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Von der Esskultur zur Sprachkultur

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Das nach dem Forum des Julius Caesar benannte Friaul ist eine Landschaft, in der die Geschichte, auch wenn sie Vergangenheit geworden ist, nicht stirbt. Vielmehr lebt sie in den Gebräuchen des Volkes und auch in mannigfachen Gewohnheiten, Kulturschöpfungen sowie im Furlanischen, einer eigenen romanischen Sprache, fort. Im Friaul sagt man demnach nicht buongiorno, sondern mandi, ein im übrigen Italien völlig unbekannter Gruß. Seine Herkunft ist ungewiss. Vielleicht leitet sich das Wort vom lateinischen manibus dei, also „in Gottes Hand“, ab.

Pier Paolo Pasolini hatte seine Wurzeln im Friaul. Auch die seines Denkens und seiner Sprache fußen hier. In der Sprache seiner friulanischen Mutter schrieb er die ersten Gedichte.

Pasolini setzte sich für das Furlanische oder auch Friulanische ein und forderte die Gründung einer „Academiuta di lenga furlana“. Nicht mehr vom Friulanischen als Dialekt, sondern als Sprache sollte die Rede sein.

Pasolini: „Der Dialekt ist die bescheidenste, die gewöhnlichste Ausdrucksweise, er wird nur gesprochen, keinem fällt ein, ihn zu schreiben. Doch wenn jemand auf diese Idee käme? Ich meine, mit dem Dialekt seine Gefühle, seine Leidenschaft auszudrücken? Wohlgemerkt, nicht, um Leute mit Dummheiten zum Lachen zu bringen oder ein paar alte Geschichten aus seinem Heimatdorf zu erzählen …, sondern mit dem Ehrgeiz, anspruchsvollere, schwierigere Dinge zu sagen. Wenn jemand diese Idee gut umsetzt und andere, die denselben Dialekt sprechen, seinem Beispiel folgen und so allmählich eine Menge schriftliches Material zusammenkommt, dann wird dieser Dialekt zur ‚Sprache‘.“ Und Pasolini gibt uns eine Lektion Friulanisch.

„Ich gehe das Vieh füttern und melken. Und du wirst mir helfen, sofort.“

„I vai a governà e molzi. E tu ven a judami, e subit.”

„Der Wille des Herrn geschehe!”

„Ch’a si fedi la voluntàt dal Signòur.“

„Lass mich in Ruhe.“

„Va e tàs.“

„Habt ihr schon zu Abend gegessen?“

„Vèizu belzà senàt?“

Aus: Pier Paolo Pasolini, I Turcs tal Friùl.

Die Türken im Friaul (1944).

Pasolinis Bemühungen waren von Erfolg gekrönt. Heute ist das Friulanische oder Furlanische als Minderheitensprache anerkannt.


Sehnsucht nach dem Süden

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