Читать книгу Glauben! Aber woran? - Gerhard Ebert - Страница 5
Glauben an Gott
ОглавлениеVerordnetes Glauben ist also uralt in der Geschichte. Da Glauben letztlich immer eine ganz persönliche Angelegenheit ist, man also nach außen hin einen Glauben demonstrieren kann, ohne ihn innerlich wirklich zu pflegen, ist das Glauben trotz gebotener Beharrung letztlich ein Prozess ständiger Veränderung, dem der einzelne Gläubige ausgeliefert ist. Solche Prozesse des Veränderns des Glaubens dauern Jahrhunderte, aber sie geschehen. Auch Könige können sie nicht aufhalten. So fand denn die Vielgötterei über die Jahrhunderte schließlich ein Ende. Mithin: Man glaubte einfach nicht mehr, dass für alle Vorgänge und jede Erscheinung im Leben irgendein besonderer Gott oder eine besondere Göttin verantwortlich sei.
Das heißt, je weniger die Menschen beispielsweise glaubten, dass ein Gott für den Krieg zuständig ist, sondern zu wissen glaubten, dass es die Menschen selbst sind, die Kriege anzetteln, desto geringer wurden die Chancen für einen Kriegs-Gott im menschlichen Glaubens-Katalog. Über Jahrhunderte ging es auch anderen Göttern an den Kragen, denn es bestand immer weniger Bedarf, eigenes Unwissen durch den Glauben an einen Gott zu kompensieren. Schließlich blieb nur ein menschliches Problem übrig, dem mit Denken und Wissen nicht beizukommen war: der Tod.
Wer verfügt, wann ein Mensch zu sterben hat? Irgendwer muss doch die Entscheidung treffen! Für alles, was im Leben geschieht, ist jemand oder etwas zuständig. Man mag es drehen oder wenden wie man will, die Vermutung liegt nahe, dass ein Gott für den Tod verantwortlich zeichnen könnte, zumindest ein unerklärliches nichtmenschliches Wesen mit unbeschränkter Verfügungsgewalt über die Menschen. Dieser Gott sitzt nicht mehr wie einst im Olymp, sondern weit, weit weg irgendwo im Himmel. Und dort wird er ewig residieren, so weit und so tief die Menschen auch ins Weltall vordringen werden. Denn auf Erden wird man nach wie vor sterben, gnadenlos, unabwendbar – vielleicht mit der Zeit mehr oder weniger aufschiebbar. Was ja heutzutage glücklicherweise schon öfter und zahlreicher geschieht als noch vor Jahrzehnten. Herzinfarkt beispielsweise ist zwar noch immer Schrecken genug, aber nicht mehr der von vor noch wenigen Jahrzehnten. Gestorben wird dennoch.
Freilich kann der Mensch auch glauben, es gäbe im Grunde keinerlei überirdische göttliche Kraft in Sachen Tod. Der Atheist adressiert das unabänderliche, entsetzliche Ereignis an irgendeine letztlich mystische Institution, am sinnvollsten vielleicht Schicksal genannt. Was freilich auch ein Glaube ist. An dem man sich aber in schwerer Stunde nicht ganz so gut festhalten kann wie an dem einen Gott, dessen unerforschlichem „Ratschluss“ man sich halt beugen muss, wenn er einem Leben in bestimmter Stunde und Sekunde ein Ende setzt. Zumal die diesen Gott in Anspruch nehmende weltliche Institution, die Kirche, gewissen Trost zu spenden weiß, indem sie auf den Himmel verweist.
Bei der Suche nach einer Antwort, warum nach jahrhundertelanger Vielgötterei schließlich immerhin noch ein Gott übrig geblieben ist und der Glaube daran sich seither hartnäckig hält, scheint die Rückführung auf den Tod also höchst plausibel. Gestorben wird überall nach wie vor. Daran wird sich nichts ändern. Wobei dieser eine noch geglaubte Gott von den Völkern ganz unterschiedliche Namen erhalten hat. „Gott sei Dank!“ rufen die einen, „Allah sei Dank!“ die anderen. Und das sind ganz und gar nicht die einzigen Danksagungen. Mithin: Dieser eine ist wirklich allmächtig, denn er ist für alles, wirklich alles zuständig. Und dementsprechend überfordert.
Dennoch kann dieser einzige Gott für den einzelnen Menschen ein mächtiger Anker im Leben sein. Er hat zwar in aller Welt noch nicht ein einziges Mal wirklich geholfen, aber man kann halt glauben, dass er im Spiele war oder ist. Und wer an Gott glaubt, ist im Grunde nie allein – wenn auch nur im ideellen Sinne, aber schon das kann tröstlich sein. Insofern scheint nicht verwunderlich, dass der Glaube an einen Gott schließlich institutionalisiert wurde und sich eine intelligente Gruppe von Menschen zu Sachwaltern aufschwang, um den Glauben sozusagen geistig zu profilieren, indem sie ihn dingfest machte in Gestalt einer Religion.