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Das blaue E–Car parkte in der Eckersbers gate im Zentrum Oslos. Am Steuer saß der junge Mann von der Garage. Er trug eine Sonnenbrille, hatte dunkle Haare und einen gepflegten Dreitagebart. Er trug, für diese Jahreszeit im Sommer nicht außergewöhnlich, einen legeren hellen Anzug. Anfangs fiel der Wagen den Anwohnern noch auf doch mittlerweile, nach mehreren Wochen, hatte man sich an Ihn gewöhnt. Der junge Mann ging wie immer zum Bäcker, kaufte sich ein paar Brötchen mit einem Becher Kaffee und eine Tageszeitung. Dann setzte er sich hinter das Steuer und verrichtete seine Pause. In der Nachbarschaft hielten die Leute ihn für einen Geschäftsmann, oder einen Studenten, der hier in seinem Auto ein ruhiges Plätzchen für sein Frühstück nutzte. Dass sein Anliegen ein ganz anderes war konnten sie nicht wissen. Er hatte sich den Vormittagsverlauf des Bewohners, der schräg im Hause gegenüber wohnte, genau einstudiert. Heute wollte er das Attentat auf Professor Mats Berdal verüben. In der letzten Nacht hatte er bereits Vorbereitungen getroffen. Eine Stunde nachdem das Licht im Schlafzimmer des Professors erloschen war und seine Haushälterin das Haus verlassen hatte, war er in die Tiefgarage eingedrungen. Hier hatte er sich an den Oldtimer, den BMW M5, Baujahr 2011, den sich der Professor leistete, zu schaffen gemacht. Erst vor kurzem wurde der Wagen von einem Mechaniker nach einem längeren Werkstattaufenthalt zurückgebrachte. Er vermutete eine Routineinspektion.

Im diffusen Licht seiner Stirnlampe hatte er nicht den Umbau an dem Auto bemerkt. Er nahm ein Päckchen aus seinem Rucksack und glitt damit unter den Wagen. Geschickt befestigte er die Magnesiumbombe in der Nähe des Tanks. Kurz darauf war er auch schon wieder verschwunden.

Und heute hatte sein Warten endlich ein Ende. Er blickte kurz auf seine Armbanduhr. Der Professor war pünktlich. Das Automatiktor hatte sich geöffnet und der BMW fuhr auf die Straße. Wie immer führte sein Weg Richtung Universitätsbibliothek. Das Labor des Professors lag ganz in der Nähe des Observatoriums. Der junge Mann startete seinen Wagen und folgte den BMW. Vorsichtig nahm er die kleine elektronische Schachtel, den Fernzünder vom Beifahrersitz. Er war der festen Überzeugung dass diese Tat ein notwendiges Übel war, um schlimmeres zu vermeiden. Daher zeigte er keinerlei Regung als er seinen Daumen auf den Auslöser legte. Sie hatten nun die Höhe der Uranienbergkirche erreicht. Hier war der Straßenverkehr nicht ganz so dicht und er drückte auf den Knopf.

Doch nichts passierte. Irritiert schaute er den Kasten an und versuchte es erneut. Wieder tat sich nichts. Strom war vorhanden, dass konnte er am roten Leuchtmelder erkennen. Auch der Empfänger am Zündkasten der Bombe war eingeschaltet; dass hatte er kurz an der Lichtdiode des Sprengsatzes beim Hinausfahren des BMW´s aus der Tiefgarage erkennen können. Im Gedanken spielte er die Möglichkeiten des Versagens durch. Er hatte alle Komponenten der Bombe selbst zusammengebaut. Es blieben nicht viele Ursachen übrig. Irgendetwas musste den Zündfunken der Sprengkapsel verhindern. Und damit lag er genau richtig: Durch den feinen Haarriss am Kühler entstand ein dünner Wasserfilm. Kleine Wassertropfen glitten nach unten, genau zu der Stelle, wo sich die Zündkapsel befand. Durch die Feuchtigkeit konnte kein Funke entstehen und die Bombe versagte.

Als der junge Mann beobachtete, wie Wassertropfen eine dunkle Spur unter den Wagen des Professors auf den Asphalt hinterließen, wurde er sich darüber klar. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als auf seinen Ersatzplan zurückzugreifen. Er schlug die Decke auf der Rückbank zurück und holte einen unscheinbaren grauen Kasten hervor. Er sah fast wie eine altertümliche Filmkamera aus, war aber ein moderner Granatwerfer. Kurzentschlossen überholte er den BMW des Professors und drängte ihn zum Straßenrand. Verdutzt stoppte Dieser und registrierte zu spät was nun geschah. Die Fahrertür des blauen E-Mobils öffnete sich und eine Person beugte sich mit einem seltsamen Gegenstand in der Armbeuge nach vorne.

Ein kurzer Strahl entwich dem Rohr des Granatwerfers und in einem riesigen Feuerball überschlug sich das Auto des Professors.

Der junge Mann blickte den auf der Seite liegengebliebenen Wagen an. Eigentlich hätte die Granate das Auto zerfetzen müssen. Im gleichen Augenblick wurde ihm bewusst was geschehen war. Das war der eigentliche Grund weshalb das Auto für eine Woche in einer Werkstatt war. Geschützt gegen Anschläge hatte dieses gepanzerte Auto seinen Zweck voll erfüllt und die Wucht der Detonation fast unbeschadet überstanden. Der Professor lebte noch. Nun musste der Attentäter schnell handeln und er überlegte fieberhaft. Würde er den Granatwerfer direkt auf eine Panzerglasscheibe aufsetzen sollte ein weiteres Geschoß durchaus das Glas durchdringen können. Aber es war zu spät. Schon war der Tatort von Menschen umringt. Autos hielten an und die Bewohner der anliegenden Häuser, vom Lärm und ihrer zerborstenen Fensterscheiben erschrocken, traten hinaus auf die Straße. Auch die Sirene eines näherkommenden Polizeiautos war bereits zu hören. Schnell gab der junge Mann auf die Hupe drückend Vollgas und umherstehende Schaulustige sprangen ängstlich zur Seite. Im Rückspiegel konnte er erkennen wie der Streifenwagen am Ort des Geschehens anhielt. Die Polizisten sprangen heraus und einer sprach, Ihm nachschauend, in ein Funkgerät. Der junge Mann kannte sich in dieser Gegend bestens aus. Mehrmals bog er in kleine Seitenstraßen ein und hielt schließlich auf die Hauptstraße zu um im dichter werdenden Berufsverkehr unterzutauchen. Er konnte nicht wissen, das wegen eines in kürze stattfindenden Staatsbesuches bei der königlichen Familie, gerade heute die Osloer Polizei eine groß angelegte Übung praktizierte und überall in der Stadt verteilt unterwegs war. Es waren wesentlich mehr Uniformierte im Einsatz als üblich. Kaum auf der Bogstadveien eingebogen entdeckten ihn gleich zwei Polizeistreifen. Es begann eine halsbrecherische Verfolgungsjagd. Um seine Verfolger abzuhängen steuerte der Flüchtige in den Gegenverkehr. Die Entgegenkommenden Autofahrer stoppten entsetzt oder steuerten ihre Wagen an den Straßenrand. Reifen quietschten und es kam zu mehreren Auffahrunfällen. Schließlich bremste der blaue Pkw einen Sattelzug aus, der mit donnernden und rauchenden Rädern quer zur Fahrbahn zum Stehen kam. Doch die Osloer Polizisten waren auf ihren Fahrzeugen gut ausgebildet und umsteuerten rechtzeitig das große Hindernis. Auch als in der weiteren Verfolgung ein Polizeiwagen mit dem Heck den Anhänger eines Wohnwagengespanns rammte, welches prompt zur Seite kippte, blieben sie ihm auf den Fersen. Gegen die hochmotorisierten Polizeiautos mit ihren mit Biodiesel laufenden Verbrennungsmotoren hatte der junge Mann trotz seines verstärkten Antriebes seines E Car keine Chance. Er verließ die Hauptstraße und steuerte Richtung Stenspark. An der Frageborgkirche machte er eine 180 Grad Wende und preschte durch das geschlossene Friedhofstor über die sandigen Wege des Begräbnisplatzes. Wegen der schmalen Pfade mussten die Polizisten nun hintereinander fahren, aber dennoch blieben sie direkt hinter den Verfolgten. An der anderen Seite endete der Friedhof an einer Steintreppe auf deren Höhe ein riesiges Kreuz stand. Kurz davor riss der junge Mann sein Steuer herum und fuhr schräg eine grasbewachsene Anhöhe, knapp zwischen zwei Bäumen hinauf. Während das erste Polizeiauto gerade noch die Kurve bekam knallte das Zweite in die Steintreppe. Mit einem kreischenden Geräusch von Metall auf Stein blieb es mit einer gebrochenen Radaufhängung auf den ersten vier Stufen der Treppe liegen. Auf der Anhöhe durchbrach der Gehetzte die hölzerne Umzäunung und war wieder auf der Straße. Die Polizei war im laufenden Funkkontakt. So war es nicht verwunderlich, dass sich den nur noch einen Streifenwagen zwei weitere anschlossen. Mit Sicherheit würden es noch mehr werden. Das war auch dem Attentäter bewusst. Er raste nun auf das Industriegebiet zu. Auf den weitläufigen Plätzen malte er sich größere Chancen aus zu entkommen. Dort angekommen sah es auch fast so aus. An einer Logistikfirma für Stückgut fuhr er seitlich eine Rampe hinauf vor der mehrere Lkw´s standen. Während ein Polizeiauto dicht hinter ihm blieb, verfolgten ihn die Anderen unten. Nun steuerte er seinen Wagen durch ein offenes Tor ins Innere. Die Arbeiter staunten nicht schlecht derer, zwei mit Hupen und Polizeisirene heranrasenden Autos und ein Gabelstaplerfahrer stoppte so abrupt das seine Ladung vornüberfiel. Das blaue Auto knallte in die Kisten die sofort zerbarsten und ein Regen aus Styroporverpackung und zerbrochenem Glas verteilte sich im Raum. Schließlich erreichten sie die andere Seite der Lagerhalle. Unter den Augen der unfreiwilligen Zuschauer beschleunigte der junge Mann wieder und steuerte wiederum auf ein offenes Portal zu. Jetzt machte sich die Präparation seines Wagens bezahlbar. Mit einem lauten Knall flog er die 1,50 Meter von der Rampe auf den Asphalt. Die verstärkte Achse und die Spezialreifen hielten den Aufprall stand. Das Polizeiauto hatte weniger Glück. Der Fahrer war zwar mutig genug auch den Sprung von der Rampe zu wagen, doch unten angekommen platzten gleich beide Vorderreifen. Mit Höchstgeschwindigkeit jagte der junge Mann um ein weiteres Fabrikgebäude herum. Schon wähnte er sich in Sicherheit, doch ein weiteres Polizeiauto war um die gesamte Lagerhalle herumgefahren, hatte ihn gerade noch entdeckt und nahm erneut die Verfolgung auf. Als von der gegenüberliegenden Seite des Industriegebietes weitere Sirenen zu hören waren wusste der Flüchtige, dass die Jagd bald zu Ende sein würde. An einem roten Backsteingebäude hielt er an. Seitlich an dem mehrstöckigen Bauwerk war eine Feuerleiter angebracht. Eilig erklomm er die Leiter; als auch schon die Polizeiwagen eintrafen. Während zwei Beamte ebenfalls die Leiter zu erklettern begannen, nahm ein Weiterer ein Mikrofon und aus dem Autolautsprecher ertönte laut, dass der Flüchtige sich ergeben solle. Doch er dachte nicht daran. Oben angekommen versuchte er eine Metalltüre zu öffnen. Aber diese Feuerschutztüren waren nur von innen aufzumachen. Kurz blickte er sich um und kletterte dann einen schmalen Mauervorsprung an der Wand entlang zu mehreren Fenstern die von innen mit einer dicken Staubschicht bedeckt waren. Seine beiden Verfolger, an der Metalltüre angekommen trauten sich nun nicht weiter und riefen ihm ebenfalls zu, dass er aufgeben sollte. Aber ohne zu zögern holte der Angesprochene aus und zerschlug mit dem Ellenbogen eines der Fenster. Bevor er hineinkletterte konnte er aus dem Augenwinkel erkennen, dass unten weitere Polizeiautos eintrafen. Im Inneren des Gebäudes befand er sich auf einen Metallsteg der seitlich die Wand entlang führte. Große Maschinen erzeugten einen ohrenbetäubenden Lärm und er erkannte schnell ihren Zweck. Unter ihm schaufelte der Greifarm eines Krans unentwegt Altpapier in einen großen Trichter. Er befand sich in eine Papierrecyclinganlage. Unten im Trichter zerkleinerte ein stählernes Mahlwerk das Papier in kleinste Schnipsel. Am anderen Ende der riesigen Maschine förderte ein Laufband das Papierlametta zu einer gewaltigen wassergefüllten Wanne in der Fremdteile wie Metalle oder Kunststoffe aussortiert wurden. Der Wasserstrom führte ihren Inhalt weiter zum nächsten Verarbeitungsschritt. Während der Kranführer konzentriert bei der Arbeit war, saß ein weiterer Angestellter in einem hochgelegenem gläsernen Raum vor einer Anzahl Computermonitoren, von wo er auch den ganzen Raum einsehen konnte. Dieser Mitarbeiter hatte ihn noch nicht bemerkt. Instinktiv duckte sich der junge Mann und schlich weiter das Metallgitter entlang. Als ein mächtiger Radlader weiteres Altpapier durch das Hallentor hereinbrachte, tauchten unten mehrere Polizisten in Begleitung eines Zivilisten, vermutlich eine Bürokraft der Firma auf. Als sie die Metalltreppe zu dem gläsernen Raum hinaufstiegen hangelte sich der junge Mann ein Lüftungsrohr an der Decke entlang welches genau über den Trichter führte. „Tun sie das nicht“, rief einer der Polizisten der ihn erblickt hatte und schlimmes ahnte. Doch es war zu spät. Bevor sie den gläsernen Raum betreten konnten, wo sich der Nottaster befand der die gesamte Anlage zum Stillstand hätte bringen können, mussten sie entsetzt und hilflos zusehen wie der junge Mann losließ und sich in den Trichter stürzte. Irgendeiner drückte dann endlich den Notfallknopf. In der gesamten Halle ertönte ein Warnsignal und rote Alarmlichter blinkten überall auf. Die Papiermühle lief noch einige Sekunden nach und der Kranführer war verdutzt, weil auch seine Maschine automatisch abgeschaltet wurde. Kurz darauf herrschte eine Totenstille in der Halle. Die Zuschauer der Tragödie waren so geschockt das sie einige Sekunden brauchten um das gerade gesehene zu begreifen. Dann brachte der Arbeiter im Glaskasten auf Befehl eines Polizisten mit einem Joystick eine an der Decke angebrachte Kamera in Stellung. Doch auch beim heranzoomen war auf den Monitorbildschirmen nur ein Haufen halb zerdrückter Pappkartons im Trichter zu erkennen. Als sie sich hinunter zum Auslass des Trichters begaben stockte ihnen der Atem. Auf dem ebenfalls zum halten gekommenen Fließband lag eine meterlange, vom Blut rotgefärbte Papier- und Fleischmasse.

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