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Gedankenspirale

Wer kennt das nicht? Eigentlich ist man hundemüde, wälzt sich aber dennoch schlaflos im Bett hin und her. Nichts wünscht man sich sehnlicher, als endlich in einen erholsamen Schlaf zu fallen, wäre da nicht so ein quirliges Wesen, das durch unseren Kopf spukt und ständig an einer Gedankenspirale dreht. Unaufhörlich zieht diese ihre immer größer werdenden Kreise. Ich fühle mich hilflos ausgeliefert. ...

Den Brief an Anne habe ich immer noch nicht beantwortet, obwohl es eine Menge Neuigkeiten mitzuteilen gibt. Wie mag es Tante Lisbeth gehen, ob die Spritzen gegen ihre starken Rückenschmerzen geholfen haben, ich muss sie unbedingt noch in dieser Woche besuchen. Könnte ich morgen machen … allerdings, im Garten ist auch noch viel zu tun, das Wetter soll wieder schlechter werden … Am Wochenende kommen Inge und Wolfgang zu Besuch, ich wollte sie diesmal mit einem besonders leckeren Abendessen verwöhnen – oder sollten wir doch lieber einen Tisch bei unserem Lieblingsitaliener bestellen, der Tisch im Erker ist recht schön, dort sitzt man gemütlich und ungestört.

… Wie hat bloß meine Mutter früher alles so mühelos geschafft, dabei war das Leben der Eltern damals in den Nachkriegsjahren alles andere als einfach …

Erneut werfe ich mich auf die andere Seite, zum wievielten Mal? – Ich versuche es jetzt mit Atemübungen … tiiiief ein, tiiiief ausatmen – drei bis fünfmal soll man es wiederholen, ich mache es vorsichtshalber sechsmal … oder sollte ich es lieber mit Autogenem Training versuchen? – Mein rechter Arm wird schwer, mein linker Arm wird gaaanz schwer. Wie ging es noch mal weiter? Ach, könnte ich doch endlich schlafen!

Der Rat meiner Freundin Maria fiel mir plötzlich ein mit 100%tiger Erfolgsgarantie. „Stell dir einfach einen leeren Karton vor und pack da alle aufkommenden Gedanken hinein. Ganz zu unterst legst du die Altlasten hinein, dann stapelst du nach Wichtigkeit sortiert und gebündelt alles Verbleibende, verschnürst das Paket fest und entsorgst es. Schmeiß es in hohen Bogen einfach in den Rhein!“

Hmmm, ... Stichwort Paket, das Geburtstagsgeschenk für Maria muss spätesten übermorgen zur Post gebracht werden, damit es noch pünktlich ankommt ...

„Jetzt reicht’s!“ – Ich schalte die Nachttischlampe ein. Ein Blick auf den Wecker sagt mir, dass der neue Tag schon vor zwei Stunden begonnen hat.

Jetzt fällt mir noch etwas ein, man solle sich alles Belastende einfach notieren. Angeblich sieht dann, bei Tag besehen, alles gar nicht mehr so unbeherrschbar aus. Vor Tagen hatte ich mir vorsichtshalber mal das Reklameblöckchen aus der Apotheke und einen Stift in die Nachttischschublade gelegt.

Ich setze mich auf, zücke Block und Stift und überlege: „Was wollte ich nun alles notieren, wollte ich morgen im Garten arbeiten oder die Briefpost erledigen?“ – Meine Füße werden kalt … mit kalten Füßen kann man nicht schlafen, also aufstehen, dicke Socken anziehen! Ach ja, und eine schöne Tasse heißer Milch mit Honig ist geradezu verlockend.

Danach kuschele ich mich wieder zurück in die Federn und fühle mich auf einmal richtig wohl. Der Kobold in meinem Kopf scheint ebenfalls erschöpft und des Drehens an der Gedankenspirale überdrüssig geworden zu sein.

Während ich endlich in die Traumwelt abdrifte, sehe ich ihn, fast gegenständlich, in einer Schlummerecke tief entspannt ruhen.

Hängematten-Lektüre

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