Читать книгу WATSCHELS GEHN AUF REISEN - Gerd Frank - Страница 5

2: Eine gefährliche Schlittenfahrt

Оглавление

"So, jetzt reicht es!", seufzte Watschel mit einem Mal. Er unterbrach seine Lieblingsbeschäftigung, nämlich, Dicky und Pinky zu necken. "Ich schau mal nach den Großen." Vielleicht konnte er sogar mitmachen, wenn es recht toll herging. Rodeln hatte ihm immer Spaß gemacht. Doch das brauchte er ja nicht zu sagen. Mutter Pinguin gab ihm einen liebevollen Klaps und sagte: "Kommt aber nicht zu spät. Heute mittags gibt es Krebse."

"Hm, hm!", machte Watschel, wobei ihm das Wasser im Munde zusammenlief. Krebse waren seien Lieblingsspeise! Da musste man pünktlich sein! "Wird gemacht, also bis bald!" Und schon war er unterwegs.

Er spazierte durch die riesige Kolonie, hielt hier ein Schwätzchen, da einen Plausch und machte sich dann auf den Weg zum Felsplateau. Dort vermutete er seine beiden Racker am ehesten. Vom Meer her vernahm man die gewaltige Brandung.

In der Tiefe gab es einige hohe, kegelförmige Klippen, gegen die die Brandung schlug, die die Felsen mit Gischt und feinem Sprühregen überschüttete. Watschel konnte mehrere Robben dort ausmachen und dachte bei sich: "Gewiss wird Wendy auch dabei sein. Ich schau mal bei ihr vorbei und entschuldige mich wegen heute Morgen."

Gemächlich kletterte der kleine, dicke Pinguin in die Tiefe. Er begegnete einem Pelikan, der ihn mit einem dumpfen Basston begrüßte. "Tag, Watschel! Was hast du denn vor?"

"Grüß dich, Blanco!", rief Watschel. "Ich will zum Steilhang hinab, vielleicht finde ich Wendy dort unten. Hast du die Post heute schon verteilt?"

Blanco war nämlich einer der wichtigsten Briefträger der Felseninsel, er beförderte die Luftpost. Der andere Postler war Willy, das Walross. Er war der 'Schiffskurier'.

"Aber sicher!", bejahte Blanco und es klang ziemlich stolz. "Du weißt ja: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen! Übrigens, für dich war nichts dabei."

"Kann ich mir schon denken!", brummte Watschel. "Wer schreibt uns schon! Und wenn es was neues gibt, erfahre ich es auch aus der Zeitung. Unsere 'Pinguin-Presse' ist ja weltberühmt."

"Eben, eben!", meinte Blanco. "Ich habe die heutige Ausgabe bei deiner Frau abgeliefert. Sie ist ziemlich umfangreich. Da wirst du eine Weile beschäftigt sein, bis du die gelesen hast!"

Er flog davon und Watschel blickte ihm sehnsüchtig nach. "Fliegen müsste man können!", dachte er. "Das ist halt noch mehr wert, als schwimmen. Ob es stimmt, was der Lehrer mal gesagt hat? Dass wir Pinguine früher einmal, vor vielen, vielen Jahren, auch fliegen konnten? Aber - warum haben wir es dann verlernt?"

Als er die Hälfte des beschwerlichen Abstiegs hinter sich gebracht hatte, konnte er Wendy deutlich sehen. Sie befand sich tatsächlich unter den Robben, die dort schliefen. Einige hatten sich hundeartig zusammengerollt und ihre Schnauze dicht an den Bauch gelegt; andere schienen miteinander zu spielen.

Schließlich hatte er es geschafft, er war ganz unten angekommen. Mühsam keuchend baute er sich vor der schlafenden Wendy auf und blies ihr sanft ins Ohr. "Tut mir leid, Wendy!", sagte er, als er sie aufgeweckt hatte. "Hab's nicht so gemeint heute Morgen! Diese Hundekälte ist aber auch wirklich kaum zu ertragen."

"Ach, du pist es!", knurrte Wendy. "Der Pinkelin!" Sie bleckte die Zähne. "Ich war kerade so sön beim Slafen. Da gommst du und wöckst mich auf." Insgeheim aber fühlte sie sich geschmeichelt. immerhin hatte sich der eingebildete Pinguin entschlossen, sie um Entschuldigung zu bitten. Und er hatte sogar einen weiten, beschwerlichen Weg machen müssen, um das zu tun. Da konnte man sich schon versöhnlich zeigen.

Wendy war nun mal nicht nachtragend, das war ein schöner Zug von ihr. Watschel lächelte sie kurz an, obgleich er sich schon wieder über das Wort 'Pinkelin' geärgert hatte, und fragte dann unvermittelt: "Sag mal, Wendy, meine Großen hast du nicht zufällig gesehen, was?"

"Nein, keine Ahnunk, wo die schteggen!", brummte Wendy. "Die musst du son selber suchen. Vielleich sind sie weiter oben, denn hier an den Glibben ist es nicht kanz unkefährlich. Die Schteilgüste ist nun mal nichts für euch Pinkeline. Son gar nichts für die Gleinen."

"Na schön!", sagte Watschel. "Dann also bis zum nächsten Mal. Und nimm dich in Acht vor dem Walross. Du weißt ja, dass mit dem nicht gut Kirschen essen ist." Er drehte sich um und mache sich erneut an den Aufstieg.

Als er sich nach einiger Zeit wieder umschaute, bemerkte er, dass Wendy schon wieder eingeschlafen war. "Potz Blitz, die ist aber faul heute!", brummte er vor sich hin. "So schön möchte ich es auch einmal haben."

Als er schließlich wieder ganz oben angelangt war, entdeckte er ein paar Skuas in der Luft. Ds sind dunkle, rußgraue Raubmöwen mit kräftigen Hakenschnäbeln, die die Wanderungszüge der Pinguine frech begleiten und dabei emsig nach Beute spähen.

Häufig kommt es sogar vor, dass sie sich dreist ihre Nester mitten unter den Brutstätten der Pinguine bauen, um insbesondere den Jungen möglichst nahe zu sein.

"Freches Gesindel!", dachte Watschel bei sich und jetzt bekam er doch ein wenig Angst. Wie nun, wenn Stapf und Patsch von einigen Skuas angefallen worden waren? "Wagt euch nur ja nicht in meine Nähe!", drohte er plötzlich. "Ich rate euch dringend, es nicht zu weit zu treiben. Meine Geduld ist erschöpft." Der friedliche Watschel hatte sich unverhofft in Zorn geredet. Wie um seine Worte zu unterstreichen, hob er seine Flossen. Doch das sah eher komisch aus, als dass man ihn hätte fürchten müssen.

Seine Angst war indes unbegründet, denn eben als er einen besonders platten Felsen erklommen hatte, drang ihm fröhliches Schnattern um die Ohren und er erblickte Stapf und Patsch, seine beiden Ältesten. Noch ein paar andere Pinguine aus ihrer unmittelbaren Nachbarschaft waren bei ihnen und sie schienen sich ganz ausgezeichnet zu vergnügen. Einige warfen sich in den Schnee und wälzten sich darin herum, andere peitschten mit ihren Ruderflügeln die Luft, um die ruckartigen Bewegungen ihrer Körper zu beschleunigen. Dann sausten sie wie kleine Schlitten über die Fläche und der Schnee stob heftig auf. Das war es, was die Pinguine mit 'Rodeln' bezeichnen und sie haben nicht einmal unrecht damit.

Den Jungen schien es irrsinnig viel Spaß zu machen und Watschel musste mehrmals rufen, bis sie ihn vernahmen. Fröhlich winkten sie ihm zu und da konnte er nicht länger widerstehen. Obwohl er vorgehabt hatte, sie sofort zum Gehen zu bewegen, entschloss er sich, ein bisschen mitzumachen. Stapf und Patsch sollten sehen, dass ihr Vater noch nicht zum alten Eisen zählte!

Kopfüber stürzte er sich hinein ins Vergnügen. Er schlug erst einmal ein paar Purzelbäume und gleich wurde es ihm warm. Als auch er ein paar Mal über die glatte Fläche gesaust war, merkte er, dass ihn die Jungen bewundernd anblickten. Das machte ihn stolz und kühn. Immer toller wurden seine Fahrten und schließlich glaubte er, eine grandiose Idee zu haben.

"Heh, Kinder!", rief er plötzlich. "Kommt, wir machen uns eine Eisbahn!"

"Eine Eisbahn?", wiederholten die Jungenneugierig. "Das wäre toll! Ab er wie machen wir das?"

"Das will ich euch sagen!", sagte Watschel mit der Miene eines Mannes, der das schon hundertmal erprobt hat, und erklärte ihnen seinen Plan. Die Jungen hörten aufmerksam zu und waren begeistert. "Oh ja, das machen wir!", riefen sie schließlich und dann ging es los.

Sie suchten sich einen Abhang und rutschten ihn hinunter, immer und immer wieder. War das ein Spaß! Es kam zwar manchmal vor, dass der eine oder andere einen Purzelbaum schlug (Patsch fiel sogar einmal kräftig auf die Nase), doch das konnte ihnen die Freude nicht verderben.

Sie wurden immer ausgelassener. So konnte man den Winter aushalten! Mit der Zeit wurde der Boden glatt und glatter. Schließlich war die Fläche total vereist und der Abhang eine einzige Eisbahn - genauso, wie es sich Watschel vorgestellt hatte.

Das Dumme war nur, dass der Weg dadurch verlängert worden war. Er führte an zwei Klippen vorbei ins Meer. Weil sie schnell wie der Blitz nach unten sausten, gelang es ihnen auch nicht, rechtzeitig zu bremsen. So kam es, dass jeder jedesmal ein unfreiwilliges Bad nehmen musste - selbstverständlich auch Vater Pinguin. Sie wurden nicht müde davon und es machte ihnen offenbar gar nichts aus, dass sie nachher wieder einen beschwerlichen und anstrengenden Aufstieg vor sich hatten.

Stapf hatte gerade wieder eine tolle Rutschpartie hinter sich, als er merkte, dass er geradewegs auf eine der beiden Klippen zuraste.

"Pass auf, Stapf, pass auf!", rief Watschel noch, der ihm zugesehen hatte. "Mehr nach rechts!" Doch die Warnung kam zu spät. Stapf konnte nicht mehr ausweichen. Er überschlug sich und donnerte an die Klippen.

Benommen blieb er liegen.

Augenblicklich war das fröhliche Spiel zu Ende. Besorgt eilten die Freunde an die Unglücksstelle, um zu sehen, wie es mit Stapf stand.

Papa Watschel aber klopfte sich an die Stirne und jammerte: "So was Dummes! Hätte ich euch nur nicht auf diese verrückte Idee gebracht!"

Es war indes noch einmal gut gegangen. Der Überschlag hatte Stapf vor Schlimmerem bewahrt, denn er war nur mit seiner unempfindlichsten Stelle, dem Po, auf die Klippe geprallt. Rasch stellen sie fest, dass Kopf und Flossen unverletzt geblieben waren.

"Du hast Glück gehabt, mein Junge!", flüsterte Watschel, als Stapf die Augen aufschlug und noch etwas belämmert in die Runde blinzelte. "Das ist gerade nochmal gut gegangen."

Stapf stand, endlich wieder auf beiden Beinen, wenn auch noch immer etwas wacklig. Der Schreck saß ihm noch immer in den Knochen.

"Ach, herrjemineh!" Watschel schlug sich in komischer Verzweiflung erneut an die Stirn. "Bestimmt ist das Essen schon fertig. Es ist höchste Zeit für uns, nach Hause zu gehen. Und noch etwas. Ich glaube, es ist am besten, wenn wir Mama nichts davon erzählen. Sonst frisst sie uns mit Haut und Haaren."

"Keine Angst, Chef!", sagte Patsch und klopfte ihm auf die Schulter (bisweilen nannten sie ihn so). "Auf uns kannst du dich verlassen. Stapf kann sich ja nachmittags in der Schule ausruhen. Heute haben wir ja sowieso nur Familienkunde, und da kennt er sich sehr gut aus. Dann wird Mama schon nichts merken."

Watschel warf noch einen letzten Blick auf die 'Eisbahn', dann sagte er kleinlaut: "Alter schützt vor Torheit nicht - das hat Großmutter manchmal zu Großvater gesagt. Und ich hab nie so recht gewusst, was sie damit gemeint hat.

Jetzt weiß ich, dass sie Recht hatte."

"Schon gut, Papa!", murmelte Stapf jetzt. "Es war ja nicht deine Schuld. Du hattest es gut gemeint. Deine Idee war im Grunde großartig."

"Sprich nicht mehr von dieser verrückten Idee!", sagte Watschel grimmig. "Ich werde mir ewig Vorwürfe machen. Und ihr - ", damit wandte er sich an die Umstehenden, "vergesst am besten, was heute hier geschehen ist. Rodeln könnt ihr, aber nicht auf Eisbahnen, hört ihr? Das müsst ihr mir versprechen."

"Aber ja! Klar! Selbstverständlich!", schnatterten die Jungen durcheinander und man konnte sehen, dass es ihnen ernst damit war. Watschel war eine Respektsperson: Er genoss hohes Ansehen in der Brutkolonie.

"So, und nun wollen wir aufbrechen!"

Stapf und Patsch verabschiedeten sich von ihren Freunden und watschelten hinter ihrem 'Chef' her.

WATSCHELS GEHN AUF REISEN

Подняться наверх