Читать книгу KINDERMUND Max - Gerd Thieme - Страница 8
ОглавлениеDie Mutter von Max
Fahles Mondlicht fällt auf das Bild an der Wand und taucht die Big Five darauf in mystisches Licht: Elefant, Löwe, Leopard, Nashorn und Büffel. Daneben ein Filmplakat: Jenseits von Schweden. In Regalen tummeln sich die Tiere als Figürchen und in der Ecke steht ein riesengroßes Nashorn, auf dem man sitzen kann. Wir befinden uns in Afrika, es ist die Traumwelt von Max. Der liegt unter einer Bettdecke und widmet sich mit einer Taschenlampe seine Gutenachtlektüre: Tippi aus Afrika – das Mädchen, das mit den Tieren spricht. Tippi ist gerade dabei, sich mit ihrem besten Freund Abu, dem Elefanten, über ihre Abenteurer auszutauschen.
Laute Geräusche dringen aus dem Nebenzimmer, seine Eltern feiern irgendetwas, doch das stört Max nicht. Als es plötzlich sehr laut wird, schaut er ärgerlich unter seiner Decke hervor. Von dem Geschrei versteht er nur Brocken.
„Lass das!“ – „Ich wusste es.“ – „Hört endlich auf.“ – „Du bist der Idiot!“
Dann ein klatschendes Geräusch, ein Aufschrei und ein dumpfer Schlag. Max springt aus dem Bett und läuft hinüber. Mit einem Blick sieht er seinen Vater und einen Fremden. Auf dem Boden liegt seine Mutter und rührt sich nicht. In Panik schreit er: „Wir brauchen einen Arzt!“, und läuft aus der Wohnung, um stürmisch bei den Nachbarn zu klingeln. Das alte Ehepaar öffnet, sichtlich erschrocken.
„Max, du?“
„Meine Mutter ist tot, wir brauchen die Polizei.“
„Na, dann schlaf mal schön weiter, du Bengel. Mitten in der Nacht!“
Die Tür geht wieder zu. Max hämmert noch einmal dagegen, läuft dann aber aus dem Haus und einer Frau direkt in die Arme. „Sie müssen mir helfen, meine Mutter ist tot!“
Die Frau, es ist wieder die Kommissarin Sommer, macht sich von dem mit den Armen zuschlagenden Kind los. „Jetzt halt mal still, was ist los?“
„Kommen Sie schnell, meine Mutter ist tot.“ Max krallt sich an ihr fest und zieht sie mit sich.
„Ich komme ja, beruhige dich.“
Beide gehen ins Haus. Max brabbelt vor sich hin: „Ich muss ihr helfen … ich muss sie beschützen … jetzt ist es zu spät …“
Sie betreten die Wohnung, wo sich der Vater von Max gerade über seine noch immer am Boden liegende Frau beugt und sie schüttelt: „Was ist los, Ingrid, wach doch auf.“
„Da war noch einer!“, ruft Max aufgeregt
„Lassen Sie mich mal!“ Kommissarin Sommer nimmt den Mann zur Seite und beugt sich über die Frau. Aus ihrer Nase läuft Blut. Die Beamtin fühlt den Puls am Hals und scheint beruhigt. „Rufen Sie einen Krankenwagen, sofort!“
Zögernd erhebt sich der Vater von Max, er sucht sein Telefon und nachdem er die Adresse durchgegeben hat, blickt die Kommissarin ihn kritisch an: „Was ist hier passiert?“
„Wir haben uns gestritten, dann ist meine Frau plötzlich umgefallen und hat sich gestoßen. Und nun liegt sie da.“
„Da war aber noch einer!“, schreit Max wieder aufgeregt dazwischen.
„Lass das, Max“, sagt sein Vater, „du tünst doch schon wieder.“
Inzwischen kommen die Sanitäter und bahnen sich ihren Weg zu der bewusstlosen Frau durch: „Sie muss sofort in die Klinik“, und schon tragen sie die Verletzte aus der Wohnung.
„Und nun zu Ihnen, Herr –?“
„Klaus Strom“
„Herr Strom. Ich bin Kommissarin Sommer und Ihr Sohn hat mich zufällig auf der Straße aufgegabelt. Also, was meinen Sie mit Unfall‘? Diese Frau, bei dem blutverschmierten Gesicht, ist nicht so einfach hingefallen, nicht wahr?“
„Ich sagte es doch schon, es war ein Unfall“, wiederholt Strom hartnäckig.
„Sie kommen am besten mit aufs Revier und wir nehmen Ihre Aussage auf. Was geschieht mit dem Jungen?“
„Der kann zu den Nachbarn gehen, das tut er hin und wider. Die sind schon alt und sehr nett, die nehmen ihn gern.“
„Tut er aber nicht“, nuschelt Max bockig.
„Lassen Sie uns gehen, Herr Storm“, und zu Max gewandt: „Und du gehst zu den Nachbarn! Versprochen?“
Max nickt nur. „Alles klar.“
Die Kommissarin nimmt eine Visitenkarte aus ihrer Tasche und gibt sie Max. „Hier ist meine Telefonnummer, aber nur, wenn du mich unbedingt brauchst.“
Max nickt nur noch. Er bleibt allein zurück. Zu den Nachbarn braucht er gar nicht erst zu gehen. Da kommt sein Vater noch einmal zurück und gibt ihm einen kleinen Lederbeutel.
„Das ist meine große Medizin, du musst sie gut verstecken. Okay? Großes Indianerehrenwort! Sie wird dir helfen, wenn ich nicht da bin.“
„Ich bin kein Indianer mehr. Ich bin ein Watussi“, sagt Max
„Also gut. Dann Watussiehrenwort.“
„Okay, großes Watussiehrenwort“, sagt Max und gibt seinem Vater die Hand.
„Und mach bitte keine Dummheiten, Max“, sagt der Vater noch.
Max geht in die Küche, guckt in den Kühlschrank, trinkt dann einen Schluck Wasser.
„Zu den blöden Meiers gehe ich nicht“, brummelt Max vor sich hin, „die würden mich sowie nicht nehmen.“ Er macht das Fernsehgerät an – wo nur geredet wird – und wieder aus. Dann löscht er alle Lichter und beschließt, im Bett zu lesen, bis er müde wird. Angst vor der Dunkelheit kennt Max nicht.