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1: Frühling im ewigen Eis

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Ein kleiner, dicker Pinguin wanderte über das raue Eis des Meeres. Er war auf dem Weg zum Brutplatz seiner Familie.

"Puuh, puuh! Heute ist es aber wieder furchtbar kalt!", schimpfte er plötzlich. Dabei schüttelte er sich heftig. Als das nichts half, versuchte er, sich mit ein paar Bewegungen seiner Flossen warmzumachen. Schließlich fühlte er sich wohler.

"Heh, wo kommst du denn so früh her?", brummte es ihm entgegen. "Kaum zu glaupen, dass ihr Pinkeline mit so wenig Slaf ausgommt!" Es war eine hellbraun gefärbte Robbe, die auf einem schmalen Felssims lag. Sie blähte den dicken Hals gewaltig auf. Man sah ihr geradezu an, wie erstaunt sie war.

"Pin-gu-ine heißt das, Wendy, Pinguine! Merk es dir doch endlich!", sagte der kleine, dicke Pinguin verärgert. Die Robbe Wendy war aber auch zu dumm! "Da wunderst du dich, was? Wir Pinguine sind halt was ganz Besonderes!", fuhr er fort. "Außerdem können wir richtig sprechen. Jawohl, richtig! Solche Fehler, wie sie dir passieren, machen wir nicht! Jetzt gehst du schon drei Jahre in die Robbenschule und hast es noch immer nicht einwandfrei gelernt."

"Einkepiltedes Saf!", brummte Wendy. "Dafür bin ich so schtarg, dass ich euch Pinkeline als Bälle für mein Pink-Ponk-Schbiel benützen gönnte, das ich an meinem Kepurtsdak gesenkt begommen hape."

Wütend drehte sie sich um und senkte ihr mächtiges Haupt. Dazu ließ sie ein tiefes Bellen erschallen.

Der kleine, dicke Pinguin hatte es gar nicht böse gemeint. An sich war er gutmütig und bei den meisten Tieren beliebt. Aber heute hatte ihm wieder einmal die Kälte die gute Laune verdorben. Das kam gelegentlich vor - sogar bei den Pinguinen! - und da sehnte er nichts so sehr herbei als einen Umzug in wärmere Gefilde. Aber wo sollte er schon hinziehen? Seine Heimat war nun einmal das Land des ewigen Eises.

Er stapfte forsch weiter. Die Großmöwen kreischten heiser und auch das Krächzen der in langen Reihen auf den Felsen und Klippen sitzenden Kormorane ließ sich vernehmen. So gelangte er schließlich an den Brutplatz.

"Na, da bist du ja, Pa!", wurde er sogleich begrüßt. Man hatte ihn ungeduldig erwartet. "Hast du uns was zu futtern mitgebracht?"

"Selbstverständlich!", rief der dicke Pinguin, der übrigens Watschel hieß. "Ist doch Ehrensache! Bin ich schon mal mit leerem Schnabel zurückgekommen? Ein paar prächtige Fische habe ich für euch!"

Stolz spuckte er sie aus und warf sie mitten in das Steinnest, das seine Familie bewohnte. Es war eine gemütliche Nestmulde, um die sie kleine Kiesel gelegt hatten, um einen natürlichen Schutzwall zu bilden. Mit Schnäbeln und Füßen hatten sie gearbeitet, er und sein Frauchen.

"Sie" war nicht ganz so dick, dafür aber ein ausnehmend hübsches Pinguinweibchen. Der zierliche Kopf mit dem kurzen, schwarzroten Schnabel hatte die Form eines Keils. Er war dem Dicken zuerst aufgefallen, als er vor ein paar Jahren auf Brautschau gegangen war.

Das weiß-schwarze Gefieder, die weißen Augenringe und die schwarze Kehle bewiesen, dass sie zu den Adeliepinguinen gehörte. "Willst du es mit mir versuchen?", hatte er sie kurzerhand gefragt. "Du wirst es nicht bereuen!"

Das Pinguinmädchen Watscheline hatte es mit ihm versucht und tatsächlich nicht bereut. Schon nach kurzer Zeit hatten sie zwei Junge bekommen. Stapf und Patsch hatten sie die beiden genannt und stolz, sehr stolz waren sie danach, wie alle anderen jungen Eltern auch. Das Pinguin-ABC lernten die beiden im Handumdrehen und auch sonst hatten sie sich recht geschickt angestellt. Nun kam es darauf an, die Umwelt zu studieren und die Lebensbedingungen kennenzulernen. Frau Pinguin hatte sich damals ein paar Tage vom Fasten, Balzen und Eierlegen am Meer erholen müssen, während der brave Watschel den Nachwuchs zu versorgen hatte.

In der Zwischenzeit stand er tausend Ängste aus, denn Pinguine leben nicht ungefährlich, wie wir noch sehen werden. Und seiner guten Frau sollte doch nichts passieren!

Wieder einige Zeit später vergrößerte sich die Familie erneut. Den Eiern entschlüpften Dicky und Pinky, zwei Pinguinmädchen. Im Gegensatz zu den Erstgeborenen interessierten sie sich vor allem fürs Fressen und Faulenzen.

Der dicke Watschel hatte seine liebe Mühe, täglich das Allernötigste herbeizuschaffen, um ihren schier unersättlichen Hunger zu stillen. Und wenn die Kleinen bei nahezu allen Mahlzeiten sagten: "Ich bin ja so....", unterbrach er sie stets auf die gleiche Weise: "Soooo was? Seid endlich still, ihr Gören!"

"Was du nur hast, Pa?", maulten sie dann. "Wir wollen doch nur sagen, dass wir satt sind." Für gewöhnlich war dann wieder alles im rechten Lot.

Die Pinguine hatten zunächst Mühe gehabt, den beiden Nesthäkchen das Wichtigste beizubringen. Doch wie man die Nahrung aufnimmt und verdrückt, das hatten sie wirklich sehr schnell herausgekriegt. Jetzt waren aber auch die beiden Kleinen aus dem Babyalter herausgewachsen. Es wurde höchste Zeit, sie in die Pinguinschule zu schicken.

Noch bevor es dazu kommen sollte, brütete die Frau des dicken Watschel zum dritten Male zwei Eier aus und der Papa war gespannt wie alle werdenden Väter, nur recht bald zu erfahren, was es denn diesmal werden sollte.

Eifrig stand er schon am frühen Morgen auf, verließ das gemeinsame Nest und machte sich auf, um für Nahrung zu sorgen. Meistens war er allein um diese frühe Stunde und war dann immer ganz stolz, wenn seine Watscheline ein paar anerkennende Worte für ihn hatte. Auch heute sagte sie: "Tüchtig, tüchtig, mein Bester! Du weißt halt genau, was wir brauchen!"

"Halb so schlimm!", wehrte er bescheiden ab. "Die dummen Fische habe ich sozusagen im Spaziergang erwischt." Das stimmte nicht ganz, denn er hatte ganz schön lange gebraucht, um sie zu kriegen. Noch dazu hatte er sich ziemlich weit ins Meer vorwagen müssen und seine Frau hätte das sicher nicht wissen dürfen, sonst hätte sie sich Sorgen um ihn gemacht. Ab er Watschel neigte gern ein wenig zum Übertreiben.

"Du, Papa!", rief Pinky plötzlich. "Ich hab ein neues Gedicht gemacht. Willst du's hören?" Pinky dichtete für ihr Leben gern, allerdings nach dem Motto "Reim dich oder ich fress' dich!" Wenn sie ein paar neue Reime gefunden hatte, ließ sie keine Gelegenheit aus, sie Eltern und Geschwistern vorzusprechen. Es kam sogar vor, dass sie sie den Nachbarn vorsprach, was dazu führte, dass die Watschels an sich nur selten Besuch bekamen.

Watschel kam erst gar nicht dazu, zu überlegen, ob er "Ja" oder "Nein" sagen sollte. Pinky hatte sich schon in Positur gestellt und angefangen:

"Pi-pa-po, pi-pa-po,

den Papa juckt's am Po.

Fli-fla-flo, fli-fla-flo,

die Mamma zwickt ein Floh.

Der Stapf mit seinem Frack,

macht immer nur Schnick-Schnack.

Und Patsch, der arme Wicht,

ist dumm und merkt es nicht.

Kli-kla-klo, kli-kla-klo,

die Dicky sitzt am Klo.

Pinky macht nun Schluss,

hoffentlich war's ein Genuss."

"Das kann man wohl sagen!", meinte Watschel mit süß-saurem Lächeln. "Du hast uns ja alle in deine Verse einbezogen! Ich glaube aber, dass es nicht für alle ein Genuss sein wird."

"Ach, du denkst jetzt gewiss an die Großen!", sagte Pinky gleichmütig (und wie es schien, ein wenig von oben herab). "Die haben eben ihr Fett weggekriegt. Sonst werden sie ja geradezu größenwahnsinnig."

"Na, na, na!", brummte Watschel begütigend. "Sie sind eben schon ein bisschen älter als du und..." - "Älter schon, aber nicht gescheiter!", fiel ihm da Dicky ins Wort. "Pinky hat schon recht! Erst heute waren sie wieder unausstehlich! Wir wären auch gerne mit ihnen zum Rodeln gegangen, doch uns haben sie sitzen gelassen!"

"Weil sie uns nicht brauchen können!", sagte Pinky. "Wir sind ja noch soooooo klein!" - "Waaas?", fragte Watschel erstaunt zurück. "Wo sind sie hin?" Er legte die Stirn in Falten, wie er es immer tat, wenn er sich Sorgen machte, es aber nicht zugeben wollte. "Zum Rodeln? Ich hör' wohl nicht richtig?"

Mutter Pinguin winkte besänftigend ab. "Ja, genau! Da kann doch nichts passieren!"

"Hast du eine Ahnung!", sagte Watschel. "Das kommt drauf an, wo sie hin sind. An manchen Orten..."

"Du musst nicht immer gleich schwarz sehen!", sagte seine Frau. "Denk doch zurück an deine ersten Jahre! Du warst doch auch oft beim Rodeln!"

"Eben!", meinte Watschel. "Gerade darum weiß ich, was dabei passieren kann. Im übrigen war das bei mir etwas ganz Anderes. Wir lebten damals noch auf einer wirklich ungefährlichen Insel."

Er rückte ein paar Kieselsteinchen zurecht, betrachtete liebevoll das Nest und sagte dann: "Sollen sie also ihren Spaß haben. Nachmittags müssen sie ja sowieso in den Unterricht. Ich werde sie aber nachher suchen gehen."

In der Umgebung war inzwischen gleichfalls das Leben erwacht. Die Luft schien für Augenblicke von den Schreien der schwarz-weiß-befrackten Vögel zu erzittern. Manche schienen sich regelrecht zu unterhalten, denn es hatten sich kleine Gruppen gebildet, die sich anschnatterten, elegant voreinander verbeugten und mit den ruderartigen Flügeln schlugen, so als wollten sie dadurch ihr Gespräch untermalen. Man nickte mit dem Kopf, warf den Schnabel zurück und zog dann weiter, geradeso, als wollte eine Gruppe die andere an Schnelligkeit überbieten. Die meisten Männchen gingen, ähnlich wie Watschel, auf Nahrungssuche.

Die stattliche Brutkolonie der Adeliepinguine befand sich auf einer geschützten, kleinen Felseninsel und Watschel war der Meinung, dass es einer der besten Plätze war, auf denen er jemals gehaust hatte. Viele, viele Kilometer waren sie gewandert. Vom offenen Meer her kommend, mussten sie erst den breiten Gürtel des Packeises bezwingen, ehe sie überhaupt in der Lage waren, die hohe Barriere des Festlandes zu erreichen. Sie waren tagelang unterwegs und das Laufen war ihnen sehr schwer gefallen, weil sie ja mindestens sechs Monate beständig im Meer geschwommen waren, um den strengen Winter zu verbringen.

Es war Frühling in der Arktis, im Land des ewigen Eises! Und das im Monat Oktober.

WATSCHELS GEHN AUF REISEN

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