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Kapitel 2

Die Liebesnacht hatte Jochen Waldschütz der Sinne beraubt. Er genoss die Zärtlichkeiten ebenso wie den anschließenden erfüllenden Sex. Biggi und Jochen waren in dieser Nacht ein Liebespaar geworden. Das dachte der Hauptkommissar auch noch, als er am Morgen aufwachte und alleine im Bett lag.

„Biggi?“, rief er und hoffte auf eine Antwort oder Reaktion aus dem Bad oder der Küche. Er wurde enttäuscht, stattdessen fand er auf dem Küchentisch einen Zettel mit folgendem Inhalt: Danke für die wunderbare Nacht. Musste weg, habe ein Vorstellungsgespräch in Hamburg. Ciao, Biggi. Sie hinterließ noch ihre Handynummer, die Waldschütz wieder in eine betäubende Ruhe versetzte. Er durfte Hoffnung auf ein Wiedersehen haben, er hatte die Chance, Biggi anzurufen. Er schrieb noch eine SMS mit Viel Erfolg. Bussi, Jochen und hoffte auf eine baldige Antwort. Zumindest wartete er auf diese, als er den Happen hinunterschlang, der sein Frühstück sein sollte. Den Kaffee zog er eine halbe Stunde danach im Präsidium am Automaten, die erste Flumme rauchte er im Wagen auf der Fahrt zur Arbeit.

Er checkte noch den Geldbeutel und war sichtlich erleichtert, dass er die Geldscheine, welche er meinte, dort eingesteckt zu haben, vorfand. Zur weitergehenden Wohnungskontrolle war keine Zeit, außerdem blendete die Liebesnacht jegliche Zweifel an der Integrität der neuen weiblichen Errungenschaft aus.

Oberkommissarin Karin Degelmann erwartete ihren Kollegen sehnsüchtig im Büro. Die Arbeit der Polizei hatte die seltsame Angewohnheit, nicht geringer zu werden, das hieß, die Kriminellen wollten nicht aussterben. Für die beiden Beamten wie auch die Kollegen die sichere Garantie ihres Arbeitsplatzes und damit des Einkommens.

„Du bist aber spät heute“, begrüßte Degelmann ihren Zimmergenossen.

„Sonst bist du es“, konterte Waldschütz und sorgte für ein schmunzelndes Schweigen bei der Kollegin.

Erst musste der Kaffee in den Magen geschüttet werden, vorher streikten die Denkkräfte des Hauptkommissars.

Die Oberkommissarin kannte die Angewohnheit, schätzte sie aber nicht. Doch sie hatte auch das eine oder andere Laster, mit dem sie Waldschütz konfrontierte, ohne die Bereitschaft, daran etwas zu ändern.

Waldschütz lächelte sein Gegenüber strahlend an, Degelmann zeigte sich sichtlich irritiert, weil sie dieses Verhalten an ihrem Kollegen nie entdeckt hatte.

„Ist was? Du strahlst so!“

„Darf ich mich nicht freuen?“

„Doch. Ich würde mich gerne mit dir freuen“, hieß, ihre Neugier wollte befriedigt werden und Waldschütz sollte endlich mit der Sprache rausrücken, womit er noch zögerte. Er war nicht der Typ, der sein Innerstes nach außen kehrte. Er musste nachdenken, ob er sich mit der Preisgabe des amourösen Erlebnisses kein Eigentor schoss.

Karin Degelmann wollte nicht länger auf die Folter gespannt werden. „Na los, erzähl schon.“ Waldschütz genoss den Moment, in dem er Degelmann zappeln lassen konnte und schmunzelte.

Dann schwiegen sie sich an, die Oberkommissarin tat, als ob sie sich in eine Akte vertiefen würde, blickte verstohlen auf und hoffte auf den Augenblick, wo Waldschütz sich erbarmte und einen Ruck gab. Diesem Wunsch wollte Waldschütz nicht nachgeben, zumindest nicht vollumfänglich. Er und Degelmann kannten sich schon seit einiger Zeit, das hieß aber nicht, er müsste ihr sein Intimleben breittreten.

Nach etwa fünf Minuten verlor der Hauptkommissar die Lust an dem quälenden Spiel und fasste Mut.

„Ja, ich habe jemanden kennengelernt. Zufrieden?“

„Wen? Was?“

„Sage ich, wenn daraus eine feste Beziehung geworden ist. Du wirst es als erste erfahren, versprochen.“

Dem Vorschlag musste sich selbst eine hartnäckige Oberkommissarin geschlagen geben.

„Was liegt an?“, fragte der Hauptkommissar.

„Entführung. Einer Frau wurde unter Androhung schwerer Gewalt das Geld genommen, anschließend fuhren die Täter mit ihr und ihrem Auto davon. Keine Spur.“

„Wer war das Opfer?“

„Judith Mollar. Ehefrau von Kai Mollar, der als Manager bei der Holunder AG beschäftigt ist.“

„Bei der Holunder AG? Die Waffen für Kriegsgebiete herstellen?“

„Scheint so. Dann haben wir es mit einem ganz großen Ding zu tun. Weiß May Bescheid?“

„Noch nicht. Ich werde das präsidiale Informationsbedürfnis umgehend stillen“, versprach Degelmann und kontaktierte Polizeipräsident Hans May.

Der war ganz aus dem Häuschen, dass endlich mal ein öffentlichkeitswirksamer Fall auf der Agenda stand.

„Ich werde den Generalbundesanwalt einschalten. Wir erhalten von dort die Anweisungen. Frau Oberkommissarin, Sie und Waldschütz haben sich strengstens daran zu halten, ist das klar? Keine Alleingänge.“

„Selbstverständlich, Herr Polizeipräsident.“ Sagte es und legte verdattert auf. So hatte Degelmann ihren wichtigsten Vorgesetzten am Ort noch nie erlebt. Er war ganz in seinem Element und erkannte die Chance, endlich wichtig zu werden.

Kapitel 3

Liebestrunkenes Schmatzen, Stöhnen ohne Ende. Waldschütz nutzte die Gelegenheiten, wie sie ihm vor die Flinte liefen, und legte Biggi flach. Die neue Liebe stand am Abend vor der Türe und Waldschütz brachte es nicht übers Herz, sie wegzuschicken, obwohl sie die SMS ignoriert hatte. „Weißt du, die ganze Zeit war ich beschäftigt. Assessment Center, wenn dir das was sagt.“

„Kenn ich nicht, was meinst du damit?“

„‚AC‘, so werden diese Veranstaltungen in der Arbeitswelt abgekürzt, sind ausgeklügelte Bewerbungsverfahren, wo die unterschiedlichen Kompetenzen der Kandidaten überprüft werden. Eine Schur, denn man soll sich einerseits teamfähig, andererseits durchsetzungsbereit zeigen.“

„Ah, verstehe, nicht einfach. Und? Wie ist es für dich gelaufen?“

Grinsen auf dem lieblichen und anmutigen Gesicht einer jungen, taffen Frau, die nur eines wollte: Erfolg.

„Ja, ich habe den Job. Managerin einer großen Reederei, Maschner Holding.“

„Du bist .... was? Managerin einer Reederei?“

Waldschütz stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, eine Anklage aus tiefstem Herzen. Er fühlte sich vor wenigen Minuten so wohl, wie im siebten Himmel und jetzt der Paukenschlag: Seine Liebe wurde zertrümmert, ausgerechnet von dem Menschen, dem diese Gefühle zuflossen.

Er offenbarte nun seine heimlichen Pläne. Waldschütz, der nie im Leben eine Partnerschaft plante, hatte sich offenbar doch vorstellen können, das weitere Leben nicht alleine zu verbringen. Eine Nacht hatte genügt, um seine in Stein gemeißelten Pläne ins Nichts aufzulösen und sich radikal zu wenden.

„Weißt du, Jochen, das hier kam für mich zu schnell. Ich hatte mich bereits in Hamburg beworben. Eine Wahnsinnsgelegenheit für die berufliche Entwicklung.“

Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Die Enttäuschung hatte sich in Mark und Glied gefressen. Biggi hatte nur zu gut bemerkt, was sie mit der Äußerung in Jochen angerichtet hatte und dachte sich versöhnliche Worte aus.

„Ich kann dir aber versprechen: So oft es geht, bin ich bei dir.“

„Was heißt das: ‚So oft es geht?‘ Dreimal jährlich?“

Waldschütz war nicht zu beruhigen, er fühlte sich von einer Frau und dem Schicksal getäuscht. Für Zärtlichkeiten war er nicht mehr zu haben, begab sich aus dem Bett, zog sich an und richtete sich für die Arbeit. Gleiches verlangte er auch von seiner vermeintlichen Liebe, die sich offenbar als verkappte Enttäuschung, als menschlicher Rohrkrepierer erwies, sie sollte, wie er, abhauen.

„Kann ich nicht hier ...?“

„Nein, kannst du nicht“, brüllte Waldschütz sie an und das, weil sie ihn bat, in der Wohnung warten zu dürfen, bis sie sich nach Hamburg aufmachen musste.

Sie bekam die volle Wucht seiner Enttäuschung zu spüren, ein lebhafter Beweis, wie Waldschütz auf menschliche Irrtümer zu reagieren pflegte. So lange die Welt, seine Welt, in Ordnung war, konnte er der liebste, zärtlichste, einfühlsamste Mensch auf Erden sein. Aber wehe: Der schwächste Luftstoß, der es wagte, sein inneres Gleichgewicht zu stören, wurde mit aller Gewalt weggepustet.

„Bist du immer so?“, wollte sich Biggi vergewissern.

„Wie, so?“

„Na, so kühl und abweisend, wenn es mal nicht so läuft, wie du es dir ausgemalt hast.“

Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, Waldschütz hatte kapiert, dass er ihr mehr von sich berichten musste, wenn er weiterhin mit ihr zusammen sein wollte.

„Schau, Biggi, es ist so: Seit vielen Jahren hatte ich keine Beziehungen mehr, ich hatte mit dem Thema ein für alle Mal abgeschlossen. Und dann kamst du und hast alles aus den Fugen geschmissen, mein ganzes Koordinatensystem, das ich mir zurechtgelegt hatte, ins Wanken gebracht. Ich spürte wieder Gefühle und jetzt das ...“

Nun konnte sie das Verhalten Waldschützens besser verstehen und einordnen.

„Jochen, ich mag dich sehr, wirklich. Aber gib uns Zeit, uns besser kennenzulernen. Nichts überstürzen. Die Zukunft wird es zeigen ...“

„Ja. Ich kenne diese Sprüche. Sag doch gleich, dass du nicht willst.“

„Musst du mich missverstehen? Ich möchte Beruf und unsere kleine Beziehung unter einen Hut bringen. Du machst es mir verdammt schwer.“

„Ist gut. Lass es uns versuchen.“

Sie gaben einander einen Abschiedskuss und machten sich auf ihre getrennten Wege.

Feuer der Liebe - Feuer des Todes

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