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3. Kapitel

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Die Zeit von 1928 bis 1933 war für die Bauern im Deutschen Reich gelinde gesagt kritisch, besonders hart traf es aber die Ostpreußen. Durch die Insellage, vom Reich abgetrennt, waren sie zudem noch einer gewissen Großmannssucht der Polen ausgesetzt, die sich nach wie vor nicht mit dem polnischen Korridor und Danzig zufrieden geben wollten. Es kam in den Grenzgebieten ständig zu Provokationen und Zwischenfällen, nicht nur, aber sehr oft von der polnischen Seite aus.

Im polnisch verwalteten Korridor gab es häufig wilde Ausschreitungen gegenüber den deutschen Bewohnern, mit vielen Toten und Verletzten.

Zum Beispiel durften die reichsdeutschen Kinder in den polnischen Schulen kein Deutsch mehr sprechen. Wer das nicht einhielt, wurde mit Stockhieben bestraft. Im Großen und Ganzen klafften die Gräben zwischen beiden Völkern immer weiter auseinander.

Die Preise im Reich lagen auf sehr niedrigem Niveau, ein gutes und junges Arbeitspferd kam gerade mal auf fünfhundert Reichsmark. Mastschweine kosteten zweiunddreißig bis achtunddreißig Reichsmark je Zentner. In Masuren blühte der Schwarzhandel trotz strenger Strafen. Vor allem mit den Polen in den Grenzgebieten wurde geschachert, besonders junge Pferde und Schnaps wurden billig über die grüne Grenze nach Deutschland geholt.

Die bäuerliche Bevölkerung und die vielen Arbeitslosen, die zu Tausenden auf der Straße lagen, lösten sich von den Regierungsparteien und suchten in der NSDAP die Rettung. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland tatsächlich fast schlagartig zum Guten.

Auch für Fritz Heinrich brach eine neue, eine bessere Zeit an. Er wurde zum ehrenamtlichen Bürgermeister von Grünheide, Tannenheim und Fichtenwalde gewählt, außerdem noch zum Kreisbauernführer und Schöffen am Amtsgericht in Johannisburg bestellt, auch eine Mitgliedschaft in der NSDAP war für ihn selbstverständlich.

Mitunter trieb er sich dienstlich tagelang zwischen Johannisburg und Allenstein umher. Manchmal führten ihn die Amtswege bis nach Berlin oder Königsberg.

Nebenbei oder zwischendurch, so oft es zeitlich zu machen ging, beschlief er seine Schwägerin Annemarie, die immer bereit wartete.

Sie roch so gut nach französischem Parfüm, es stand ein eckiger halbvoller Flakon auf ihrem Nachtschrank: »Regal Nr.5«.

Fritz brauchte nur leicht an Annemaries Ohrläppchen zu knabbern, dann begann die gut geformte Frau am ganzen Körper zu zittern und schmolz dahin wie süßer Honig. Sie schrie wie eine Besessene, wenn er sie gut nahm. Fritz drückte ihr, wie schon so oft vorher, ein Kopfkissen ins Gesicht aus Angst, sie könnte bis auf den Marktplatz gehört werden. Erschöpft drehte er sich dann von ihrem Körper und sagte: »Irgendwann treten die Gendarmen deine Haustür ein.«

Annemarie war das egal, Fritz war ihr Lebensmittelpunkt, sie genoss jede Sekunde mit diesem Mann.

Fritz bemühte sich erfolgreich, die Beziehung geheim zu halten. Nur wenig später machte sein Bruder Annemarie zur jungen Witwe.

Nachdem Artur jahrelang im Krankenbett vor sich hinsiechte, wurde er in eine sogenannte Euthanasieanstalt nach Oranienburg verlegt, wo er kurze Zeit später starb. In der neuen Volksgemeinschaft war kein Platz mehr für Dauerkranke. Die Benachrichtigung durch die Klinikleitung las Annemarie ohne innere Anteilname. Ja, sie empfand sogar Erleichterung über seinen Tod.

Das Schreiben beinhaltete nur wenige Sätze:

Sehr geehrte Frau Annemarie Heinrich,

leider müssen wir Ihnen mitteilen, das Ihr Mann Artur Heinrich am frühen Morgen an den Folgen seiner Kriegsverletzungen verstorben ist.

Artur Heinrich schlief friedlich, unserem Führer bis zuletzt treu ergeben, für immer ein. Gott beschütze Sie in der schweren Stunde der Trauer.

Stempel Unterschrift Der Amtsarzt

In der Anlage erhalten Sie den Totenschein.

Seine persönlichen Habe werden wir Ihnen in den nächsten Tagen mit der Post zustellen.

MfG Heil Hitler

Zu Hause auf dem »Großenhof« führte mehr oder weniger Magarete mit ihrem Vater Herbert Krosta und der bereits über siebzigjährigen Mutter Frederike die Wirtschaft. Fritz kam ja kaum noch zum Schlafen nach Hause. Man sah ihn nur noch selten hoch oben auf dem Grasmäher oder im Stall beim Abfüttern der Tiere. Zwar halfen regelmäßig Freiarbeiter die Ernte einbringen, aber dennoch war es kaum zu glauben, dass die verbleibenden drei Personen es über das Jahr schafften, die vielen großen und kleinen Tiere auf dem Hof zu versorgen. Na gut, Marta half auch viel auf dem Großenhof, Gänse und Schweine hüten, Eier einsammeln, Pferde striegeln oder einfach nur in der Küche Geschirr abwaschen. Ach was, die Arbeit hier auf dem Hof nahm keinen Anfang und kein Ende und das zu jeder Jahreszeit. Außer im Winter, da liefen die Uhren auch hier deutlich langsamer, da machten selbst die Masuren nur das Nötigste.

Trotzdem, Menschen und Tiere gleichermaßen sehnten sich den Frühling immer wieder herbei.

Der Lenz kündigte sich an, wenn das Eis auf den großen Seen brach. Die krachenden Geräusche verhallten manchmal tagelang nicht. Unheimlich schallte es dann bis in die guten Stuben der Häuser hinein.

Die Masuren sagen, das sind die aufgestauten Schmerzen der ausgerotteten heidnischen Galinder, die hier einmal in großer Zahl gelebt hatten. Ja, bis der Ritterorden mit dem eisernen Schwert kam und weder Volk noch Brauchtum am Leben ließ.

Jedes Jahr in dieser Zeit ging auch Fritzi mit vielen anderen Männern im Dorf, und es durften nur Männer sein, runter zum Niedersee und besänftigte die Vorfahren mit reichlich mitgebrachtem Bärenfang, den sie dann feierlich in die gebrochenen Eisspalten gossen mit der Bitte um Gesundheit für die ganze Familie und einer guten kommenden Ernte.

Wie unchristlich. Zumal sie den meisten mitgebrachten Alkohol selber austranken und alle, ausnahmslos, sturzbesoffen wieder nach Hause torkelten.

Marta unter Wölfen

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