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Kapitel 2

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Vielen Dank, Tom, dass Du Dich an diesem herrlichen Maiabend zu diesem Treffen so kurz nach meinem Venedigaufenthalt bereit erklärt hast. Es ist, das weißt Du, eigentlich nicht mein Stil, einen Freund mit einem zweifellos längeren Monolog zu behelligen. Das habe ich in den Jahrzehnten unserer Freundschaft nie getan. Andererseits habe ich aber auch noch Deine Worte, Deinen Dank im Ohr, nachdem Nadine sich kürzlich von Dir trennte, ich Dir nächtelang zuhörte, Du schließlich sagtest: „Wenn Du mal einen brauchst, der dir dermaßen intensiv zuhört, wie du das die letzten Tage getan hast, komm bitte zuerst zu mir.“

Und… – voilà , hier bin ich.

Bin ich – was für eine treffliche Wendung unserer Sprache –, um mein Herz auszuschütten. Dem Freund was zu erzählen. Bin ich, obschon auch Laura, meine Schöne, mein Eheweib, mir gestern, vorgestern, auch den Abend davor Stunden lauschte; mein Problem offenbar so virulent, dass ich damit zu meinem eigenen Entsetzen die halbe Welt zu behelligen beginne…

Wie heißt es in einem unserer Filmklassiker: “Ein Freund, ein guter Freund: das ist das Beste, das es gibt auf der Welt…“

Ob ich...? Aber ja. Gut erkannt.

In der Tat habe ich vor ein paar Minuten auf dem Weg hierhin noch rasch in unserer Kölner Südstadt-Stammkneipe auf der Severinstraße zwei Courvoisier getrunken, um meine Zunge ein wenig zu lockern... Offenbar hat das, was ich Dir zu erzählen habe, für mich eine zumindest ähnliche psychische Qualität wie die unserer menschlichen Reaktion auf die Nachricht vom Tod eines geliebten Menschen; auch dort greifen wir ja oft genug zum Schnaps, um die Wucht der entsetzlichen Botschaft zumindest ein wenig abzufedern.

Worum es geht?

Nicht um eine Ehekrise jedenfalls, Tom. Denn auch wenn in diesem Augenblick Dein etwas süffisant wirkender Gesichtsausdruck zu mir sagt: Na ja, jetzt hat´s also auch

den Freund, den „heiligen Jacob“, endlich mal erwischt – der „heilige Jacob“ und seine Laura haben unverändert keine Krise…. Die überlasse ich lieber – wenn ich´s mal so offen, despektierlich sagen darf – Dir.

Um´s geraderaus zu sagen: Hättest Du mich vor meiner Reise nach La Serenissima, wie die Venezianer ihre Stadt nennen – Serenissima, Du weißt es vielleicht sogar, alter Lateiner, der auch Du ja bist, von lateinisch serenus = heiter, ruhig, gelassen, der Name eine Verkürzung des offiziellen Staatstitels „La Serenissima Repubblica di San Marco“, d.h. allerdurchlauchteste Republik des Heiligen Markus – hättest Du mich also vor der Reise über Deine Art zu lieben befragt, wäre mein Urteil vermutlich eher kritisch ausgefallen. Hätte ich da doch einen gravierenden Unterschied in der Liebesfähigkeit von uns beiden zumindest angedeutet. Ich, der Heuchler, wie ich heute über mich selbst befinden muss, danach der eindeutig Bessere, Hingebungsvollere. In Wirklichkeit, dass ich nur einen Menschen kenne, der wirklich tief lieben kann, und dass ist Laura, meine Frau, die so überaus reich das Talent zur Freundschaft und so zur Liebe besitzt.

Bitte!? Ach was! Erzähl mir nichts!

Ich will Dich keineswegs angreifen. Jeder Gewinn hat einen Preis. Und so wird auch echte Freundschaft, die Vertrauen und so Möglichkeit zur Offenheit schenkt, meist begleitet von einem tieferen Blick in die Charakterstruktur des Freundes, Umkehrschluss inbegriffen. Was ein kluger Mann über die Liebe sagte, nämlich dass sie für Liebende eine Art wechselseitiges Vergrößerungsglas sei, gilt gleichermaßen für die Freundschaft. Mag sein, dass einer, der sich selbst massiv kritisiert, wie ich das bald tue, allein dadurch noch nicht das Recht erwirbt, auch andere Menschen, gar seine Freunde zu kritisieren. Doch darf ich vielleicht immerhin eines in aller Direktheit sagen:

Wer wie Du, Journalist, promovierter Dozent, als bekannnter Autor gleich mehrerer erfolgreicher Bücher über Ehe, Liebe von einem Fernsehsender zum anderen gereicht, so über die Liebe denkt, wie Du das insgeheim tust, darf sich nicht wundern, wenn seine Liebesbeziehungen über kurz oder lang scheitern. Du hälst in Wahrheit gar nichts von der Liebe. Sprichst ihr zumindest die segensreiche Wirkung ab. Deinem verlegenen Lächeln, Nicken zu entnehmen, dass Du das offenbar auch selbst so siehst. Fünf gescheiterte Ehen in zwölf Jahren, pro Jahr ein bis zwei gescheiterte Liebesbeziehungen, über allem schwebend die unerkannteste Wahrheit unserer Tage, die besagt, dass Freiheit in unserer Zeit der Verherrlichung von Selbstverwirklichung durchaus eine Form von Selbstzerstörung sein kann: das besagt etwas über einen Menschen. Auch wenn der zugleich höchst intelligent, humorvoll, witzig, großzügig und ein vorbildlicher Freund ist. Niemand von uns ist so gut, wie er glaubt, aber auch nicht so schlecht, wie er meint.

Bei der Vorbereitung auf dies Gespräch habe ich in einigen Deiner Bücher geblättert und mir drei Deiner Aphorismen notiert:

Wenn Liebe die Suche nach der eigenen Bestimmung ist, dann ist die Bestimmung des modernen Menschen der Fernsehapparat.

Liebe als Fähigkeit des Menschen, gemeinsam mit einem anderen Menschen, zu dem man nicht passt, ein glückliches Leben zu führen, das es nicht gibt.

Wenn zwei, die einander gleichen, sich lieben, weil sie so verschieden sind, kann daraus eine ewige Liebe werden, die eine statistische Dauer von wenigen Jahren hat.

Nur, lieber Freund – die am meisten über die Liebe spotten, sind es nicht zugleich die, die sich am intensivsten nach ihr sehnen? Nein, Du hälst nichts von der Liebe, bist einer, der von ihren fünf Formen – erotische Liebe, Kinderliebe, Nächstenliebe, Liebe zur Tierwelt, zur Umwelt – bestenfalls die Liebe zu Tieren, Umwelt favorisiert. Einen Hund hast du. Zahlendes Mitglied in einer Unmweltschutzorganisation bist Du auch. Doch war´s das auch schon. Womit Du allerdings immer noch mehr als ich zu bieten hast. Das ist mir in Venedig klargewordeen.

Du hast Recht, ich sollte zur Sache kommen.

Die Sache diese: Du weißt, dass ich, selber früher Journalist, Hobbykoch, später Inhaber und Küchenchef eines Restaurants mit mediterran-schwäbischer Orientierung, heute vor allem von Kochkursen, Kochseminaren bei Firmen und diversen Bildungseinrichtungen lebe und vor Tagen von einer weiteren Venedig-Reise zurückkehrte. Ab Herbst biete ich nach Kursen über die toskanische und sardische Küche nun auch solche über die Venedigs und des Veneto an. Als solcher einer, auch das weißt Du, der nur dann glaubhaft solche Kursen anbieten mag, verfügt er über ein gewisses Maß an Praxis, Erfahrung, gesammelt vor Ort. Gesammelt also zuvor eben in der Toskana, in Sardinien, nun Venedig, im Veneto. Seit nunmehr bereits zehn Jahren, dass ich deshalb mehrere Wochen im Jahr in Italien bin.

Erstmals war ich übrigens 1958, ein achtjähriger Junge, mit meinen Eltern in Italien, Urlaubsort Diano Marina, Hafennest an der ligurischen Riviera unweit Genua, Name unserer Unterkunft Hotel Bel Soggiorno. Den Namen auch nur eines der Hotels, in denen ich im Laufe der folgenden Jahrzehnte in den USA, Italien, Frankreich, Holland, Russland, Rumänien, Norwegen, Spanien, Marokko, Polen, Tschechien, in der Slowakei, Deutschland und, und, und wohnte, weiß ich nicht mehr. Den Namen jenes ersten Hotels indes habe ich nie vergessen.

Wir hatten Halbpension, das Frühstück wie üblich in Italien eher karg, minimalistisch, Abendessen dafür umso raffinierter, überraschender. Stets vier Gänge: Antipasti, Primi piaiti, Secondi piatti, Dolci. Immer helles Brot mit herrlich knuspriger Rinde auf dem Tisch. In den funkelnden Gläsern meiner Eltern heller oder dunkler Wein.

Aha, so bissfest, wohlschmeckend, alles andere als zerkocht konnten Nudeln sein. So aromatisch, leuchtend gelb, grün, rot Paprikaschoten. Aha, du heißt also Aubergine, du Zucchini, du Olive. Und du, ah ja – du bist also ein Schafskäse...

„Angenehm. Wenn auch ich mich vorstellen darf: Ich bin der kleine Jacob, Jacob Bollnow, und komme aus dem Land der Unwissenden, kulinarischen Banausen.“

Meine Mutter, die zuvor das „al dente“ im Zusammenhang mit der Kochanleitung auf der Spaghettipackung vermutlich stets dahingehend deutete, dass der Hersteller offenbar Dentist war und deshalb empfahl, die Nudeln zur Schonung der Zähne mindestens

fünfzehn Minuten zu kochen. Meine Erinnerung an die Nudeln meiner Mutter die Erinnerung an eine Art Pappmaché, geschaffen aus Wasser und Hartweizengrieß. Hier und jetzt jedoch, dass sich auf einmal ein ganzer Kosmos an Farben, Gerüchen, Aromen vor mir auftat. Jeder Bestandteil deutlich vom anderen abgesetzt. In der Küche ein kulinarischer Zauberer, der unübersehbar der Auffassung war, Freude am Essen nehme im Maße zu, in dem man die Individualität der Zutaten bewahrt, unterstützt, auf ihre Qualität achtet, sie vorsichtig kocht, zuletzt möglichst wenig würzt. Philosophie italienischer Köche: Man nehme die besten aller Zutaten, achte auf Frische, gutes Aussehen und belasse es innerhalb der Grenzen des Möglichen bei ihrer spezifischen Eigenart. Jedes Essen immer nur so gut wie seine Zutaten.

Als ich gegen Ende unseres Urlaubs auf meinen schüchtern vorgetragenen Wunsch hin Gelegenheit erhielt, in die Küche zu gehen, mich umzusehen, für einen Augenblick beim Zubereiten des Abendessens zuzusehen, betrat ich die Küche im Augenblick, als der Küchenchef eben einen Lehrling kräftig zusammenfaltete. Offenbar hatte der, vermute ich, entgegen den Anweisungen seines Chefs nicht nur Zwiebel, Petersilie zu lange angeschwitzt, sondern auch die Blätter eines Basilikumzweiges abgezupft und samt kleingeschnittenem Knoblauch in die Soße gegeben. Der Chef am Toben ob eines solchen Frevels.

Als wir schließlich nach drei Wochen Sonne, Strand, Pasta, Gelati und der wenig glaubwürdigen Attitüde einer vorgeblichen Neureich-Familie in meine Geburtsstadt Osnabrück zurückkehrten, stand bereits in der Zeitung, was mein Freund Jochen, Sohn eines Architekten in der Nachbarschaft, mit einer Mischung aus Unwissenheit und Begeisterung gleich bei unserem ersten Treffen so formulierte:

Hey, das ist ja was, Jacob!! Weißt du eigentlich, dass ihr pleite seid…!?“

Hatte doch der weinerliche Despot, der mein Vater war, sowohl meine Mutter wie mich regelmäßig mit äußerster Brutalität schlagend, seit Beginn der 50iger Jahre mit generöser Gebärde Hunderttausende Mark Schulden angehäuft und sein Straßen-, Tiefbauunternehmen, zeitweise mehr als hundert Mitarbeiter, an die Wand gefahren: Firma konkurs, das durchaus nicht an den Haaren herbeigezogene Wort vom mutmaßlich betrügerischen Konkurs in der Zeitung zu lesen. Verdacht der Staatsanwaltschaft, dass er ganze Teile des Bauamtes Osnabrück zwecks Auftragserteilung geschmiert hatte.

Ich aber – schließe ich die Augen, versetze mich in jene Zeit zurück, darauf nicht so sehr an Geld, Konkurs, drohende Armut denkend, das ist zu abstrakt, weit weg für einen damals Achtjährigen – sehe meist nur dies: An einem Tag in jenen Sommertagen 1958 unmittelbar nach unserem Urlaub renne ich vom Garten aus in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen, und sehe meinen Vater am Küchentisch sitzen, auf dem Schoß mein Kindermädchen, seine Hand unter ihrem Rock.

Es gab dann täglich Streit zwischen meinen Eltern. Einmal, dass die Polizei kam, ihn vorübergehend festnahm. Später, dass die Anklage wegen Bestechung, betrügerischen Konkurses gegen ihn überraschenderweise mit einem Freispruch zweiter Klasse endete. Parallel dazu, dass meine Mutter die Scheidung einreichte. Später geschieden wur-

de. Erst Jahrzehnte später erzählte mein Vater mir – da bereits vom Alkoholismus gezeichnet, sein Leberzirrhose-Tod wenig später –, dass er damals die letzten versteckten, beiseite gebrachten D-Mark genommen hatte, um einen letzten Urlaub mit der Familie in Italien zu machen, während daheim alles den Bach runterging und niemand wusste, wo wir waren: dafür hatte er gesorgt.

Seither sind 56 Jahre vergangen. Erst 1991, dass ich erstmals wieder mit Frau und Tochter die ersten Tage zuerst in der Toskana mit einigen Tagen Aufenthalt im Mittelmeerstädtchen Viareggio, dann den Rest des Urlaubs an der italienischen Adriaküste und im damals noch existierenden Jugoslawien machte; vor zwei Jahren dann, dass ich eigentlich allein eine kulinarisch orientierte 10-Tage-Fahrradtour durch die Toskana machen wollte, daran jedoch, wenige Monate zuvor 62 geworden, durch eine Peritonitis, Bauchfellentzündung gehindert wurde, häufig tödlich, immer schmerzhaft, angstbeladen, auf einmal, von einem Tag auf den anderen, einer Stunde auf die andere, massiv, unverdrängbar mit Tod, Sterblichkeit konfrontiert.

Als ich aus dem Krankenhaus kam, hatte Laura eine kleine Willkommensfeier mit Freunden, Bekannten organisiert, auch Kristin, ihr Freund, Du unter ihnen; Du übrigens, der an dem Tag wieder seinen wissenden Blick aufgesetzt hatte, mich fortlaufend beobachtete. Wie gesagt: Jeder Gewinn hat einen Preis.

Während der Feier verließ ich einmal kurz, überwältigt von der Zuneigung, die mir all die Menschen entgegenbrachten, den Raum und ging hinüber in mein Arbeitszimmer, schloss die Tür hinter mir, sah zum Fenster hinaus. Der per Datum als Sommertag ausgewiesene Tag eher spätherbstlich als sommerlich. Endlich war der stürmische Wind zur Ruhe gekommen, hatte auch der Nieselregen, tagelang in schrägen Schnüren von schier unendlicher Länge auf einen lange übersättigten Boden fallend, aufgehört; ein grauer, verhangener Himmel mit tief hängenden Wolken, den Menschen fast einen Scheitel ziehend, lag über den Geschäften, Mietshäusern der Severinstraße unterhalb meines Fensters. Passend dazu auf der Fensterbank eine beschriftete Videofilmhülle: Visconti, „Der Tod in Venedig“.

Meine Schöne und ich hatten uns den Film am Tag vor Ausbruch meiner Krankheit angeguckt. Und ich dachte nun an die Szene, in der Gustav von Aschenbach, Protagonist des Filmes, gezeichnet von einem Herzanfall, der ihn an den Rand des Todes bringt, vor einem Stundenglas sitzt, sagt:

Ich entsinne mich, dass wir so ein Stundenglas auch in meinem Elternhaus hatten. Die Verengung, durch die der rote Sand rinnt, ist so haardünn, dass es zuerst scheint, als ob der Sand im oberen Hohlraum gar nicht abnähme. Nur ganz zuletzt, da scheint´s schnell zu gehen und schnell gegangen zu sein. Nur dem Ende zu. Aber das ist so lange hin, dass es des Daran-Denkens nicht wert ist. Und im letzten Augenblick ist keine Zeit mehr. Da bleibt uns keine Zeit mehr zum Daran-Denken.“

Hatte ich noch zehn Jahre? Zwanzig? Kam Gebrechlichkeit auf mich zu? Starb ich, starb meine Frau eher?

Im Herbst war ich von schlimmen Schmerzen in der Leiste heimgesucht worden, Vorboten vielleicht einer noch schlimmeren Zeit?

Du siehst deine Spuren im Sand, und du weißt, dass sie morgen verweht sein werden, wie du weißt, es wird übermorgen so sein, als habe es dich nie gegeben.

Indem wir geboren werden, erleben wir Menschen ein kurzes Intermezzo zwischen zwei Formen des Nichts. Da ist die bis in den Mikrokosmos reichende Brutalität, Zufälligkeit des Seins, Preis für ein sich vor Milliarden Jahren in den Ozeanen entwickelndes Leben; sind die geheimnisvollen Gesetze des Kosmos, die wir mehr und mehr erforschen, entschlüsseln, sowohl fasziniert wie in die Schranken verwiesen von der Macht der Sonnenwinde, Meteoriten, Naturgewalten; ist die Tatsache, dass wir alle, Bewohner von Nekropolis City, nur wenige Jahrzehnte leben und bereits der nächste Raser, nächste lockere Ziegel unser Schicksal vollenden kann.

Die Struktur, Komplexität unserer Welt erschreckt mich von jeher. Die Tatsache, dass wir Myriaden Jahre nicht leben, um dann einige Jahrzehnte auf diesem Stern zu sein, danach erneut ohne Atem, Leben, Liebe, den salzigen Geschmack des Windes auf unsern verlangenden Lippen, Anblick des türkisfarbenen Meeres, der sich wie Balsam auf unsere wunde Seele legt, hat für mich etwas Schauerliches, Unbegreifliches. Wie die Tatsache, dass keine universelle Harmonie, Gerechtigkeit existiert und das Lachen des Mörders oft genug über die Tränen des Opfers triumphiert, eine schauerliche Erkenntnis darstellt.

Du liebst, der geliebte Mensch stirbt – wie dies ertragen, ohne Sehnsucht nach einem anderen Sein, von mir aus sogar Gott gegebenen Harmonie hinter den Dingen zu entwickeln! Wir beide sind Agnostiker, darin sind wir uns einig. Und doch, und doch: Du wirst diesen Menschen, der dir die Welt war, niemals mehr sehen, sprechen, nie mehr mit ihm reden, weinen, schlafen können. Er ist fort, ausgelöscht, eine abweisende Gestalt aus Stein, die dir nicht einmal mehr sagen kann: Weine, leide, mein Herz, auf dass du meine Seele mit dir fortträgst und ich für dich zum bloßen Gegenstand werde. Die Sehnsucht will, dass der Tod nicht das letzte Wort sei, aber er ist es und verwandelt die Menschen und ihre Beziehungen.

In dieser Welt ist jede Antwort Geburtshelfer wenigstens einer neuen Frage.

Ist der Preis der Fruchtbarkeit der Todschlag, Preis der Schönheit eine universelle Gewalttätigkeit.

Nur einmal die Stärke eines Gottes spüren, der uns beim Abschirren unserer Gedanken hilft; nur einmal mehr sein als dies lächerliche Streichholz, kurz aufflammend in ewiger Nacht, umzingelt von finsterstem Nichts...

Erzeugt nicht jeder Verzicht, Tom – eine Sehnsucht?

Um Dir von dieser Sehnsucht zu berichten, davon, wie sie mich in Venedig überwältigte, was ich dort erlebte: deshalb bin ich hier. Gleich zu Anfang, dass ich Dir das Versprechen abnahm, mich nicht zu unterbrechen, einfach reden zu lassen. Bin ich doch einer, die den Faden meist nicht wiederfindet, hat man ihn einmal unterbrochen.

Erneut gefragt: einverstanden…?

La Serenissima

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