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ОглавлениеInstrument 1: Fünf Phasen der Beratung – ein Grundgerüst
(in Anlehnung an: Fröhlich Luini, E./Thomann, G. (2004). Supervision und Organisationsberatung im Bildungsbereich. Bern: hep verlag, S. 116–119)
Beratung ist ein prozesshaftes Geschehen. Die meisten Darstellungen des Verlaufs von Beratungsprozessen orientieren sich am Problemlöseverfahren. Im Folgenden ist ein Modell dargestellt, das die einzelnen Phasen beschreibt. Solche Phasen können innerhalb einer einzigen Beratungssitzung relevant sein oder aber in einem längeren Beratungsprozess über mehrere Sitzungen.
Ebenso kann ein solcher Phasenplan eine Beratung innerhalb eines «Meta-Phasenplanes» strukturieren (zum Beispiel innerhalb eines Projektes, das auch andere Handlungsfelder wie Anleitung und Controlling beinhaltet); das Contracting ist in diesem Falle wahrscheinlich schon im «Meta-Phasenplan» vorgesehen.
Phasenpläne sind lineare Grundorientierungen, die nicht rigide gehandhabt werden müssen. Beispielsweise machte es einen Unterschied, ob der Klient oder die Klientin schon mit klaren Zielsetzungen in die Beratung kommt oder eben nicht.
Zu jeder skizzierten Phase werden einige zentrale Aspekte als Voraussetzungen aus beiden Perspektiven (Klientin oder Klient und Beraterin oder Berater) genannt.
Für eine differenziertere Anwendung des Phasenplanes bei einer Beratung im Hochschulalltag wird auf Instrument 2 (S. 50) verwiesen.
1.Einstiegs- und Kontaktphase/Klärung der Indikation
Die Klientin/der Klient kommt mit ihrem bzw. seinem Anliegen direkt auf die Beratungsperson zu, wird «vermittelt», oder es ergibt sich über ein Zusammentreffen der beiden das Beratungsthema. Darauf folgt ein Einstiegsgespräch oder «Kontaktgespräch». Nach dieser Phase kann – vor allem bei gegebener Freiwilligkeit – grundsätzlich von beiden Seiten entschieden werden, ob ein definitiver Beratungseinstieg überhaupt gewünscht wird oder nicht. Zugunsten der Erhöhung der Verbindlichkeit, einem gegenseitigen Commitment und der Gewährleistung von Wirksamkeit der Beratung ist dies jedoch auch bei unfreiwilligen Beratungssituationen zu empfehlen.
Die wichtigen Aspekte für die Klientin oder den Klienten sind:
Ein Problem, das nicht lösbar erscheint; eine Fragestellung, die alleine nicht bearbeitbar ist,
gute Erfahrungen mit der Beratungsperson (auch in anderen Zusammenhängen) bzw. Empfehlungen wichtiger nahestehender Personen,
Einschätzung der Kompetenz der Beratungsperson,
das Gefühl, dass er oder sie der Beratungsperson vertrauen kann und diese ihn oder sie mit allen Fragen und Schwierigkeiten akzeptiert.
Für die Beratungsperson ist in dieser Phase wichtig:
Die Einschätzung der eigenen Kompetenz in Bezug auf die gestellte Frage/das präsentierte Problem,
Offenheit und Bereitschaft, sich auf ein oder mehrere Gespräche einzulassen,
Einschätzung der Eignung einer Beratung für die vorliegende Thematik (Indikation) – evtl. ist Instruktion oder Arbeit an der Persönlichkeit angesagt,
das offensichtliche Engagement der Klientin/des Klienten für ihr bzw. sein Thema, das Interesse für dessen Bearbeitung.
2.Vereinbarungs- und Kontraktphase
(siehe auch Instrument 3, S. 62)
Wenn die Klientin oder der Klient nach der oben beschriebenen Orientierung konkret in die Beratung einsteigen will und die Beratungsperson sich in der Lage sieht, Unterstützung zu bieten, folgt entweder in einem weiteren vereinbarten Gespräch oder gleich im Anschluss an die Kontaktphase die Kontraktierung der Beratung.
In dieser Phase ist für die Klientin oder den Klienten bedeutsam:
Klare Vereinbarungen und Zielsetzungen,
die Freiheit, im Notfall die Beratung frühzeitig abzubrechen oder zu beenden,
eine Vorstellung von Vorgehensweisen und Zuständigkeiten zu erhalten (Rollen- und Vorgehensklärung),
eigene Zielvorstellungen formulieren zu können, beteiligt zu sein am Prozess der Vereinbarung.
Aus der Sicht der Beratungsperson ist wichtig:
die Klarheit der Ausgangssituation und der Zielvorstellungen,
das Verständnis für die Problemsituation,
Klärung und Transparenz der eigenen Rolle,
die Rahmenbedingungen der Beratung einschätzen können (weitere Involvierte, Anzahl Sitzungen, Frequenz, Kosten etc.) und Möglichkeiten sehen, wie die Klientin oder der Klient unterstützt werden kann,
die realistische Einschätzung der eigenen Beratungsfähigkeiten zur Bearbeitung der Situation.
Wenn im Verlaufe des Kontraktgespräches deutlich wird, dass das Problem nicht durch eine Beratung oder durch die Beratungsperson bearbeitbar ist, kann der Prozess hier abgebrochen werden.
3.Diagnose: Exposition, Situationsanalyse und Problemdefinierung
(siehe auch Instrument 4, S. 101)
Mit der Ausgangssituation beginnend, erzählt der Klient/die Klientin «die Geschichte». Im Gespräch wird gemeinsam eine genauere Analyse der Situation durchgeführt – bis die Problemdefinierung (Fokussierung) klar ist. Die «Diagnose» ist ein immer wieder vorhandenes Prozesselement. Sie wird in diesem Gespräch nicht endgültig abgeschlossen. Später werden weitere vertiefende Fragen dazukommen. Schritt für Schritt werden Mustererkennung und Durchblick für die Klientin oder den Klienten möglich. Erste Erkenntnisse werden gezogen, sogar Handlungen können erfolgen. In dieser Phase steht der Erkenntnisprozess im Mittelpunkt, das kann eine «breitere» Sichtweise (Perspektivenerweiterung) oder eine «tiefere» Sichtweise (Fokussierung) beinhalten.
Für die Klientin oder den Klienten hat hier Bedeutung:
Zeit erhalten, um die Frage zu entfalten, die Geschichte zu erzählen,
das spürbare Verständnis der Beratungsperson,
Orientierung erhalten bezüglich Mustererkennung oder Fokussierung,
das Gewinnen von Klarheit bzw. neuen Perspektiven,
die Prozessführung der Beratungsperson erfahren (Schutz).
Wichtig für die Beratungsperson ist dabei:
das Verständnis für die Situation der/des zu Beratenden,
das Interesse der Klientin/des Klienten, mehr über die Situation, über sich selbst und die Zusammenhänge zu erfahren,
Flexibilität in den Methoden und Vorgehensweisen,
die Prozessführung (roter Faden) im Auge zu behalten,
ein gemeinsames Bild der zu bearbeitenden Situation zu skizzieren.
4.Arbeit an der Problemlösung/Entscheid für ein Vorgehen
Aufgrund der gemeinsam verstandenen Situation und der Definierung des Problems/der Fragestellung werden Lösungswege gesucht und ausgewählt. Es folgen Vereinbarungen für die nächsten Schritte und deren Überprüfung.
Für die Klientin oder den Klienten ist dabei bedeutsam:
sich selbst für einen Lösungsweg entscheiden zu können,
sich in der Lage zu sehen, einen Lösungsweg zu erproben (Umsetzung),
die Sicherheit zu erhalten, erprobte Lösungswege mit der Beratungsperson zu evaluieren.
Wichtig für die Beratungsperson ist dabei:
die Lösungswege gemeinsam zu erarbeiten,
die Sicherheit, dass die Klientin oder der Klient in der Lage ist, die vereinbarten Lösungswege zu erproben,
mit der Option zu rechnen, dass der Erfolg evtl. noch nicht eintritt.
5.Abschlussphase
Steht der Beratungsprozess kurz vor dem Abschluss, ist es für beide Beteiligten wichtig, zurückzublicken, die Ziele in der Vereinbarung zu überprüfen und Abschied zu nehmen. Es geht aber auch darum, nach vorne zu blicken und die neue Perspektive wenn möglich zu «sichern». Die Evaluation des Prozesses soll vor dem definitiven Schlussgespräch erfolgen (z. B. in der vierten von fünf Sitzungen) – sodass offene Fragen in der letzten Sitzung geklärt werden können.
Wichtig für die Klientin oder den Klienten:
Umgesetztes als Erfolg zu erleben,
etwas gelernt zu haben,
unterstützt und gefordert worden zu sein.
Wichtig für die Beratungsperson:
einen guten Abschluss zu gestalten,
den Eindruck wirkungsvoller Arbeit zu erhalten,
positive und negative Rückmeldungen zu den Interventionen während des Beratungsprozesses erhalten.
Es empfiehlt sich, schon im Abschlussgespräch einen Zeitpunkt zu vereinbaren, an dem beide Beteiligten kurz im Sinne eines «Nach-Checks» über die Nachhaltigkeit der Beratung sprechen. Das kann auch im Rahmen eines Telefongespräches geschehen.