Читать книгу Der auf den Menschen geprägte Graupapagei - Gerd H. Hoffmann - Страница 7

Der neue Weg – auf Augenhöhe des Vogels

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Damit Rosi in unserer Wohnstube nicht nur fliegt oder an den Möbeln Unfug treibt, baute ich ihr schon vor langer Zeit aus Kirschzweigen ein Klettergestell auf ihren Käfig. Damit schufen wir ihr über viele Stunden am Tag die Möglichkeit, frei nach Lust und Laune zu klettern, auch Rinde abknabbern zu dürfen und nicht gefangen im Käfig warten zu müssen, dass sie mal für eine Stunde am Abend raus darf, wie es leider mancher Vogel-Halter aus Zeitgründen praktizieren muss.

Das Klettergestell ist so konstruiert, dass ich problemlos den Ast auswechseln kann, auf dem sie besonders gern sitzt und dessen Rinde als erste abgeknabbert wird. Ein Gartenfreund lässt mich schon einige Jahre seinen großen Kirschbaum nach und nach auslichten. Der Gedanke Rosi einen bedeutend größeren Käfig zu kaufen, wurde mit dem Bau des Klettergestells hinfällig. Zum einen wartet Rosi ja während unserer Abwesenheit geduldig und bewegt sich dabei kaum von der Stelle, zum anderen kommt sie in der Regel sofort raus, wenn wir zu Hause sind und ist stundenlang frei unter uns. Der Käfig mehr oder weniger nur Futter- und Schlafplatz. Wir lassen sie, als eine der Veränderungen, mit den notwendigen kleinen Abstrichen, in ihrer kleinen Welt relativ selbstbestimmend entscheiden, was sie tun oder nicht tun will. Klar bedeutet das für meine Frau oder mich vom Vogel oft zur Beschäftigung aufgefordert zu werden; unaufhaltsam mit beiden Beinen auf diesem neuem Weg, nach dem Takt des Vogels zu marschieren.

>Graue< sind neben ihrer arttypischen Eigenwilligkeit sehr dominant, deshalb mussten alle Schritte unseres neuen Weges besonders gut durchdacht werden. Unterordnen und Parieren – wie ich das von meinen Schäferhunden kannte – das gibt es bei Rosi in dieser Form kaum. Nur wenn eindeutige Vorteile für sie erkennbar sind, kann man unter Vorbehalt manchmal denken, sie würde „Gehorchen“. Obwohl Graupapageien seit Jahrhunderten Einzeln als Heimtier gehalten werden, ein typisch domestiziertes Haustier haben sie zu keiner Zeit aus sich machen lassen. Spätestens dann, wenn man sie disziplinieren will, kann man sein blaues Wunder erleben. Kann das, was mühevoll an Vertrauen aufgebaut, ganz schnell für lange Zeit im Gegenteil enden und die Beziehung infrage stellen. Weil damit die rote Linie der Wildnis überschritten wird. Jeder >Graue< das instinktiv als Angriff des Rivalen gegen seine Persönlichkeit sieht. Rosi ist auch nur selten dazu bereit, sich unserem Willen zu beugen, klammert sich oft an das, was wir als Geduldsfaden bezeichnen. Lässt uns deshalb meistens zur List greifen, damit unser Ziel zu erreichen. Und diese Methode lenkt ab und ist somit für das Vertrauen zur Gemeinschaft Gold wert.


Rosi auf ihrem Klettergestell – in der feuchten Nebel-Luft beim Holzknabbern.

Ein Graupapagei, mit starken Persönlichkeitsmerkmalen auf der einen Seite, extremer Vorsicht, Scheu und Misstrauen auf der anderen Seite, ist natürlich nicht einfach zu handhaben. Man fängt sich schnell mal einen Schnabelhieb ein, wenn die allgemeinen und speziellen Regeln nicht bekannt oder eingehalten werden. Ich finde das gut so und lasse ihm mit Fingerspitzengefühl diese Freiheit. Die aus meiner Sicht für sein eigenes Ich, in der Gemeinschaft respektiert und anerkannt, eine eigene Rolle zu spielen, sehr wichtig zu sein scheint und seinem Wesen entspricht. Wobei ich allerdings sagen muss, dass heute hauptsächlich ich derjenige bin, der diese Hiebe einstecken muss und täglich die eine oder andere Schramme davonträgt. Ich beschäftige mich sehr viel mit Rosi, bin ihr Kumpel, aber auch der, der das Sagen in der Gemeinschaft hat. Und wo „gehobelt“ wird, da fallen eben auch Späne.

Die gemeinsame tägliche Beschäftigung mit Rosi steht für die Weiterentwicklung ihrer Intelligenz, ihrer Persönlichkeit, an erster Stelle. Deshalb nutze ich bewusst ihre arteigene Neugier, sie recht viele Erfahrungen mit ihrem Umfeld und sich selbst zu machen und gliedere die Beschäftigung in zwei Bereiche. Im ersten ist es eine zielgerichtete Beschäftigung, wo ich die „Fäden“ ziehe, wo ich zum Beispiel ihr großes Interesse mit unseren Lauten zu kommunizieren fördere oder wo sie mit mir gemeinsam Neues kennen lernt; wo ich ihr als Kumpel bei der Lust am Entdecken ihres Umfeldes Hilfe und vertrauensvolle Unterstützung gebe; wo sie bei der Angst- und Misstrauensbewältigung den erforderlichen Halt bei mir sucht und findet. Ihre beim Begutachten, Untersuchen und Beknabbern gezeigten Aktivitäten, dienen aber zuerst der Befriedigung ihres enorm großen Sicherheitsbedürfnisses.

Außerdem darf ich ja niemals vergessen, dass Rosi mit mir und ihrem Umfeld, in einem sehr wichtigen Prägungsabschnitt, über Jahre schlechte Erfahrungen gesammelt hat. Die keinesfalls ihrer Seele dienlich waren und Spuren hinterlassen haben. So gehe ich bewusst nur in kleinen Schritten vor, versuche sie zu überzeugen oder eben zu überlisten. Denn zwingen lässt sich ja ein Tier der Wildnis ohne Quittung kaum. Im zweiten Bereich lasse ich sie aus eigenem Antrieb, ohne mein Zutun, ihr Umfeld erkunden und Erfahrungen sammeln – beobachte sie nur heimlich. Sie schöpft dabei aus ihrem Bewusstseinsspeicher und beschäftigt sich mit Dingen, die sie kennt, die wir irgendwann gemeinsam als gefahrlos eingestuft haben; wagt sich aber auch mutig an das bisher noch Unbekannte heran. Untersucht aber nur so lange vorsichtig, bis sie von ihrer Überlegenheit, dem Neuen gegenüber, überzeugt ist. Sie aus erwähnten Sicherheitsgründen keine Gefahr erkennen kann. Erst ab diesem Zeitpunkt und nur dann, wo sie absolut über den Dingen steht, entwickelt sich daraus eine Art erhabenes Vergnügen. Wo unverwechselbar ihre Dominanz und Stärke zu erkennen ist. Jeder noch so kleine Erfolg ist dabei sehr wichtig für sie. Das Beklopfen von Gegenständen mit dem Schnabel, zähle ich ausschließlich zu den Gesten ihrer Selbstsicherheit. Nur in absolut guter Stimmung und nur an den bereits bekannten Gegenständen vollführt sie diese Demonstration ihrer Selbstsicherheit.

Rosi ganz allein gibt mir oft zu erkennen, was für sie hochinteressant ist, welcher Situation sie sich gewachsen fühlt. Die Sprühflasche für den morgendlichen „Urwaldregen“, von der sie auch besprüht wird, wenn sie keine Lust dazu hat, entwickelte sich in ihren Augen offensichtlich zum Staatsfeind Nummer eins. Ich stelle ihr deshalb manchmal nach der Käfig-Reinigung die Sprühflasche auf den Tisch und erlebe eine selbstsichere Rosi. Die der Flasche zeigt, wer die „Hosen“ anhat, dabei regelrecht in Rage gerät, Dampf ablässt – somit eine für sie wichtige Rolle in ihrer kleinen Welt spielen kann. In der sie das uneingeschränkte Sagen auslebt. Ich wage mir zu behaupten, dass diese Form der Selbstsicherheit von großer Bedeutung für ihre Persönlichkeitsentwicklung ist. So wie die Kakadus unserer Bekannten mit einem Ball spielen, sich den Ball festhaltend auf den Rücken kullern, so selbstspielend habe ich Rosi nie gesehen. Das einzige Spielzeug sind ihre Glocke, die Kette und die Gardinenkordel am Käfig. An diesen Gegenständen lässt sie gern Dampf ab, bettelt aber auch die Glocke um zärtliche Zuwendung. Da sie dies alles mit der erlernten menschlichen Sprache tut, ihre Worte genau dieser Situation entsprechen, ist es stets ein sehr interessantes Schauspiel. Sie fragt die Glocke mit ganz zärtlicher Stimme und neigt dabei ihren Kopf: „Fein Krabbeln? – na komm“. Da ihr die Glocke ja keine geforderte Zuwendung geben kann, fängt diese einen kräftigen Schnabelhieb und sehr emotional die Worte: „Alte, haue ab, zieh Leine – Fräuleiin!“ Trifft die Glocke dann beim Zurückpendeln ihren Schnabel, sagt Rosi sofort: „Au, mein Kopf!“ Diese sprachliche Aufforderung zum Krabbeln, gelernt von meiner Frau, benutzt sie auch immer dann, wenn sie von meiner Frau oder mir gekrabbelt werden will. Aber, dass sie in der Lage ist diese Aufforderung eins zu eins zu übernehmen, die zärtlichen Erwartungen auch der Glocke gegenüber zum Ausdruck zu bringen, ist für mich schon Beweis, dass sie für ihr Bedürfnis Gedankenverbindungen aus ihrem Bewusstsein herstellen und auch in anderen Situationen zweckdienlich anwenden kann. Dass das nicht Nachplappern, sondern eine bewusst ausgeführte Leistung ihres Hirns ist. Dieses: „Au, mein Kopf“ kennt Rosi auch aus dem Zusammenhang mit meiner Frau, aber ohne Bezug zur Glocke. Oder wenn sie mir beim Saubermachen des Käfigs einen Hieb in die Haare verpasst, sage ich auch sehr emotional „Au, mein Kopf!“ Dass sie dann die gleichen Worte für eine völlig andere, vorher nie erlebte oder geübte Situation, in eine Beziehung setzen kann, zeigt mir, wie intelligent sie Zusammenhänge verknüpft.

Damit sie Laute nachahmen kann, hat sie die Natur mit einem Stimmorgan ausgestattet. Der Syrinx. Dem am Ende der Luftröhre, am Übergang zu den Bronchien ausgebildeten unteren Kehlkopf. Die ein- und ausgeatmete Luft kann dort über die an den Rändern der unteren Luftröhre befindlichen vier Membranen geführt werden. Mithilfe kleiner Muskeln können diese Membranen gespannt und von den Luftströmen zum Schwingen gebracht, Töne erzeugen. Diese Töne „formt“ die sehr bewegliche Zunge im Schnabel, mit jeweils kleinsten Veränderungen ihrer Position, in die gewünschten Laute. Durch die vier Membranen sogar in vier Frequenzbereiche. Was diese erstaunlich detailgetreue Wiedergabe der Laute bewirkt. Keinesfalls aber spricht der Papagei mit seiner Zunge, wie oft erzählt wird, sondern nur mit ihrer Hilfe. (Leicht verständlich erklärt) Das fanden das Team um Gabriel J.L. Beckers von der Uni Leiden schon vor vielen Jahren beim Graupapagei heraus. Aber warum für die typisch krächzende Verständigung untereinander, ein so ausgeprägtes Stimmorgan? Sogar die Luftströme gezielt über die Membrane führen zu können und mit der Zunge bewusst Laute zu formen? Ein Zufall der Evolution war das aus meiner Sicht nicht. Ein instinktivintelligentes Anpassungs- und Überlebenswerkzeug denke ich schon. So ist der >Graue< im Regenwald perfekt täuschend in der Lage Geräusche oder Tierlaute nachzuahmen, damit von sich abzulenken. Nutzt diese genetische Besonderheit als Kommunikation, als ein Werkzeug zum Überleben. Wenn wir den >Grauen< auf uns Menschen prägen, er mit uns Jahrzehnte zusammenleben soll, dann liegt es in der Natur der Sache, dass er seine Begabung, Laute nachzuahmen, auch mit menschlichen Lauten probiert. Was spricht denn dann dagegen, ihm dabei zu helfen? Kommunikation ist doch auch sozialer Beistand und der für eine starke Psyche das A und O! Wie soll eine soziale Gemeinschaft gesund wachsen, wie langfristig Vertrauen aufgebaut, wenn er mit seinen Lauten bei uns, und wir mit unseren Lauten bei ihm, kaum etwas bewirken können? Dieser intelligente Vogel der Wildnis hat diese Besonderheit in seinen Genen – die somit zu einem seiner Wesensmerkmale gehört. Diese instinktiv-intelligente Begabung zum beiderseitigen Vorteil auszubauen und zu nutzen, bietet sich doch regelrecht an? Er versucht es ja sowieso auch selbst, sich unserer Laute für seine Anpassungsstrategie zu bedienen. Ich sah es als wichtig, diesen Vorteil zu nutzen. Mit überwiegend situationsbezogener Verständigung so manche Unsicherheit zu entschärfen. Schon als Vogelkind haben wir das praktiziert, ohne mir damals der Tragweite unserer Aktivität bewusst gewesen zu sein. Und ich bin erstaunt, mit welcher Freude sie sich schon die ganzen Jahre mit unseren Lauten einmischt und damit wohlfühlt. Sie spricht ausgesprochen deutlich weit über 100 Wörter und mehr als 30 Sätze und nutzt das, uns ihr strategisches Können bei jeder Gelegenheit zu demonstrieren. Bedürfnisse oder Ängste mitzuteilen oder meine Frau mit ihrem Namen zu rufen, um ihre Zuwendung einzufordern. Und ich bin nach den vielen Jahren Erfahrung damit, überzeugt, dass unsere Aktivität, für unsere Einzelhaltung die richtige Entscheidung war.

Rosi steht fast jeden Tag, von etwa 20 Minuten bis zu sechs Stunden, an den offenen Balkontüren – je nach Witterung. Da sich vor den Fenstern ein Laubwald befindet, leben hier Meisen, Rotschwänzchen, Sperlinge, Elstern und in kalter Jahreszeit viele Krähen. Dabei ist mir aufgefallen: Nur die Vögel, die im Moment da sind und ihrem Standort ziemlich nahe kommen, vorwiegend die Sperlinge und Meisen auf der Dachrinne, ahmt sie perfekt nach. Will ihnen möglicherweise im Zuge ihrer Überlebensstrategie verständlich machen, dass sie auch dazugehört und friedlich ist. Aber, sie ahmt sowohl unsere menschlichen Laute als auch die der Vögel nur solange nach, wie wir in der Wohnung sind. Sind wir außer Haus herrscht absolute Stille, wie uns die aufpassenden Nachbarn berichten. Das heißt, sind ihre sicherheitgebenden Menschen dabei, wie in der Wildnis der beeindruckende Schwarm, wird imponiert und getäuscht. Es kann ja nichts passieren! Ist sie aber schutzlos auf sich allein gestellt im Käfig, verhält sie sich absolut ruhig, macht instinktiv nicht auf ihre Schutzlosigkeit aufmerksam. Vielleicht ist das in der Wildnis ähnlich? Als Elternvögel, während der Jungenaufzucht auf sich allein gestellt, kann es für das Überleben manchmal auch dienlicher sein, besser den Schnabel zu halten. Auch interessant: Das Nachahmen der Vögel oder unserer Laute wird nur bei geschlossenen Balkontüren im Wohnzimmer geübt. Sind diese offen, gibt es kein Üben, ist nur die Perfektion oder eben gar nichts zu hören.

Ihr intelligentes sprachliches Einmischen gereicht ihr, wie bereits beschrieben, nur zum Vorteil – sie würde es sonst auch nicht tun! Rosis Denkprozesse im Bewusstsein situationsbezogen mit menschlichen Lauten verständlich zu erleben, macht das tägliche Miteinander nicht nur leichter, sondern lässt uns unsere soziale Verantwortung auch schneller und intensiver wahrnehmen. Denn ihre sprachliche Aufforderung zum Krabbeln, würden wir ohne Aufforderung sicher oft unbemerkt zu kurz kommen lassen. Oder, wenn sie plötzlich ängstlich quiekt und sagt: „Rosi hat Angst“, weckt sie doch damit unbewusst unsere Aufmerksamkeit. Ihr ängstliches Quieken stammt aus für sie unsicheren Situationen. Die ihr meine Frau stets mit: „Rosi hat Angst“ bestätigte, und mit immer den gleichen Worten: „Hab keine Angst meine Gute, alles in Ordnung“, von uns beiden und natürlich anschließend noch von Rosi entschärft wird. Selbst wenn sie mal Kackern muss und nur dann „fein Kackern“ sagt, kann man sich auf ihr Bedürfnis einstellen und schnell Vorsorge treffen, auch wenn es manchmal in die „Hose“ geht, um hier nur einige Beispiele zu nennen.

Ihre Beweise des Dazugehören durch sprachliches Mitteilungsbedürfnis zur Fernsehzeit ertragen zu müssen, erfordert Nerven aus Drahtseilen und ist garantiert nichts für jedermann. Da Rosi fast immer in guter Stimmung ist, erfahren wir oft eine Stunde hintereinander sehr lautstark, was sie kann. Ohne Gnade! Fragen Sie jetzt nicht, wenn wir mal ein Glas Wein trinken oder etwas knabbern, was da zu ertragen und alles festzuhalten ist. Bevor sie sich nicht absolut sicher ist, das es wirklich nicht ihrem Geschmack entspricht, gibt es keine Ruhe. Und dieses Betteln muss man erlebt haben!

Wenn ich meinen Finger vor ihre Füße hielt und sie fragte: „Kommst du mit?“ so stieg sie meistens ohne Kommentar auf den Finger. Da sie sich aber manchmal auch nach unten beugte, ganz klein machte und mir damit signalisierte: „Ich will nicht“, fragte ich sie: „Nein?“ Heute höre ich oft in solchen, aber auch in vielen anderen Situationen ein „Nein“, wenn sie etwas nicht will. Beachte ich ihre deutlichen Signale nicht, kann es ohne Ankündigung passieren, dass ich einen Schnabelhieb fange. Sie hat es nun intelligent verknüpft, wenn sie „Nein“ sagt, wird sie in Ruhe gelassen, verzichtet oft sogar auf das Kleinmachen. Versteht es nur mit menschlichen Lauten bewusst ihre Ablehnung auszudrücken. Sitzt sie oben auf ihrem Klettergestell und ich öffne eine Schranktür, rufe ich stets: „Rosi komm mal her!“ Ist es ihr nicht interessant, sagt sie mir fast immer „Nein“. Habe ich aber mit der geöffneten Tür ihre Neugier geweckt, fliegt sie sofort auf meinen Finger. Lustig klingt es, wenn sie manchmal kurz vor dem Start noch „Komme“ ruft. Auch dies ist sehr intelligent durch Verknüpfung entstanden. Wenn ich meine Frau rufe, dann antwortet sie mit „Komme“. Rosi muss dann selbstverständlich auch sofort Christiane rufen und bekommt die gleiche Antwort. Wenn es an unserer Wohnungstür klingelt, ruft Rosi: „Komme“. Oder wenn meine Frau die Platzdeckchen aus dem Schrank holt, ruft Rosi laut: „Essen ist fertig“. Je situationsbezogener man immer die gleichen Worte verwendet, umso perfekter wird sich ein mit Freude integrierter Graupapagei beeilen, diese auch anzuwenden.

Ich persönlich halte wenig davon, dem Graupapagei mit buntem Spielzeug angewöhnen zu wollen, sich selbst zu beschäftigen. Rosi spielt oft mit meiner Frau morgens in der Küche. Aber nur, wenn die Situation für sie bekannt, optimal und gefahrlos abzulaufen scheint. Zu beobachten, wie wichtig es ihr ist von uns zu lernen, sie jede Kleinigkeit beobachtet, sich oft mit menschlichen Worten einmischt und ihre Bestätigung mit „Hm“ abgibt, ist schon faszinierend. Vor allem auch, wenn sie mich mit einem Kauderwelsch an kaum zu verstehenden Worten sehr lautstark provoziert. Die Erfolge des ständigen Lernens, der Beschäftigung und des Verarbeitens von Eindrücken, sind von den Genen und unserem Können abhängig – formten ihre Persönlichkeit. So sehe ich es nicht als Fehler, nach einem Schnabelhieb „Au“ zu sagen, dem Vogel seine Überlegenheit erkennen zu lassen. Für uns gehört das dazu und ist für seine Persönlichkeit wichtig. Diese Reflexe sind kaum steuerbar, wenn Rosi beim Saubermachen meine Unaufmerksamkeit „schamlos“ ausnutzt, mir beim Festhalten am Käfig einen Hieb in den Finger oder Kopf verpasst und somit bewusst mein reaktives Verhalten auslöst. Damit beweist, dass sie Denkprozesse für ihren Erfolg perfekt umsetzen kann.

Der auf den Menschen geprägte Graupapagei

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