritabler Bulle“, schmunzelte Biggi, „den
hätte ich nie in dir vermutet. Du wirkst so einfühlsam und hast zivile Manieren.“
Waldschütz staunte. Wie konnte sie so über Polizisten denken?
„Hast du also Erfahrungen gemacht mit Kollegen?“
„Nur aus der Ferne als Beobachterin. Sonst nicht.“
Die aufgewühlten Nerven des Kommissars beruhigten sich wieder. Erleichtert lächelte er Biggi an und war froh, dass er durch das mittlerweile gebrachte Essen abgelenkt wurde.
Sie unterhielten sich über die Erfahrungen in Beziehungen und auf beruflicher Ebene. Sehr sympathisch. Waldschütz war Feuer und Flamme, noch nie fühlte er sich so angenommen und verstanden wie an dem Abend. Er wagte einen Versuch, der drei Stunden zuvor undenkbar gewesen wäre: Er verbrachte die Nacht mit einer Frau bei sich zu Hause. Ein Feiertag im Leben des Hauptkommissars, der einen Seltenheitswert hatte.